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[7.1] Instinktives Verhalten

Im Dokument Grundlagen der Psychologie (Seite 114-118)

An den Verhaltensweisen eines Lebewesens kann man verschiedene Formen unterscheiden: das angeborene Verhalten, das erlernte Verhalten, das Neugier- und Spiel-Verhalten, das instinktive, das triebhafte oder das einsichtige Handeln.

Die Auslösung eines instinktiven Verhaltens erfordert einen nervösen Mechanismus, der einen Schlüsselreiz von den übrigen Reizen unterscheidet. Verantwortlich dafür sind Gruppen von spezifischen Nervenzellen, die - miteinander vernetzt - in verschiedenen Teilen des Gehirns liegen. Man nennt ein solches neuronale System, das aus der Menge von Reizen den Schlüssel-reiz erkennt und eine passende Verhaltensweise (Endhandlung) aktiviert, einen auslösenden Mechanismus (AM).

Der auslösende Mechanismus kann angeboren (AAM) oder erlernt (EAM) sein. Menschen können auf eine Kombination von bestimmten Körpermerkmalen, die für Kleinkinder typisch sind ("Kindchen-Schema") mit positiven Gefühlen und betreuender Zuwendung reagieren. Der zugehörige Auslösemechanismus wird als angeboren betrachtet. Zur auslösenden Reizkombi-nation gehören: hohe Stirn, große Augen, Pausbacken, Stupsnase und rundliche Körperformen.

Einen Beleg dafür, dass dieser Auslösemechanismus dem Menschen angeboren ist, liefert die folgende Beobachtung: Menschen aus den verschiedensten Kulturen appellieren an andere mit Hilfe kleiner Kinder. Oft werden diese auch zum Betteln mitgenommen.

Betreuende Zuwendung kann auch von Tierjungen oder von erwachsenen Tieren ("Schoßtieren") ausgelöst werden, wenn ihre Körperformen etwa dem "Kindchen-Schema" entsprechen. Auch das "Weibchen-Schema" mit seinen typischen weiblichen Körperproportionen wirkt als starker Schlüsselreiz für das Verhalten und wird von der Werbung verwendet, um Aufmerksamkeit und Kaufverhalten zu steuern.

Weitere Beispiele für das tierische, instinktive Verhalten sind der Netzbau der Spinnen, die

"Sprache" der Bienen, die Laichwanderungen der Fische, der Vogelzug, der Nestbau der Vögel und die mannigfaltigen Ausdrucksbewegungen bei der Balz, so wie der Kampf mit Artgenossen.

Jedes Instinktverhalten gliedert sich grundsätzlich in zumindest zwei klar unterscheidbare Phasen. Die durch Deprivation (d.h. durch eine längere Zeit ohne eine entsprechende Befriedi-gung) erzeugte nervöse Erregung führt zunächst zu einem relativ ungerichteten Suchverhalten (Appetenz) und dann in die konsumatorische motorische Endhandlung. Während die Suche nach dem Auslösereiz flexibel und umweltangepasst ist, läuft die Endhandlung (die eigentliche Befriedigung) immer motorisch starr ab. Ein Mäusebussard zieht suchend seine Kreise über den Feldern (Appetenzverhalten). Entdeckt er eine Maus, stößt er auf sie hinunter, greift, tötet und verzehrt sie (motorische Endhandlung).

Eine Instinkthandlung läuft nur dann ab, wenn eine innere Bereitschaft dazu besteht. Die Hand-lungsbereitschaft (Antrieb) kann durch innere oder äußere Faktoren aktiviert werden. Innere Faktoren sind z.B. der Glukosemangel bei Hungerzuständen, Hormone, usw. Ein äußerer Reiz, der eine instinktive Verhaltensweise auslöst, heißt Schlüsselreiz. Welche Reize als Schlüsselreize wirken, lässt sich durch Attrappenversuche feststellen. So kann man das Beutefangverhalten des Frosches durch kleine bewegte Papierschnitzel auslösen, die an einem Faden befestigt sind.

Beim Frosch wird das Beutefangen durch kleine, sich schnell bewegende Objekte ausgelöst.

Eine Gluckhenne eilt einem unsichtbaren Küken auf dessen Klagerufe zu Hilfe. Sie kümmert sich jedoch nicht darum, wenn das Küken sichtbar ist, aber hinter einer schalldichten Glaswand sitzt. Nur der Hörreiz allein wirkt hier als Auslöser.

Ein Beispiel: Fliegenfangen durch einen Frosch. Ein Frosch, der längere Zeit gehungert hat, kommt aus seinem Ver-steck und bezieht eine Warteposition.

Beim Anblick einer Fliege (S1) wendet er sich dieser dann so zu, dass die Spitze seines Mauls auf sie gerichtet ist.

