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1 Zusammenfassung

5.3 Strukturelle Änderungen von HCII unter Beteiligung der N-terminalen Domäne

5.3.2 Analyse des Inhibitionsverhalten der rekombinanten HCII-Varianten

5.3.2.3 Einflüsse der geänderten Aminosäuresequenzen auf die

5.3.2.3 Einflüsse der geänderten Aminosäuresequenzen auf die

Die Normierung der Inhibitionskonstanten unter Einbeziehung der SI-Werte ermöglicht es, die korrekte Geschwindigkeitskonstante der Hemmung von α-Thrombin zu bestimmen 1. Eine solche Normierung zeigte für die Heparin-aktivierte Hemmung durch die HCII-Varianten Inhibitionskonstanten derselben Größenordnung wie für die Konstante von Wildtyp-HCII (Tabelle 4.10-6). Dies zeigte, dass die eingeführten Mutationen keine Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Hemmung von α-Thrombin hatten, sondern lediglich das Verhältnis zwischen inhibitorischen Pfad und Substratpfad änderten. Für die Dermatansulfat-aktivierte Hemmung ergab die Normierung keine Angleichung der Inhibitionskonstanten an die Konstante von Wildtyp-HCII. Die Mutationen in den HCII-Varianten scheinen die Dermatansulfat-vermittelte Hemmung von α-Thrombin deutlich stärker zu beeinflussen als die Heparin-aktivierte Inhibition. Wahrscheinlich unterscheiden sich die Mechanismen der durch die beiden Glykosaminoglykane verursachten Inhibitionen, wodurch sich die Mutationen in den HCII-Varianten unterschiedlich auf die Hemmung von α-Thrombin auswirken.

In Gegenwart von Dermatansulfat zeigte die Variante rHCII F195C eine um ca. 60 % kleinere Inhibitionskonstante als der Wildtyp. Der Aminosäureaustausch an dieser Position scheint eine für dieses Glykosaminoglykan spezifische Beeinflussung der Hemmung von α-Thrombin zu bewirken, da die Heparin-aktivierte Inhibitionsreaktion keine vom Wildtyp-HCII abweichende Konstante aufweist. Eine Erklärungsmöglichkeit dafür ist, dass die Bindestellen am HCII für Heparin und Dermatansulfat nicht identisch sind, sondern sich lediglich in einigen Bereichen überlappen 2 (siehe 2.2.2). Die für die Dermatansulfat-Bindung wichtigen Gruppen befinden sich im C-terminalen Bereich der α-Helix D. Die basischen Aminosäuren R192 und R193 befinden sich zwischen der α-Helix D und Strang 2 von β-Faltblatt A und haben einen starken Einfluss auf die Dermatansulfat-aktivierte Hemmung von α-Thrombin, aber nur eine sehr geringe Wirkung auf die Heparin-aktivierte Inhibition 3. Möglicherweise induziert der Austausch des großen hydrophoben Phenylalanins an Position 195 gegen Cystein eine lokale Strukturänderung, in die auch die basischen Aminosäuren an den Positionen 192 und 193 involviert sind. Dies könnte die geringere Wirkung von Dermatansulfat auf die Hemmung von α-Thrombin durch rHCII F195C erklären.

1 Gettins, 2002a; Schechter & Plotnick, 2004

2 Blinder et al., 1989; Blinder et al., 1990; Whinna et al., 1991

3 Ragg et al., 1990a; Liaw et al., 1999

Aber auch andere Erklärungen kommen für die Beobachtung in Frage. So zeigten verschiedene Untersuchungen des Serpins ATIII, dass die Bindung von Heparin eine Konformationsänderung der α-Helix D verursacht, die auch die Konformation der reaktiven Schleife beeinflusst 1. Die Konformationsänderung verläuft über eine Wechselwirkung zwischen der Heparin-Bindestelle und dem proximalen Scharnier der reaktiven Schleife.

