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Hintergrund und Zielsetzung

Im Dokument 65/2017 (Seite 42-46)

POPs

Persistente organische Schadstoffe (engl. Persistent Organic Pollutants, kurz POPs) sind chemische Substanzen, welche nach ihrem Eintrag lange in der Umwelt verbleiben und über Nahrungsketten – insbesondere im Fettgewebe – stark akkumulieren und so schließlich Konzentrationen erreichen, die schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben. POPs haben dar-über hinaus das Potential zum weiträumigen Transport und können sich dar-über Luft und Meeresströ-mungen weltweit verbreiten. Zu den POPs zählen unter anderem polychlorierte Dibenzo-p-dioxine und Dibenzofurane (PCDD, PCDF), polychlorierte Biphenyle (PCB), dl PCB und in jüngerer Zeit auch persistente Ersatzstoffe für PCB, wie chlorierte Paraffine, insbesondere kurzkettige Chlorparaffine (engl. short chain chlorinated paraffins – SCCP).

Völkerrechtliche Abkommen

Um das Vorkommen und die negativen Auswirkungen der POPs zu reduzieren, sind einzelne POPs bereits Gegenstand

▸ des Stockholmer Übereinkommens zu persistenten organischen Schadstoffen und/oder

▸ des POP-Protokolls unter dem UNECE LRTAP-Übereinkommen.

Beide völkerrechtlichen Abkommen erkennen die besondere Problematik von POPs und die Notwen-digkeit an, internationale Aktivitäten mit Blick auf POPs mit dem Ziel zu unternehmen, Produktion, Verwendung und Freisetzungen von POPs zu reduzieren bzw. zu beenden. In diesem Sinn treffen die Abkommen Vorgaben für die Vertragsstaaten zu absichtlich hergestellten POPs, zu unabsichtlich freigesetzten POPs sowie zu POP-haltigen Abfällen. Sowohl das Stockholmer Übereinkommen als auch das POP-Protokoll sind als dynamische Instrumente gestaltet, deren Substanzlisten ständig er-weitert werden.

Durch die Umsetzung des Stockholmer Abkommens zu persistenten organischen Schadstoffen sind die Vertragsparteien dazu verpflichtet, die Freisetzung und den Eintrag von POPs in die Umwelt zu unterbinden, bzw. soweit es technisch möglich ist, diesen zu reduzieren.

Folgende POPs sind in den Anhängen des Stockholmer Übereinkommens gelistet:

▸ Annex A (Eliminierung): Aldrin, Chlordan, Chlordecon, Dieldrien, Endrin, Heptachlor, Hexa-brombiphenyl, Hexabromcyclododekan, Hexabromdiphenylether und Heptabromdiphenylether, Hexachlorbenzen, Alpha-Hexachlorcyclohexan, Beta-Hexachlorcyclohexan, Lindan, Mirex, tachlorbenzen, Polychlorierte Biphenyle, Endosulfan, Tetrabromdiphenylether und

Pen-tabromdiphenylether, Toxaphene

▸ Annex B (Beschränkung): DDT

▸ Annex C (Unbeabsichtigte Herstellung): Hexachlorbenzen, Pentachlorbenzen, Polychlorierte Biphenyle, polychlorierte Dibenzo-p-dioxine, polychlorierte Dibenzofurane,

Ersatzstoffe

Mit der Erkenntnis negativer Auswirkungen von Chemikalien mit POP-Eigenschaften auf Mensch und Umwelt begann der Einsatz von Ersatzstoffen.

Polychlorierte Naphthaline (PCN) wurden bis zum Beginn der 1980er Jahre aufgrund ihrer chemi-schen Stabilität in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen eingesetzt. Später wurden die PCN durch polychlorierte Biphenyle (PCB) ersetzt, die danach ihrerseits in einer Reihe von Anwendungen u.a. durch chlorierte Paraffine (CP) substituiert wurden. Dazu zählen z. B. Farben, Schneidöle, Fu-genmassen, Flammschutz für Kunststoffe und andere mehr.

