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Diskussion der Zusammenhänge

Im Dokument 65/2017 (Seite 83-86)

3 Zusammenfassung und Darstellung des Wissenstandes zur Belastung der Umwelt mit

3.1 Wissensstand dl-PCB (PCB)

3.1.3 Diskussion der Zusammenhänge

Die Belastung der Umwelt erfolgt über die Atmosphäre und wird vor allem aus ehemals hergestellten kommerziellen PCB-Mischungen verursacht. Die Belastung der Atmosphäre stammt zum größten Teil aus Primäremissionen, und nicht aus der Re-emission aus Böden oder Pflanzen. Die ungewollte Her-stellung von dl-PCBs z.B. aus thermischen oder chemischen Prozessen wird als vergleichsweise ge-ring eingeschätzt.

Kommerzielle PCB-Mischungen wurden in geschlossenen Systemen z.B. als Isolieröle bzw. offen z.B.

in Fugenmassen oder Anstrichen verwendet. Aktuelle Emissionen aus der ehemaligen Anwendung von PCBs in geschlossenen Anwendungen werden als gering erachtet, weil die PCB aus geschlosse-nen Anwendungen zum größten Teil bereits systematisch entsorgt wurden oder nicht mehr rückhol-bar in die Umwelt gelangt sind. Sie können heute allerdings noch als lokale Quelle relevant sein und (zu einem gering eingeschätzten Anteil) zur Gesamtbelastung der Atmosphäre beitragen (siehe z.B.

[Klees et al. 2015a;Klees et al. 2015b]).

Die PCB Emissionen mit der heute größten Relevanz resultieren laut [Weber et al. 2015] aus den ehe-maligen offenen Anwendungen, welche heute noch in Gebäuden und sonstigen Bauwerken enthal-ten sind. Weber et al. begründen ihre Einschätzung plausibel und schätzen, dass 50 bis 80 % der in offenen Anwendungen eingesetzten PCB Mengen noch heute im Verkehr sind. Nach Einschätzung des Projektteams dürften die Mengen eher im unteren Bereich dieser Abschätzung oder sogar darun-ter liegen. Ein entsprechendes Inventar für PCBs aus offenen Anwendungen in Gebäuden und sosti-gen Bauwerken, welches eine Grundlage für eine verlässliche Abschätzung liefern könnte, liegt für Deutschland nicht vor. Weiterhin gehen Weber et al. von Freisetzungssraten von PCB aus Gebäuden von etwa 0,06% pro Jahr aus. Sie belegen dies mit entsprechenden Freisetzungsraten, die von [Sundahl et al. 1999] und [Csiszar et al. 2014] und in eigenen Untersuchungen von [Weber et al.

2015] berichtet wurden. Um die Verlässlichkeit der jährlichen Emissionsrate zu verbessern, wären weitere Informationen hilfreich.

Die vorliegenden Informationen legen nahe, dass die noch in Verkehr befindlichen PCB haltigen Ma-terialien aus der offenen Anwendung (Fugenmassen und Anstriche) die aktuell wichtigste Belas-tungsquelle für die Atmosphäre und weiterer Umweltkompartimente darstellt. Dies wird durch er-höhte Belastungswerte in und um belastete Gebäude und Gebäudekomplexe und Städte bestätigt (siehe z.B. und [Weber et al. 2015]). PCB emittieren aus Gebäudefugen und Anstrichen langsam und

84 kontinuierlich. Sie können auch, bei unsachgemäßen Sanierungs- und Abbrucharbeiten, z.B. durch Abschleifen und Abstrahlen PCB-haltiger Materialien, in erhöhtem Maße freigesetzt werden. Grund-sätzlich stellen Bau- und Abbruchabfälle, die PCB enthalten, eine potentielle Quelle für die Belastung der Umwelt mit PCB dar. Solche Abfälle sind als gefährliche Abfälle einzustufen und entsprechend zu behandeln.

