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2. LITERATURÜBERSICHT

2.3 BDV-SPEZIFISCHE PROTEINE

2.3.1 BDV-Glykoprotein (BDV-GP)

Glykoproteine spielen eine wichtige Rolle in der Biologie der NNS-RNA-Viren. Das BDV-GP, auch gp84, gp94 oder GP genannt, ist das einzige Glykoprotein des BDV und besteht aus 503 Aminosäuren (GONZALEZ-DUNIA et al., 1997; SCHNEIDER et al., 1997; RICHT et al., 1998). Das Vorläufermolekül mit einer Größe von 57 kDa wird über die Membran des Endoplasmatischen Retikulums (ER) transportiert und als Typ I Membranprotein in diese integriert (GONZALEZ-DUNIA et al., 1997). Im Lumen des ER findet die N-Glykosilierung statt, die zur Stabilisierung des Transkriptionsproduktes notwendig ist (GONZALEZ-DUNIA et al., 1997). Die molekulare Masse vergrößert sich durch die Glykosilierung von ca. 57kDa auf 84/94kDa (RICHT et al., 1998).

RICHT et al. (1998) zeigten in vitro, dass die Subtilisin-ähnliche Protease Furin das BDV-GP C-terminal bei der Aminosäure 249 (Arginin) spaltet und somit aktiviert. Die Spaltung des BDV-GP erfolgt ungewöhnlich früh im „secretory pathway“, nämlich im ER bzw. im cis-Golgi (EICKMANN et al., 2005).

Als erstes gelang der Nachweis des 43kDa großen C-terminalen Anteils des glykosilierten Polypeptids (GP-C, GP-43, gp43) an der Zelloberfläche. Für das komplette 94kDa große Molekül konnte die Akkumulation im ER nachgewiesen werden (GONZALEZ-DUNIA et al., 1997). Inzwischen konnte auch der N-terminale Anteil des BDV-GP als ein ca. 51kDa großes und hochgradig glykosiliertes Polypeptid (N, gp51) identifiziert werden (KIERMAYER et al., 2002). Sowohl GP-C als auch das komplette BDV-GP wurden zunächst in infektiösen Virionen nachgewiesen (GONZALEZ-DUNIA et al., 1997). Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass die beiden Untereinheiten GP-C und GP-N in aufgereinigtem BDV-Partikeln vorhanden sind, nicht aber ungespaltenes BDV-GP, was die Ergebnisse vorhergehender Studien widerlegt (EICKMANN et al., 2005). Zur schematischen Darstellung des BDV-GP siehe Abbildung 2.

Nur ein kleiner Teil des GP-N/GP-C-Komplexes wird an die Zelloberfläche transportiert. Stattdessen kommt es zu einer Akkumulation von BDV-GP bzw. dessen

LITERATURÜBERSICHT 25 Spaltprodukten im ER und dem Golgi-Apparat der Zelle (GONZALEZ-DUNIA et al., 1997; KOHNO et al., 1999; KIERMAYER et al., 2002; EICKMANN et al., 2005).

Abb. 2: Schematische Darstellung des BDV-GP nach KIERMAYER et al., 2002.

Oben: Gesamtes GP (gp84, gp94,G); Signalpeptid (schwarzes Viereck), Spaltungsstelle des Furins bei Aminosäure 249 (Arginin, dunkelgraues Dreieck), transmembrane Domäne (gestreifte Stelle), mögliche Bindungsstellen für N-Glykane (baumähnliche Symbole). Mitte: C-terminaler Anteil des GP (gp43) nach Spaltung durch Furin. Unten: N-terminaler Anteil des GP (gp51) nach Spaltung durch Furin.

Für die beiden Untereinheiten des BDV-GP werden verschiedene Funktionen vermutet. GP-C gilt als Vermittler von pH-abhängiger Synzytiumbildung und Fusion der Membranen von Wirtszelle und Virushülle, während GP-N als wichtiger Faktor für die Erkennung und Bindung des Virus-Rezeptors und den Eintritt in die Wirtszelle betrachtet wird (PEREZ et al., 2001).

Obwohl unbehüllte Ribonukleoproteine des BDV infektiös sein können (CUBITT und DE LA TORRE, 1994 a), wird die Ausbreitung von BDV in Zellkultur durch neutralisierende, GP-spezifische Antikörper verhindert, und der Einsatz eines Furin-Inhibitors unterbindet die Virusvermehrung komplett (BAJRAMOVIC et al., 2003).

Dies gibt Hinweise auf die wichtige Rolle des BDV-GP für die neuronale Ausbreitung des Virus.

In vivo ist BDV-GP in experimentell infizierten Lewis-Ratten in deutlich geringerem Ausmaß nachweisbar als das disseminiert im Gehirn vorkommende BDV-N.

Intrazellulär wird BDV-GP ausschließlich im Zytoplasma exprimiert, während BDV-N in Zytoplasma und Kern vorkommt (RICHT et al., 1998). In BDV-infizierten Zellen ist

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BDV-GP vorwiegend im ER und/oder im Golgi-Apparat nachweisbar (GONZALEZ-DUNIA et al., 1998), in neueren in vitro Studien konnte BDV-GP perinukleär und an den Termini bzw. Kontaktstellen von Neuriten detektiert werden (BAJRAMOVIC et al., 2003).