Letztere ist im nativen Zustand von ATIII partiell in die Struktur vom β-Faltblatt A inseriert und wird erst bei der Bindung von Heparin vollständig exponiert 2. Ein solcher Vorgang kann auch beim HCII angenommen werden. Die Röntgenstruktur von nativem HCII zeigt, dass ein Teil der reaktiven Schleife als zusätzlicher Strang (s4A) in das β-Faltblatt A integriert ist. Im Michaelis-Komplex zwischen HCII und S195A-Thrombin existiert dieser zusätzliche Strang aber nicht mehr und die reaktive Schleife ist stärker exponiert (Abbildung 5.3-1) 3. Somit besteht die Möglichkeit, dass auch beim HCII eine Wechselwirkung zwischen der α-Helix D und der reaktiven Schleife besteht, welche bei der Variante rHCII F195C möglicherweise verändert ist. Infolgedessen könnte die Exposition der reaktiven Schleife nicht vollständig erfolgen und dies könnte sich auf die Dermatansulfat-aktivierte Hemmung von α-Thrombin auswirken. Konkretisiert werden diese Überlegungen durch Untersuchungen am ATIII, die belegen, dass die Verbindungsschleife zwischen der α-Helix D und dem Strang 2 von β-Faltblatt A eine besondere Rolle bei der Aktivierung von ATIII spielt.

Konformationsänderungen der α-Helix D sollen dabei über diese Verbindungsschleife auf die reaktive Schleife übertragen werden 4. Bei diesem Vorgang soll die Position 134 im ATIII eine besondere Bedeutung haben, die der Position 194 im HCII entspricht. Überträgt man die Ergebnisse der Untersuchungen am ATIII, so befände sich bei der Variante rHCII F195C die Mutation in einer für die Aktivierung des Serpins kritischen Region (Abbildung 5.3-1).

Es ist auch möglich, dass bei der Variante rHCII F195C die Insertion der reaktiven Schleife als zusätzlicher Strang in das β-Faltblatt A von HCII erschwert ist. Eine solche Störung würde die Fähigkeit von HCII zur Inhibition von α-Thrombin stark beeinflussen. Aus den Betrachtungen lässt sich aber nicht erklären, warum die Mutation F195C nur die Dermatansulfat-aktivierte Hemmung von α-Thrombin betrifft, die entsprechende Heparin-aktivierte Inhibition jedoch unbeeinflusst lässt.

1 Jin et al., 1997; Pike et al., 1997

2 Skinner et al., 1997; Huntington et al., 2000a; Whisstock et al., 2000

3 Baglin et al., 2002

4 Meagher et al., 2000

Abbildung 5.3-1: Bänderdiagramme der Strukturen von nativem HCII (AS 95-480, PDB ID 1JMJ, A) und von aktiviertem HCII (AS 95-480, PDB ID 1JMO) nach den Röntgenstrukturen von Baglin et al., 2002. Die Struktur von aktivem HCII wurde dem Michaelis-Komplex mit S195A-Thrombin entnommen. Gelb: reaktive Schleife;

rot: β-Faltblatt A; cyan: α-Helix D; grün: F195 (Kalottendarstellung). Die Aktivierung von HCII beinhaltet eine Konformationsänderung der reaktiven Schleife unter Änderung des β-Faltblatts A von einer 6-strängigen zu einer 5-strängigen Struktur.

