• Keine Ergebnisse gefunden

C. Beschränkung des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie

II. Good News

Der Rechtssache Good News lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde:83 Die Verlagsgesellschaft RLvS vertreibt im Raum Stuttgart ihr Anzeigenblatt „Good News“.

Dabei enthielt die Ausgabe von Juni 2009 zwei redaktionelle Beiträge, für die RLvS von Sponsoren ein Entgelt erhalten hatte. Der erste dieser beiden Beiträge, der eine Dreiviertelseite einnahm, trug die Überschrift „VfB VIP-Geflüster“ und beinhaltete eine redaktionelle Bildberichterstattung über prominente Gäste des VfB StuttgArt. Zwischen der Titelanzeige und der umfassenden Bildberichterstattung befand sich der Hinweis darauf, dass der Beitrag von Dritten finanziert wurde. Es handelte sich dabei um einen

„sponsored by“-Hinweis mit grafischer Hervorhebung des Firmennamens „Scharr“.

Unterhalb des Beitrags befand sich eine mit einem Trennstrich abgetrennte und mit dem Wort „Anzeige“ kenntlich gemachte Werbung für das Produkt „Scharr Bio Heizöl“. Der zweite Beitrag war auf eine ähnliche Art und Weise gestaltet und beinhaltete ein redaktionelles Kurzporträt der Stadt Leipzig. Er enthielt ebenso einen grafisch hervorgehobenen Hinweis auf das Unternehmen, hier Germanwings, mit dem Zusatz

„sponsored by“. Darunter befand sich auch hier eine mit dem Wort „Anzeige“ kenntlich gemachte Werbung für Germanwings, die ebenso mit einem Trennstrich vom Beitrag abgesetzt war.

Die Klägerin, die das Stuttgarter Wochenblatt herausgibt, war der Auffassung, dass die beiden fraglichen Veröffentlichungen einen Verstoß gegen § 10 LPresseG darstellen, weil sie nicht deutlich mit dem Wort „Anzeige“ gekennzeichnet seien. Daher machte die Klägerin einen Unterlassungsanspruch nach § § 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m.

§ 10 LPresseG geltend. Gegen dieses Vorbringen wandte RLvS ein, dass § 10 LPresseG nicht anwendbar sei, da er gegen Unionsrecht verstoße.

Auf der Grundlage dieses Sachverhalts setzte der BGH das Verfahren aus, um eine Vorabentscheidung einzuholen.84 Der BGH hatte Bedenken, ob die uneingeschränkte Anwendung des § 10 LPresseG im Rahmen von § 4 Nr. 11 UWG im Einklang mit dem Unionsrecht steht.85 Dies bezweifelte er insbesondere deshalb, weil die UGP-Richtlinie in ihrem Anwendungsbereich zu einer vollständigen Harmonisierung führe und dementsprechend eine nationale Bestimmung, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie falle, eine Grundlage im Unionsrecht haben müsse.86 Innerhalb des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie dürften die Mitgliedstaaten keine strengeren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen.87 § 10 LPresseG habe zwar seine Grundlage in den Irreführungsverboten der UGP-Richtlinie.88 Im Gegensatz zu

§ 10 LPresseG verlange die UGP-Richtlinie aber keine zwingende Kennzeichnung mit

83 EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 – Good News, GRUR 2013, 1245.

84 EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 – Good News, GRUR 2013, 1245.

85 BGH, Urt. v. 19.07.2012, I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 Rn. 9.

86 BGH, Urt. v. 19.07.2012, I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 Rn. 12.

87 BGH, Urt. v. 19.07.2012, I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 Rn. 12.

88 BGH, Urt. v. 19.07.2012, I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 Rn. 13.

dem Begriff „Anzeige“.89 Somit stellt § 10 LPresseG strengere Anforderungen an das Verhalten der Presseunternehmen als die unionsrechtlichen Vorgaben.90

Dennoch stand aus Sicht des BGH nicht zweifelsfrei fest, ob in vorliegendem Fall die UGP-Richtlinie einer Anwendung von § 10 LPresseG entgegensteht.91 Die Bedenken des BGH ergaben sich aus den von § 10 LPresseG gleichrangig nebeneinander verfolgten Zielen. Zum einen bezwecke er die Irreführung des Lesers zu verhindern, wobei sich eine Irreführung sich häufig daraus ergebe, dass Verbraucher Werbemaßnahmen, die als redaktionelle Inhalte getarnt sind, unkritischer gegenüberstehen als einer Wirtschaftswerbung, die als solche erkennbar ist.92 Zum anderen diene das Gebot der Trennung der Werbung vom redaktionellen Teil in § 10 LPresseG der Objektivität und Neutralität der Presse.93 Insofern stelle das Trennungsgebot eine konkrete Ausprägung der durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Pressefreiheit und des durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG garantierten Anspruchs der Leserschaft auf freie Information durch die Presse dar.94 Aus diesem Grund bezweifelte der BGH die Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung des § 10 LPresseG.95