2.3.2 BDV-Matrixprotein (BDV-M)

Das Protein p16 des BDV, kodiert durch den ORF III des BDV-Genoms, wurde zunächst für ein membrangebundenes Glykoprotein (gp18) gehalten (KLICHE et al., 1994, BRIESE et al., 1994, STOYLOFF et al., 1997). KRAUS et al. (2001) konnten jedoch nachweisen, dass es sich um ein typisches, nicht glykosiliertes Matrixprotein handelt, welches Membran-assoziiert und nicht Membran-integriert ist. Auch homologe ORFs anderer Viren der Ordnung Mononegavirales kodieren typische Matrixproteine. Mit einer Größe von 16,2 kDa ist das Matrixprotein des BDV das kleinste unter den Matrixproteinen der NNS-RNA-Viren der Säugetiere. Es sitzt an der inneren Seite der viralen Hülle (KRAUS et al., 2001). Neuste Untersuchungen an rekombinantem BDV-M zeigen, dass es stabile Tetramere formt und diese eine Tendenz haben, sich zu einem gitterartigen Komplex mit hoher Molekularmasse zu verbinden. Diese strukturellen Eigenschaften lassen darauf schließen, dass BDV-M eine ausschlaggebende Rolle bei der Reifung von Viruspartikeln spielt (KRAUS et al., 2005).

Die Aufgabe viraler Matrixproteine ist es, das Nukleokapsid mit dem zytoplasmatischen Anteil der Glykoprotein-“spikes“ an der inneren Seite der Virushülle zu verbinden. Daher sind Matrixproteine essentiell für Virusreifung und Freisetzung von Viren aus der Wirtszelle. Außerdem wird angenommen, dass Matrixproteine eine wichtige Rolle in der Regulierung der Virusreplikation spielen, indem sie Ribonukleoproteine formieren und Viruspartikel zur zellulären Membran transportieren. So wurde für Influenza-Viren nachgewiesen, welche ebenfalls im Zellkern replizieren, dass der Export aus dem Nukleus vom Matrixprotein gesteuert wird (MARTIN und HELENIUS, 1991). Weitere Untersuchungen sind nötig, um genauere Erkenntnisse zur Funktion und Struktur des BDV-Matrixproteins zu gewinnen.

LITERATURÜBERSICHT 27 2.3.3 BDV-Polymerasekomplex

Bei den NNS-RNA-Viren bilden L, N und P in Verbindung mit der viralen RNA den aktiven Polymerasekomplex (PATTNAIK et al., 1992), der auch Ribonukleoprotein-Komplex (RNP) genannt wird (MURPHY und LAZZARINI, 1974).

BDV-N bildet zusammen mit der viralen RNA den wichtigsten Bestandteil des RNP, für dessen Lokalisation im Zellkern BDV-N entscheidend ist. Es gibt zwei Isoformen des BDV-N mit einem Molekulargewicht von 39/40 kDa und 38 kDa, die beide in infizierten Zellen nachweisbar sind (PYPER und GARTNER, 1997). Diese Proteine stellen mindestens 50% der in Virionen nachweisbaren BDV-Proteine dar (PYPER und CLEMENTS, 1994). Ein NLS konnte nur für den Amino-terminalen Anteil des p39/40 nachgewiesen werden. p38 fehlt der Amino-terminale Anteil, der das NLS birgt (PYPER und GARTNER, 1997). p39/40 fördert die Replikation und Transkription eines BDV-Minigenoms auch dann, wenn es in Abwesenheit von p38 exprimiert wird, was umgekehrt nicht der Fall ist (PEREZ et al., 2003; SCHNEIDER et al., 2004 b). Daher ist anzunehmen, dass p38 keine aktiven viralen Polymerasekomplexe formen kann. Unter bestimmten experimentellen Bedingungen bindet es aber BDV-P, welches wiederum die Aktivität des Polymerasekomplexes hemmen kann, wenn es in zu hoher Menge vorhanden ist. Somit scheint p38 ein zusätzlicher modulierender Faktor in der Feinregulierung der Aktivität des RNP zu sein (SCHNEIDER et al., 2004 a).

BDV-N ist in Kombination mit anderen BDV-Proteinen wie P wichtig für den nukleo-zytoplasmatischen Transport des RNP-Komplexes (KOBAYASHI et al., 2001;

TOMONAGA et al., 2002).

Die NLS und NES enthaltenden viralen Proteine BDV-N und BDV-P binden direkt oder indirekt an die BDV-RNA und transportieren diese durch Poren der Kernmembran in das Zytoplasma. Die Steuerung der Transportvorgänge findet durch Interaktionen der involvierten BDV-Proteine statt. Zudem ist das NES des BDV-N mit einer der Bindungsstellen des BDV-P kolokalisiert (KOBAYASHI et al., 2001). Die nukleäre Export-Aktivität von N kann also durch direkte Bindung von P beeinflusst werden. Weiterhin wird die Bindung zwischen P und X über ein mutmaßliches NES des X-Proteins gesteuert, was vermuten lässt, dass BDV-P die Proteine N und X im

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Zellkern zurückhalten kann, indem es direkt an deren NES bindet (MALIK et al., 2000; WOLFF et al., 2000).

