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2 Konzeptionelle Grundlagen

2.2 Abgrenzung latenter Steuern

2.2.2 Funktionen latenter Steuern .1 Fiktion der Konzernbesteuerung

lungen, so dass sich Steueraufwand und handelsrechtliches Ergebnis im Einklang befin-den (dynamische Betrachtungsweise)86. Der Ansatz latenter Steuern soll bewirken, dass ein Steueraufwand ausgewiesen wird, wie er sich ergeben würde, wenn das handels-rechtliche Ergebnis Grundlage fiir die Besteuerung gewesen wäre.87 Aus statischer Be-trachtungsweise88 lassen sich latente Steuern auch als wirtschaftlich entstandene, aber rechtlich noch nicht konkretisierte Steuerverbindlichkeiten bzw. -forderungen interpre-tieren. Da die latente Steuerverbindlichkeit oder -forderung rechtlich noch nicht konkre-tisiert ist, ist ihre Realisierung ungewiss. Die Beurteilung der WerthaItigkeit muss dem-nach unter Berücksichtigung der Unsicherheit der Realisierung erfolgen.

Der Ertragsteueraufwand im handelsrechtlichen Jahresabschluss setzt sich aus den zu zahlenden Ertragsteuern, deren Höhe durch den steuerlichen Gewinn bestimmt wird, und den latenten Ertragsteuern zusammen. Im "Idealfall" müsste sich der handelsrecht-liche Steueraufwand aus der Multiplikation von handelsrechthandelsrecht-lichem Gewinn vor Steuern mit dem Ertragsteuersatz ergeben.89 Der laufende Steueraufwand ergibt sich hingegen aus der Multiplikation von dem steuerrechtlichen Gewinn vor Steuern mit dem Er-tragsteuersatz. Latente Steuern sind demnach ein Korrektiv zur (periodengerechten) Bereinigung des laufenden Steueraufwandes.9O

2.2.2 Funktionen latenter Steuern 2.2.2.1 Fiktion der Konzernbesteuerung

Grundlage der Besteuerung ist der steuerrechtliche Jahresabschluss.91 Eine Steuerbilanz und die steuerliche Erfolgsreclmung werden regelmäßig nicht veröffentlicht. Veröffent-licht wird der handelsrechtliche Einzelabschluss, der zwar nicht unabhängig von der Steuerreclmung ist, dieser aber nicht entspricht. Die Zwecke des handelsrechtlichen

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87 88

89

90 91

Vgl. FEDERMANN (2000), S. 116. Nach der dynamischen Bilanzauffassung, die aUfSCHMALENBACH zuruckzufiihren ist, steht die Gewinnermittlung im Vordergrund. Vgl. insb. MOXTER (1984), S.29-56. Dazu gehört auch ein ,,richtiger" Steueraufwand, ermittelt auf Basis einer verursachungsgerech-ten Periodisierung.

Vgl. COENENBERG(1997), S. 364.

Vgl. BAUMANN (1990), S. 1473 (Tz. 26); FEDERMANN (2000), S. 115. Nach der statischen Bilanz-auffassung, die auf SIMON zuruckzufiihren ist, steht die Vermögensbilanzierung im Vordergrund.

Der Gewinn ergibt sich als Vermögenszuwachs. Vgl. MOXTER (1984), S. 1-28.

Siehe zu illustrativen Beispielen stellvertretend KlEsofWEJGANDTfW ARFIELD (2001), S. 1057-1077.

Vgl. BAUMANN (1990), S. 1465 (Tz. 4).

Vgl. FEDERMANN (2000), S. 51-53.

