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Westlich des alten Dörfchens Kurl verläuft der Körnebach mit eleganter Schleife und schafft so hervorragende natür-liche Voraussetzungen zur Anlage eines Wasserschlosses.

Trotzdem dauerte es in Kurl viel länger als andernorts in der Umgebung Dortmunds, bis auch die historischen Entste-hungsbedingungen eines Herrensitzes gegeben waren.

Der Schultenhof in Kurl, eher ein Bauern- als ein Adelsgut, befand sich bis ins frühe 15. Jahrhundert fest in der Hand der Grafen von der Mark. Bewegung kam in die Entwick-lungsgeschichte des adligen Hauses Kurl erst, als 1417 die Familie von Schwansbell, an die noch im benachbarten Lünen das gleichnamige Schloss erinnert, diesen Kurler Haupthof den märkischen Grafen abkaufte. 1460 wurde der Schulten-hof mit der „Gysenhowe“, einem ehemals dem Kloster Fröndenberg gehörigen Bauernerbe in Kurl, vereinigt. Damit waren die größenmäßigen Voraussetzungen für die

Archäologische Wege durch die Geschichte

jedenfalls keine Bauernstätte mehr. Seltsamerweise hatten sich die Herren von Schwansbell zu diesem Zeitpunkt aus der Geschichte von Haus Kurl bereits wieder verabschiedet.

Neuer Besitzer wurde der Amtmann von Unna, Herr Dietrich von der Recke zu Heiden, der es seinem Herrn, dem Herzog Johann von Kleve-Mark, abkaufte. Jahrhunderte lang blieb Haus Kurl im Besitz dieser Familie, stieg dabei langsam ab vom Adelssitz zur Försterwohnung – und als auch diese noch 1905 abbrannte, kaufte 1918 der Fabrikant Deilmann das Gelände und errichtete auf der Schlossinsel das dort heute noch vorhandene Gebäude.

Von einstiger Schönheit des adligen Hauses Kurl zeugt daher am Ort selber nichts mehr. Ähnlich den Gütern Mengede oder Bönninghausen ist Haus Kurl vor allem ein Bodendenk-mal, denn alle Gebäude sind zwar verschwunden, aber ihre Überreste im Boden wohlverwahrt. Was wir über ihr Aus-sehen wissen, ist alten Karten und Abbildungen entnommen, die zu einem Zeitpunkt entstanden, als der Adelssitz Kurl noch blühte. So belegt die älteste kartographische Aufnahme von 1827, das so genannte Urkatasterblatt, dass Haus Kurl sich damals als Wasseranlage noch auf zwei Inseln verteilte.

Wesentlich reizvoller noch ist der „Wahre Riß von dem freyadlichen Ritter Sitz Courl im ambte Unna“, eine Vogel-schauansicht aus dem Jahre 1761, die uns mit dem Schloss-graben, einem zweigeschossigen Hauptgebäude unter barockem Walmdach, Wirtschaftstrakt, Wehrmauern und Türmen mit geschweiften Hauben ein plastisches Bild des alten Adelssitzes entwickelt. Mag der „wahre Riß“ eine in manchem Detail recht phantasievolle Darstellung sein – wir ahnen immerhin, welche Bedeutung Haus Kurl in der Vergangenheit besessen haben muss.

Skizze von Haus Kurl im Jahre 1761.

Aplerbecker Kirche

Aplerbeck, evang. Pfarrkirche, ehemals Sankt Georg

In einem Artikel über die Georgskirche in Aplerbeck be-schreibt Siegfried Liesenberg sehr plastisch die Gefahren, denen sich Menschen vor tausend Jahren ausgesetzt fühl-ten: „Der Mensch des Mittelalters … hatte eine panische Angst vor allem Gewese, das ihn umgab und bedrohte, vor den Naturgeistern, die im Emscherbruch hausten, und vor dem molchköpfigen, froschmäuligen Wassermann, der aus den Brunnen herausglotzte, vor den bockfüßigen, bratzi-gen Faunskerlen, die im Gebüsch rumorten oder im Stall polterten, den Trollen am Fensterladen, den Irrlichtern, die über dem Sumpf und dem Teich waberten, und den Aulken, den Erdgeistern, die aus jeder Furche und jeder Torfsode grinsten …“

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Wo konnte man Schutz finden vor solchen Bedrohungen?

