• Keine Ergebnisse gefunden

Rechts- und gesellschaftspolitische Anforderungen an staatliches Handeln

– Gabriela Lünsmann –

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Bundesvorstand Lesben- und Schwulenverband in Deutschland e.V., Mitglied der Fachkommission des Bundesministeriums für Gesundheit zum geplanten gesetzlichen Verbot sogenannter „Konversionstherapien”

192

schlechtlichen Menschen zur Medizin ist historisch wie aktuell betrachtet schwierig. Es ist geprägt durch Hybris und Pathologisierung auf der einen, sowie leidvolle Erfahrung und Misstrauen auf der anderen Seite. Die sog. Konversions- oder Reparativtherapien, die Gegenstand der Arbeit dieser Fachkommission sind, begründen dieses Misstrauen einmal mehr.

Der LSVD begrüßt der Initiative des Bundesgesundheitsministeriums ebenso, wie die gemeinsame Bundesratsinitiative der Länder Hessen, Berlin, Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein. Es ist erfreulich, dass deren Antrag aus der Befassung in den Aus-schüssen am vergangenen Freitag mit einer uneingeschränkten Beschlussempfehlung an den Bundesrat hervorging. Dies zeigt, dass es inzwischen im politischen Betrieb einen über Parteigrenzen hinaus getragenen Konsens zu den Rechten von Lesben, Schwulen und Bisexuellen, sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen gibt. Dies war vor einigen Jahren noch nicht der Fall; damals scheiterte ein ähnlicher Antrag.

Dennoch muss hier auch gesagt werden, dass die Zeit für politisches Handeln zu diesem Thema längst reif ist! Der LSVD fordert nicht seit Jahren, sondern seit Jahrzehn-ten wirksame politische Intervention gegen sog. Konversionstherapien; insbesondere zum Schutz von homo- und bisexuellen sowie trans* und inter*geschlechtlichen Minder-jährigen!

2 Rechtliche Einordnung

Die sexuelle Orientierung und die geschlechtliche Identität des Menschen gehören nach Internationalen Menschenrechtsstandards zum Kern der Persönlichkeit und sind untrenn-barer Bestandteil der Menschenwürde. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in einer ganzen Reihe von Entscheidungen in großer Differenziertheit immer wieder betont.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Ver-pflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Der Artikel 1 unserer Verfassung ist keine leere Flos-kel. Er ist vielmehr Ausdruck einer bewussten Verpflichtung auf unverletzliche und un-veräußerliche Menschenrechte als nicht verhandelbare Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens in diesem Land.

193

fasst den Schutz ihrer körperlichen und seelischen Unversehrtheit und vor allem auch den Schutz davor, dem Versuch der Änderung ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität ausgesetzt zu sein.

Denn der Versuch, durch sog. Koversionstherapien die sexuelle Orientierung oder die geschlechtliche Identität zu ändern, ist – und das muss in aller Deutlichkeit gesagt wer-den – nichts Geringeres als eine Menschenrechtsverletzung

3 Medizinische Einordnung

Der Versuch der Befürworter und Anbieter solche Therapien medizinisch zu rechtfertigen, ist längst wissenschaftlich gescheitert. Jedenfalls an dieser Stelle ist Teilen der medizini-schen Wissenschaft zu attestieren, dass sie der Politik voraus sind.

Die Streichung von Homosexualität aus der Liste psychischer Erkrankungen durch die Weltgesundheitsorganisation WHO liegt mehr als ein Vierteljahrhundert zurück. In der neusten Auflage des internationalen Diagnoseschlüssels für Krankheiten ICD 11, der im Juni 2018 veröffentlich wurde, ist nun auch Transgeschlechtlichkeit endlich nicht mehr als Störung der Geschlechtsidentität und als mentale Erkrankung klassifiziert. Bereits 1992 stellte die Weltgesundheitsorganisation mit sehr deutlichen Worten klar, dass gleichgeschlechtliche Sexualität weder eine Krankheit noch moralisch verwerflich ist und dass Versuche, die soziosexuelle Orientierung zu ‚reparieren’, nichts anderes darstellen, als psychologisch verbrämte soziale und religiöse Vorurteile. Alle weltweit führenden psychiatrischen und psychologischen Fachgesellschaften lehnen solche fälschlicherweise als „Therapien“ bezeichneten Versuche ab und stufen sie als unwirksam und potenziell gefährlich für die Ratsuchenden ein.

Der Weltärztebund distanzierte sich 2013 auf Initiative der deutschen Bundesärzte-kammer und der Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPPN) sowie deren britischer und französischen Partnerorganisati-onen, klar von jeder Pathologisierung von Homo- und Transsexualität und stellte fest, dass sog. Konversionstherapien unethisch und menschenrechtswidrig sind.