23 Jahresabschlusses sind vielfaltig. Der Einzelabschluss soll internen und externen Jahres-abschlussadressaten ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Ver-mögens-, Finanz- und Ertragslage vermitteln.92 Er dient aber auch der Dokumentation und der Ausschüttungsbemessung und hat - durch das Prinzip der Maßgeblichkeit für die Steuerbilanz - Einfluss auf die Steuerbemessungsgrundlage.93 Der Zweck des Kon-zernabschlusses ist nach herrschender Meinung ausschließlich die Erfüllung der Infor-mationsfunktion.94 Weitere in der Literatur angeführten Zwecke des Konzernabschlusses lassen sich unter den Begriff der Informationsfunktion subsumieren.95

Der Konzernabschluss wird nach der Fiktion der rechtlichen Einheit des Konzerns so aufgestellt, als ob die Konzernunternehmen rechtlich ein einheitliches Unternehmen bildeten.96 Konzerninterne Aufwendungen und Erträge (Aufwands- und Ertragskonsoli-dierung), Forderungen und Verbindlichkeiten (Schuldenkonsolidiernng) und Zwischen-gewinne werden eliminiert und Beteiligungen an Konzernunternehmen gegen das Ei-genkapital aufgerechnet (Kapitalkonsolidierung).97 Da für die steuerliche Gewinnermitt-lung nicht der Konzern, sondern die einzelnen Konzernunternehmen relevant sind, unterliegt die Summe der steuerpflichtigen Einzelergebnisse der Besteuerung.98 Die Summe der Ertragsteuern der einbezogenen Konzernunternehmen entspricht nicht dem Betrag, der sich ergeben hätte, wenn das Konzernergebnis Steuerbemessungsgrundlage wäre.99 Der laufende Steueraufwand ist höher oder niedriger als der Steueraufwand, der sich bei fiktiver Konzerngewinnbesteuerung ergeben hätte. Zum Teil gleichen sich die Unterschiede im Zeitablauf aus; dann verzerren sie jedoch die Periodenergebnisse.1oo Durch den Ansatz latenter Steuern auf jene temporären Differenzen, die sich im Zeitab-lauf ausgleichen, wird die Verzerrung behoben und der Steueraufwand so dargestellt, als

92

Vgl. BUSSE VON COLBEIORDELHEIDE (1993), S. 15.

Vgl. BUSSE VON COLBEIORDELHEIDE (1993), S. 13. Die Funktionen der Steuerbemessung und der Ausschüttungsbemessung auf den Konzernabschluss der Obergesellschaft auszudehnen, wird bereits seit geraumer Zeit diskutiert. V gl. zur Erweiterung der Ausschüttungsbemessungsfunktion auf Kon-zernabschlüsse LINNHOFFIPELLENS (1987), S. 990-1004.

Vgl. LOHRMANN(1997), S. 32.

Vgl. § 297 Abs. 3 Satz 1 HGB.

Vgl. BUSSE VON COLBEIORDELHEIDE (1993), S. 19.

Dabei bestehen nur innerhalb von Organkreisen Verrechnungsmöglichkeiten. In den USA und Großbritannien gibt es die Möglichkeit einer group taxation. Vgl. URBAN (1997), S. 310-313.

V gl. BUSSE VON COLBEIORDELHEIDE (1993), S. 24.

wäre das Konzernergebnis besteuert worden.101

Es wird im Rahmen dieser Arbeit unterstellt, dass die Periodisierung von Aufwendun-gen und ErträAufwendun-gen in den Rechnungslegungssystemen informativer ist als' eine reine cash jlow-Rechnung.I02 Auch wird unterstellt, dass der handelsrechtliche Jahresabschluss

-und hierbei insbesondere der handelsrechtlich ermittelte Gewinn gegenüber dem steuer-rechtlichen Gewinn - die Informationsbedürfhisse der Interessengruppen mit Ausnahme des Fiskus besser erfüllt.103

Anders als in der Handelsbilanz wird in der Steuerbilanz die ermittelte Ertragsteuerlast als "Gewinnverwendung" aufgefasst; der Steueraufwand hat dann für ein Unternehmen genau so wenig Aufwandscharakter wie Dividenden. Der ermittelte Gewinn vor Steuern wird als Residualgröße betrachtet, die zwischen Staat und Anteilseignern aufgeteilt wird. In der älteren Literatur wurde daher argumentiert, dass die Grundsätze der Perio-denabgrenzung auf Ertragsteuern nicht anwendbar seien.104 Dieser Sicht ist entgegenzu-halten, dass die Art der Rechnung abhängig ist von dem Rechnungslegungszweck. Für die handelsrechtliche Rechnungslegung steht, auch aufgrund der Ausschüttungsbemes-sungsfunktion des Einzelabschlusses, der Anteilseigner im Vordergrund. Gestützt wird die auf das Eignerkonzept abstellende Sichtweise durch die Gliederungsregelung des

