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In Kapitel 2 dieser Arbeit werden die konzeptionellen Grundlagen behandelt. Zunächst wird das Konzept einer kapitalmarktorientierten Rechnungslegung erläutert, nach dem durch die Rechnungslegung entscheidungsrelevante Informationen vermittelt werden sollen. Als Adressaten der kapitaImarktorientierten Rechnungslegung stehen Kleinakti-onäre im Vordergrund, da diese besonders umfangreiche Informationsbedürfnisse ha-ben, weIche nicht durch vertragliche Vereinbarungen durchgesetzt werden können. Die Hervorhebung der Informationsfunktion im Rahmen der kapitalmarktorientierten Rech-nungslegung dient der Verknüpfung von RechRech-nungslegungsregeln, hier zu latenten Steuern, und dem Informationsgehalt von Jahresabschlussinformationen zum Zwecke der Unternehmensanalyse oder -bewertung. Daraufhin werden latente Steuern begriff-lich definiert und deren Funktion erläutert. Die Funktion latenter Steuern kann einerseits in der periodengerechten Zurechnung des Ertragsteueraufwands liegen, welche Ausfluss der Fiktion der Konzernbesteuerung ist, und andererseits in der Antizipation von Steu-erbelastungen und -entlastungen. Letztere impliziert, dass nur durch die Steuerabgren-zung das Vermögen und die Schulden korrekt ausgewiesen sind. Danach werden ver-schiedene Konzeptionen der Steuerabgrenzung behandelt, die sich nach der vermögens-vs. erfolgsorientierten Sichtweise, dem Zeithorizont der Berücksichtigung latenter Steu-ern und der Behandlung von Steuersatzänderungen unterscheiden lassen. Dies ist insbe-sondere für die Einordnung der nationalen Rechnungslegungsregeln zu latenten Steuern und den Vergleich mit den US-GAAP und den lAS erforderlich. Weiterhin werden die Begriffe ,,nicht bilanzierte latente Steuern" und "persönliche latente Steuern" definiert und von den handelsrechtlichen latenten Steuern, wie sie in der Literatur zur Rech-nungslegung diskutiert werden, abgegrenzt.

Daraufhin werden Methoden zur Unternehmensbewertung behandelt. Anband einer in der Praxis verbreiteten" DCF-Methode, dem sog. entity-Modell, werden im Rahmen eines klassischen Steuersystems nicht nur Unternehmenssteuern, sondern auch persönli-che Ertragsteuern, die bei dem Anteilseigner anfallen, integriert. Diese sind, wie eine Vielzahl empirischer Studien belegt, bewertungsrelevant. Auch behandelt wird die Integration persönlicher Ertragsteuern in einem - seit dem Jahr 2002 in Deutschland geltenden - Halbeinkünfteverfahren sowie das früher geltende Vollanrechnungssystem

22 Vgl. LORSON (1999), S. 1330; PEEMÖLLERJlCUNowsKIIHILLERS (1999), S. 623.

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bei gespaltenen Körperschaftsteuersätzen. Anschließend wird aufgezeigt, welche Prob-leme bei der Ermittlung von,Planzahlen entstehen und wie daraus zukünftige Steuerzah-lungen, die von den cash flows vor Steuern in Abzug zu bringen sind, zu schätzen sind.

Ein weiteres Problem, das bisher nicht ausreichend in der Literatur behandelt wird, besteht darin, dass häufig die vereinfachende Annahme der Identität der Bemessungs-grundlagen gemacht wird. Folglich wird ein Steuersatz auf den cash flow vor Steuern angewendet, obwohl die steuerliche Bemessungsgrundlage erheblich von diesem abwei-chen kann. Das Fehlerpotenzial der Vertauschung der Bemessungsgrundlage wird durch partielle Anwendung des Lücke-Theorems auf Steuerzahlungen aufgezeigt und anband eines Beispiels veranschaulicht.