Nach damaligem Verständnis nur in einer Kirche. Und nicht zuletzt deswegen errichtete das Hochmittelalter trutzige, wehrhafte Kirchenbauten, hinter deren mächtigen Mauern man sich sicher fühlen konnte – nicht nur vor dämonisch-finsteren Mächten, sondern mitunter auch vor ganz realen Feinden, wenn sich in Kriegszeiten die Dorfbevölkerung in ihrer Kirche verschanzte. Von der mauerschweren Ge-schlossenheit romanischer Kirchenbaukunst zeugt noch, trotz manch späterer Veränderung, die Georgskirche in Aplerbeck, deren bestehender Bau mit einem Alter von über achthundert Jahren zu den ältesten auf Dortmunder Stadtgebiet zählt.

Wenn diese Kirche in vorreformatorischer Zeit dem Ritter-heiligen St. Georg geweiht war, scheint das zu dem burg-haften Äußeren gut zu passen. Hatten vielleicht die benach-bart wohnenden Herren auf Haus Rodenberg bei der Wahl Georgs als Kirchenpatron Pate gestanden? Der Legende nach hatte Georg gegen einen Drachen gekämpft, eine Jungfrau befreit, sogar schadlos in siedendem Blei gebadet – vielleicht auch für einen Ritter von Rodenberg nachah-menswerte Ziele.

Doch die Kirche in Aplerbeck mit ihrem Georgspatrozi-nium ist viel älter als Haus Rodenberg. Schon 899 wird in

„Afaldrabechi“ (Apfelbaumbach – ein örtlicher Name für die Emscher?) erstmals eine Kirche urkundlich erwähnt, doch wissen wir nichts von deren damaligem Aussehen, denn archäologische Untersuchungen des bestehenden Kirchenbaues 1963 und 1992 trafen zwar auf einen älte-ren Friedhof, nicht aber auf die zugehörige Kirche.

Die heutige Georgskirche präsentiert im Gemeinderaum, also in Lang- und Querhaus, noch weitgehend den Zustand des 12. Jahrhunderts: Das breite Mittelschiff wird von gang-artig schmalen Seitenschiffen begleitet, die Trennung der Schiffe besorgen abwechselnd runde und kantig-rechteckige Pfeiler. Die Seitenschiffe und das nördliche Querhaus besit-zen noch die zugehörigen romanischen Ursprungsgewölbe.

Die gotische Bauepoche überformte die romanische Kirche gründlich durch Neubauten von Turm und Chorraum und Auswechslung vieler Gewölbe im Inneren. Nach einem Blitzschlag in den Turm 1888 ließ man sie verfallen. Erst 1926 entschloss man sich, die Kirche, deren Mittelschiffs-gewölbe mittlerweile eingestürzt waren, als Gemeinde-haus mit Wohnung und angeschlossener Kaffeewirtschaft wieder zu errichten. 1961 endlich begann man mit ihrer

Wiederherstellung für den Gottesdienst. Von der Zeit des Verfalls zeugt heute noch die Adresse der Kirche an der Ruinenstraße.

Der Besucher sollte die Georgskirche nicht wieder verlassen, ohne den Taufstein aus der Erbauungszeit der Kirche etwas eingehender betrachtet zu haben. Dieses kostbare Aus-stattungsstück, lange Zeit im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte verwahrt, befindet sich seit 1980 wieder an seinem Originalstandort. Wie eine Bilder-bibel in Stein zeigen die urtümlichen Reliefs Christi Geburt, die Anbetung der Könige, den Kindermord in Bethlehem, die Kreuzigung und jene Szene, die auf einem mittelalter-lichen Taufstein selten fehlt – die Taufe Christi im Jordan.

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Syburger Peterskirche und Friedhof

Syburg, ev. Pfarrkirche, ehemals Sankt Peter

Die Kriege Karls des Großen, des Frankenkönigs, gegen die Sachsen unter Herzog Widukind begannen 772 mit spekta-kulären Erfolgen der Franken. So gelang ihnen 775 die Eroberung der sächsischen Sigiburg, der heutigen Hohen-syburg, hoch über dem Ruhrtal. Angeblich ließ Karl gleich anschließend in der Burg eine Kirche errichten, die damit das älteste Gotteshaus auf westfälischem Boden wäre.

Wir wissen aus zeitgenössischen Chroniken von dieser Kirche deswegen, weil ihre Errichtung in der Hohensyburg ein Wunder bewirkt haben soll. Als die Sachsen sich 776 zur Rückeroberung der Burg rüsteten, erschienen ihnen über der Kirche zwei Feuer, worauf sie unter großen Verlusten die Flucht ergriffen und von den siegreichen Franken noch bis zur Lippe verfolgt wurden.

