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III. Die irisch-internationale Dimension

1. Großbritannien und Irland

Bislang sind die Beziehungen zwischen Großbritannien und Irland nur von der inneririschen Warte betrachtet worden, wobei der Schwerpunkt auf den gesell-schaftlichen Interventionsmöglichkeiten der britischen Kolonialmacht gelegen hat. Dabei konnte der Eindruck entstehen, daß Großbritannien zur Durchsetzung seiner kolonialen Interessen in Irland lediglich mit dem Widerstand der anglo-irischen Kolonisten fertig werden mußte, und daß dies aufgrund der Mechanismen des Kolonialmanagements – vor allem der Kontrolle der britischen Exekutive über das irische Parlament – über weite Strecken des 18. Jahrhunderts relativ gut funktionierte. Britische Handlungszwänge und notwendige Rücksichtnahmen sind aus dieser Perspektive ebenso wenig zur Geltung gekommen wie die Tatsache, daß die anglo-irischen Beziehungen sich nicht nur auf die höchste staatliche Ebe-ne zwischen Großbritannien und Irland beschränkten. Um diese partielle ‚Unter-belichtung‘ zu beheben ist es daher erforderlich, sich nun dem Thema aus briti-scher Perspektive zu nähern und die Vorbehalte, welche die britische Kolonial-macht bei ihrer Irlandpolitik berücksichtigen mußte, genauer auszuleuchten und zu bestimmen, in welchem Ausmaß innenpolitische und außenpolitische Faktoren der britischen Politik die Irlandpolitik des Empire beeinflußten. Dabei wird a pri-ori davon ausgegangen, daß zwischen Großbritannien und Irland vielschichtige Beziehungen auf verschiedenen Ebenen bestanden – eine Arbeitshypothese, die es im weiteren Verlauf dieses Kapitels zu untermauern gilt.

Äußere Bedingungsfaktoren der britischen Irlandpolitik. Wegen seiner geo-graphischen Lage stellte Irland – militärisch gesehen – die Achillesferse Großbri-tanniens dar, denn der unzugängliche Westen des Landes lud zur Invasion einer feindlichen Macht geradezu ein. Außerdem eignete sich Irland wegen der gerin-gen Distanz zur britischen Insel – zwischen Nordirland und Schottland liegerin-gen an der engsten Stelle gerade einmal 13 Meilen649 – hervorragend als Sprungbrett für eine Invasion der britischen Hauptinsel. War eine Invasionstruppe in Irland erst einmal gelandet, half auch die ganze Überlegenheit der britischen Flotte nicht mehr, denn in Irland standen bis 1793 nie mehr als 12.000 Mann reguläre briti-sche Truppen, die überdies in fünf verschiedenen Distrikten stationiert waren und

649 Andrews, Geographer’s View, S. 28.

so auch für eine verhältnismäßig kleine Streitmacht eine leichte Beute darstell-ten.650 Im Kontext außenpolitischer Handlungszwänge, welche die britische Ir-landpolitik beeinflußten, ist entscheidend, daß die Furcht vor französischen Inva-sionen während der zahlreichen militärischen Auseinandersetzungen mit Frank-reich immer wieder aufkam – und zwar völlig berechtigt wie Thurots Eroberung Carrickfergus‘ im Jahr 1760, Hoches mißglückter Landungsversuch in Bantry Bay 1796 und Humberts Landung in Killala Bay 1798 belegen.651 Je nach briti-scher Einschätzung der Größe der Gefahr, daß es zu einer Kooperation zwischen Teilen der irischen Bevölkerung und französischen Invasoren kommen könnte, reagierte die britische Seite entweder mit Repression oder mit Konzilianz. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als die britische Seite fest davon ausging, daß die irischen Katholiken einen jakobitischen Einmarsch in Irland oder Großbritan-nien unterstützen würden, gerieten vor allem sie ins Fadenkreuz britischer Präven-tionsmaßnahmen. So führten etwa Gerüchte über eine französisch-jakobitische Flotte, die Kurs auf England genommen habe, im Jahr 1708 dazu, daß in Irland alle katholischen Geistlichen, derer man habhaft werden konnte, in Gefängnis geworfen wurden, daß selbst protestantische Buchdrucker und -händler, die