§ 275 Abs.2 und 3 HGB, nach der Ertragsteuern in der Gewinn- und Verlustrechnung als Nettoaufwand bzw. -ertrag zu zeigen sind.105 HILLE wendet ein, dass man andernfalls auch Arbeitnehmer als Gruppe defmieren könnte, die Anteil an der Nettowertschöpfung eines Unternehmens hat, und dann von einer Periodisierung der Personalaufwendungen

100 Vgl. BUSSE VON COLBEIORDELHEIDE (1993), S. 24.

101 Vgl. BUSSE VON COLBE/ORDELHEIDE (1993), S. 24.

102 Dies wurde bspw. von BEA VERIDUKEs gezeigt. Sie stellen fest, dass das Konzept der interperiod tax al/ocation anzuwenden ist, um die fiir die Preisbildung an Kapitalmärkten erforderlichen Infonnatio-nen zu liefern, vgl. BEAvERIDUKES (1972), S. 33l.

103 Steuerliche Gewiunennittlungsvorscbriften werden häufig durch wirtschafts- und fmanzpolitische Ziele beeinflusst. Dies könnte die vennittelte Information über die wirtschaftliche Lage des Unter-nehmens verzerren. Es kann eingewandt werden, dass handelsrechtliche Abschlüsse möglicherweise stärker durch die vorsichtige Gewinnennittlung (Gläubigerorientierung, Vorsichtsprinzip ) verzerrt sein können, als durch fiskalpolitische Einflüsse, Da die Steuerbilanz nicht veröffentlicht wird, kann jedoch - anders als fiir den handelsrechtlichen Abschluss - eine Infonnationsfunktion nicht unter-stellt werden.

104 Vgl. RILLE (1982), S. 24-25, m.w.N.

105 Vgl. LÜHRMANN (1997), S. 95.

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absehen müsste.'06 Die Periodisierung von Aufwendungen sollte nicht deshalb abgelehnt werden, weil die Höhe erfolgsabhängig ermittelt wird. Durch die Periodisierung von Ertragsteuern werden dem handelsrechtlichen Jahresergebnis vor Steuern die daraus resultierenden ertragsteuerlichen Konsequenzen zugeordnet.107 Weicht die Summe der Steuerbilanzgewiune vom Konzerngewinn ab, so kommt es ohne den Ansatz latenter Steuern zu einer für den Bilanzleser unerklärlichen Relation zwischen dem im Konzern-abschluss ausgewiesenen Gewinn vor Steuern und dem Ertragsteueraufwand. Wenn der ausgewiesene Gewinn vor Steuern die Gewinnsituation des Konzerns wirtschaftlich zutreffend darstellt, für die Höhe des Steueraufwandes aber die Steuerbilanzen der Einzelabschlüsse herangezogen werden, dann passt die Periodisierung des Steuerauf-wandes nicht mehr zu der handelsrechtlichen Periodisierung der Aufwendungen und Erträge im Konzernabschluss.

Zur Erfüllung der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ist eine Periodisierung des Steueraufwandes erforderlich, gerade um zum Zwecke der Unternehmensanalyse oder der Unternehmensbewertung auf Basis von Vergangenheits-daten die zukünftige Entwicklung zu beurteilen.,08 Die Periodisierung von Ertragsteuer-ausgaben dient somit der zutreffenden Darstellung der Ertragslage des Unternehmens.