43 Es wurde festgestellt, dass die Ersatzstoffe ähnlich gefährliche Eigenschaften wie die zu ersetzenden Stoffe haben können. Heute sind die ursprünglich verwendeten PCN als POP Kandidaten zur Listung unter dem Stockholmer Übereinkommen vorgeschlagen und die Listung der kurzkettigen Chlorparaf-fine (SCCP) wird geprüft. Insbesondere die vorhandene Persistenz und Bioakkumulation von Ersatz-stoffen wie CP in der Umwelt spielt gerade auch in Bezug auf Wiederverwertungs- und/oder Kreis-laufwirtschaften zunehmend eine Rolle. Am Beispiel des Thuner Sees konnte gezeigt werden, dass die heutige Chlorparaffinkonzentration von 50 bis 60 ng/g, dem dreifachen der PCB-Maximalkon-zentration der 1960er Jahre (18 ng/g) entspricht [Iozza et al. 2008]. Das steht in Übereinstimmung mit Forschungsergebnissen der Sedimentdatierung des Greifensees und Bodensees [Zennegg et al.

2007]. Somit scheinen Ersatzstoffe wie Chlorparaffine bereits ähnlich wie PCN, PCB und Dioxine, ubiquitär in der Umwelt vorzukommen.

Nationale Aktivitäten

Deutschland hat in den letzten Jahren verstärkt Aktivitäten entwickelt, um die Problematik der POPs, ihre Quellen und Senken zu identifizieren und die Gefahren durch die POPs zu reduzieren.

Ziel der Aktivitäten in Form mehrerer Fachgespräche und Studien war es, neue Erkenntnisse über Quellen und Eintragspfade, und damit Ursachen der Belastung von Umwelt und Lebensmitteln mit Dioxinen und PCB sowie Möglichkeiten zur Verringerung der Belastung erlangen. Zusätzlich wurden Senken und das Verhalten der POPs und ihrer Ersatzstoffe untersucht.

So startete die Bundesregierung das globale Forschungsprojekt „DIOXIN: "Ursachenaufklärung für Quellen und Senken der Dioxinbelastung“ (FKZ 371265407), das in zwei Teilprojekte aufgeteilt war. In dem Teilprojekt „Zuordnung und Quantifizierung der Dioxineinträge auf dem Luftpfad mittels Betrach-tung der emissionsseitigen und immissionsseitigen Kongenerenmuster“ (FKZ371265 407 02) [Quass et al. 2015] war es das Ziel, die in Bund und Ländern existierenden Informationen über Immissionen, Depositionen und Emissionen von PCDD/F und PCB im Hinblick auf die zu Grunde liegenden Quell-prozesse für das Luftkompartiment auszuwerten. Dabei wurden sowohl die in der POP-Dioxin-Daten-bank des Bundes und der Länder vorhandenen als auch zusätzliche im Rahmen des Projektes bei den Ländern erhobene Datenbestände genutzt. Eine umfassendere Zusammenstellung des vorhandenen Wissens wurde in einem zweiten Teilprojekt; „Analyse und Trendabschätzung der Belastung der Um-welt und von Lebensmitteln mit ausgewählten POPs und Erweiterung des Datenbestandes der POP-Dio-xin-Datenbank des Bundes und der Länder mit dem Ziel pfadbezogener Ursachenaufklärung“

(FKZ371265 407 01) [Weber et al. 2015] realisiert.

Auch in einer vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenen Literaturstudie „Expositionsbetrachtung und Beurteilung des Transfers von Dioxinen, dioxinähnlichen PCB und PCB“ (FKZ3709 72 228)

[Hennecke et al. 2011] standen Betrachtungen zu Dioxinen und PCB im Mittelpunkt.

Der Abschlussbericht des UFOPLAN-Vorhabens „Analyse und Trendabschätzung der Belastung der Umwelt und von Lebensmitteln mit ausgewählten POPs und Erweiterung des Datenbestandes der POP-Dioxin-Datenbank des Bundes und der Länder mit dem Ziel pfadbezogener Ursachenaufklärung“ stellt umfangreiche Informationen zur Belastung der Umwelt und von Nutztieren/Lebensmitteln durch PCDD/F und PCB zusammen. Ein wesentliches Ergebnis des Vorhabens war es, dass dl-PCB für die toxische Belastung von tierischen Lebensmitteln eine ähnliche oder sogar größere Rolle spielen kön-nen als PCDD/F. Bislang unterschätzte und unbeachtete Quellen und Eintragspfade von dl-PCB und Ersatzstoffen von PCB, z.B. Chlorparaffine, konnten identifiziert, jedoch auf Grund einer unzu-reichenden Datenlage nur begrenzt verifiziert werden. Für weitere Untersuchung zur Problematik der Belastung der Umwelt mit PCDD/F und PCB und zur Reduktion der Emission und Exposition wurden detailliert Forschungsbedarf und der regulatorische Handlungsbedarf zusammengestellt. Fachge-spräche erfolgten in den letzten Jahren unter anderem zu den Themen „Belastung der terrestrischen Umwelt mit Dioxinen und PCB“, „Erweiterung und Verbesserung des Datenbestandes der