In den USA fanden [Hu und Hornbuckle 2010] PCB in organischen Azo- und Phthalocyanin-Farbpig-menten. Die Autoren vermuten chlorierte Lösemittel im Herstellungsprozess dieser Farbpigmente als Ursache der Entstehung von PCB. Laut [Weber et al. 2015] können auch die im Herstellungsprozess verwendeten Pigmente selbst belastet sein10. In welchem Umfang PCB in bestimmten Farbpigmente in Deutschland vorkommen und ob dies auch für Punktquellen in Deutschland relevant sein könnte (z.B. Betriebe die entsprechende Farben herstellen oder verwenden) ist unklar.

Status der Umweltbelastung

Durch historische Einträge gelangten PCB überwiegend über die Atmosphäre in die verschiedenen Umweltkompartimente und sind dort überwiegend in Böden und Sedimenten gespeichert. Sie sind aber auch in pflanzlichen und tierischen Biota enthalten. An Standorten die von einer dl-PCB-Quelle beeinflusst werden, sind erhöhte Werte möglich. Messergebnisse belegen die Gegenwart von dl-PCB in der Atmosphäre, Böden, Sedimenten, Pflanzen und Tieren. Die Bioakkumulierbarkeit der dl-PCB führt zu einer Anreicherung in der Nahrungskette. Was die Belastung tierischer Biota durch dl-PCB betrifft, so nahm der Gehalt an dl-PCB nach den PCB Verboten zwar ab, aber bewegt sich zum Teil im-mer noch auf hohem Niveau, beispielsweise in Meerestieren oder in Wildschweinen. In etwa seit der Jahrtausendwende lässt sich kein eindeutiger allgemeiner Trend der dl-PCB Belastung in Deutsch-land feststellen.

Pfade

PCB aus primären Quellen gelangen über atmosphärische Deposition in Böden und auf die Oberflä-chen von Pflanzen. Niederchlorierte PCB-Kongenere haben kürzere Lebenszeiten in der Luft so dass sich beim atmosphärischen Transport das anteilige Verhältnis zugunsten der höher chlorierten PCB verschiebt.

Eine Exposition von Pflanzen über die Gasphase durch eine Revolatilisierung von dl-PCB aus Böden ist beschränkt und sinkt mit zunehmendem Chlorierungsgrad der Kongenere und spielt nur für nie-derchlorierte PCB-Kongenere eine gewisse Rolle.Untersuchungen an Weidelgras zeigen, dass der Transfer für dl-PCB effizienter ist als für PCDD/F und dass die dl-PCB einen ähnlich relevanten Anteil zum Gesamt-TEQ der Pflanzen beitragen wie die PCDD/F.

Bei tierischen Biota spielt je nach Art die Aufnahme von dl-PCB über kontaminierten Boden, sowie über die Nahrung in Form pflanzlicher (z.B. Gras) oder tierischer Biota (Räuber) eine Rolle.

Die dl-PCB-Aufnahme durch den Menschen erfolgt zu über 90% über tierische Lebensmittel wie Fleisch, Eier und Milch. In Lebensmitteln tierischen Ursprungs, beispielsweise von Rind, Schaf und Legehennen weisen insbesondere Tiere aus extensiver Haltung hohe Belastungswerte auf.

Abbildung 11 zeigt eine schematische Darstellung der wesentlichen Pfade und Senken für dl-PCB ausgehend von den primären Quellen der Technosphäre (heute u.U. insbesondere PCB aus offenen Anwendungen aber auch aus relevanten Industrieanlagen). Die nach derzeitigem Erkenntnisstand wichtigsten Pfade für die Aufnahme durch den Menschen sind durch rote Pfeile dargestellt.