Die Berufsorganisationen stellten damit in erfreulicher Unmissverständlichkeit klar, dass Mediziner*Innen und Psycholog*Innen, die sog. Konversionstherapien anbieten,

194

Doch trotz der beschriebenen Erkenntnisse gibt es weiterhin ÄrztI*nnen, TherapeutI*innen, und Verbände, die die Auffassung vertreten, es handle sich bei Homo-, Bi- und Transsexualität um psychische Störungen oder KrankheitsbilderHomo-, die mit ent-sprechenden Interventionen „geheilt“ oder gezielt „verändert“ werden könnten. Offen oder auch verdeckt werden von fragwürdigen Einrichtungen in medizinischen wie religi-ösen Kontexten weiter Konversions- oder Reparativtherapien beworben, angeboten und durchgeführt.

Die Verwendung des Begriffs „Therapie“ ist hierbei jedoch irreführend. Es handelt sich vielmehr um Versuche von teils selbst erklärten, teils aber auch zugelassener Thera-peut*Innen, SozialarbeiterI*nnen oder religiösen Verfechtern, Homosexualität von Kli-entI*nnen in asexuelles oder heterosexuelles Verhalten umzuwandeln. Diese Angebote richten sich vor allem an Menschen aus konservativ-religiösen Lebensumfeldern, die auf-grund von Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen mit ihrer sexuellen oder ge-schlechtlichen Identität in Konflikt geraten. Sie sind deshalb besonders verletzlich und empfänglich für solche scheinbaren Hilfsangebote, die eine Identitätsänderung verspre-chen und vorgeben, einen vermeintlich „normalen“ Zustand herzustellen.

Diese Betroffenen erleben ihre eigenen Gefühle oft als Widerspruch zu ihrer religiösen Überzeugung und erhoffen sich von diesen Therapien aufgrund verinnerlichter Homo- oder Trans*Phobie eine Veränderung. Statt sie jedoch darin zu bestärken, sich so anzu-nehmen wie sie sind, werden ihnen in dort falsche Hoffnungen gemacht und es werden Schuld, Selbsthass und Scham begünstigt - mit schwerwiegenden gesundheitlichen Fol-gen.

Schwer tun sich ÄrztI*nnen auch noch mit der Thematik von Trans* Kindern im Be-reich der Pädiatrie; hier wird in Fachartikeln und Lehrbüchern leider noch immer die Auffassung vertreten, dass rollenkonformes Verhalten durch Sanktionierung von Abwei-chungen gefördert werden könne und dass durch Abwarten der Pubertät eine sog. „Ver-söhnung mit dem Geburtsgeschlecht“ erreicht werden könne. Dies führt bei ohnehin verunsicherten Eltern dazu, dass die Leidtragenden dieser fachwissenschaftlich nicht be-gründeten Auffassung schließlich die Kinder sind, denen oft noch mehr als älteren Ju-gendlichen jedes Mitspracherecht verwehrt wird.

Es besteht daher dringender Handlungsbedarf, denn therapeutische Interventionen mit dem Ziel der Änderung der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität

195

schwerwiegenden psychischen Belastungen wie Depressionen, Angsterkrankungen und zu einem erhöhten Suizidalitätsrisiko. Dies ist umso alarmierender, als LSBT*I-Jugendli-che aufgrund von Diskriminierungserfahrungen ohnehin bereits ein im Verhältnis zu ihrer altersentsprechenden Vergleichsgruppe 3-fach erhöhtes Suizidrisiko haben.

Die wissenschaftlichen Grundlagen, die hier politisches Handeln nicht nur legitimieren, sondern zwingend erfordern, sind langjährig bekannt!

4 Notwendige Rechtliche Maßnahmen

Es besteht rechtlicher und – wie später auszuführen sein wird - auch gesellschaftspoliti-scher Handlungsbedarf. Denn die Sicherstellung des psychischen und physischen Wohl-ergehens von LSBTI* Personen und der Schutz vor Schäden durch Konversionstherapien sind Aufgabe des Staates.

4.1 Einwilligungsfähige Volljährige

Konversionstherapien an einwilligungsfähigen Volljährigen sind nach den gängigen me-dizinrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen: Jede medizinische Behandlung hat bereits nach geltendem Recht mehrere Voraussetzungen: Sie bedarf

1. einer Diagnose, 2. eines Therapieziels,

3. einer indizierten Behandlung, die geeignet ist, das Therapieziel zu erreichen und

4. einer informierten Einwilligung des Betroffenen nach umfassender Aufklärung.

Konversionstherapien erfüllen keine dieser Voraussetzungen!!! Da weder einer gleich-geschlechtlichen sexuellen Orientierung, noch Trans* oder Inter*geschlechtlichkeit ein Krankheitswert zukommt, fehlt es bereits an einer Diagnose.

Die Änderung der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität ist auf-grund ihres Charakters als Bestandteil der Persönlichkeit kein zulässiges Behandlungs-ziel. Zudem kann das vorgegebene Ziel mit der Behandlung aus wissenschaftlicher Sicht auch nicht erreicht werden. Schließlich wird es regelmäßig selbst bei grundsätzlich