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seinerseits durch eine Vormauer flankiert wurde. Noch davor lag ein zweiter Graben, den eine hölzerne Palisade begleitete. – Kein Wunder, dass die Stadt Dortmund im Mittelalter als uneinnehmbar galt: „So fast as düörpm“!

Die Stadtmauer selbst war durchgängig in Zwei-Schalen-Technik errichtet, das heißt, es wurde eine äußere und innere Mauerschale sorgfältig aus Bruchsteinquadern errichtet und in den Zwischenraum, den Mauerkern, klei-neres Steinmaterial mit viel Kalkmörtel eingestampft.

Größte Akribie verwendete man dabei auf die so genannte Feldseite, die äußere Schauseite der Mauer, die durch sau-ber verfugte, dicke Sandsteinquader den Eindruck beson-derer Dauerhaftigkeit hinterlassen sollte.

In den Mauerring waren fünf große Tortürme integriert, die gleichzeitig mit der Stadtmauer errichtet wurden: das Westen- und Ostentor im Verlauf des Hellwegs, das Burg-, das Kuckelke- und das Wißstraßentor. Erst später kam im Südosten das Neutor hinzu. Im Verteidigungsfall konnten alle Tore mit Zugbrücken und Fallgattern gesperrt werden.

Dank der Archäologie wissen wir heute auch Genaueres über den Zeitraum des Mauerbaus. Der gewaltige Kraftakt fand um 1200 statt; in einer zweiten Ausbaustufe des 14.

Jahrhunderts wurden noch vierzehn Türme hinzugefügt, die vor der Mauer platziert wurden und diese als Rückwand be-nutzten. Sie trugen so Furcht erregende Namen wie Höllen-, Schlangen- oder Pockenturm. Die folgenden Epochen füg-ten besonders im Bereich der Tore noch weitere Verstärkun-gen hinzu, bis schließlich die Artillerietechnik den mittelal-terlichen Befestigungen so überlegen wurde, dass man 1802, als Dortmund seine politische Freiheit als Reichsstadt verlor, zum Abbruch der Stadtmauer schreiten konnte.

Im Folgenden seien ein Tor und ein Turm der Stadtmauer, die archäologisch besonders genau dokumentiert werden konnten, einzeln vorgestellt.

Kuckelketor

Während das Brückstraßenviertel mit seinem kleinteiligen Gewirr von Gassen als einer der letzten Altstadtbereiche noch an den historischen Grundriss Dortmunds rückerin-nert, ist im anschließenden Stadtsektor um Burgwall und Königswall – insbesondere durch die großmaßstäbliche Bebauung der letzten Jahrzehnte – jede Erinnerung an die einstigen reichsstädtischen Zeiten verschwunden.

Allerdings sind nicht alle Spuren gänzlich verwischt: Wenn man genau hinschaut, findet man im Einmündungsbereich von Kuckelke und Burgwall ein seltsames „Muster“ in der Pflasterung des Gehwegs vor dem Burgwallcenter. Breite Natursteinstreifen durchziehen den Betonboden und ver-binden sich zu zwei offenen, annähernd rechteckigen Grund-rissfiguren von einigen Metern Länge und Breite. Sie halten die Erinnerung wach an ein einst hier stehendes Stadttor.

Die Errichtung des Burgwallcenters nutzte die Stadtarchäo-logie, um 1984 in diesem Teilbereich des Altstadtrandes durch eine Untersuchung in der Baugrube Aufschlüsse über das Aussehen der alten Stadtmauer zu gewinnen. Die Ergeb-nisse lohnten den Aufwand: Neben älteren Siedlungsspuren Rekonstruktion des Kuckelketores nach den Ausgrabungsergebnissen von 1984.

Archäologische Wege durch die Geschichte

gung. Zusätzlich zum Fundament der Stadtmauer fanden sich Reste von Gräben und Palisaden und vor allem der komplette Grundriss des Kuckelketores, das in den Mauerring der Stadtbefestigung eingebaut war.

Das Tor setzte sich zusammen aus einem annähernd quadra-tischen Torturm mit Erdgeschossdurchfahrt und einem nach Norden, also stadtauswärts an der Feldseite angefügten, etwa dreizehn Meter langen Vorwerk. Dabei handelte es sich um eine dachlose Vorkammerkonstruktion, die, in zwei Bauabschnitten erstellt, sich in den Stadtgraben vorschob und feldseitig mit einer Zugbrücke verschließbar war. Im Belagerungsfall konnten die Verteidiger der Stadt ein solches Vorwerk – als vorgeschobene Verteidigungslinie – besetzen und die Angreifer wirkungsvoller unter Beschuss nehmen.