2.2.2.2 Antizipation von Steuerbelastungen und -entlastungen

Während bei der in Kapitel 2.2.2.1 beschriebenen Steuerabgrenzung die periodenge-rechte Gewinnermittlung im Vordergrund steht, dient die Steuerabgrenzung auch dem korrekten Ausweis des Vermögens und der Schulden.'09 Der Ansatz latenter Steuern in der Bilanz soll die zukünftige Steuerbelastung des Unternehmens transparenter und vorhersehbarer machen, so dass dadurch die Vermögens- und Ertragslage im Sinne der fair presentation und decision usejUlnessJ/o besser dargestellt wird.

106 vgl. HILLE (1982), S. 25.

107 Vgl. LÜHRMANN (1997), S. 96.

108 So auch KARRENBROCK: ... bei fehlender Abgrenzung latenter Steuern ( ... ) kann das Ergebnis nach Steuern kaum mehr als brauchbarer Indikator fi.ir die künftig zu erwartenden Einzahlungsüberschüsse betrachtet werden." KARRENBROCK ( J 99 J). S. 93.

109 VgJ. HALLER (1989), S. 342; BEINE (J995l, S. 543-544; PELLENS(1997), S. 230.

110 VgJ. ACHLEITNER (1995), S. 49. t

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Bilanzierte latente Steuern haben danach Forderungs- bzw. Verbindlichkeitscharakter.111 Würden beispielsweise keine passiven latenten Steuern im Einzelabschluss angesetzt, hätte die Verschiebung von Steuerzahlungen in die Zukunft zur Folge, dass Beträge zur Ausschüttung zur Verfügung stünden, die zu einem späteren Zeitpunkt für Steuerzah-lungen benötigt werden. 112

Die Steuerabgrenzung und der getrennte Ausweis der latenten Steuern im Rahmen der vermögensorientierten Interpretation können auch zeigen, inwiefern es einem Unter-nehmen gelingt, Steuerbelastungen in die Zukunft zu verschieben und durch die Steuer-stundung einen Zinsvorteil zu erzielen bzw. bei Erwartung sinkender Steuerbelastung zusätzlich den Nominalbetrag der Steuerlast zu mindern. Diese Information kann für Unternehmensexterne (entscheidungs-)relevant sein.

2.2.3 Grundlagen der Rechnungslegungsregeln zu latenten Steuern 2.2.3.1 Vermögensorientierte vs. erfolgsorientierte Sichtweisell3

Die vermögensorientierte Sichtweise unterscheidet sich von der erfolgsorientierten Sichtweise dadurch, dass latente Steuern nicht nur auf Differenzen zwischen handels-rechtlichem und steuerhandels-rechtlichem Gewinn gebildet werden, sondern auch auf Vermö-gensdifferenzen, deren Entstehung sich nicht in der Gewinn- und Verlustrechnung niederschlagen. 114 Bei der vermögensorientierten Sichtweise werden latente Steuern auf Ansatz- und Bewertungsdifferenzen von Vermögensgegenständen und Schulden in der Steuer- und Handelsbilanz gebildet (bilanzorientierte Steuerabgrenzung).

Latente Steuern, die aus erfolgsneutral entstandenen Unterschieden zwischen Steuer-und Handelsbilanz resultieren, müssen in der Regel erfolgsneutral gebildet werden.

Dabei handelt es sich beispielsweise um die Neubewertung von Vermögensgegenstän-den und SchulVermögensgegenstän-den im Rahmen der Erstkonsolidierung. Da solche Differenzen zwar durch die Amortisation im Rahmen der Folgebewertung zu unterschiedlichen Erfolgen in der Gewinn- und Verlustrechnung führen, aber nicht erfolgswirksam entstanden sind, wird bei der vermögensorientierten Sichtweise eine Steuerabgrenzung vorgenommen.

111 Vgl. KARRENBROCK(1991), S. 7.

112 Vgl. HILLE(l982), S. 7.

m Auch bilanzorientiert vs. GuV-orientiert genannt.