650 Beckett, Making, S. 200, 208; T. Bartlett u.a. (Hgg.), Rebellion – A Television History of 1798, Dublin 1998, S. 60f. Die militärische Schwäche Irlands wurde dadurch erhöht, daß bei Aus-bruch des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges von den in Irland stationierten Truppen 4.000 abgezogen und nach Amerika verlegt wurden. Vgl. ebd., S. 16. Unruhen in den westindischen Kolonien sorgten für eine weitere Schwächung der militärischen Präsenz Großbritanniens in Ir-land, da reguläre Truppen abgezogen und durch 9.000 schottische Fencibles ersetzt wurden, die aus Soldaten bestanden, die für den Dienst in der regulären Armee für untauglich gehalten wur-den. 1796 standen daher bloß noch 3.500 Mann Kavallerie und 1.600 Mann reguläre Truppen in Irland. Zahlenmäßig wurden sie von ca. 18.000 Mann Miliztruppen und 20.000 Mann Yeomanry Truppen aufgefüllt. Die Miliz war jedoch nicht zuverlässig, weil die Milizionäre zum Dienst gepreßt wurden und die Yeomanrytruppen waren neu und schlecht ausgerüstet. Der Nominalstär-ke von gut 53.000 Mann unter Waffen war daher ein Witz, Dublin Castle war zurecht um die Schlagkraft der Truppen besorgt. Vgl. ebd., S. 59-61. Zur mangelnden Zuverlässigkeit der Trup-pen vgl. T. Bartlett, Indiscipline and Disaffection in the French and Irish Armies During the Revo-lutionary Period, in: Gough/Dickson, Ireland, S. 179-201; ders., An End to Moral Economy: The Irish Militia Disturbances of 1793, in: C.H.E. Philpin (Hg.), Nationalism and Popular Protest in Ireland, Cambridge 1987, S. 191-218.

651 Großbritannien war mit Frankreich im Laufe des 18. Jahrhunderts wiederholt in militärische Konflikte verwickelt: im spanischen Erbfolgekrieg (1701-1713), im Österreichischen Erbfolge-krieg (1740-1748), im Siebenjährigen Krieg zwischen Großbritannien und Frankreich (1756-1763), im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1778-1783) und – mit kurzen Unterbrechungen (z.B. während des Friedens von Amiens) – während der Koalitionskriege seit 1793 und bis zur finalen Niederlage Napoleons bei Waterloo im Jahr 1815. Invasionsängste spielten bei Kriegen mit dem französischen Erbfeind immer eine wichtige Rolle. Vgl. Bartlett, Rebellion, S. 9, 16, 46.

Zu Thurots Invasion von 1760 vgl. Beckett, ebd., S. 196f. Zu den französischen Expeditionen nach Bantry und Killala Bay und der Rolle der United Irishmen in diesen Unternehmungen vgl.

Elliott, Partners, S. 77-123, 214-231. Zu Napper Tandys Farce von einem Invasionsversuch und zu Tones tragischem letzten Versuch, das Schicksal der Rebellion herumzureißen, der am Lough Swilly ein jähes Ende fand, vgl. ebd., S. 232-237.

lische Gebetbücher feilboten, inhaftiert wurden und daß den irischen Magistraten erlaubt wurde, willkürlich Katholiken festzunehmen und zu verhören. Die Aufre-gung mündete schließlich in die Verabschiedung des letzten Strafgesetzes von 1709 (8 Anne, c.3), wonach alle katholischen Priester des Landes verwiesen wer-den sollten, sofern sie sich weigerten bis zum 25.3.1710 wer-den Oath of Abjuration abzulegen.652 Ähnliche Vorfälle ereigneten sich angesichts einer spanisch-jakobitischen Invasionsdrohung 1718, dann noch einmal während der frühen 1720er Jahre (anläßlich der Entdeckung eines jakobitischen Plans für eine Invasi-on Englands) und natürlich während des Österreichischen Erbfolgekriegs (1740-1748) und des Siebenjährigen Krieges (1756-1763).653 Diese Reaktionen de-monstrieren vor allem die panische Furcht der britischen Kolonialmacht vor ei-nem jakobitischen Roll-back, sind zugleich aber auch ein Indiz für das Mißtrauen der britischen Kolonialmacht und der anglo-irischen Kolonisten gegenüber der katholischen Bevölkerung.