Auf diesen Grundlagen aufbauend wird in Kapitel 3 die Literatur zum Informationsge-halt latenter Steuern dargestellt. Während in der Literatur zur Unternehmensbewertung bzw. zur marktwertorientierten Unternehmensführung latente Steuern in der Regel vernachlässigt werden, zeigen empirische Studien, dass latente Steuern durchaus bewer-tungsrelevant sind. Uneinigkeit besteht jedoch darüber, auf welche Hypothesen die Bewertungsrelevanz zurückzuführen ist. Neben der Sichtweise, dass eine passive latente Steuer eine zukünftige Steuerbelastung darstellt und deshalb negativ mit dem Aktien-kurs korreliert ist, gibt es weitere Erklämngsansätze. So besteht ebenfalls ein negativer Zusammenhang, wenn MarktineffIzienz herrscht und Kapitalmarktteilnehmer bei ihrer Preisbildung nur den um latente Steuern "verzerrten" Gewinn nach Steuern berücksich-tigen. Weiterhin könnten latente Steuern als Signal fur Gewinnglättungsmanagement, Qualität des Managements im Sinne der Fähigkeit, Steuern zu vermeiden bzw. die Steuerbelastung zeitlich zu verschieben, sowie Unternehmenswachstum interpretiert werden. Die Entscheidungsrelevanz von Rechnungslegungsinformationen, die nur empi-risch nachzuweisen ist, sollte für standardsetter im Bereich der Rechnungslegung als Korrektiv für die Komplexität der Regelungen dienen.

Nach der Darstellung der empirischen Untersuchungen wird ein analytisches Modell vorgestellt, das die Bewertungsrelevanz latenter Steuern nachweist. Das Modell wurde von SANSING entwickelt und ist von Bedeutung, weil quasi-permanente latente Steuern Gegenstand der Bewertung sind. Diese werden gemeinhin als wertlos dargestellt, da der lange Zeithorizont der Realisierung in Verbindung mit der Diskontierung zukünftiger cash flows zu einem niedrigen Wertbeitrag führt.

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Jahresabschlüsse zählen für Analysten und Bewertende, die über kein Insiderwissen verfügen, zu den wichtigsten Infonnationsquellen. Hauptsächlicher Zweck von Kon-zernabschlüssen im Sinne einer kapitalmarktorientierten Rechnungslegung ist die Ver-mittlung entscheidungsrelevanter Infonnationen. Deshalb ist zu untersuchen, welche Infonnationen über steuerliche Sachverhalte durch die Rechnungslegung deutscher Unternehmen vennittelt werden. Vor dem Hintergrund, dass deutsche Mutterunterneh-men ihren Konzernabschluss nach den RechnungslegungssysteMutterunterneh-men HGB, US-GAAP oder IAS erstellen können, werden in Kapitel 4 die Regelungen zur Bilanzierung laten-ter Steuern und Offenlegungspflichten nach diesen Rechnungslegungssystemen kurz dargestellt. Dabei wird auch die Entwicklung der Rechnungslegungsnonnen behandelt.

Bei der Darstellnng der Behandlung latenter Steuern nach HGB wird der aktuellen Entwicklung Rechnung getragen. In Kapitel 4.4 wird zusammenfassend ein Vergleich der Rechnungslegungssysteme bezüglich der Behandlung latenter Steuern vorgenom-men. Neben einem vereinfachenden tabellarischen Vergleich werden die bestehenden Unterschiede erläutert.

Die internationale Heterogenität von Rechnungslegungsinfonnationen wird von einigen Autoren behandelt, die entweder Rechnungslegungsvorschrlften zwischen unterschiedli-chen Ländern vergleiunterschiedli-chen,23 die Ursaunterschiedli-chen der Unterschiede untersuunterschiedli-chen,z4 die Nonnset-zungsprozesse der Rechnungslegungsregeln analysieren,>s deren Durchsetzungsmecha-nismen beschreiben,>6 deren Rolle bei der Ausschüttungsbegrenzung fokussieren27 oder die Kommunikation heterogener Rechnungslegungsdaten auf internationalen Kapital-märkten behandeln.28 In dieser Arbeit steht der Vergleich eines speziellen Bilanzie-rungsproblems und die mit Hilfe der bilanzierten Beträge und der Offenlegung generier-te Infonnation und deren Bewertungsrelevanz im Vordergrund.

Im empirischen Teil (Kapitel 5) dieser Arbeit wird untersucht, welche Infonnationen die DAX IOO-Untemehmen in ihren Konzernabschlüssen zu latenten Steuern geben. Die

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Diese Vergleiche sind entweder umfassend konzipiert, vgl. u.a. ORDELHEIDEIKPMG (2001), oder beschäftigen sich mit speziellen Bilanzierungsproblemen, vgl. u.a. MELLWJG (1998), S. 1-16.

V gl. den Literaturüberblick bei BÖCKEMlD' ARcy (1999), S. 62-65.

Vgl. u.a. ORDELHEIDE (1997), S. 235-259.

Vgl. u.a. BÖCKEM (2000).

Vg!. u.a. LEUzlDELLERISTUBENRATH (1998), S. 111-129.

Vgl. STUBENRATH (2001).