Wenn das Beuteobjekt in Reichweite ist (S2), zögert er kurz, springt, schnellt die Zunge gegen die Fliege, zieht die Zunge wieder ein und verschluckt die Beute (Endhandlung).

Bewegt sich die Fliege während des kurzen Zögerns, dann fährt die Zunge daneben. Der Zungenschlag kann nicht mehr ortskorrigiert werden. Er läuft immer starr ab.

Die Stärke einer Verhaltensweise ist abhängig von der Intensität des auslösenden Reizes und der inneren Antriebsstärke. Daraus folgt, dass die gleiche Stärke einer Reaktion entweder bei stark auslösendem Reiz und schwachem Antrieb oder bei schwach auslösendem Reiz und starkem Antrieb auftritt (Prinzip der doppelten Quantifizierung). Je schmackhafter das Essen ist, umso mehr verzehrt man auch bei geringem Hunger. Je größer der Hunger, umso weniger wählerisch ist man bei den Speisen. In der Triebnot sinkt der Qualitätsanspruch (Schwellenerniedrigung).

Der Antrieb für eine Verhaltensweise kann auch künstlich hervorgerufen werden, und zwar mittels Gehirnreizung. Dies gelang zuerst W.R. Hess bei Katzen. Er erzeugte durch elektrische Reizungen des Gehirns einen überstarken Antrieb zur Nahrungsaufnahme. Daraufhin versuchten die Katzen, fast alle Objekte zu fressen, die in ihrer Reichweite lagen, selbst wenn diese völlig ungenießbar waren. Mit verbesserter Technik führte E.V. Holst diese Versuche an Hühnern fort.

Er reizte mit verschiebbaren Elektroden von 0,18 mm Durchmesser verschiedene Stellen im Zwischen- und Mittelhirn und konnte damit Aggressionen auslösen. Bei niederer Reizspannung gackerte das Huhn aufmerksam und lief unruhig umher. Durch Erhöhung der Reizspannung ließen sich Drohen, Angriff und Flucht hervorrufen.

Die gleiche Reaktionskette, wie sie durch künstliche Reizungen ausgelöst wird, ist auch in der Natur gegen Bodenfeinde zu beobachten: Aufmerken - Unruhigwerden - Androhen des Feindes - Angriff oder Flucht, wenn der Feind nicht flieht.

Die Versuche zeigen, dass das Verhalten an bestimmte nervöse Strukturen gebunden ist, und dass die, dem Verhalten zu Grunde liegenden zentralnervösen Programme hierarchisch abgestuft sind, erkennbar an verschieden hohen Auslösungsschwellen der Einzelreaktionen.

Viele Beobachtungen an Tieren haben ergeben, dass sich zwei Antriebe nicht gleichzeitig in Handlungen umsetzen lassen. Die, den verschiedenen Antrieben zugeordneten Verhaltensweisen laufen vielmehr zeitlich nacheinander ab. Der Beute fangende Frosch, der bei der Fixierreaktion gestört wird, flüchtet sofort. In dieser Situation gewinnt der stärker aktivierte Antrieb zur Flucht die Oberhand und nicht derjenige für die Beutefanghandlung. Sind die konkurrenzierenden Antriebe etwa gleich stark (Konflikt), dann werden oft sinnlose und unzweckmäßige Leerlauf-handlungen ausgeführt.

Die Prägung ist eine von Konrad Lorenz entdeckte besondere Form des Lernens. Gänseküken folgen kurz nach dem Schlüpfen demjenigen bewegten Objekt (Mensch, fahrender Wagen), das sie zuerst sehen (angeborene Nachfolgereaktion). Unter natürlichen Umständen ist dies das Muttertier. Wird die Reaktion jedoch zuerst von einem Menschen ausgelöst, so folgt das Küken fortan nur noch dem Menschen und nicht der Mutter. Die Prägung bezieht sich aber nur auf eine bestimmte Reaktion und ist ausschließlich in einer zeitlich begrenzten, sensiblen Periode im Leben des Tieres möglich. Bei Gänsen liegt die sensible Periode zur Prägung des Nachfolgens in den ersten Stunden nach dem Schlüpfen. Durch Prägung erlerntes Verhalten kann im Laufe des Lebens normalerweise nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Das balzende Männchen der Seeschwalbe bietet dem Weibchen im Flug einen gefangenen Fisch an, den es im Schnabel trägt. Das Anbieten von Futter kommt sonst nur bei Aufzucht der Jungen vor. Beim Sexualverhalten wird dieses Verhaltenselement zu einem besonderen Signal: Es zeigt dem Weibchen an, dass es vom Männchen umworben wird. Solche zu optischen Signalen umge-bildete instinktive Handlungen, welche einprägsam und unverwechselbar sind, heißen Aus-drucksbewegungen. Sie haben mitteilende Funktion und dienen im sozialen Leben der Art als Verständigungsmittel. Man bezeichnet die Erscheinung, dass ein bestimmtes Verhaltenselement durch Bedeutungswechsel zu einem neuen, unverwechselbaren Verständigungsmittel unter Art-genossen wird, als Ritualisierung. Durch Ritualisierung wird das Register der Auslöser sehr stark erweitert. Das ist biologisch bedeutsam, weil im Sozialleben neue Situationen auftreten können, die mitteilbar gemacht werden müssen, z.B. die Koordinierung des gemeinsamen Jagens einer Beute, die gemeinsame Brutpflege oder die gemeinsame Abwehr von Feinden.