POP-Dioxin-44 Datenbank von Bund und Ländern“ und „Analyse und Trendabschätzung der Belastung der Umwelt und von Lebensmitteln mit ausgewählten POPs und Erweiterung des Datenbestandes der POP-Dioxin-Datenbank des Bundes und der Länder mit dem Ziel pfadbezogener Ursachenaufklärung“. Im Einzel-nen fanden das „Fachgespräch Dioxine und PCB: Bessere Daten-Schnellere Aufklärung“ ebenso wie das Fachgespräch „Eintragspfade von PCB in Rindfleisch“ im Jahr 2013 statt. Ein weiteres Fachge-spräch mit dem Titel „Eintragspfade von PCB in Rindfleisch“ fand 2014 statt.

Bund und Ländern liegen somit Untersuchungsergebnisse zu PCDD/F, PCB und dioxinähnlichen PCB sowie weiteren chlororganischen Verbindungen aus Monitoring- und Überwachungsprogrammen so-wie anlassbezogenen Projekten vor, die für die Ursachenaufklärung von Belastungen und Pfadbe-trachtungen eine wertvolle Datenbasis bilden.

In Deutschland wird darüber hinaus eine POP-Dioxin-Datenbank des Bundes und der Länder ge-pflegt, in die Daten der letzten Forschungsprojekte eingepflegt wurden.

Handlungsbedarf

Die Aufklärung der Ursachen für Dioxin-, PCB- und deren Ersatzstoffeinträge in die Umwelt und so-mit in die Nahrungskette stellt nach wie vor ein komplexes Problem so-mit erheblichem Klärungsbedarf dar. Die Ergebnisse der durchgeführten Aktivitäten zeigen, dass noch erheblicher Forschungsbedarf bezüglich der Quellen, Pfade, Senken, Ursachen der Einträge in Mensch und Umwelt, Verbleib in der Umwelt von POPs und deren Ersatzstoffen, deren Verhalten und des Handlungsbedarfs besteht.

Dies gilt insbesondere für PCB-Ersatzstoffe, da hier immer noch ein großer Mangel an Informationen und pfadbezogener Ursachenaufklärung besteht. Insbesondere fehlt es immer noch an Messdaten und zugehörigen Metadaten aus der Technosphäre (z.B. Produkte, Gemische, Erzeugnisse, Bedarfsge-genstände), um mögliche Schadstoffquellen identifizieren und das Risiko für Umwelt und Mensch zukünftig verringern zu können.

Bei der Ursachenforschung ist es auch wichtig, die Aktivitäten in anderen Ländern zu betrachten. In Deutschland wurde die Produktion von POPs, die unter dem Stockholmer Übereinkommen gelistet sind, bereits eingestellt. Auch SCCP und MCCP werden in Deutschland bereits seit Mitte der 90er Jahre nicht mehr hergestellt. Davor wurden SCCP von den Firmen Clariant, Höchst und Hüls produ-ziert. Einige wichtige Meilensteine der CP Produktion in Deutschland sind in einem aktuellen Bericht des UBA (siehe [Potrykus et al. 2015]) zusammengestellt. Der geschätzte jährliche Gesamtverbrauch von SCCP in der EU ist im Zeitraum von 1994 bis 2010 von mehr als 13.000 t/a auf etwa 530 t/a zu-rückgegangen. Angaben zum derzeitigen Jahresverbrauch liegen nicht vor. Angaben zur derzeitigen Produktion von SCCP und verfügbaren Produktionskapazitäten in der EU sind nur beschränkt verfüg-bar. Aktuellen Informationen zufolge gibt es in der EU insgesamt sechs Hauptproduzenten für chlo-rierte Paraffine (CP), wobei angenommen wird, dass zumindest die Hälfte dieser auch SCCP herstellt.

