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Methoden und Auswirkungen auf die Opfer

5 Handlungsbedarfe sehen wir aus gesellschaftspolitischer Sicht

Aus fach-, familien- und gesellschaftspolitischer Sicht besteht Übereinstimmung mit dem BMG, dass es dringend notwendig ist, dass keine Konversionstherapien an Kindern, Ju-gendlichen und jungen Erwachsen im Hinblick auf sexuelle Orientierung oder Ge-schlechtsidentität (Trans und Inter*) stattfinden.

Um dieses Ziel zu erreichen, sollten zwei politische Strategien gemeinsam ver-folgt werden a) die Frage nach einem gesetzlichen Verbot und b) die Frage nach mög-lichst auch gesetzlich verankerten gesellschaftspolitischen Begleitmaßnahmen – ähnlich diskutieren wir auch z.B. im Hinblick auf das im Koalitionsvertrag vorgesehene gesetzli-che Verbot an Kindern geschlechtsverändernde Operationen vorzunehmen – denn ein Verbot alleine ändert nicht die Vorurteile und Ursachen.

5.1 Zum gesetzlichen Verbot

Ein gesetzliches Verbot sollte alle Menschen vor Konversionstherapien im oben definier-ten Sinn schützen und dabei insbesondere das Kindeswohl, das allgemeine Persönlich-keitsrecht und die Menschenwürde und die darin erhaltenen Rechte auf Selbstbestim-mung im Hinblick auf sexuelle und geschlechtliche Identität adressieren. Bei der Formu-lierung der Norm bietet es sich ggf. an, an die Schutzgüter anzuknüpfen, damit ein um-fassender Schutz für schwule, lesbische, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Men-schen geschaffen wird.

5.2 Gesellschaftspolitischen Begleitmaßnahmen

Jedes gesetzliche Verbot kann in der Praxis umgangen werden und hat primär erstmal eine Signal- und Abschreckungswirkung. Es muss daher vor allem auch weiterhin ein öffentliches Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Homosexualität und Transge-schlechtlichkeit und ein nicht binär normierter intergeschlechtlicher Körper und eine di-verse Geschlechtsidentität keine Krankheit oder Störung sind.

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Die staatliche Schutzpflicht für Minderjährige und Familienpolitik steht hier thematisch für das BMFSFJ im Vordergrund. Eltern, die Kinder oder Jugendliche ggf. vermeintlich gut meinend „heilen“ wollen und ggf. unwissentlich damit ihr Kind schädigen, brauchen gute und verlässliche Informationen und Unterstützung.

Das BMFSFJ hat ein Informationsangebot geschaffen unter www.regenbogenpor-tal.de. Es handelt sich um ein Informations- und Wissensportal für LSBTI*-Personen, Angehörige aber auch Fachkräfte im Bildungs-, Gesundheits- oder Arbeitsmarktsektor.

Das Portal bietet aber auch erstmalig einen bundesweiten und regionalen Überblick über Anlaufstellen zu Beratungs-, Freizeit- und Selbsthilfeangeboten.

Auch im Rahmen der Diskussionen, wie ein Verbot von geschlechtsverändernden Ope-rationen an Kindern umgesetzt oder das Transsexuellengesetz reformiert werden sollte, setzt sich das BMFSFJ für die Verbesserung von Informationsangeboten und Be-ratungsstrukturen ein. Insofern wird auch auf Materialien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hingewiesen, die hier wichtige Aufklärungsarbeit im Pro-zess leisten kann und weiterhin leisten sollte.

Wir haben 3 Jahre das Projekt des LSVD „Regenbogenfamilienkompetenz“ gefördert und für Modellprojekte zum Themenfeld „Abbau von Trans- und Homofeindlichkeit“

konnten im Bundesprogramm „Demokratie Leben“ Interessenbekundungen auf Zuwen-dungen abgegeben werden.

Wichtig erscheint familienpolitisch, dass Eltern, Kinder und Jugendliche bei einem

„Coming-Out“ z.B. als lesbisch oder trans* oder einem Wunsch des intergeschlechtlichen Kindes mit einem nicht-binären Körper oder einer diversen Geschlechtsidentität zu leben, eine gute und unterstützende Beratung finden. Dann kommt die Idee, eine psychisch ggf. gefährliche und faktisch sinnlose Konversionsbehandlung könnte „heilen“ möglichst gar nicht erst auf.

Es braucht Wissen in der Bevölkerung darüber, dass die Betroffenen Personen sich an die Landes- oder Bundesärztekammer wenden können mit einer Beschwerde.

Es braucht Informationen darüber, wo es LSBTI*-Beratungsstellen gibt, die Adressen fachlich kompetenter Ärzt_innen und Psychotherapeut_innen kennen.

