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3 Informationsgehalt latenter Steuern

3.1 Vermutungen über den Informationsgehalt latenter Steuern .1 Behandlung latenter Steuern in der Unternehmensanalyse .1 Behandlung latenter Steuern in der Unternehmensanalyse

3.1.2 Informationsökonomische Erklärungsansätze

Informationsökonomischen Erklärungsansätzen zur Bewertungsrelevanz latenter Steu-ern liegt die Hypothese zugrunde, dass der handelsrechtliche Steueraufwand (einschließ-lich latenter Steuern) informativer ist als aktuelle Steuerzahlungen. Frag(einschließ-lich ist nur, worüber latente Steuern, die maßgeblich den Unterschied zwischen Steueraufwand und Steuerzahlungen bewirken, infonnieren. Den Zusammenhang zwischen latenten Steuern und dem Aktienkurs, der die Bewertung der Informationen über ein Unternehmen durch den Markt ausdrückt, versuchen folgende Hypothesen305 zu erklären:

I. Verbindlichkeitshvoothese

Latente Steuern infonnieren über zukünftige Steuerzahlungen. Sie sind zwar noch nicht rechtlich begründet, so dass sie keinen Anlass zur Bildung einer Rückstellung für Steu-erzahlungen geben, aber die Tatsache, dass in der Steuer- und Handelsbilanz

unter-302 Vgl. ACHLEITNER (1995), S. 55.

303 Vgl. KARLINSKY (1983), S. 65-76.

304 V g1. CHEUNolKRISHNANIMIN (1997), S. 2. Wären sämtliche bewertungsrelevante öffentlich zugäng-liche Infonnationen in den Aktienkursen enthalten, dann wäre die Analyse von Jahresabschlüssen ir-rational, da sie mit Kosten verbunden ist, aber keinen Erfolg verspräche. Bewertungsrelevante In-fonnationen können aber nur dann im Kurs enthalten sein, wenn sie - und sei es nur von wenigen Marktteilnehmem - ausgewertet wurden. Würde keiner der Akteure Infonnationen auswerten, weil alle glauben, dass sie bereits in den Kursen enthalten sind und somit keine Überrendite durch die Auswertung erzielbar wäre, dann wären die Infonnationen auch nicht im Kurs enthalten und die Auswertung wäre wiederum sinnvoll (efficient market hypothesis-Paradoxon). Vgl. HINES (1982), S. 296-302; LEV (1974), S. 221; MÜLLER (1992), S. 17; SCHNEIDER (1989), S. 635; STEINERfBRUNS (1998), S. 42-48.

305 Vgl. zusammenfassend CHANEV/JETER (1994), S. 94-96.

schiedliche Werte angesetzt sind, führt unter der Annahme, dass die in der Handelsbi-lanz ausgewiesenen Werte den ökonomisch zutreffenderen Wert darstellen,lu. zu der Vermutung, die Steuerlatenz sei wirtschaftlich verursacht.:107 Diese Sichtweise verbindet direkt die latente Steuer mit dem Unternehmenswert. Generell gilt bei Gültigkeit dieser Theorie, dass eine passive latente Steuer bzw. latenter Steueraufwand, der zur Erhöhung einer passiven latenten Steuer führt, negativ korreliert ist mit dem Unternehmenswert.

Zur Bewertung ist jedoch die Ursache der Entstehung wichtig, welche Aufschluss dar-über gibt, in welcher Frist und mit welcher Wahrscheinlichkeit die passive latente Steu-er reduziSteu-ert wSteu-erden kann.

2. Gewinnglättungsmanagement

Angenommen, ein Unternehmen nutzt für die steuerliche Gewinnermittlung Ansatz-und Bewertungsmethoden, die nicht beeinflussbar sind,'os dann könnte die latente Steuer signalisieren, in welchem Ausmaß aus Gründen der Offenlegung und der Information des Kapitalmarktes Wahlrechte genutzt werden. Gewinne können in vielfältiger Art und Weise manipuliert werden. Obwohl die Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden und eine Änderung dieser in der Regeloffengelegt werden müssen, sind so nur explizite Wahlrechte zu erfassen. Daneben bestehen jedoch noch implizite Wahlrechte bzw.