Bei den in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen zeigte nicht nur die HCII-Variante rHCII F195C eine geänderte Dermatansulfat-aktivierte Hemmung von α-Thrombin. Auch die Cystein-freie Variante rHCII ∆C und alle von ihr abgeleiteten Varianten zeigten eine stark reduzierte Inhibitionsfähigkeit in Gegenwart von Dermatansulfat (Tabelle 4.10-4). Die natürlichen Cysteine sind bei allen bislang charakterisierten Vertebraten konserviert 1, wurden bei der Konstruktion von HCII-Varianten aber durch Seringruppen ersetzt um eine mögliche Wechselwirkung mit den neu eingeführten Cysteinen zu verhindern 2. Humanes HCII besitzt drei natürliche Cysteine an den Positionen 273, 323 und 467, bildet aber keine Disulfid-brücken aus. Zudem hatten Untersuchungen gezeigt, dass die Cysteine keinen Einfluss auf die Heparin-aktivierte Hemmung von α-Thrombin haben (siehe auch Tabelle 4.10-3) und es wurde vermutet, dass die Cysteine eine strukturelle Funktion haben könnten 3. Der Sequenz von humanem HCII ist zu entnehmen, dass von den drei natürlichen Cysteinen die an den

1 Ragg, 1986; Sheffield et al., 1994; Westrup & Ragg, 1994; Zhang et al., 1994; Colwell & Tollefsen, 1998

2 Brinkmeyer, 2001

3 Church et al., 1987

Positionen 273 und 467 von hydrophoben Aminosäuren flankiert sind 1 (siehe auch 7.3). Nach Hopp und Woods 2 ist Cystein als hydrophob, Serin aber als hydrophil einzuordnen, mit Hydrophilizitätswerten von -1,0 bzw. 0,3 (innerhalb einer Skala von -3,4 bis 3,0).

Hydrophobizitäts-Plots von HCII (ProtScale, ExPASy) belegen, dass die Hydrophobizität in den Bereichen um die Positionen 273 und 467 um 30-40 % abnimmt, wenn die entsprechenden Cysteine gegen Serin ausgetauscht werden (Ergebnisse nicht gezeigt). Die Position 467 im humanen HCII befindet sich am N-terminalen Bereich von Strang 2 des β-Faltblatts B (siehe Abbildung 5.3-2, A) und wird von den hydrophoben Aminosäuren T465 und L469 flankiert. Dieser Bereich des β-Faltblatts B befindet sich in Nachbarschaft zur C-terminalen Region der Glykosaminoglykan-Bindestelle α-Helix D, mit den Aminosäuren L186 und L190, die in die hydrophobe Region hineinreichen (siehe Abbildung 5.3-2, B).

An der hydrophoben Wechselwirkung ist vermutlich auch das Leucin an Position 199 in der Verbindungsschleife zwischen der α-Helix D und dem Strang 2 von β-Faltblatt A beteiligt. Es besteht die Möglichkeit, dass infolge der Mutation der Variante rHCII ∆C die Änderung der Hydrophobizität eine Konformationsänderung der C-terminalen Region der α-Helix D induziert wird. In dieser Region sind die basischen Aminosäuren R189, R192 und R193 lokalisiert, die mit Dermatansulfat interagieren, jedoch weniger oder gar nicht mit Heparin wechselwirken (Abbildung 2.2-1). Änderungen in dieser Region der Glykosaminoglykan-Bindestelle könnten somit die Interaktion von HCII mit Dermatansulfat erschweren. Auch eine Auswirkung auf die Verbindungsschleife zwischen der α-Helix D und dem Strang 2 vom β-Faltblatt A ist möglich. Wie schon zuvor beschrieben, hat diese Region bei ATIII einen Einfluss auf die Expulsion der reaktiven Schleife bei der Aktivierung von ATIII durch Heparin 3. Es ist möglich, dass diese strukturellen Vorgänge die geringere Aktivität der Variante rHCII ∆C in Gegenwart von α-Thrombin verursachen.

Für die basischen Aminosäuren R189, R192 und R193 ist belegt, dass sie für die Interaktion zwischen HCII und Dermatansulfat von Bedeutung sind. In Abbildung 5.3-2 B, ist zu erkennen, dass sich in derselben Region auch die Aminosäure R464 befindet. Diese ist zwischen Strang 2 und 3 von β-Faltblatt B lokalisiert, direkt vor Cystein C467. Eine Funktion von R464 bei der Bindung von Glykosaminoglykanen ist bislang nicht beschrieben. Doch kann aufgrund seiner räumlichen Nähe zu den anderen basischen Gruppen, für die eine Bedeutung belegt ist, vermutet werden, dass auch R464 an der Wechselwirkung zwischen HCII und Dermatansulfat beteiligt ist. Die Mutation an Position 467 könnte eine solche Wechselwirkung negativ beeinflussen.