Die britische Haltung gegenüber den irischen Katholiken entspannte sich erst ab den 1760er Jahren, nachdem diese in zwei jakobitischen Aufständen (1715 und 1745) weitgehend Ruhe bewahrt hatten, die Stuarts ab 1766 die politische Unter-stützung des Vatikans und Frankreichs verloren hatten und vor allem die katholi-sche Elite aus Klerus und Adel in Irland zu einer ostentativen Loyalitätspolitik übergegangen war.654 Das prinzipielle britische und anglo-irische Mißtrauen ge-genüber den irischen Katholiken bestand zwar fort, aber pogromartige Auswüchse kamen nun nicht mehr vor. Vollends auf eine konziliante Linie schwenkte Groß-britannien jedoch erst während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges ein, als die katholische Elite vehement darum nachsuchte, Großbritannien militärische Hilfestellung zu leisten. Nun wurde katholisches Wohlverhalten nicht länger bloß zur Kenntnis genommen, sondern – wie die Catholic Relief Acts von 1778, 1782 und 1793 belegen, die samt und sonders auf britische Initiative und gegen den Widerstand der Ascendancy durchs irische Parlament gedrückt wurden – be-lohnt.655 Zugleich stellten diese Gesetze natürlich auch Warnsignale an die Adres-se der Ascendancy dar, der die britische Kolonialmacht damit unmißverständlich klar machte, daß mangelnde anglo-irische Kooperationsbereitschaft mit

652 Vgl. Wall, Penal Laws, S. 17f.

653 Vgl. ebd., S. 19f., dies., Catholic Loyalty, S. 109.

654 Bartlett, Rebellion, S. 15.

655 Ebd., S. 16.

gienentzug bestraft wurde und daß Großbritannien über politische Alternativen zur anglo-irisch–britischen Achse verfügte. Nachdem das Katholische Komitee sich ab 1795 mit den United Irishmen zusammentat, um einen Aufstand vorzube-reiten, war es mit der britischen Konzilianz gegenüber den irischen Katholiken allerdings wieder vorbei, so daß sich die ab 1797 angeordneten Repressionsmaß-nahmen auch wieder gegen die katholische Bevölkerung richteten.

Ein weiterer Punkt, an dem sich die britische Außenpolitik auf die Irlandpolitik des Empire auswirkten, war die notwendige Rücksichtnahme auf katholische Bundesgenossen. Am deutlichsten läßt sich das während der schrittweisen Ver-hängung der Strafgesetze nachweisen. Als das irische Parlament 1697 den Ba-nishment Act verabschiedete und ab Frühjahr 1698 mit der Ausweisung katholi-scher Priester und Ordensgeistlicher begann, bekam Wilhelm III. sofort Schwie-rigkeiten mit seinem katholischen Alliierten, Kaiser Leopold I.: Der österreichi-sche Botschafter wurde vorstellig und protestierte nachdrücklich gegen die Aus-weisung katholischer Bischöfe aus Irland. Wilhelm von Oranien konnte den Bot-schafter erst dadurch beruhigen, daß er den irischen Lordkanzler Methuen nach London zitieren ließ, der dem Österreicher versicherte, daß keine Bischöfe aus-gewiesen würden, daß das Gesetz nicht allzu streng angewendet werde und daß überdies die freie Religionsausübung der Katholiken, die im Frieden von Lime-rick zugesichert worden war, nicht zur Debatte stand.656 Wilhelms Amtsnachfol-gerin Anne sah sich mit ähnlichen Problemen konfrontiert: Als Reaktion auf den Popery Act von 1709 flatterten ihr postwendend Protestnoten Kaiser Josephs I., König Stanislaus′ von Polen und anderer katholischer europäischer Herrscher ins Haus. Die britische Seite hielt zwar in der Sache unerbittlich am Inhalt des Straf-gesetzes fest – mit der Begründung, es handele sich lediglich um eine kleine Er-weiterung bestehender Gesetze –, aber der amtierende Lord Lieutenant, Earl Wharton, durfte u.a. wegen dieses diplomatischen Zwischenfalls 1710 seinen Hut nehmen.657 Die Tatsachen, daß erstens die Strafgesetze gegen die irischen Katho-liken weniger hart waren als die gegen die katholische Minderheit in England und

656 Wall, Penal Laws, S. 10. Der Kaiser hatte 1695 durch seine Intervention verhindert, daß der Banishment Act bereits zum damaligen Zeitpunkt in Kraft trat. Vgl. Dickson, New Foundations, S. 43.

657 Ebd., S. 18f.

daß zweitens ihre Umsetzung schon früh recht lax gehandhabt wurde,658 sind zu-mindest zum Teil darauf zurückzuführen, daß Großbritannien gezwungen war, seinen katholischen Bundesgenossen gewisse Zugeständnisse zu machen. Insge-samt läßt sich daher festhalten, daß gerade das britische Verhältnis zu den Katho-liken von spezifisch britischen, außenpolitischen Handlungszwängen ganz erheb-lich beeinflußt wurde.