,

27 Bei der erfolgsorientierten Sichtweise werden keine latenten Steuern gebildet.

Die vermögensorientierte Sichtweise setzte sich in den US-amerikanischen Rechnungs-legungsregeln und auch bei dem IASB durch.lls

2.2.3.2 Zeithorizont der Differenzen

In den verschiedenen Rechnungslegungssystemen existieren verschiedene Konzepte, die die Berücksichtigung von latenten Steuern anband des Zeithorizonts der Differenzen abgrenzen. Das timing-Konzept, das heute noch vom HGB verfolgt wirdl16 und dem früher auch die Regelungen der US-GAAP und des IASB entsprachen,1I7 erfordert, dass nur zeitlich befristete Ergebnisdifferenzen, die sich in absehbarer Zeitll8 umkehren, für die Ermittlung latenter Steuern berücksichtigt werden dürfen. Jene Differenzen, die sich in nicht absehbarer Zeit umkehren, z.B. erst bei Veräußerung des zugrunde liegenden Vermögensgegenstandes oder bei Liquidation des Unternehmens, werden als quasi-permanente Differenzen bezeichnet. 119 Hierzu kann auch der Bodensatz an Bewertungs-differenzen aus sich häufig umschlagenden Vermögensgegenständen gezählt werden.l20 Quasi-permanente Differenzen haben einen höheren Grad an Unsicherheit bezüglich ihrer Realisierung und dürfen nach dem timing-Konzept nicht bei der Ermittlung laten-ter Steuern berücksichtigt werden (partial interperiod tax allocation).121

Hingegen werden bei dem temporary-Konzept auch quasi-permanente Differenzen in die Ermittlung latenter Steuern einbezogen.122 Voraussetzung für die Berücksichtigung latenter Steuern nach dem temporary-Konzept ist somit, dass sich die Differenzen

aus-114 Vgl. COENENBERGIHILLE (1997a), S. 404 (Tz. 25).

IIS Vgl. Kapitel 4.2.5 und Kapitel 4.3.5.

116 Vgl. KLEIN (2001), S. 1451.

117 Siehe auch Kapitel 4.2.1 und 4.3.1.

118 Die ,.absehbare Zeit" wird als ,,innerhalb eines konkreten Planungshorizonts liegend" aufgefasst, vgl.

SAUTERIHEURUNGIFISCHER (2001), S. 1783.

119 Vgl. BUSSE VON COLBEIORDELHEIDE (1993), S. 36.

120 Vgl. BUSSE VON COLBEIORDELHEIDE (1993), S. 396-398. Ein solcher Bodensatz kann beispielsweise im Vorratsvermögen bestehen, wenn die steuerliche Ermittlung der Herstellungskosten von der han-deisrechtlichen Ermittlung abweicht. Auch wenn die einzelne Bewertungsdifferenz infolge der Um-schlagshäufigkeit kurzfristig realisiert wird, besteht durch neu entstehende Bewertungsdiffernzen dauerhaft ein Bodensatz.

121 Vgl. KLEIN (2001), S. 1451.

122 Vgl. KLEIN (2001), S. 1452.

gleichen. Der Zeitpunkt der Umkehrung ist irrelevant und muss, nach den gegenwärti-gen Regelungegenwärti-gen der US-GAAP bzw. des IASB, auch nicht geschätzt werden.

Kehren sich Differenzen niemals um, so werden diese als permanent bezeichnet. Auf permanente Differenzen, die in Deutschland beispielsweise aus dem steuerlichen Verbot resultieren, die Hälfte der Aufsichtsratsvergütung als Betriebsausgaben steuerlich zu berücksichtigen,l23 werden nach keinem der bei den Konzepte latente Steuern gebildet.

Das temporary-Konzept wurde vereinzelt kritisiert, weil dem zeitlichen Aspekt der Umkehrung nicht ausreichend Rechnung getragen wird.124 Latente Steuern auf quasi-permanente Differenzen sollten außer Acht gelassen werden, weil sie denen permanen-ter Differenzen vergleichbar seien. l25 Ihre Umkehrung liege erst in ferner Zukunft, unpermanen-ter Umständen erst bei Liquidation, oder die Umkehrung werde durch neu entstehende Differenzen gleicher Art kompensiert. Damit sei die tatsächliche Realisierung zu unsi-cher oder die latente Steuer überbewertet. Dem ist entgegenzuhalten, dass bezüglich des Bodensatzes von Bewertungsdifferenzen der Fall der Kompensation von Umkehrung und Neubildung auch bei anderen Bilanzpositionen zutrifft, deren Ansatz unstrittig ist.