Eine Kirchweihe auf der Sigiburg ist allerdings erst für das Jahr 799 überliefert, als Papst Leo III. auf dem Weg nach Paderborn, wo er Karl den Großen treffen sollte, in der Burg Station machte, die Kirche ihrer Bestimmung übergab und angeblich reich mit Reliquien beschenkte. Dieser erste Papstbesuch in Westfalen konnte natürlich erst stattfinden, nachdem Karl den Widerstand der Sachsen bis 797 mit aller Härte gebrochen hatte.

Peterskirche in Dortmund-Syburg in einem Stich von W. Riefstahl, 1893.

Wurde die erste Kirche auf der Hohensyburg tatsächlich schon 775 errichtet? War die von Papst Leo geweihte Kirche bereits die zweite am Ort? – Kann die Archäologie solche Fragen klären, wenn alle anderen historischen Quellen längst ausgeschöpft sind? Natürlich haben in einem Kirchenbau, der für die Ausbreitung des christlichen Glaubens in Westfalen von so zentraler Bedeutung ist, bereits archäologische Untersuchungen stattgefunden, nämlich 1950/51 und 1982.

Leider führt aber auch Archäologie nicht immer zu Wunsch-ergebnissen. Eindeutig besaß die bestehende Kirche, die in ihren ältesten Teilen immerhin schon aus der Zeit um 1100 stammt, einen noch älteren Vorgänger, denn es fand sich unter ihrem Westteil, teils auch unter dem Turm, das Funda-mentmauerwerk eines kleinen, im Grundriss rechteckigen Gebäudes. Ob es sich dabei aber um jenen karolingischen Kirchenbau handelt, den die fränkischen Eroberer hier 775 in der Burg platzierten, ließ sich aber aufgrund fehlenden sonstigen Fundmaterials nicht beantworten. Vielleicht wer-den verfeinerte archäologische Methower-den der Zukunft auch diese Rätsel lösen helfen.

Das Innere der Kirche besticht nicht eben durch reiche Aus-stattung, von großem Reiz sind aber die Grabsteine, die sich in der Turmhalle befinden. Die ältesten dieser Grabplatten stammen bereits aus hochmittelalterlicher Zeit, eine der jüngeren trägt eine Inschrift von anrührendem Inhalt: das Fräulein Hanna Josina Magdalene Wrede sei, fünf Jahre alt, 1704 „jamerlich todt geschossen“ worden.

Die heute im Inneren zu bewundernden Grabsteine stam-men überwiegend von dem Friedhof, der die Kirche rings umgibt. Die wertvollsten wurden nach und nach unter Dach gebracht, um sie nicht dem Steinzerfall preiszugeben.

Der Syburger Totenhof zählt zweifelsfrei zu den geschichts-trächtigsten im Ruhrgebiet und lohnt am Tag des offenen Denkmals einen eigenen Rundgang. Lassen wir an dieser Stelle seinen besten Kenner, den Syburger Willi Kuhlmann, selbst zu Wort kommen:

„Dieser Friedhof hat derzeit noch 188 Grabsteine und 22 weitere in der Kirche, darunter ein Grabstein aus merowin-gischer Zeit (vermutlich um 650), der einem namentlich nicht genannten wandernden Priester (Missionar) gewidmet war. Er ist zurzeit der älteste bekannte christliche Grabstein Westfalens. Zwei weitere aus karolingischer Zeit um 800 stammende Steine, davon ist einer mit Inschrift, sind nach den derzeitigen Kenntnissen die einzigen Grabsteine in

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hof. Weitere Steine auf dem Friedhof, von denen u. a. zwölf Steine Bürgermeistern aus der reichsfreien Zeit des Reichs-hofes gewidmet waren, und viele zweit- und drittgenutzte Steine lassen eine kontinuierliche Belegung von ca. 800 bis zur Schließung des Friedhofes 1880 nachweisen. Der Kirchhof mit den Grabsteinen in der Kirche ist durch sein Alter und die vielen gut erhaltenen Steine einmalig im weitesten Umkreis. Leider sind durch die Verkleinerung des Kirchhofes 1865, durch Bombenschäden 1945 und einige Diebstähle ca. 60 Steine verloren gegangen.“

Vermutlich ältester Grabstein an der Peterskirche; er wurde mehrfach verwendet und zeigt frühmittelalterliche (unten) und neuzeitliche Kreuzsymbole (oben).

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