1 Ragg, 1986

2 Hopp & Woods, 1981

3 Meagher et al., 2000

Abbildung 5.3-2: Bild A: Bänderdiagramm der Struktur von nativem HCII (AS 95-480, PDB ID 1JMJ, A).

Farbig dargestellt sind folgende Strukturelemente: reaktive Schleife (gelb), β-Faltblatt A (rot), β-Faltblatt B (magenta), α-Helix D (cyan), F195 (grün); natürliche Cysteine C273, C323, C467 (orange, Kalottendarstellung).

Bild B: Gedrehter Bildausschnitt der Region um die α-Helix D (cyan). Die hydrophoben Aminosäuren (L186, L190, L199, T465, L469) im Bereich zwischen α-Helix D und Strang s2B sind grau dargestellt (Kalottendarstellung), das Cystein C467 auf Strang s2B in orange. Die basischen Aminosäuren mit Bedeutung für die Dermatansulfat-Bindung (R189, R192, R193) sind in dunkelblau abgebildet, R464 in hellblau. Zur besseren Übersicht sind andere Elemente der HCII-Struktur ausgeblendet.

Die Variante rHCII ∆C/S68C/F195C zeigte unter reduzierenden Bedingungen eine geringere Aktivität gegenüber α-Thrombin als die anderen Doppel-Cystein-Varianten rHCII

∆C/P52C/F195C und rHCII ∆C/G54C/F195C (Tabelle 4.10-2 bis Tabelle 4.10-4). Der N-terminale Aminosäureaustausch in der Variante rHCII ∆C/S68C/F195C befindet sich im zweiten negativ geladenen Bereich AR2 (Positionen 63-75), bei den beiden anderen Varianten im ersten negativen Bereich AR1 (Positionen 49-62). Die unterschiedliche Reaktivität muss mit der Position 68 im N-Terminus von HCII in Verbindung stehen. Es wurde bereits vermutet, dass der zweite negativ geladene Bereich (AR2) eine Rolle bei der Interaktion mit der Exosite I von α-Thrombin spielt 1 und es wurde gezeigt, dass eine Mutation an der Position 67 oder 68 die Aktivität des Serpins reduziert. Dieser Einfluss ist unabhängig von der Abwesenheit oder Anwesenheit von Glykosaminoglykanen 2. Der Michaelis-Komplex zwischen HCII und S195A-Thrombin zeigt eine Interaktion der Exosite I von

1 Mitchell & Church, 2002

2 Ragg et al., 1990a

S195A-Thrombin mit dem N-Terminus von HCII, an der auch die Aminosäuren F67 und D70 von HCII beteiligt sind 1 (siehe Abbildung 2.2-5).

In dieser Arbeit wurden die HCII-Varianten für kinetische Untersuchungen reduziert und mit Iodacetamid alkyliert. Bei der Variante rHCII ∆C/S68C/F195C hat der Aminosäureaustausch an Position 68 und/oder die Alkylierung dieser Position einen negativen Effekt auf die Hemmung von α-Thrombin (Tabelle 4.10-3 und 4.10-4). Möglicherweise hat ein alkyliertes Cystein an Position 68 einen Einfluss auf die Aminosäuren F67 und D70 und stört die Interaktion des N-Terminus von HCII mit der Exosite I von α-Thrombin. Dies könnte die verringerte Aktivität der Variante rHCII ∆C/S68C/F195C gegenüber α-Thrombin erklären.

5.3.3 Zusammenfassende Betrachtung zum Einfluss der N-terminalen Domäne von