So werden bei einem Unternehmen konstanter Größe oder einem stetig wachsenden Unternehmen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zwar durch Einzahlungen erfüllt, gleichzeitig entstehen aber neue Forderungen. Niemand würde die Bilanzierung von Forderungen in Zweifel ziehen, die einen Bodensatz bilden. Bei isolierter Betrach-tung lässt sich die Steuerwirkung von quasi-permanenten latenten Steuern identifizie-ren. l26

Im Falle der Realisierung bei Veräußerung oder Liquidation könnte gefordert werden, dem Zeithorizont durch Abzinsung Rechnung zu tragen, wenn nicht bereits die zugrun-de liegenzugrun-de Differenz ein abgezinster Betrag istY7 Wenn es sich bei zugrun-den Buchwerten, die zum Bewertungsvergleich herangezogen werden, nicht um abgezinste Beträge

han-123 Vgl. § 10 Nr. 4 KStG.

124 KARRENBROCK, der auch das temporary-Konzept präferiert (dort "umfassendes Konzept" genannt), schlägt zur Lösung einen zeitlich differenzierten Ausweis vor, vgl. KARRENBROCK (1991), S. 98.

125 V gJ. HILLE (\ 982), S. 10.

126 Vgl. KARRENBROCK (\991), S. 96.

127 Z.B. im Fall von Pensionsrückstellungen. Dann handelt es sich bei der auf die Differenz ennittelte latente Steuer auch um einen abgezinsten Betrag.

29 delt, dann sind die latenten Steuern auf diese Differenzen nur dann überbewertet, wenn auch die Vermögens gegenstände (oder Schulden) überbewertet sind.J28

Die Vernachlässigung quasi-permanenter latenter Steuern ist abzulehnen, um einen zutreffenden Einblick in die Vermögens- und Ertragslage zu gewährleisten. 129

Im Allgemeinen wird nicht zwischen dem temporary-Konzept und der bilanzorientier-ten Betrachtungsweise bzw. dem timing-Konzept und der GuV-orientierten Betrach-tungsweise differenziert. 130

2.2.3.3 Behandlung von Steuersatzänderungen

In der Literatur werden drei unterschiedliche Methoden der Steuerabgrenzung diskutiert, die sich hinsichtlich dem anzuwendenden Steuersatz, dem Ausweis und dem Vorgehen bei Steuersatzänderungen unterscheiden. 131 Nach der liability-Methode werden latente Steuern entweder als Forderung im Sinne von Steuervorauszahlungen oder als Verbind-lichkeW32 rur zukünftig zu zahlende Steuern betrachtet.133 Da die Höhe der Forderung oder Verbindlichkeit von dem zukünftigen Steuersatz abhängt, der bei der voraussichtli-chen Umkehrung der Differenzen Gültigkeit besitzt, wird dieser auch bei der Bewertung latenter Steuern verwendet. 134 Nachträgliche Änderungen des Steuersatzes werden durch die Anpassung der Bewertung bestehender latenter Steuern in der Periode berücksich-tigt, in der die Steuersatzänderung erfolgt oder sich die Erwartung über den zukünftigen Steuersatz ändert. Daraus resultierende Veränderungen latenter Steuern werden

