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Hintergrundinformationen

Im Dokument 65/2017 (Seite 57-60)

3 Zusammenfassung und Darstellung des Wissenstandes zur Belastung der Umwelt mit

3.1 Wissensstand dl-PCB (PCB)

3.1.1 Hintergrundinformationen

Polychlorierte Biphenyle (PCB), und unter ihnen die dioxinähnlichen PCB (dl-PCB, engl.: dioxin-like), sind aufgrund ihrer POP-Eigenschaften, das heißt wegen ihrer Toxizität, ihrer Bioakkumula-tion, ihrer Persistenz und ihrer Neigung zum Ferntransport als POP-Substanzen in den Anhängen A (Zerstörung) und C (Unbeabsichtigte Herstellung) des Stockholmer Übereinkommens gelistet.

Chemische Identität

Das chemische Grundgerüst der PCB-Kongenere besteht aus zwei drehbaren Phenylringen, die über eine C-C-Einfachbindung miteinander verbunden sind. Die allgemeine Summenformel lautet C12H 10-nCln, wobei n eine Zahl von 1 bis 10 annimmt. Nach der Anzahl der Chloratome ergeben sich 10 ver-schiedene Homologe und abhängig von der Position dieser Chloratome 209 PCB-Kongenere. In der Umwelt wurden bisher mehr als 130 Kongenere nachgewiesen [LfU Bayern 2016]. Sind die Phenyl-ringe um die C-C-Einfachbindung frei drehbar, ist es energetisch günstig, wenn das PCB-Kongener eine planare Molekülgeometrie einnimmt, wie sie auch Dioxine zeigen. Dies ist dann der Fall, wenn im PCB-Molekül an den vier ortho Kohlenstoffatomen (zur Verknüpfung der beiden Phenylringe be-nachbart) kein Chloratom gebunden ist oder das Kongener mono-ortho substituiert ist. Die non- und mono-ortho PCB-Kongenere besitzen ähnliche Eigenschaften wie die Dioxine und werden aus diesem Grund als dioxinähnliche PCB (dl-PCB) bezeichnet. Zu ihnen gehören die non-ortho Kongenere PCB 77, PCB 81, PCB126, PCB 169 und die mono-ortho Kongenere PCB 105, PCB 114, PCB 118, PCB 123, PCB 156, PCB 157, PCB 167, PCB 189. Beispielhaft ist die Strukturformel von PCB 126 in Abbildung 1 dargestellt.

58 Abbildung 1 Struktur des dl-PCB Kongeners 126

Status in der POP-Dioxin-Datenbank des Bundes und der Länder

Aufgrund ihrer dioxinähnlichen Eigenschaften geben die dl-PCB Anlass zu verstärkten Untersu-chungsanstrengungen, die oft auch unabhängig von der Untersuchung anderer PCB-Kongenere er-folgt.

In Deutschland betreibt das Umweltbundesamt zusammen mit dem Bundesamt für Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die POP-Dioxin-Datenbank des Bundes und der Länder und führt so Daten zusammen, die im Rahmen von Messprogrammen der Bundesländer, von Universitäten und Forschungsinstituten im In- und Aus-land gemessen wurden.

Die POP-Dioxin-Datenbank enthält bereits zahlreiche Datensätze zu PCB einschließlich dl-PCB. Den-noch ist es anzustreben, weitere Datensätze aufzunehmen. Im Vorläuferprojekt [Weber et al. 2015]

wurden bereits viele Quellen diesbezüglich ausgewertet und sind zu berücksichtigen. Zudem gibt es Hinweise auf weitere relevante Datensätze.

Die POP-Dioxin-Datenbank des Bundes und der Länder umfasst zurzeit knapp 70.000 Einzelmessun-gen der dl-PCB-KonEinzelmessun-genere aus mehr als 60 benannten Messprogrammen (außer Lebensmittel) [Gärtner und Kubelt 2015 schriftlich]. Bis auf Lebensmittelproben wurden nach 2013 keine dl-PCB-Messergebnisse in die Datenbank aufgenommen. Die letzten Umweltmessprogramme, in deren Rah-men dl-PCB im Jahr 2013 gemessen worden, sind naRah-mentlich „Depositionsuntersuchungen des Lan-des Sachsen-Anhalt“, „PCDD/F- und PCB-Daten einer italienischen Sinteranlage“ und „Bodenbelas-tung mit anorganischen und organischen Schadstoffen in der Umgebung der Firma Woolrec“.

