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Halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe

2. Nephrotoxizität

2.5. Halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe

Als Grundlage verwendete Literatur: [3], [7], [8], [10]

Bei der hier behandelten Gruppe handelt es sich um aliphatischen Halogenalkane und –alkene. Sie finden Verbreitung in den unterschiedlichsten Bereichen wie der Anästhesie, als Pestizide in der Landwirtschaft oder als organisches Lösungsmittel, Ausgangs- oder Zwischenprodukt in der Industrie. Meist werden sie über die Atemwege oder Hautkontakt am Arbeitsplatz aufgenommen, abseits vom Arbeitsplatz werden toxische Konzentrationen dieser Stoffe zumeist nach Unfällen erreicht, wenn diese ins Trinkwasser oder in die Luft gelangen.

Halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe sind zumeist chemisch stabil. Sie werden in Leber und Niere metabolisiert und wirken dann direkt toxisch. Dabei sind zwei Wege der Biotransformation von Bedeutung. Erstens werden mithilfe von Cytochrom P450 in den proximalen Tubuluszellen toxische Metaboliten gebildet, zum anderen werden die Kohlenwasserstoffe nach Bindung an Glutathion in die Nieren transportiert und dort zu toxischen Verbindungen aktiviert.

2.4.1. Halogenalkane

Chloroform

Chloroform wurde früher als Betäubungs-mittel eingesetzt, heute wird es noch in der Industrie als Lösungsmittel oder als Zwischenprodukt in der Polymerindustrie verwendet.

Abb. 23 Historisches Bild einer Chloroform-Narkose

Quelle: Science Photo Library

Mechanismus der Nephrotoxizität

Beim Chloroform ist besonders bemerkenswert, dass die Nephrotoxizität nicht immer gleich ausgeprägt. Sie ist abhängig von Spezies, Stamm und auch Geschlecht. So löst eine Chloroform-Exposition zum Beispiel bei männlichen Mäusen eine Nierenschädigung aus, bei weiblichen Mäusen hingegen nicht.

Beim Menschen zeichnet sich die Nierenschädigung aus durch:

• Oligurie,

• Proteinurie,

• erhöhte Harnstoff-Stickstoff-Werte im Blut,

• Nekrosen im Bereich des proximalen Tubulus.

Chloroform wird erst nach Metabolisierung nephrotoxisch (Abb. 24). Es wird durch das Cytochrom P450 2E1 über das Zwischenprodukt Phosgen entweder zu CO2 und HCl verstoffwechselt oder das Phosgen wird durch Bindung an Glutathion unschädlich gemacht.

Man kann aufgrund verschiedener Studien davon ausgehen, dass Phosgen Grund für die toxische Wirkung ist. Wird es nicht auf diese Weise metabolisiert, kann es über kovalente Bindung an zelluläre Makromoleküle der proximalen Tubuli die Zellen direkt schädigen.

So erklärt man sich auch die unterschiedliche Anfälligkeit auf Chloroform, da Cytochrom P450 spezies- und geschlechtsabhängig in unterschiedlicher relativer Konzentration Leber zu Niere vorkommt.

Abb. 24 Oxidativer Metabolismus von Chloroform (Abb. übernommen aus [3])

1,2-Dichlorethan (Ethylendibromid)

1,2-Dichlorethan findet hauptsächlich in der Industrie (Vinylchloridherstellung) Verwendung.

Mechanismus der Nephrotoxizität

Die Nierenschädigung erfolgt vor allem nach Inhalation. Die Folgen sind erkenntlich an:

• Oligurie,

• Albuminurie,

• erhöhte Harnstoff-Stickstoff-Werte im Blut,

• Nekrosen nur im Bereich des proximalen Tubulus.

Die Metabolisierung beginnt ähnlich dem Chloroform.