Ermessensspielräume durch Schätzungen des Managements (bspw. über die Nutzungs-dauer von Vermögensgegenständen, Wahrscheinlichkeit von Gewährleistungsverpflich-tungen), die nicht offengelegt werden.309 Die Volatilität des latenten Steueraufwands bzw. -ertrags könnte dann Informationen über Gewinnmanipulation enthalten, wenn die steuerlichen Wahlrechte stetig ausgeübt werden110 und die Änderung latenter Steuern diskreter Natur ist.lJl Die letzte Annahme soll verhindern, dass die Volatilität durch

106 Diese Annahme kann - zumindest bei Abschlüssen nach HGB - durch die starke Betonung des Vorsichtsprinzips in Zweifel gezogen werden. Hierdurch wird die Darstellung der Vermögens- und Ertragslage möglicherweise stärker verzerrt als durch fiskalpolitische Einflüsse, die in der Regel mit deutlich geringeren "Spielräumen" verbunden sind.

107 Vgl. CHANEY/JETER (1994), S. 94.

lOS Es bestehen keine materiellen steuerlichen Wahlrechte.

109 Anreiz zum Gewinnglättungsmanagement ist die Jobsicherheit des Managements. Manipulations-masse ist die aktuelle und die zukünftige Gewiunsituation. Dabei werden aktueJle Gewinne verbes-sert, wenn diese eher gering sind, aber zukünftig hohe Gewinne erwartet werden. Im Gegensatz zu dieser Situation werden aktueJl hohe Gewinne "gespart", wenn zukünftig geringere Gewinne erwartet werden. Vgl. zu dem empirischen Nachweis u.a. DEFoND/PARK (1997), S. 115-139.

JlO Diese Annahme könnte auch durch die Annahme der steuerminimierenden Wahlrechtsausübung ersetzt werden.

1I1 Auch die Studie von MCNICHOLSIWILSON, in der die Gewinnglättungshypothese (income smoothing

Sachverhalte erhöht wird, die nicht durch eine Wahlrechtsänderung hervorgerufen wird.312 Der Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des earnings management und dem Aktienkurs müsste abhängig von der Richtung der Ergebnisbeeinflussung sein. Dem-nach ist unerwarteter latenter Steueraufwand313 negativ korreliert mit erwarteten Gewin-nen und dem Unternehmenswert.

3. Qualität des Managements

Wenn die Annahme aufgehoben wird, dass Untemehmen immer die steuerlich günstigs-ten Gestaltungsmöglichkeigünstigs-ten wählen, können lagünstigs-tente Steuern signalisieren, inwiefern es dem Unternehmen gelingt, Steuerbelastungen in die Zukunft zu verlagern. Hohe passive latente Steuern bzw. ein hoher Anteil latenter Steuern am Gesamtsteueraufwand sind demnach ein Signal dafUr, dass das Management fähig ist, Steuerzahlungen zu verschie-ben. Dadurch vermindert es den (negativen) Barwert der Steuerzahlungen und minimiert die Steuerbelastung. Nach dieser Erklärung besteht ein positiver Zusammenhang zwi-schen passiven latenten Steuern bzw. latentem Steueraufwand und dem Unternehmens-wert.314

4. Wachsturnsprognosen

Bedingt durch die relative Bedeutung von Abschreibungsunterschieden als Ursache fUr latente Steuern könnten latente Steuern Unternehmenswachsturn signalisieren.315 Vor-ausgesetzt, steuerliche Abschreibungsmethoden führen dazu, dass Vermögensgegens-tände in der Steuerbilanz schneller abgeschrieben werden als in der Handelsbilanz, dann weist die Zunahme passiver latenter Steuern bzw. ein latenter Steueraufwand auf Unter-nehmenswachsturn hin, welches als positives Signal fUr zukünftige cash flows gewertet

hypothesis) überprüft wird, fokussiert einen Indikator, in diesem Fall die Wertberichtigung für For-derungen, der wenig anfiUlig fiir nicht diskretionäre Einflüsse ist. Vgl. McNICHOLSIWILSON (1988), S.I-3.

312 Insbesondere durch das System der externen Rechnungslegung begründete notwendige Abweichun-gen von der steuerlichen Behandlung, welche die Volatilität erhöhen.

