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2. LITERATURÜBERSICHT

2.1 BORNASCHE KRANKHEIT UND INFEKTION MIT DEM BDV

2.1.4 Pathogenese

2.1.4.2 Immunpathogenese

BD wird durch eine virusinduzierte, immunpathologische Reaktion ausgelöst (Übersicht bei STITZ, 2002). Nicht immunkompetente bzw. immunsupprimierte Tiere weisen zwar nach intrazerebraler Inokulation mit BDV hohe Antikörpertiter auf, die Infektion verläuft jedoch persistierend und trotz eines hohen Virusgehaltes ohne klinische Anzeichen einer BD. Histopathologisch sind allerdings durchaus degenerative Veränderungen des Gehirns zu beobachten (HIRANO et al., 1983;

NARAYAN et al., 1983 a, b; HERZOG et al., 1984, 1985; MORALES et al., 1988;

CARBONE et al., 1991 b; STITZ et al., 1991 b; PLETNIKOV et al., 2002). Durch die Übertragung von Milzzellen immunkompetenter, BDV-infizierter Spendertiere auf immuninkompetente Tiere werden sowohl klinische BD als auch entzündliche Läsionen des ZNS hervorgerufen (NARAYAN et al., 1983 a, b; STITZ et al., 1989).

Werden Seren der BDV-infizierten Spendertiere übertragen, bleibt dies ohne Auswirkung (NARAYAN et al., 1983 a, b; HERZOG et al., 1985). Der Serumtransfer bewirkt bei immunsupprimierten Lewisratten zwar nicht die Verhinderung der persistierenden ZNS-Infektion, die Virusausbreitung wird jedoch auf neuronale Gewebe begrenzt (STITZ et al., 1998).

Die mit einer BDV-Infektion assoziierte Entzündungszellpopulation wurde zunächst bei experimentell infizierten Lewisratten näher charakterisiert. Die Infiltrate bestehen aus Makrophagen und T-Lymphozyten (CD4+ und CD8+), zu späteren Zeitpunkten p.i. sind vermehrt Plasmazellen sowie B-Lymphozyten zu finden. Dabei sind Makrophagen bzw. aktivierte Mikrogliazellen und CD4+-Lymphozyten über den gesamten Zeitraum der BDV-Infektion dominant, während CD8+-Lymphozyten seltener auftreten (DESCHL, 1988; DESCHL et al., 1990). Die gleichen Zellpopulationen konnten bei spontan infizierten Pferden, Schafen und Katzen identifiziert werden (BILZER et al., 1995; LUNDGREN et al., 1995 a; CAPLAZI und EHRENSPERGER, 1998).

Während der BDV-Infektion ist MHC-I–Antigen nicht nur auf Entzündungszellen, sondern auch auf Neuronen und Astrozyten nachweisbar. MHC-II–Antigen kann auf Lymphozyten, Makrophagen, Oligodendrozyten, Mikroglia- und Ependymzellen detektiert werden (DESCHL et al., 1990; RICHT et al., 1990; CARBONE et al., 1991

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b, STITZ et al., 1991 a, 1995; PLANZ et al., 1993; BILZER und STITZ, 1994). Da MHC-II–Antigen auch in Gehirnregionen vermehrt vorkommt, die nicht entzündlich verändert sind, ist eine allgemeine Aufregulierung während der BDV-Infektion zu vermuten (RICHT et al., 1990; STITZ et al., 1995). Dabei stimmt die Verteilung von MHC-I und -II im Gehirn spontan infizierter Pferde und Schafe mit der bei experimentell infizierten Ratten überein (BILZER et al., 1995; CAPLAZI und EHRENSPERGER, 1998; PUGGE, 1999). Das lässt, ebenso wie die Übereinstimmung der Entzündungszellpopulationen, auf eine gleiche Pathogenese bei Pferd und Ratte schließen.