Innere Bedingungsfaktoren der britischen Irlandpolitik. Die inneren Bedin-gungsfaktoren, die Großbritanniens Irlandpolitik beeinflußten waren ungleich vielfältiger als die äußeren. Dieser Umstand reflektiert die enge Verbindung, die zwischen Irland und Großbritannien realiter bestand und die leicht in Vergessen-heit gerät, wenn man die anglo-irischen Beziehungen lediglich aus irischer Sicht – und das bedeutet vor allem: von der Warte irischer Kritiker – betrachtet. Nur wenn man das anglo-irische Verhältnis auch aus britischer Perspektive – also gleichsam als imperiale Innenpolitik – in den Blick nimmt, tritt überhaupt zutage, auf welchen verschiedenen Ebenen Irland eine bedeutende Rolle für Großbritan-nien spielte – mit entsprechenden Rückwirkungen auf GroßbritanGroßbritan-niens Irlandpoli-tik.

Wirtschaftliche Wechselwirkungen. Im wirtschaftlichen Bereich ist die Wech-selwirkung zwischen Irland und der britischen Irlandpolitik am leichtesten zu i-dentifizieren. So wie die protektionistischen Wirtschaftsinterventionen Großbri-tanniens ab 1698 in Irland als Zugeständnisse der Londoner Regierung an die In-teressen der britischen Wirtschaft wahrgenommen wurden und heftige Proteste hervorriefen, die sowohl von irischen Unternehmern, Kaufleuten und den abhän-gig Beschäftigten (wie z.B. den irischen Webern) getragen wurden, so führten das Freihandelsgesetz von 1780, das den direkten Handelsverkehr Irlands mit den amerikanischen Kolonien erlaubte und so den britischen Zwischenhandel ausschloß, in Großbritannien zu erheblichen Widerständen: Aus den Zentren des Kolonialhandels mit Amerika – in Liverpool, Manchester, Glasgow und Bristol – ergoß sich ein Strom von Pro-testeingaben über die britische Regierung, in West-minster wurden unter den Abgeordneten dieser großen Handelszentren gar unver-hohlene Drohungen ausgestoßen.659 Was die Regierung North als

658 Zur Härte der englischen im Vergleich zu den irischen Strafgesetzen vgl. Foster, Modern Ire-land, S. 154; Wall, Penal Laws, S. 8; zur laxen Handhabung vgl. Wall, ebd., S. 18-25.

659 Lecky, History of Ireland 2, S. 179f. Der Protest wurde nicht nur von den Handelsstädten, sondern von allen Branchen getragen, die durch die Freigabe des Kolonialhandels Nachteile

be-maßnahme für die periphere Opposition in Irland geplant hatte, erwies sich nun als Bumerang für die politische Situation in Großbritannien selbst. Premier North sah sich deshalb gezwungen, die bereits zugesagten Freihandelsregelungen teil-weise zurückzunehmen660 – mit dem Resultat, daß er weder die britische noch die irische Seite zufriedenstellen konnte. Die britischen Proteste gegen das Freihan-delsgesetz von 1780 sind insofern recht lehrreich, als sie demonstrieren, daß der wirtschaftliche Interessenausgleich zwischen Irland und Großbritannien eine heik-le Angeheik-legenheit sein konnte, die genug Sprengkraft besaß, um eine britische Re-gierung ins Wanken zu bringen. Strukturell ist wichtig, daß die britische Regie-rung als politische Vermittlungsinstanz zwischen britischen und irischen Wirt-schaftsinteressen zwischen allen Stühlen saß. Bis in die 1760er Jahre hinein machte sich das nicht nachteilig bemerkbar, weil die Machtverhältnisse klar wa-ren und die jeweilige britische Regierung britischen Wirtschaftsinteressen unein-geschränkte Priorität einräumen konnte. Je effektiver jedoch die anglo-irische Kolonialelite britische Imperialkrisen zur Durchsetzung eigener Interessen zu nutzen verstand, desto mehr geriet dieses Handlungsmuster ins Wanken – und die britische Regierung in die Zwickmühle.

Kooperation der Oppositionen im irischen und im englischen Parlament.

Einen weiteren Faktor, den insbesondere konservative britische Regierungen in ihr politisches Kalkül einfließen lassen mußten, stellte die potentielle Zusammen-arbeit zwischen den Oppositionen im irischen und britischen Parlament dar. Vor allem die englischen Whigs und die irischen „Patrioten“ kooperierten gern und häufig miteinander – zum beiderseitigen Vorteil. Zwei Beispiele mögen genügen, um diese enge Zusammenarbeit zu belegen: die Zeit von der irischen „Free-Trade“- Kampagne von 1779 bis zu „Grattan’s Revolution“ von 1782 und die Regentschaftskrise von 1788.

