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1 Zusammenfassung

5.2 Zinkionen beeinflussen die Konformation von HCII und unterstützen die Interaktion

5.2.2 Heparinbindung von HCII

In dieser Arbeit wurden die analytische Heparin-Sepharose-Chromatographie verwendet, um die relativen Affinitäten von HCII, α-Thrombin und dem gemeinsamen Komplex zu dem Glykosaminoglykan Heparin zu bestimmen. Die relativen Affinitäten wurden als NaCl-Konzentration bestimmt, die zur Elution des immobilisierten Proteins von Heparin notwendig war. Eine benötigte höhere NaCl-Konzentration entspricht dabei einer stärkeren Affinität.

Die Daten (4.2.1.1) belegten, dass Zinkionen - und im geringeren Umfang Kupfer- und Nickelionen - eine Wirkung auf die Heparinaffinität von HCII haben. Die Affinität von HCII ist in Abwesenheit von Ionen gering und zeigt sich in einer Elution von HCII von Heparin-Sepharose bei 200 mM NaCl. Im vorliegenden Fall wurde die Wechselwirkung zwischen dem Serpin und dem Glykosaminoglykan durch Zinkionen erhöht, so dass die Elution von der Heparin-Sepharose-Matrix erst bei der doppelten NaCl-Konzentrationen im Eluat, bei

1 Blinder et al., 1988; Church et al., 1987; Westrup & Ragg, 1994

2 Baglin et al., 2002

3 Brand et al., 1988; Chichkova et al., 2000

4 Ragg, 1986; Blinder et al., 1988

ca. 400 mM NaCl stattfand. Die höhere Affinität von HCII zu Heparin in Anwesenheit von Zinkionen war selektiv im Vergleich zu Kontrollproteinen und war spezifisch für das Kation Zn2+ (Tabelle 4.2-1). Der geringe Einfluss von Kupfer- und Nickelionen auf die Heparinbindung ist auch bei anderen Proteinen mit spezifischer Zink-Wechselwirkung beobachtet worden 1.

Die Ursache für die höhere Affinität von HCII zu Heparin in Gegenwart von Zinkionen ist nicht klar. Heparin bindet selbst Zinkionen 2 und könnte beispielsweise infolge einer Zn2+-vermittelten Konformationsänderung die höhere Affinität zu HCII verursachen. Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass HCII ebenfalls Zinkionen bindet und durch diesen Prozess eine Konformationsänderung erfährt, wie in dieser Arbeit gezeigt wurde (siehe 4.4).

Möglich ist, dass beide Effekte zutreffen und sowohl HCII, als auch das Glykosaminoglykan durch Zn2+ beeinflusst werden, was zu einer höheren Affinität von HCII zu Heparin führt.

Die geringe Affinität von HCII zu Heparin wird wahrscheinlich durch die Konkurrenz zwischen dem Glykosaminoglykan und der negativ geladenen N-terminalen Domäne von HCII um dessen Glykosaminoglykan-Bindestelle (α-Helix D) verursacht. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass die intrinsische Affinität von HCII zu Heparin höher ist 3. Die Deletion von Teilen des N-Terminus von HCII (rHCII del74 oder rHCII del75) 4 oder Mutationen von negativ geladenen N-terminalen Aminosäuren (E69Q/D70N/D71N, D72N, Y73F, D75N), welche im Wildtyp-HCII die postulierte intramolekulare Wechselwirkung bewirken 5, führen zu einer höheren Affinität von HCII zu Heparin. In der Dissertation von C. Böhme 6 konnte gezeigt werden, dass die Hemmung der Sulfatierung an den Tyrosinenresten 60 und 73 die Affinität von HCII zu Heparin zu steigern vermochte. Es wurde postuliert, dass die veränderten negativen Ladungen zu einer schwächeren intramolekularen Bindung des N-Terminus an die Glykosaminoglykan-Bindestelle von HCII führen. Die Bindestelle wäre somit besser und ungehinderter zugänglich, so dass Heparin fester binden könnte. Eine Konkurrenz zwischen Heparin und dem N-Terminus von HCII fände nur noch in geringerem Ausmaß statt. Es ist möglich, dass ein solcher Vorgang am HCII auch durch die Zinkionen verursacht wird und es zu einer spezifischen Kompensation von negativen Ladungen kommt. Doch auch die Bindung der Zinkionen an andere Protein-domänen ist nicht auszuschließen. Eine positivere Nettoladung des HCII bei gebundenen Kationen könnte zu einer festeren Assoziation des Proteins an das polyanionische Heparin führen.