erfolgs-128 Angenommen der steuerliche Wert eines Grundstücks liegt bei 100 und der handelsrechtliche Wert bei 200. Dann ist die passive latente Steuer bei einem Steuersatz von 50 % nur dann überbewertet, wenn der Betrag von 200 nicht erzielt werden kann. Würde der Marktwert dauerhaft niedriger liegen, wäre der Vermögensgegenstand außerplanmäßig abzuschreiben, was auch die passive latente Steuer reduzieren würde. Wenn das Grundstück in ferner Zukunft nicht zu einem mit dem risikoadäquaten Zinssatz aufgezinsten Betrag veräußerbar wäre, sollte es sofort veräußert werden. Die Aufzinsung erhöht die stillen Reserven, die wiederum die zukünftige Steuerbelastung erhöhen (welche deshalb nicht in der Bilanz abgebildet sind, weil auch die stille Reserve nicht bilanziert wird). Somit ist es sehr unwahrscheinlich, dass bilanzierte latente Steuern überbewertet sind.

129 Vgl. KARRENBROCK (1991), S. 98-103.

130 Die Begriffe werden synonym verwendet. V gl. COENENBERGiHILLE (1997a), S. 402-405 (Tz. 17-27). Die Differenzierung hat jedoch didaktischen Nutzen.

131 Vgl. BUSSE VON COLBE/ORDELHEIDE (1993), S. 37.

132 Die hier bezeichnete Verbindlichkeit ist nicht als Verbindlichkeit im bilanzrechtlichen Sinne zu verstehen, sondern als zukünftige wirtschaftliche Verpflichtung.

133 Vgl. BUSSE vONCOLBElORDELHEIDE (1993), S. 37.

134 Vgl. COENENBERGIHILLE (1997a), S. 406 (Tz. 29).

30

wirksam behandelt.135

Die deferred- oder deferral-Methode wird auch als Abgrenzungsmethode bezeichnet.

Die Berücksichtigung latenter Steuern erfolgt mit dem Ziel, den Steueraufwand durch deferred charges (passivische Abgrenzung) oder deferred credits (aktivische Abgren-zung) zu korrigieren.136 Die Bewertung der latenten Steuern erfolgt mit dem zum Zeit-punkt der Bildung gültigen Steuersatz.137 Dies hat zur Folge, dass auch die Auflösung der bilanzierten latenten Steuern mit den historischen Steuersätzen zu erfolgen hat und diese bis zur vollständigen Auflösung mit den korrespondierenden Beträgen verzeichnet werden müssen. Demnach haben Steuersatzänderungen keinen Einfluss auf die Bewer-tung bereits abgegrenzter Beträge.138 Der in der Bilanz ausgewiesene Posten ist für die latente Steuerabgrenzung folglich nicht mit einem einzigen und nachvollziehbaren Steuersatz, sondern mit einem gewichteten Durchschnittssteuersatz bewertet.

Die net-of-tax-Methode wurde aus der Überlegung heraus entwickelt, dass der Wert von Vermögensgegenständen nicht nur durch ihren Gebrauchswert bestimmt wird; auch die steuerliche Behandlung beeinflusst ihre Bewertung.139 In der Bilanz werden keine laten-ten Steuern ausgewiesen, sondern der Buchwert des Vermögensgegenstandes (oder der Schuldposition) selbst korrigiert. Da die net-of-tax-Methode keine praktische Relevanz hat, da sie nach keinem hier behandelten Rechnungslegungssysteme zulässig ist, wird sie nicht näher behandelt.

135 Vgl. COENENBERGIHILLE (1997a), S. 406 (Tz. 29).

136 Vgl. COENENBERGIHILLE (1997a), S. 406 (Tz. 30).

137 Vgl. COENENBERGIHILLE (1997a), S. 406 (Tz. 30).

138 Vgl. KLEIN (2001), S. 1452.

139 Vgl. BUSSE VON COLBElORDELHEIDE (1993), S. 37.

31

Folgende Abbildung fasst die wesentlichen Abgrenzungskonzepte latenter Steuern zusammen:

Abb. I: Abgrenzungskonzepte latenter Steuern 140

Zeitlich Quasi Permanen- Zeitlich Sonstige

begrenzte permanen- te Diffe- begrenzte

Differen-Ergebnis- te Diffe- renzen Bewer- zen

differenzen renzen

tungsdiffe-renzen