Spannendstes Grabungsergebnis war die Bautechnik von Tor und Vorwerk. Beide wurden auf einer hölzernen Bohlenlage errichtet, die ihrerseits auf Eichenpfählen ruhte, die man vor Baubeginn senkrecht in den Untergrund eingerammt hatte. Eine solche Fundamentierung war im Mittelalter bei weichem Baugrund durchaus üblich und bot von daher den Archäologen nichts Neues, aber die Verwendung von Bau-hölzern erlaubt grundsätzlich eine dendrochronologische Datierung des Gebäudes, das heißt, das aus den Jahres-ringen des Holzes durch Auszählen gewonnene Fälldatum des Baumes gibt in unserem Fall einen eindeutigen Hinweis auf die Entstehungszeit des Kuckelketores. Die Bäume im Torfundament wurden um 1206 gefällt. Weiterhin bestätig-te die Dendrochronologie die Erkenntnis der Archäologen, dass das Vorwerk zu einem späteren Zeitpunkt angebaut wurde, denn sein Dendrodatum liegt um 1577. Dazu passt recht gut eine zeitgenössische Mitteilung über Umbauten am Kuckelketor im Jahre 1589.

Westseite des Kuckelketores während der Ausgrabung: Zu sehen sind links die Fundamentmauern des Vorwerkes, das in der Mitte einen Vorsprung besitzt, sowie rechts das Fundament des Torturmes.

Um die Erinnerung an die Position des einstigen Tores wach zu halten, entschloss man sich nach Abschluss der erfolgreichen Grabungskampagne, den komplett erhalte-nen Grundriss im Bürgersteigpflaster sichtbar zu belassen und an gleicher Stelle eine Vitrine mit einem Modell des Tores aufzustellen.

Adlerturm

Der Adlerturm am Ostwall scheint zu widerlegen, was oben über die völlige Beseitigung der Stadtbefestigung zu lesen war. Hat hier doch ein Mauerturm den Abriss überlebt?

Jene, die Dortmund schon vor 1992 kannten, wissen aber noch aus eigener Erinnerung, dass der Adlerturm keinen originalen Stadtmauerrest darstellt.

Archäologische Wege durch die Geschichte

Es handelt sich hier um eine jener mutigen Rekonstruktio-nen, um die in der bundesdeutschen Denkmalpflege in den letzten Jahren viele Kontroversen ausgetragen wurden.

Erinnert sei hier nur an den Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden, das Knochenhauerhaus in Hildesheim oder die langen Diskussionen um einen Neubau der Stadtschlösser in Berlin oder Braunschweig.

Das Problem beim Wiederaufbau des Adlerturmes bestand nicht zuletzt darin, dass man nur wenig über ihn wusste. Er wurde vermutlich bald nach 1300 als Wehrbau über halb-rundem Grundriss vor die ältere Stadtmauer gesetzt. 1722 stürzte er ein, wurde zwar wieder errichtet, aber nur, um bis 1804 in den Obergeschossen, bis 1836 gänzlich abgeris-sen zu werden. Einzige authentische Bildquelle, die uns den kompletten Turm vor Augen führt, ist die Vogelschauansicht der Stadt von Detmar Mulher 1610. Hier sieht man das spit-ze Dach mit einem Reichsadler bekrönt, dem der Turm sei-nen Namen verdankt. Ansonsten ist der Adlerturm viel zu klein und schematisch dargestellt, um eine im Detail ver-lässliche Rekonstruktion zuzulassen.

Nur der historische Standort und Grundriss des Adlerturmes konnten auf archäologischem Wege einwandfrei bestimmt werden, denn vor dem Baubeginn wurde das Grundmauer-werk 1986 bis 1989 sorgfältig ergraben und ausgewertet.

Um an der Tatsache des Wiederaufbaus keinen Zweifel zu lassen, wurde das Originalfundament nicht benutzt, sondern der Turm mit aufwändiger Konstruktion berührungsfrei Skelettfund im Adlerturm: Zu sehen sind die Beinknochen und Teile des Oberkörpers, der Schädel ist schon entnommen; deutlich zu erkennen sind die zahlreichen Steine, die neben dem Toten liegen.

darüber aufgeführt. Das freigelegte Fundamentmauerwerk, das einen lebendigen Eindruck historischer Mauertechnik vermittelt, lädt seither nebst einer stadtgeschichtlichen Ausstellung zur Besichtigung ein.

Spektakulärster Fund bei der Grabung im Turminneren war jedoch ein verscharrtes Skelett – jahrhundertealtes Opfer einer Gewalttat? Grundsätzlich bestattete man Menschen im Mittelalter nur auf Friedhöfen, es muss mit diesem Fund also seine besondere Bewandtnis haben. Ebenso rätselhaft sind die näheren Umstände der Bestattung: Es fanden sich – bei christlichen Bestattungen unüblich – Beigaben, der Tote wurde also nicht vollständig beraubt. Seltsamster Fund war in diesem Zusammenhang eine abgetrennte Hand, die nicht zum Skelett gehörte. Hatte der Tote sich bei seiner Ermor-dung so vehement gewehrt? Oder hat er ein Leibzeichen bei sich getragen? Leibzeichen, das sind Leichenteile, wur-den im Mittelalter benötigt, um etwa bei auswärtigen juristischen Verfahren das Ableben eines Prozessbeteiligten zu belegen. – Oft plagen den Archäologen mehr Fragen, als er Antworten zur Verfügung hat!

Archäologische Wege durch die Geschichte

Adelssitze im Dortmunder Nordosten