Betrachtet man die dieser Rechtssache vorangegangenen und in Abschnitt B.II dargelegten Entscheidungen des EuGH, so könnte angenommen werden, dass der EuGH auch hier den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie eröffnet sah. Denn § 10 LPresseG hat, wie vom BGH dargelegt,96 zumindest auch den Verbraucherschutz zum Ziel. Nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtsache Mediaprint fällt eine Vorschrift bereits dann in den Anwendungsbereich der UGP-Richlinie, wenn die Vorschrift zumindest teilweise auch den Verbraucherschutz bezweckt.97

Ähnlich argumentierte auch Generalanwalt Wathelet in seinen Schlussanträgen.98 Er sah den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie eröffnet und war der Auffassung, die Richtlinie stehe der Anwendung des § 10 LPresseG entgegen.99

Umso mehr überraschte die Entscheidung des EuGH. Dieser schloss sich nicht den Schlussanträgen seines Generalanwalts an.100 Stattdessen verneinte er bereits die Eröffnung des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie.101 Dies begründete er damit, dass es sich bei dem zur Diskussion stehenden Verhalten nicht um eine Geschäftspraktik i.S. von Art. 2 lit. d UGP-RL handle.102 Die betreffenden

89 BGH, Urt. v. 19.07.2012, I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 Rn. 14.

90 BGH, Urt. v. 19.07.2012, I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 Rn. 14.

91 BGH, Urt. v. 19.07.2012, I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 Rn. 15.

92 BGH, Urt. v. 19.07.2012, I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 Rn. 10, Rn. 15.

93 BGH, Urt. v. 19.07.2012, I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 Rn. 10, Rn. 15

94 BGH, Urt. v. 19.07.2012, I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 Rn. 15.

95 BGH, Urt. v. 19.07.2012, I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 Rn. 15.

96 BGH, Urt. v. 19.07.2012, I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056, Rn. 15.

97 Siehe Abschnitt B.II.2.

98 Schlussanträge des GA Wathelet, Rn. 28 f., zu EuGH Rs. C-391/12.

99 Schlussanträge des GA Wathelet, Rn. 33, Rn. 52, zu EuGH Rs. C-391/12.

100 EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 – Good News, GRUR 2013, 1245 Rn. 50.

101 EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 – Good News, GRUR 2013, 1245 Rn. 41.

102 EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 – Good News, GRUR 2013, 1245 Rn. 41.

Veröffentlichungen seien nicht geeignet, das Produkt des Presseverlegers zu bewerben, sondern nur die Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen, die die erschienenen Artikel finanziert haben.103 Es handele sich bei den entgeltlichen Beiträgen also allenfalls um eine unmittelbare Absatzförderung für die Produkte der werbenden Unternehmen.104 Darüber hinaus seien die Veröffentlichungen nicht geeignet, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers bei seiner Entscheidung, das gratis verteilte Printwerk zu erwerben, zu beeinflussen.105 Daher verneinte der EuGH das Vorliegen einer Geschäftspraktik i.S. von Art. 2 lit. d UGP-RL.106

Weiter argumentierte der EuGH mit dem Verhältnis der UGP-Richtlinie zu der Richtlinie 2010/13/EG über audiovisuelle Mediendienste.107 Die UGP-Richtlinie habe nicht die Aufgabe die Interessen der Mitbewerber des Presseverlegers zu schützen.108 Dagegen erfasse die Richtlinie 2010/13/EG derartige Verhaltensweisen im Bereich der audiovisuellen Medien.109 Für Printmedien bestehe auf Unionsebene noch keine Regelung dieser Art.110 Es stehe daher den Mitgliedstaaten frei, in diesem Bereich Normen zum Schutze der Verbraucher zu erlassen.111

Indes zeigt die Entscheidung des EuGH, dass die UGP-Richtlinie nicht allein den lauterkeitsrechtlichen Kernbereich berührt, sondern ihre Vorgaben auch bei der Auslegung und Anwendung solcher Normen relevant sein können, an die bei der Erarbeitung und Verabschiedung der UGP-Richtlinie möglicherweise gar nicht gedacht wurde.112 Trotz der Begründung des EuGH muss der Grund für die Verneinung des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie nämlich in dem presserechtlichen und damit grundrechtlichen Bezug des Falles gesehen werden.113 Gleichwohl nutzte der EuGH nicht die Chance, das Gebot redaktioneller Trennung im Wege der Gesamtanalogie zu einem allgemeinen Unionsprinzip zu erheben.114 Dadurch hätte gewährleistet werden können, dass das Gebot der redaktionellen Trennung auch außerhalb der sekundärrechtlich ausdrücklich geregelten Bereiche Beachtung findet und in der Lage ist, korrespondierende mitgliedstaatliche Regelungen zu tragen.115 Ebenso wenig war der EuGH bereit, den Geltungsanspruch der UGP-Richtlinie auf Totalharmonisierung zu relativieren.116 Stattdessen versuchte er unter dem Gesichtspunkt der „Förderung des

103 EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 – Good News, GRUR 2013, 1245 Rn. 39.

104 EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 – Good News, GRUR 2013, 1245 Rn. 40; Alexander, WRP 2013, 1577.