Das angeborene Verhalten gliedert sich in einfache, unbedingte Reflexe und in komplexere Instinkthandlungen. Diese laufen automatisch immer dann ab, wenn ein spezifischer äußerer Auslösereiz einen angeborenen oder erlernten Auslösemechanismus aktiviert - auch dann, wenn die Konsequenzen des Verhaltens sinnlos oder destruktiv sind. So ignorieren viele Vögel ihre eigenen Eier und bebrüten sie nicht, wenn ein großes künstliches Ei (Attrappe) ins Nest gelegt wird, welches die spezifischen Auslösemerkmale für das Brutpflegeverhalten in stärkerem Maße aufweist als die natürlichen Eier. Das instinktive Verhalten ist blind gegenüber den Handlungs-konsequenzen. Das motivierte Verhalten ist mehr als nur Instinkt. Die Motivation wird geleitet von der Antizipation (vorwegnehmende Vorstellung) und der Erwartung des Verhaltenszieles.

Während motiviertes Verhalten durchaus unterschiedliche Handlungsprogramme für ein- und dasselbe Ziel verwenden kann, bleibt instinktives Verhalten im Wesentlichen konstant. Triebe sind motiviertes Verhalten und als schichtweise aufgebaute (hierarchische) Handlungsketten gegliedert, deren unterste Ebene immer aus angeborenen Reflexen und Instinkten besteht.

[7.2] Regelkreise

Ausgangspunkt für viele Triebe ist ein gestörtes, biologisches Gleichgewicht (Homöostase). Das kann beim Hunger der Zuckergehalt im Blut oder beim Durst der intrazelluläre Salzgehalt sein.

Die Abweichung vom biologisch notwendigen Gleichgewichtszustand spiegelt sich in der Trieb-stärke wider. Diese ist wesentlich durch die Zeitspanne bestimmt, die seit dem letzten Ausgleich des Ungleichgewichtes verstrichen ist (Deprivation, Entbehrung, Enthaltung). Je länger die Deprivationsphase dauert, umso stärker wird der Drang zur Triebhandlung. Viele vitale Triebe können mithilfe von Regelkreis-Modellen beschrieben werden.

Beispiel: Regelung der Raumtemperatur.

Messwerk = Thermostat, Stellwerk = Heizung, X = Raumtemperatur, Y = eingestellte Temperatur, Z = Außentemperatur.

Die Neurobiologie hat bereits jene Schaltstellen im Gehirn erforscht, welche die jeweiligen Ist-Werte (zumeist chemische Stoffkonzentrationen) mit den biologisch festgelegten Soll-Ist-Werten vergleichen und je nach Vergleichsergebnis die motorischen Triebhandlungen aktivieren. Man spricht in diesem Zusammenhang von so genannten Triebzentren, die man sich aber nicht als isolierte, eng begrenzte Neuronenhaufen, sondern als vernetzte Schaltkreise vorstellen muss.

Homöostatische Triebe: Durst, Hunger und Schlaf.

Sind die biologischen Soll-Werte variabel, d.h. stark von Lernprozessen und Umgebungs-situationen abhängig (Verfügbarkeit des Triebobjektes, Anreiz des Triebobjektes), dann spricht man von nicht homöostatischen Trieben:

Neugierde, Sexualität, Bindungsbedürfnis, Geltungsdrang und Aggression.

Unter Triebbefriedigung wird schließlich jenes Verhalten verstanden, welches nach einer Deprivationsphase das vital notwendige Gleichgewicht wiederherstellt. Mit der Triebbefriedi-gung verbunden ist ein Gefühl der Lust, während ein länger unbefriedigter Trieb Unlust hervor-ruft. Jede Triebbefriedigung bedeutet einen biologischen Erfolg und wirkt ihrerseits als Ver-stärker im Sinne des instrumentellen Lernens. So werden verschiedene Reize, nicht nur die ursprünglichen Auslösereize, mit zielführendem Verhalten verknüpft (Anreizhervorhebung).

Die Bedürfnispyramide von Abraham Maslow (1943):

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