Cytochrom P450 2E1 sorgt für eine Oxidation des 1,2-Dichlorethans. Die Konjugation mit Glutathion erfolgt hier aber direkt:

ClCH2CH2Cl 1,2-Dichlorethan Bemerkungen:

+ Glutathion Metabolisierung in Leber

GS-CH2CH2Cl Glutathion-Konjugat Transport in Niere

Metabolisierung in Niere

Cys-+S + Cl- Episulfonium-Ion toxisches Zwischenprodukt

↓↑ ↓ Detoxifizierung

Ion wird zu unschädlichem Metabolit

Toxifizierung

in Zellen Rückbildung möglich

Cys-S-CH2CH2OH Cystein-Konjugat Anreicherung in Zellen der proximalen Nierentubuli

Abb. 25 Glutathion-S-Transferase-abhängiger Metabolismus von 1,2-Dichlorethan

(Abb. modifiziert nach [3])

Dabei kann das Glutathion-Konjugat in der Leber gebildet und dann in die Nieren transportiert werden. In den Nieren wird es über ein toxisches Episulfonium-Ion als Zwischenprodukt zu einem Cystein-Konjugat detoxifiziert. Dieses Konjugat kann sich aber in den Zellen des proximalen Tubulus anreichern und dort wieder zu einem reaktiven Episulfonium-Ion neu formieren.

2.5.2. Halogenalkene

Es gibt eine Reihe von Halogenalkenen, die im Tierversuch nephrotoxisch wirken. Dazu gehören das in der Industrie häufig verwendete Tetrachlorethylen, Tetrafluorethylen, Hexachlor-1,3-butadien oder das Trichlorethylen.

Mechanismus der Nephrotoxizität

Das Trichlorethylen wirkt erst nach Metabolisierung nierenschädigend (Abb. 26).

Auf dem Hauptweg wird Trichlorethylen durch das Cytochrom P450-System unschädlich gemacht. Auf einem Nebenweg wird es aber mit Glutathion in der Leber konjugiert, wodurch ein Glutathion-Konjugat (DCVG) entsteht, das in die Niere transportiert werden kann. Dabei wird es glomerulär filtriert und durch Enzyme, die in der Bürstensaummembran lokalisiert sind, zu S-(1,2-Dichlorvinyl)-L-cystein (DCVC) verstoffwechselt. So kann das Cystein-Konjugat nun über aktiven Transport, unter anderem über einen Aminosäure-Transporter, in die Zelle des proximalen Tubulus gelangen. Durch eine β-Lyase kommt es einer Spaltung,

bei der das Cystein-Molekül ohne das Schwefelatom abgespalten wird. Die entstandene Substanz (Chlorthioketen) ist sehr reaktiv und führt vermutlich durch Hemmung des mitochondrialen Energiestoffwechsels zu Nekrosen in der Pars recta der proximalen Tubuli.

Im Tierversuch konnte auch ein mutagenes Potential verschiedener Metabolite des Trichlorethylens festgestellt werden.

Beim Menschen sind Nephropathien nach akuter Belastung mit Halogenalkenen eher selten, und auch bei einer langfristigen Exposition gehören sie nicht zu den stark nephrotoxischen Substanzen.

Abb. 26 Glutathion-S-Transferase-abhängiger Metabolismus von Trichlorethylen

(Abb. übernommen aus [3]) Merke:

Eine Belastung mit halogenierten aliphatischen Kohlenwasserstoffen in toxischen Konzentrationen wird praktisch nur bei Unfällen mit Freisetzung in die Umwelt oder durch Exposition am Arbeitsplatz erreicht. Dabei sind die meisten der chlorierten Verbindungen chemisch stabil und können erst nach Biotransformation in der Leber oder Niere Metaboliten bilden, die direkt toxisch sind [3]. Hier gibt es zwei Hauptmechanismen:

1. eine Substanz wird mithilfe von Cytochrom P450 in den Zellen des proximalen Tubulus verstoffwechselt und damit direkt toxisch,

2. eine andere Substanz wird in der Leber mit Glutathion konjugiert und nach Transport in die Nieren dort nach Aktivierung toxisch.

Auch hier sind aufgrund ihrer Stoffwechselaktivität besonders die Zellen des proximalen Tubulus betroffen, die durch nekrotische Veränderungen auffallen.