CD4+ T-Zellen sollen als Helferzellen fungieren, welche die Synthese BDV-spezifischer Antikörper unterstützen (PLANZ et al., 1995; SOBBE et al., 1997;

HATALSKI et al., 1998; NÖSKE et al., 1998). Werden BDV-spezifische CD4+ T-Zellen vor der Infektion mit dem BDV in immunsupprimierte Lewis-Ratten transferiert, kann eine BD verhindert werden. Erfolgt die Gabe BDV-spezifischer CD4+ T-Zellen nach der BDV-Infektion, kann dies eine BD ausgelösen (RICHT et al., 1989, 1994).

Zu einem frühen Zeitpunkt der Infektion können CD4+ T-Zellen also möglicherweise vor einer Erkrankung schützen. Ein immunpathologischer Mechanismus wird hervorgerufen, wenn bereits viele Zellen mit dem BDV infiziert sind (RICHT et al., 1994; SCHMEEL, 1995; SCHMEEL et al., 1995). In einem anderen Infektionsversuch zeigte sich, dass Ratten, die mit einer niedrigen Dosis einer Zellkultur-adaptierten BDV-Präparation infiziert wurden, eine klinische BD entwickelten, während bei hohen Infektionsdosen nur eine milde Enzephalitis auftrat. Diese Tiere wiesen hohe Titer BDV-spezifischer Antikörper auf und waren bei erneuter viraler Exposition geschützt, was mit einer schnellen Induktion der Immunantwort und einem negativen Virusnachweis im ZNS korreliert war (OLDACH et al., 1995).

CD8+ T-Zellen aus Gehirnen erkrankter Ratten und Mäuse weisen in vitro eine zytolytische Aktivität gegenüber BDV-infizierten Zellen bzw. BDV-spezifisches Antigen–exprimierenden Zellen auf (PLANZ et al., 1993; HAUSMANN et al., 1999;

SCHAMEL et al., 2001). Durch die Depletion von CD8+ T-Zellen oder die Hemmung ihrer Entwicklung kann bei der Ratte das klinische Auftreten der BD und der entzündlichen Veränderungen verzögert werden (STITZ et al., 1991 a, 1992;

Übersicht bei STITZ et al., 2002).

LITERATURÜBERSICHT 15 Es wird angenommen, dass CD8+ T-Zellen die Haupteffektorzellen bei der BDV-Infektion der Maus sind, obwohl es weder bei Mäusen noch bei Ratten zu einer Lyse BDV-infizierter Neurone kommt. Die zytotoxischen T–Lymphozyten (ZTL) sind vor allem gegen das virale Nukleoprotein gerichtet (HAUSMANN et al., 1999; PLANZ et al., 1999; SCHAMEL et al., 2001). Die Kinetik der Induktion und Einwanderung von ZTL in das Gehirn bestimmt die Ausprägung der klinischen BD bei der Maus. Die Reduktion der funktionalen Avidität virusspezifischer CD8+ Lymphozyten in experimentell infizierten Mäusen scheint die Entzündungsreaktion zu beeinflussen und die virale Persistenz zu ermöglichen (ENGELHARDT et al., 2005).

Die Kontrolle einer BDV-Infektion durch die Immunantwort konnte bisher lediglich durch eine Antigen-spezifische Immunaktivierung oder den adoptiven Transfer BDV-spezifischer T-Zellen erreicht werden (RICHT et al., 1994; LEWIS et al., 1999;

HAUSMANN et al., 2005; HENKEL et al., 2005). Die Ergebnisse der Untersuchungen zur Immunpathogenese sowie zur Charakterisierung der Entzündungszell-populationen lassen vermuten, dass es sich bei der Pathogenese der BD um eine Hypersensibilitätsreaktion vom verzögerten Typ handelt (RICHT et al., 1989, 1990, 1992, 1995, 2006; DESCHL et al., 1990).