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oder transgeschlechtlichen Coming Out zu stärken und Familienangehörigen eine posi-tive Stärkung zu geben. Familiäre Unterstützung hat eine immense Bedeutung für die Entwicklung der Kinder- und Jugendlichen. Beratungsstrukturen können hier positive Steuerungswirkung entfalten. Diese Aspekte sollten bei den Überlegungen für eine ge-setzliche Regelung einbezogen werden.

Diskriminierungserfahrungen von LSBT*

und Bevölkerungseinstellungen

Erkenntnisse der Antidiskriminierungsstelle des Bundes – Niklas Hofmann –

Oberregierungsrat,

Referent Presse und politische Planung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Mitglied der Fachkommission des Bundesministeriums für Gesundheit zum geplanten gesetzlichen Verbot sogenannter „Konversionstherapien”

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die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in fast 1300 Fällen Menschen zu Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität beraten. Entsprechend dem begrenzten Geltungsbereich des AGG ging es dabei vor allem um Ungleichbehand-lungen im Berufsleben und auf dem Arbeitsmarkt sowie beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen.

2015 meldete sich in der Beratung auch ein unmittelbar von einem

„Konversionsversuch” Betroffener. Der „Therapieversuch“ lag zu jenem Zeitpunkt bereits einige Jahre zurück. Der Betroffene hatte eine Therapie aufgrund von Angstzuständen begonnen. Der Therapeut versuchte später, sie auf seine Homosexualität auszuweiten, da er eine „verdrängte Heterosexualität“ vermutete. Der

„Konversionsversuch“ führte zu einer Verschlechterung des psychischen Zustands des Betroffenen, zu Depressionen, Panikattacken und Suizidgedanken. Er brach die Therapie schließlich ab und verklagte den Therapeuten mehrere Jahre später. Ihm wurden in der ersten Instanz Schadenersatz und ein Schmerzensgeld zugesprochen; in der zweiten Instanz kam es zu einem der erstinstanzlichen Entscheidung entsprechenden Vergleich.

Der geschilderte Fall war der einzige einer vermeintlichen „Konversionstherapie“, der in der Beratung der Antidiskriminierungsstelle registriert worden ist. Den juristischen Berater*innen begegnen allerdings regelmäßig Vorfälle, aus denen die Geisteshaltung spricht, die sexuelle Orientierung oder die geschlechtliche Identität seien therapiebedürftig bzw. therapiefähig. Da kommt es zu Beleidigungen durch „Witze“

über eine „Umpolung“ von Betroffenen. Es ereignen sich Vorfälle, die eher in den Bereich der sexuellen Belästigung gehören. Und es gibt Fälle wie den eines Berufsschülers, dem vom Lehrer gesagt wird, er solle sich „professionelle Hilfe“ holen wegen seiner psychischen Belastungen – zu denen er explizit auch die sexuelle Identität zählt.

Zu den gesetzlichen Aufgaben der Antidiskriminierungsstelle gehört neben der Beratung von Betroffenen auch die Forschung zu Diskriminierung, ihren Wirkungen und den hinter ihr stehenden Vorurteilsstrukturen. Im Jahr 2017 hat die Antidiskriminierungsstelle die bevölkerungsrepräsentative Studie „Einstellungen

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Bevölkerung auf sexuelle Minderheiten blickt, auch Fragen zu Trans*phobie waren enthalten. Als ein zentrales Ergebnis zeigte sich, dass die so genannte klassische Homophobie, also die ganz offene Abwertung von nicht-heterosexuellen Lebensweisen beispielsweise als unmoralisch oder unnatürlich, im Vergleich zu früheren Jahrzehnten weiter abgenommen hat. Nur 12 Prozent der Befragten vertreten solche Auffassungen.

Vergleichsweise weit verbreitet sind hingegen Ansichten, die einer modernen Homophobie zuzuordnen sind, wie etwa: „Homosexuelle sollen aufhören, so einen Wirbel um ihre Sexualität zu machen.“ Bei 25 Prozent sind vergleichbare Einstellungen zu finden. Außerdem stellte das Forschungsteam fest, dass Vorbehalte umso größer sind, je näher das Thema sexuelle Vielfalt dem persönlichen Lebensbereich rückt. Nur 12 Prozent der Befragten fänden es unangenehm, wenn eine Arbeitskollegin lesbisch ist, 17 Prozent stört es bei der Lehrerin ihrer Tochter, aber 40 Prozent bei der Tochter selbst. Bei schwulen Männern sind die Zahlen jeweils noch etwas höher.

2 Einstellungen in Abhängigkeit vom Kontext (Angaben in Prozent)