313 Latenter Steueraufwand kano entstehen, wenn unerwartet durch earnings management Ertrag gene-riert wurde.

314 Auf einen gegenläufigen Effekt, also einen negativen Zusammenhang, machen MILLS/SANSING aufinerksam. Sie zeigen, dass bei Bestehen hoher Differenzen zwischen steuerlichen Buchwerten und Buchwerten der externen Rechnungslegung die Wahrscheinlicbkeit einer Steuerprüfung und somit einer zusätzlichen Steuerzahlung steigt. Vgl. MILLS/SANSING (2000), S. 102. Dieser Zusammenhang sei konsistent mit der Einschätzung von Steuerberatern und Managern der Unternehmen, dass solche Differenzen wie redflags fiir die Steuerbehörde wirken. V gl. MILLS/SANStNG (2000), S. 89.

315 Vgl. CHANEV/JETER (1994), S. 96.

werden könnte.316

5. Marktineffizienz und Preisbildung

Falls keine Markteffizienzll7 besteht und bei der Preisbildung für Aktienkurse nur be-richtete Gewinne berücksichtigt werden, welche durch latente Steuern "verzerrt" sind, dann besteht ein "mechanistischer" Zusammenhang zwischen latenten Steuern und dem Aktienkurs.318 Dieses Argument unterstützt die negative Korrelation von passiven laten-ten Steuern bzw. lalaten-tentem Steueraufwand und dem Unternehmenswert.

Zusammengefasst werden nach diesen Theorien folgende Zusammenhänge zwischen latenten Steuern und dem Unternehmenswert erwartet:

Abb. 6: Richtung des Zusammenhangs zwischen latenten Steuern und Unternehmens-wert

Passive Aktive Latenter Latenter latente latente Steuer- Steuer-Steuer Steuer aufwand ertrag

Verbindlichkeitshypothese

-

+

-

+

Gewinnglättungsmanagement k.A. k.A. - +

Managementqualität +

-

+

-Unternehmenswachstum k.A. k.A. +

-Marktineffizienz - +

-

+

Bezüglich des Zusammenhangs von den Bestandsgrößen an latenten Steuern und der Hypothese zum Gewinnglättungsmanagement bzw. einem Unternehmenswachstum319 können keine Aussagen (k.A.) getroffen werden.

316 Es gibt zwar geeignetere bzw. direkter messbare Wachstumsindikatoren (z.B. die Nettoinvestitionen in das Anlagevermögen), aber wenn diese in einer empirischen Untersuchung zu latenten Steuern nicht isoliert werden, könnten die Ergebnisse verzerrt sein.

317 Vgl. zu den Formen der Markteft1zienz FAMA (1970), S. 383-417; BEAVER (1981), S. 148-150.

318 Dieser Zusammenhang wird auch als fimctional fIXation hypothesis bezeicbnet. Vgl.

CHEN/SCHODERBEK (2000), S. 24-25, m.w.N.

319 Aktive latente Steuer signalisieren eher eine steuerliche Benachteiligung. Diese steht, wenn ein systematischer Zusammenhang zwischen der steuerlichen Begünstignng von Vermögensgegenstän-den besteht, nicht im Zusammenhang mit dem Unternehmenswachstum. Ein latenter Steuerertrag kann jedoch daraus resultieren, dass eine passive latente Steuer reduziert wird, bspw. aufgrund eines Schrumpfungsprozesses. Deshalb besteht hier ein negativer Zusammenhang zum Unternehmenswert.

Die unterschiedlichen Erklärungsansätze mit ihren gegenläufigen Effekten - nach den Theorien I, 2 und 5 müsste ein negativer Zusammenhang zwischen passiven latenten Steuern bzw. latentem Steueraufwand und dem Unternehmenswert bestehen und nach den Theorien 3 und 4 ein positiver Zusammenhang - führt zu dem Problem, dass in einer empirischen Überprüfung die Gegenläufigkeit der Theorien zu dem Ergebnis des statistisch nicht signifikanten Einflusses latenter Steuern auf die Bewertung von Unter-nehmen führen kann. Die wesentlichen empirischen Untersuchungen zur Bewertungsre-levanz latenter Steuern werden im folgenden Kapitel 3.2 dargestellt.

3.2 Empirische Untersuchungen zur Bewertungsrelevanz latenter Steuern