Als die wichtigsten Europäischen Produzenten der letzten Jahre werden die Firmen Caffaro in Italien, INEOS ChlorVinyls in Großbritannien, Novacke Chemické Závody in der Slowakei und S.C. OLT-QUINO in Rumänien aufgeführt. Die einzige Firma, die ein Registrierungsdossier für SCCP bei der ECHA eingereicht hat, ist INEOS Chlorvinyls aus Großbritannien. Es ist daher davon auszugehen, dass nur noch INEOS Chlorvinyls SCCP in größeren Mengen herstellt (>1.000 t pro Jahr). Aufgrund geringer Nachfrage, besonders in den letzten Jahren, ist nicht klar, ob die anderen Hersteller noch SCCP auf den Europäischen Markt bringen.

Im Gegensatz zur Entwicklung in Deutschland und Europa wurde die CP Weltproduktion in den letz-ten 10 Jahren um 1.000% gesteigert. Heute werden bereits mehr als 1 Mio. Tonnen pro Jahr vor allem in China und Indien produziert. Dies entspricht der historischen PCB-Gesamtproduktion. Aktuelle Daten zu den Importen/Exporten von Paraffinen liegen jedoch nicht vor. Durch die unbeabsichtigte Entstehung von PCB bei der Produktion von CP bzw. deren Produktion gelangen bereits jetzt rund 100 t ungewollt produzierter PCB in Produkte und stellen somit eine Gefahr für Mensch und Umwelt

45 dar. Um die Gefahr zu reduzieren, ist ein besseres Verständnis über PCB-Ersatzstoffe analog dem Wis-sen zu PCB wichtig. Die SCCP werden zurzeit vom POPRC hinsichtlich ihrer Aufnahme in das Stock-holmer Übereinkommen evaluiert. Mittel- und langkettige CP sind ebenfalls persistent und bedürfen weiterer Untersuchungen. Die Kenntnislage zu Abbauprodukten und deren Eigenschaften und Wir-kungen ist gering.

Dieses Beispiel zeigt, dass die Aufklärung der Quellen, Pfade, Senken und Ursachen für Dioxin-, PCB- und deren Ersatzstoffeinträge weiterhin sehr wichtig ist. Sie stellt nach wie vor ein komplexes Prob-lem dar.

Darüber hinaus wurde festgestellt, dass auch weiterhin nach bislang unterschätzten und unbeachte-ten Quellen und Eintragspfaden insbesondere von dl-PCB in die Umwelt und in die Nahrungskette gesucht werden muss.

Im vorliegenden Bericht werden neben den dl-PCB auf Grundlage von Vorrecherchen die als beson-ders relevant erachteten PCB-Ersatzstoffe SCCP, PBDE und HBCD genauer betrachtet.

Zielsetzung des Forschungsvorhabens

Hauptziel des Projektes ist es, die vorhandene Wissensgrundlage zu POPs zu erweitern. Mögliche Quellen insbesondere von dl-PCB und PCB-Ersatzstoffen sowie weiterer ausgewählter POPs sollen identifiziert und deren Verbleib in der Umwelt untersucht werden. Das Projekt soll dazu beitragen, zukünftig Schadstoffquellen und Kontaminationsursachen besonders von der Umwelt aber auch von Lebensmitteln leichter ausfindig zu machen, eine zügige Ursachenaufklärung zu ermöglichen und damit das Belastungsrisiko von POPs und deren Ersatzstoffen in die Umwelt zu verringern. Der Fokus der zu untersuchenden Kompartimente liegt dabei auf der Technosphäre, der Luft (Immission, Depo-sition und Emission) und pflanzlichen Biota. Die im Laufe des Projektes akquirierten und priorisier-ten Dapriorisier-ten (inklusive Metadapriorisier-ten) sollen den Bestand der POP-Dioxin-Dapriorisier-tenbank des Bundes und der Länder erweitern. Zu diesem Zweck sollen diese qualitätsgesichert in die POP-Dioxin-Datenbank überführt werden.

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Im Dokument 65/2017 (Seite 42-46)