105 EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 – Good News, GRUR 2013, 1245 Rn. 41.

106 EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 – Good News, GRUR 2013, 1245 Rn. 41.

107 EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 – Good News, GRUR 2013, 1245 Rn. 41.

108 EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 – Good News, GRUR 2013, 1245 Rn. 42; Alexander, WRP 2013, 1577.

109 EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 – Good News, GRUR 2013, 1245 Rn. 48; Alexander, WRP 2013, 1577.

110 EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 – Good News, GRUR 2013, 1245 Rn. 49; Alexander, WRP 2013, 1577.

111 EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 – Good News, GRUR 2013, 1245 Rn. 49.

112 Alexander, WRP 2013, 1577.

113 Glöckner, FS Köhler, S. 159, S. 164.

114 Glöckner, FS Köhler, S. 159, S. 164.

115 Glöckner, FS Köhler, S. 159, S. 164.

116 Glöckner, FS Köhler, S. 159, S. 164.

Absatzes Dritter“ die spezifisch grundrechtliche Problematik der lauterkeitsrechtlichen Haftung von Medienunternehmen zu lösen.117

Hierbei hätte der EuGH jedoch auf Basis des grundrechtlichen Bezugs der Good News-Entscheidung die Gelegenheit nutzen sollen, die überschießenden Aussagen der Rechtsprechung VTB, Plus und Mediaprint zu relativieren.118 Dabei hätte er den Anwendungsbereich und die Reichweite der Totalharmonisierung durch die UGP-Richtlinie auf ihren Schutzzweck abstimmen können.119 Diese Chance ließ der EuGH jedoch verstreichen.120

Die Good News–Rechtsprechung hat daher weitreichende Konsequenzen: Seit der Entscheidung des EuGH kann nicht mehr von einer Totalharmonisierung des verbraucherbezogenen Lauterkeitsrechtes die Rede sein.121 Bisher waren die in Abschnitt B.II. dargelegten Anwendungsvarianten des UWG bekannt: Bezweckt eine Vorschrift zumindest teilweise den Verbraucherschutz oder erfolgt die Geschäftspraktik gegenüber Verbrauchern, so ist der Anwendungsbereich des harmonisierten UWG eröffnet.122 Betrifft eine Vorschrift dagegen unlautere Geschäftspraktiken, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern beeinträchtigen oder bezieht sich die Geschäftspraktik auf Rechtsgeschäfte zwischen Gewerbetreibenden, ist der Anwendungsbereich des „nicht harmonisierten“ UWG gegeben.123 Aufgrund der Entscheidung des EuGH kommt nun eine dritte Variante hinzu: Immer dann, wenn die enge Definition der Geschäftspraktik des EuGH nicht erfüllt werden kann, kommt das rein nationale Lauterkeitsrecht zur Anwendung und zwar selbst dann, wenn Verbraucherinteressen berührt sein sollten.124 Dies betrifft dabei vor allem Fälle der Förderung fremden Absatzes.125 Den Mitgliedstaaten bleibt es fortan überlassen, Drittförderungsfälle in den Schranken des Unionsrechts zu regeln.126

Abschließend bleibt festzuhalten, dass durch die Good News–Rechtsprechung des EuGH zukünftig ein weiter Bereich des Wettbewerbsrechts außerhalb der Totalharmonisierung der UGP-Richtlinie steht.127 Neben den Ausnahmebereichen des Art. 3 Abs. 2 – 10 UGP-RL steht künftig der von der UGP-Richtlinie nicht erfasste Bereich der Drittförderung.128

117 Glöckner, FS Köhler, S. 159, S. 165.

118 Glöckner, FS Köhler, S. 159, S. 166.

119 Glöckner, FS Köhler, S. 159, S. 166.

120 Glöckner, FS Köhler, S. 159, S. 166.

121 Hamacher, GRUR-Prax. 2014, 365, 366.

122 Hamacher, GRUR-Prax. 2014, 365, 366.

123 Hamacher, GRUR-Prax. 2014, 365, 367.

124 Hamacher, GRUR-Prax. 2014, 365, 367; vgl. Alexander, WRP 2013, 1577, 1578.

125 Hamacher, GRUR-Prax. 2014, 365, 367.

126 Glöckner, FS Köhler, S. 159, S. 167.

127 Glöckner, FS Köhler, S. 159, S. 167.

128 Glöckner, FS Köhler, S. 159, S. 171.

D. Umsetzung der UGP- Richtlinie: „B2C“ und „B2B“ im