Konzernabschlüsse der DAX IOO-Unternehmen wurden für die Geschäftsjahre 1998 und 1999 (bzw. 1997/98 und 1998/99) sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgewer-tet. Dabei wird nach den drei Rechnungslegungssystemen HGB, US-GAAP und IAS unterschieden. Der Informationsumfang hängt nicht nur davon ab, nach welchem Rech-nungslegungssystem der Konzernabschluss aufgestellt wird, sondern auch davon, wie die Umsetzung erfolgt. Auch freiwillig gegebene Informationen könnten geeignet sein, zu einem einzigen Rechnungslegungssystem überzuleiten, um Vergleichbarkeit zu gewährleisten. So könnte vermutet werden, dass Unternehmen, die ihren Konzernab-schluss nach HGB aufstellen, Wahlrechte und Interpretationsspielräume so nutzen, dass zumindest eine Annäherung an die internationale Bilanzierungspraxis erfolgt. Werden beispielsweise Auswirkungen der Prinzipien der Maßgeblichkeit und der umgekehrten Maßgeblichkeit auf den handelsrechtlichen Einzelabschluss im Konzernabschluss rück-gängig gemacht und die "Bilanzierungshilfe" der Aktivierung latenter Steuern aus Ein-zelabschlüssen im Konzernabschluss genutzt, dann wäre bereits ein großer Schritt getan.

Zusätzlich können freiwillige Informationen im Anhang veröffentlicht werden, die eine Überleitung ermöglichen bzw. erleichtern. Beispielhaft sei hier genannt, den steuerli-chen Vorteil durch Verlustvorträge sowohl in seiner Höhe als auch der zeitlisteuerli-chen Di-mension anzugeben, sofern er nicht aktiviert wird. Die Auswertung der Abschlüsse zeigt auch auf, wie die Unternehmen bestehende Spielräume nutzen. Für die internationalen Konzernabschlüsse können weiterhin die Ursachen latenter Steuern, die nach US-GAAP und IAS anzugeben sind, ausgewertet werden.

Da die Unternehmensanalyse in der Regel in Form der Auswertung eines Kennzahlen-systems erfolgt, wird der Einfluss latenter Steuern auf Unternehmenskennzahlen unter-sucht. Der Effekt der Bereinigung latenter Steuern auf nach lAS oder US-GAAP erstell-te Abschlüsse wird dabei aufgezeigt. Um auf derselben Daerstell-tenbasis (Unerstell-ternehmen) aufzubauen und die Untersuchung der Rechnungslegungsunterschiede zu vertiefen, finden Erstanwendungseffekte besondere Beachtung. Dabei wird der letzte nach HGB erstellte Konzernabschluss dem US-GAAP- oder IAS-Konzernabschluss derselben Periode gegenübergestellt. Letzterer steht deshalb zur Verfügung, weil in dem Ge-schäftsjahr der Erstanwendung der US-GAAP oder lAS Vergleichszahlen des VOIjahes veröffentlicht werden müssen, oder weil der internationale Abschluss im Geschäftsbe-richt veröffentlicht worden ist, der HGB-Konzernabschluss aber vor In-Kraft-Treten des

§ 292a HGB im Bundesanzeiger veröffentlicht werden musste. Im Vergleich der

Rech-\

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nungslegungssysteme wird die durch latente Steuern bedingte Volatilität und absolute Höhe von Unternehmenskennzahlen exemplarisch für vier Unternehmen untersucht, für die über einen längeren Zeitraum (mindestens vier Geschäftsjahre) Abschlussdaten nach HGB und lAS oder US-GAAP vorliegen.

Im darauf folgenden Kapitel 6 wird der Informationsbedarf bestimmt, der erforderlich wäre, um einem externen Analysten einen umfassenden Einblick in die steuerliche Lage eines Unternehmens zu gewähren. Hierbei spielen latente Steuern eine zentrale Rolle, weil diese den ausgewiesenen Steueraufwand und damit das Ergebnis nach Steuern erheblich beeinflussen können. Nur durch umfangreiche Offenlegungsvorschriften zu latenten Steuern kann der ökonomische Gehalt der ausgewiesen Vermögens- und Er-folgsgrößen beurteilt werden. Die Informationsanforderungen werden den aktuellen Rechnungslegungsregeln gegenübergestellt. Da auch persönliche Ertragsteuern den Unternehmenswert beeinflussen können, sind Angaben wünschenswert, auf deren Basis persönliche Steuerlatenzen individuell geschätzt werden können.

Die Arbeit endet mit einer thesenförmigen Zusammenfassung und einem Ausblick (Kapitel 7).