Relevanz in der Technosphäre

PCB sind eine Gruppe von Industriechemikalien, die vor allem in den 1950er bis Anfang der 1980er Jahre industriell in großen Mengen hergestellt wurden und weltweit als Flammschutzmittel, Weich-macher, Isolierflüssigkeit in Transformatoren und Kondensatoren und als Hydrauliköl zum Einsatz kamen. Insgesamt wurden etwa 1,5 Millionen Tonnen PCB produziert. Die Produktion der westdeut-schen Firma Bayer als weltweit zweitgrößter Hersteller belief sich auf circa 159.062 t PCB zwiwestdeut-schen 1930 und 1983 [Breivik et al. 2002].

Obwohl seit dem allgemeinen PCB-Verbot in Deutschland 1989 ein großer Teil der PCB fachgemäß entsorgt wurden, kann es noch heute zu einer Umweltbelastung von dl-PCB aus noch vorhandenen Reservoiren der Technosphäre kommen. Nach Einschätzung von Weber et al. stammt der überwie-gende Teil des heutigen atmosphärischen PCB-Eintrags aus ehemaligen offenen Anwendungen wie Fugenmassen und andere offene PCB-Anwendungen (vor allem Farbanstrichen und

Beschichtun-59 gen), die nach Schätzung von Weber et al. zu einem großen Teil (geschätzte 50-80%) noch in Gebäu-den und Bauwerken enthalten seien und kontinuierlich PCB emittieren (7 bis 12 t/Jahr; siehe [Weber et al. 2015]). Daneben tragen Emissionen von unbeabsichtigt gebildeten PCB aus Feuerungsanlagen und anderen thermischen Quellen zum aktuellen PCB-Eintrag in die Umwelt bei. Im Vergleich zu den Einträgen aus den offenen PCB Anwendungen wird die Relevanz dieser unbeabsichtigt gebildeten PCB von Weber et al. als gering eingeschätzt (220 kg/Jahr; siehe [Weber et al. 2015]). In Umweltmat-rices (Boden, Luft und Gras) werden fast ausschließlich PCB-Kongenerenprofile industriell ter PCB gefunden. Dies belegt nach Ansicht von Weber et al. die Dominanz der industriell hergestell-ten PCB als Quelle von Emissionen und die geringe Relevanz der thermisch unabsichtlich gebildehergestell-ten PCB [Weber et al. 2015].

Hier müssen insbesondere Quellen und Pfade von dl-PCB identifiziert werden, die Lebensmittel wie zum Beispiel Rindfleisch betreffen. Dies ist wichtig, da sich in Studien zur Belastung der Umwelt mit Dioxinen und PCB gezeigt hat, dass die dl-PCB einen relevanten Beitrag zum Gesamt-TEQ ausma-chen. In einer Untersuchung in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2009 zu Dioxinen und PCB in Böden, Pflanzen, Futter- und Lebensmitteln in Überschwemmungsgebieten stellte sich heraus, dass der pro-zentuale Anteil an dl-PCB am Gesamt-TEQ vom Kompartiment Boden über Futterpflanzen zu Lebens-mitteln (Rindfleisch, Rinderleber, Kuhmilch) hin zunimmt [Hembrock-Heger et al. 2013]. In einem weiteren Untersuchungsprogramm aus dem Jahr 2011 [Hartmann et al. 2012] in dem Fleisch von Rindern aus extensiver Tierhaltung beprobt wurde, zeigten sich Überschreitungen der Höchstgehalte für die Summe aus PCDD/F und dl-PCB bei fünf von 30 untersuchten Rindern. Diese Überschreitun-gen resultierten aus dem mit 59 – 89% hohem Anteil der dl-PCB am Gesamt-TEQ.