Das Verhältnis von vorliegendem N zu P ist entscheidend an der Kontrolle der Polymerase-Aktivität beteiligt. Für die optimale Replikation wird ein 20-fach höheres Vorkommen von N gegenüber P benötigt, bei einem 1:1 Verhältnis beider BDV-Proteine wird die Replikation gehemmt. BDV ist das einzige Virus unter den Mononegavirales mit solch strenger Kontrolle der Replikation durch die molare Menge von P, was möglicherweise ebenfalls eine Voraussetzung für die virale Persistenz darstellt (SCHNEIDER et al., 2003; SCHNEIDER, 2005).

BDV-X ist ein Polypeptid von 10 kDa und konnte in BDV-infizierten Zellen und Geweben nachgewiesen werden (WEHNER et al., 1997). Aufgrund seiner Bindungsfähigkeit mit N und P vermutete man zunächst eine Beteiligung am nukleären Export (WOLFF et al., 2000) oder eine Rolle als Kofaktor für die BDV Polymerase. Kürzlich wurde jedoch anhand von Untersuchungen in Zellkultur gezeigt, dass das X-Protein für die Rekonstruktion eines aktiven BDV Polymerasekomplexes nicht benötigt wird, sondern dessen Aktivität sogar hemmt.

Daher wird X auch als negativ-regulierender Faktor bezeichnet (PEREZ et al., 2003;

SCHNEIDER et al., 2003). Schon bei einem Verhältnis BDV-X zu BDV–P von 1:5 wird die RNA-Synthese zu 30%, bei einer Ratio von 1:1 zu 100% gehemmt (SCHNEIDER et al., 2003). Weiterhin wurde gezeigt, dass X mit P-L und P-N Komplexen interagieren kann (SCHNEIDER et al., 2004 a) und möglicherweise die Polymerase-Aktivität über die Beeinflussung der Konzentration an aktivem BDV-P steuert (POENISCH et al., 2004).

In den Kernen und im Zytoplasma BDV-infizierter Zellen konnte die Kolokalisation von BDV-X mit BDV-N und BDV-P nachgewiesen werden, wobei diese Proteine in einem Verhältnis X:P:N von 1:6:40 vorliegen (SCHWARDT et al., 2005).

Phosphoproteine anderer NNS-RNA-Viren sind essentielle Kofaktoren für die virale Polymerase. Eine solche Rolle wird auch dem BDV-P zugesprochen (Übersicht s.

SCHNEIDER, 2005). Es konnte gezeigt werden, dass das BDV-P eine nukleäre Lokalisations-Aktivität aufweist (SHOYA et al., 1998). In infizierten Zellen konnte per Immunfluoreszenz eine Kolokalisation von BDV-P mit BDV-N und BDV -X im Nukleus nachgewiesen werden (SCHWEMMLE et al., 1998). Neuste

LITERATURÜBERSICHT 29 Untersuchungen zeigen, dass das BDV-P als einziges Protein des Polymerase-Komplexes mit BDV-L interagiert und als Multimer die Funktion eines Stützproteins für den Polymerasekomplex übernimmt. Dies wiederum spielt eine zentrale Rolle in der RNA Synthese (SCHNEIDER et al., 2004 a).

Eine zweite Isoform, P‘, wird ebenfalls vom ORF des BDV-P kodiert, es konnte in BDV-infizierter Zellkultur und in Gehirnzellen von experimentell infizierten Tieren nachgewiesen werden (KOBAYASHI et al., 2000). Seine Rolle für die Überlebensstrategie des BDV ist jedoch nicht geklärt.

BDV-L weist eine RNA-abhängige RNA-Polymerase–Aktivität auf und interagiert mit BDV-P (WALKER et al., 2000; SCHNEIDER et al., 2004 a). Es gibt Hinweise auf die Existenz von zwei weiteren, unvollständigen Isoformen des BDV-L, p180 und p165 (DE LA TORRE, 2002 b), die aber bislang nicht in infizierten Zellen nachgewiesen werden konnten und deren Funktion unklar ist. Die Aktivität von BDV-L wird stark eingeschränkt durch das Nukleosid-Analog 1-ß-D-arabinofuranosylcytosin, ein Inhibitor der DNA-Polymerase (BAJRAMOVIC et al., 2002).

In BDV-infizierten Lewis-Ratten konnten Serumantikörper gegen BDV-L nachgewiesen werden (WALKER et al., 2000). Sowohl in BDV-infizierten Zellen, als auch in Zellen, die mit einem BDV-L enthaltenden Plasmid transfiziert worden waren, kommt BDV-L vorrangig im Nukleus vor. Dies weist auf einen intranukleären Transport der Polymerase auch in Abwesenheit weiterer BDV-Proteine hin (WALKER et al., 2000). Inzwischen wurde auch das NLS des BDV-L identifiziert (WALKER und LIPKIN, 2002).