1 Borza & Morgan, 1998; Björk et al., 1989

2 Parrish & Fair, 1981; Woodhead et al., 1986

3 Ragg et al., 1990b; Van Deerlin & Tollefsen, 1991

4 Van Deerlin & Tollefsen, 1991; Bauman & Church, 1999; Liaw et al., 1999

5 Mitchell & Church, 2002

6 Böhme, 2001

Die Ergebnisse der Heparin-Sepharose-Chromatographie konnten mittels anderer Methoden konkretisiert werden. Die Experimente zur Bindung von HCII an einem Heparin-konjugierten Biochip mit Hilfe der Oberflächenplasmonresonanz (siehe 4.2.2) lieferte qualitativ das gleiche Ergebnis wie die Versuche zur Bestimmung der relativen Bindungsaffinitäten von HCII an Heparin HP Sepharose. Die mittels Oberflächenplasmonresonanz (SPR) durch-geführten Bindungsstudien belegten einen deutlichen Einfluss von Zinkionen auf die Bindung von HCII an den Heparin-konjugierten Biochip. Das Ausmaß der Wechselwirkung zwischen dem Serpin und dem Glykosaminoglykan wurde durch die Anwesenheit von Zn2+-Ionen gefördert. Andere divalente Kationen waren zu einer solchen Beeinflussung der Bindung weniger oder gar nicht befähigt (siehe 4.2.2.2). Ähnliche Ergebnisse sind für andere heparinbindende Proteine beschrieben. So wird die Affinität des βA4 Amyloid-Precursor-Proteins (APP) zu Heparin in Gegenwart von mikromolaren Zinkkonzentrationen um das 2- bis 4-fache erhöht, andere Kationen (Co2+, Mg2+, Ca2+) sind weniger effektiv 1. Weitere Beispiele für eine erhöhte Heparinaffinität von Proteinen in Gegenwart von Zinkionen sind das High Molecular Weight Kininogen (HK) 2, Endostatin 3 und das Histidin-Prolin-reiche Glykoprotein (HPRG) 4. Letzteres zeigt zusätzlich - wie auch das Selenoprotein P 5 - eine stärkere Affinität zu Heparin bei erniedrigten pH-Werten. Eigene SPR-Untersuchungen zeigten diesen Effekt auch bei HCII (Ergebnisse nicht dargestellt). Beim HPRG wird davon ausgegangen, dass es bei erniedrigten pH-Werten zur Protonierung von einzelnen Aminosäuren kommt, wodurch deren Ladung verändert wird. Die Einflüsse von Zinkionen und des pH-Wertes auf die Heparinbindung sollen eine gemeinsame Ursache haben 4. Es wird angenommen, dass beim HPRG Histidinreste an beiden Effekten beteiligt sind.

Die Änderung der Bindung von HCII an Heparin in Gegenwart von Zinkionen konnte in dieser Arbeit durch die SPR-Methodik quantifiziert werden. Die ermittelte Dissoziations-konstanten Kd war mit einem Wert von 0,73 µM in Anwesenheit von 50 µM Zn2+ fast viermal kleiner als ohne das divalente Kation im Analyten (Kd = 2,67 µM). Dies entspricht einer stärkeren Bindung von HCII an das immobilisierte Heparin in Abhängigkeit von Zinkionen.

Ein solcher Zusammenhang konnte unter gleichen Versuchsbedingungen beim Kontrollprotein ATIII nicht beobachtet werden (Tabelle 4.2-3).

1 Multhaup et al., 1994

2 Lin et al., 2000

3 Ricard-Blum et al., 2004

4 Borza & Morgan, 1998

5 Arteel et al., 2000

Die in dieser Arbeit ermittelten Dissoziationskonstanten weichen von den in der Literatur angegebenen Werten ab. Für die HCII/Heparin-Interaktion sind Kd-Werte zwischen 13 und 35 µM angegeben. Diese wurden durch unterschiedliche Methoden, wie Anregungs-Emissionsspektroskopie von fluoreszenzmarkiertem HCII 1 oder durch quantitative Affinitäts-chromatographie bestimmt 2. Ebenfalls durch eine SPR-Methodik wurde für die HCII/Heparin-Interaktion eine Dissoziationskonstante von 3,03 µM ermittelt 3.

Ebenso wie die Werte bezüglich der HCII/Heparin-Interaktion weichen auch die in dieser Arbeit bestimmten Dissoziationskonstanten der ATIII/Heparin-Wechselwirkung von literatur-bekannten Daten ab. Mit ca. 0,7 µM unterscheidet sich dieser Wert von beschriebenen Dissoziationskonstanten mit Werten zwischen 1,7 und 0,13 µM, die mittels Fluoreszenzmessung 4 oder Stopped Flow Kinetik 5 bestimmt wurden. Offensichtlich lassen sich die Bindungsdaten verschiedener Methoden nicht miteinander vergleichen. Doch auch innerhalb einer Messmethodik sind die Daten nicht immer vergleichbar. Bei der Oberflächenplasmonresonanz wirkt sich die Art der Ligandenimmobilisierung erheblich auf die Bindungsdaten aus. So ist bekannt, dass durch unterschiedliche Biotinylierung von Heparin (über den reduzierenden Terminus, die Carboxy- oder Aminogruppen des Aminoglykans) unterschiedliche Bindungsaffinitäten von heparinbindenden Proteinen erhalten werden 6. Bei der Bewertung von Bindungskonstanten sollte berücksichtigt werden, dass Heparin - wie alle Glykosaminoglykane - keine einheitliche Verbindung darstellt.

Mikroheterogenitäten werden durch variierende Carboxylierungen und Sulfatierungen verursacht. Das Ausmaß dieser Mikroheterogenitäten ist bei verschiedenen Heparinpräparationen und -chargen unterschiedlich. Streng betrachtet handelt es sich bei einer Interaktion zwischen einem Protein und Heparin nicht um eine bimolekulare Wechselwirkung, sondern um eine Interaktion zwischen einem Protein und einer größeren Anzahl leicht variierender Verbindungen. Eine Angabe von Assoziations- oder Dissoziationskonstanten ist somit nur unter Nennung dieser Einschränkungen sinnvoll.

Innerhalb eines identischen Systems ist ein Vergleich von Konstanten jedoch möglich. In dieser Arbeit führten Zinkionen (50 µM) zu einer fast viermal stärkeren Wechselwirkung zwischen HCII und Heparin. Dieser Effekt ist unabhängig von den absoluten Werten der Dissoziationskonstanten.

1 Weitz et al., 1999

2 Verhamme et al., 2004

3 Zhang et. al., 2004

4 Olson & Shore, 1981

5 Olson et al., 1981

6 Mach et al., 1993; Osmond et al., 2002