Relevanz in der Umwelt

PCB wurden primär über Produkte in den Verkehr und in die Umwelt eingebracht. Durch historische Einträge gelangten PCB überwiegend über die Atmosphäre in die verschiedenen Umweltkomparti-mente und sind dort überwiegend in Böden und SediUmweltkomparti-menten gespeichert. Sie sind aber auch in pflanzlichen und tierischen Biota enthalten. PCB haben lipophile und hydrophobe Eigenschaften, verhalten sich reaktionsträge und sind als bioakkumulierende Substanzgruppe relativ stabil gegen-über Verstoffwechselung und Ausscheidung. Aufgrund ihrer POP-Eigenschaften finden sich PCB heute ubiquitär in der Umwelt

An Standorten die von einer dl-PCB-Quelle beeinflusst werden, sind erhöhte Werte möglich. Quell-ferne Hintergrundkonzentrationen hingegen können Aufschluss über die allgemeine, aufgrund der ehemaligen Produktion von PCB nicht zu vermeidende Hintergrundbelastung geben und lassen als Zeitreihen Aussagen über Trends zu. So wurden Hintergrundkonzentrationen im Rahmen einiger Messprogramme für verschiedene Umweltkompartimente in Deutschland bestimmt. Dl-PCB-Gehalte in Graskulturen in Nordrhein-Westfalen beispielsweise betrugen 0,19 ng TEQWHO2005/kg TM5 (Median über drei Standorte im Messzeitraum 2004-2013) und in Grünkohl 0,05 ng TEQWHO2005/kg FM6 (Me-dian über neun Standorte Messzeitraum 2004-2013) [LANUV_NRW 2015]. Luftkonzentrationen und Deposition von dl-PCB wurden in Niedersachsen und Bayern bestimmt. In Niedersachsen ergaben sich Jahresmittelwerte (Messzeitraum Dez. 2008-Nov. 2009) der Luftkonzentrationen an Hinter-grundstationen zwischen 2,5 und 6,5 fg TEQWHO2005/m3 und Mittelwerte der Deposition über die Ve-getationsperiode Mai – Okt. 2009 von 0,4, und an einer Station 0,5, pg TEQWHO2005/m2d [Ribbeck et al. 2012]. [Körner et al. 2006] bestimmten in den Jahren 2002 bis 2004 Konzentrationen von dl-PCB an drei bayerischen Standorten (Augsburg, Kulmbach und Grassau) und es ergaben sich im Median

5 Gemäß Richtlinie 2002/32/EG liegt der Aktionsgrenzwert für Futtermittel-Ausgangserzeugnisse pflanzlichen Ursprungs (mit bestimmten Ausnahmen) für dl-PCB bei 0,35 ng/kg (WHO-TEQ) bezogen auf ein Futtermittel mit einem Feuchtig-keitsgehalt von 12 %

6 Gemäß Empfehlung der Kommission 2013/711/EU beträgt der Auslösewert für dl-PCB für Obst, Gemüse und Getreide 0,10 ng/kg Frischgewicht (WHO-TEQ).

60 Werte in Immissionsproben von 0,0010 bis 0,0020 pg WHO 1998-TEQ/m3 und in der Außenluft Kon-zentrationen von 0,0021 pg WHO1998-TEQ/m3 (Sommermessungen an zwei Standorten). In Nieder-sachsen durchgeführte Messungen im Jahr 2006 zeigten Konzentrationen von dl-PCB in Flusssedi-menten zwischen 0,017 und 6,1 ng WHO1998-TEQ/kg TS. Hintergrundwerte für Oberböden wurden in Hessen bestimmt. Die dl-PCB-Konzentrationen betrugen in den Bodenkategorie „landwirtschaftliche Nutzung“ und „Grünland“ jeweils im Median 0,49 ng TEQWHO1998/kg TM (Stand: 2004) [HLUG 2014].

Aufgrund einiger Lebensmittelskandale in der Vergangenheit und Warnungen zur Exposition von Nutztieren sind die PCB, und unter ihnen im Speziellen die dl-PCB, nicht aus den Schlagzeilen ver-schwunden. Im Gegensatz zu den Dioxinen, die bei Verbrennungsabläufen unter Anwesenheit von Chlor entstehen und emittiert werden, spielen die Emissionen von dl-PCB aus diesen Prozessen für den aktuellen Eintrag von dl-PCB in die Umwelt keine große Rolle. Bei der Betrachtung des dl-PCB-Bestands in der Umwelt ist nach wie vor die frühere massive Produktion von PCB für industrielle Pro-dukte bis in die 1980er Jahre hinein entscheidend.

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