10 Siehe [Weber et al. 2015] u.A. Kapitel 9.3.5.1

85 Abbildung 11: Schematische Darstellung der wesentlichen Pfade und Senken für dl-PCB; wichtigste

Pfade für die Aufnahme durch den Menschen durch rote Pfeile dargestellt

Forschungsbedarf/Handlungsbedarf

• Die Emissionsquelle mit der heute größten Relevanz resultieren laut [Weber et al. 2015] aus den ehemaligen offenen Anwendungen. Es bestehen erhebliche Unsicherheiten bezüglich der im Bestand von Gebäuden und sonstigen Bauwerken aktuell vorhandenen PCB-Mengen. Ein Inventar für PCBs in offenen Anwendungen in Bauwerken in Deutschland könnte eine Grund-lage für eine verlässliche Abschätzung aktueller PCB-Emissionen liefern (liegt für Deutsch-land nicht vor).

• Aus belasteten Gebäudefugenmassen, Farben und Lacken können PCB kontinuierlich über Ausgasung in die Luft gelangen. Um die Verlässlichkeit der jährlichen Emissionsrate (Schät-zung 0,06%) zu verbessern, wären weitere Informationen hilfreich.

• PCB in Gebäuden und sonstigen Bauwerken (Brücken, Strommasten etc.) können zu hoher Exposition von Menschen führen. Bei der nicht fachgerechten Sanierung von Bauwerken mit belasteten Farben besteht die Gefahr, dass z.B. durch Abschleifen und Abstrahlen PCB-haltiger Materialien ein hoher Eintrag in die Umwelt erfolgt. Das Wissen um PCB-Gehalte in öffentlichen und privaten Bauwerken muss verbessert werden, um hohe Exposition durch be-lastete Innenraumluft oder hohe Emissionen durch nicht fachgerechte Sanierung zu vermei-den. Durch verbesserte Informationsangebote zur PCB-Problematik in Bauwerken sollte das Bewusstsein für das Thema bei relevanten Akteuren (Gebäudebetreiber, Baufirmen, Nut-zer/Bewohner von Gebäuden, etc.) verbessert werden.

• Es wäre hilfreich, eine verlässliche statistische Methode zur Auswertung von Kongenerenpro-filen zu entwickeln, mit der ein Zusammenhang zwischen der Belastung der Bausubstanz aus offenen PCB Anwendungen, der Atmosphäre und der pflanzlichen Biota und/oder der Böden hergestellt werden könnte, die belegt, dass die Bausubstanz ursächlich für die aktuellen Be-lastung sind. Dabei sind Abbaumechanismen in der Luft und die Verschiebung der Kongene-renprofile in den verschiedenen Umweltkompartimenten abhängig vom Chlorierungsgrad zu berücksichtigen.

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• Der genaue Austauschmechanismus der (dl-)PCB zwischen Luft und Pflanzen sollte noch ge-nauer untersucht werden, um unterschiedliche Kongenerenprofile in Pflanze und Luft besser interpretieren zu können (siehe zu diesem Punkt Kapitel 3.1.2).

• PCB-Punktquellen, können zu hoher dl-PCB Belastung tierischer Biota, unter anderem auch von Nutztieren, führen. Technosphärische Quellen sollten genau identifiziert werden um ge-eignete Maßnahmen zu deren Beseitigung durchführen zu können. Hier besteht weiterhin Forschungsbedarf (Inventarisierung von Punktquellen; Inventarisierung der PCB in offenen Anwendungen in Deutschland, siehe oben).

• In diesem Zusammenhang sollte geklärt werden, ob Betriebe, in denen organische (z.B. Azo- und Phthalocyanin-)Farbpigmente hergestellt oder verwendet werden, möglicherweise PCB-Punktquellen darstellen.

Auf der Grundlage der Ergebnisse des Vorläuferprojekts [Weber et al. 2015] wird weiterer For-schungs- und Handlungsbedarf im Detail diskutiert (siehe [Weber et al. 2015], Anhang 2 in Kapitel 6.2, Kapitel 1). Siehe hierzu auch die Schlussfolgerungen im vorliegenden Bericht (Kapitel 5).

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