Neben der zellulären ist auch eine starke humorale Immunantwort bei BDV-infizierten Tieren zu beobachten. Das Vorhandensein BDV-spezifischer Antikörper ohne klinische Symptomatik belegt die Existenz klinisch inapparenter Infektionen bei Pferd und Schaf (LANGE und JAESCHKE, 1987). In Seren BDV-infizierter Ratten treten nicht neutralisierende Antikörper gegen das Nukleoprotein (N) und BDV-Phosphoprotein (BDV-P) bereits zwei Wochen p.i. auf, in der chronischen Phase sind auch Antikörper gegen das BDV-GP detektierbar (STITZ et al., 1998; STOYLOFF et al., 1998). In der späten Phase nach einer BDV-Infektion geht bei der Ratte die Entzündung im ZNS zurück, obwohl virales Antigen und infektiöses Virus vorhanden sind (NARAYAN et al., 1983 a, b; DESCHL et al., 1990; HERDEN et al., 2000). Dies könnte durch einen Wechsel von einer Th1- zu einer Th2-Immunantwort verursacht sein und den Übergang von der akuten Phase der klinischen BD in die chronische Phase verursachen (HATALSKI et al., 1998). Neutralisierende Eigenschaften konnten für Antikörper gegen das BDV-GP in vitro und in vivo nachgewiesen werden (FURRER et al., 2001, 2004; BAJRAMOVIC et al., 2003). Außerdem ist im Rattengehirn eine lokale IgG-Produktion zu beobachten, welche möglicherweise die

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virale Genexpression beeinflussen könnte (DESCHL et al., 1990; HATALSKI et al., 1998). Insgesamt scheinen antivirale Antikörper jedoch keine tragende Rolle bei der Immunpathogenese der BD zu spielen (NARAYAN et al., 1983 b; HERZOG et al., 1985; PLANZ et al., 1995).

Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass das BDV auch mit verschiedenen zellulären Proteinen und Signalkaskaden oder der Induktion der antiviralen Interferon (IFN)-Antwort interagieren kann (Übersicht bei GONZALEZ-DUNIA et al., 2005). In unterschiedlichen Zellkulturen konnte eine Aktivierung der Raf/MEK/ERK Signalkaskade durch Infektion mit dem BDV nachgewiesen werden, welche eine wichtige Rolle in Zellwachstum und Differenzierung spielt (PLANZ et al., 2001). Das Phosphoprotein des BDV (BDV-P) kann Amphoterin/HMG-1, einen Neuriten-Auswuchs-Faktor, in vivo binden und dessen Funktion beeinträchtigen, so dass es zur direkten Störung des Wachstums von Zellfortsätzen und der Zellmigration von Neuronen kommt. Zudem kann die durch BDV-Infektion herabgesetzte Sekretion von Amphoterin an der Zelloberfläche die Reifung neuraler Zellen sowie die Kommunikation neuraler Zellen stören (KAMITANI et al., 2001). Der zelluläre Transkriptionsfaktor NF-κB ist an der Regulierung vieler Prozesse wie z.B. Apoptose und Abwehr beteiligt und wird normalerweise durch eine virale Infektion aktiviert.

BDV verhindert aktiv oder passiv diese Aktivierung und somit möglicherweise auch die Abwehrreaktion des Wirtes (BOURTEELE et al., 2005). Weiterhin wurde kürzlich gezeigt, dass BDV-P mit der Kinase TBK-1 interagiert und durch diese phosphoriliert wird. Dadurch wirkt BDV-P einer TBK-1-bedingten Expression des antiviralen Zytokins IFN-ß entgegen und unterdrückt somit eventuell die antivirale Abwehr (UNTERSTAB et al., 2005).

Bei Mäusen wird die Virusverteilung und die Persistenz im Gehirn weder durch Überexprimierung noch durch die Deletion verschiedener Zytokin- oder Chemokin-Rezeptoren beeinflusst (FREUDE et al., 2004; HAUSMANN et al., 2004; KRAMER et al., 2004).

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