Die irische Forderung nach Beseitigung der protektionistischen Handelsrestriktio-nen wurde 1779 von der englischen Whig-Opposition unter der Führung des Mar-quis von Rockingham genutzt, um den konservativen Premier Lord North in die Enge zu treiben. Ende November 1779 begannen die englischen Whigs damit, im

fürchteten: Berufsgruppen wie die Agenten, die am Zwischenhandel zwischen den Kolonien und Irland verdienten, protestierten ebenso nachdrücklich wie die Textilregion Lancashire, die be-fürchtete von der irischen Konkurrenz ausgestochen zu werden. Vgl. ebd., S. 178.

Parlament Norths Irlandpolitik heftig zu kritisieren, priesen die irische Volunteer-bewegung und drohten unverhohlen damit, dem irischen Beispiel zu folgen. North versuchte den politischen Druck zu reduzieren: Durch Aufhebung der Restriktio-nen für den irischen Kolonialhandel versuchte er die irisch-englische Oppositions-front außer Gleichschritt zu bringen.661 Wie oben bereits ausgeführt, mißlang die-ser Versuch jedoch. Die Regierung North, welche die Mißerfolge und Niederla-gen im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zu verantworten hatte, wurde da-durch aus Irland zusätzlich unter Druck gesetzt – mit dem Ergebnis, daß die engli-sche Regierung Ende März 1782 zurücktreten mußte.662 Norths Nachfolger war niemand geringeres als der Marquis von Rockingham, der in Irland umgehend den amtierenden Lord Lieutenant, den Earl von Carlisle, durch einen Whig-Favoriten, den Herzog von Portland, austauschen ließ.663 Portland setzte am 16.3. 1782 das Signal für Grattans dritten Antrag im irischen Parlament für eine Erklärung der legislativen Unabhängigkeit Irlands, der diesmal einstimmig angenommen wurde, obwohl er noch zwei Monate zuvor mit 137 zu 68 Stimmen abgeschmettert wor-den war.664 Dieser Vorgang belegt recht deutlich, daß „Grattan’s Revolution“

ohne die Unterstützung der englischen Whigs definitiv nicht so glatt (und viel-leicht nicht einmal gewaltfrei) verlaufen wäre.

Auch in der Regentschaftskrise von 1788 kooperierten die irischen „Patrioten“

mit den englischen Whigs. Die politische Situation war – knapp umrissen – fol-gende: Im November 1788 war nicht mehr zu vertuschen, daß Georg III. wegen einer Geisteskrankheit zumindest vorübergehend nicht mehr in der Lage sein würde, seine Amtsgeschäfte wahrzunehmen, und daß ein Regent ernannt werden mußte. Dafür kam nach Lage der Dinge nur der Prinz von Wales (der spätere Ge-org IV.) in Frage, dessen politische Vorliebe für die Whigs allgemein bekannt war. Daher befürchtete der amtierende Premier William Pitt d. J., daß er und seine Minister vom Kronprinz im Falle einer Regentschaft umgehend durch ein

660 Auf öffentlichen Druck in Großbritannien wurde eine Reihe von Produkten von dem Freihan-delsgesetz ausgenommen: Hiervon waren Woll- und Baumwollstoffe ebenso betroffen wie Glas-produkte, Hopfen, Kohle und (natürlich) Schießpulver. Vgl. Lecky, History of Ireland 2, S. 180.

661 Zur englischen Seite der „Free-Trade“-Kampagne vgl. summarisch Beckett, Making, S. 217f.

662 Damit keine Mißverständnisse entstehen: North mußte natürlich vorwiegend wegen der Kriegsentwicklung in den amerikanischen Kolonien gehen. Andererseits: Wenn die amerikani-schen Ereignisse den Sarg seiner politiamerikani-schen Karriere bildeten, stellte die ‚irische Frage‘ definitiv einige Sargnägel dar, die seinen Rücktritt beschleunigen halfen.

663 Maurer, Geschichte Irlands, S. 169, hebt in diesem Zusammenhang hervor, daß die Zusammen-arbeit zwischen der englischen und irischen Opposition bereits „seit langem“ funktioniert habe.

664 Beckett, Making, S. 222f.

Kabinett unter der Führung Charles James Fox‘665 ersetzt werden würden. Er ver-suchte dem vorzubeugen, indem er dem Parlament vorschlug, vor der Einsetzung eines Regenten dessen Befugnisse dergestalt zu beschneiden, daß dieser nicht ermächtigt sei, das amtierende Kabinett zu entlassen. Die Opposition unter Fox‘

Führung protestierte natürlich energisch und argumentierte, daß ein Regent die vollständige royale Autorität besitzen müsse. Die Debatten zogen sich bis zur Eröffnung der Sitzungsperiode des irischen Parlaments am 5.2.1789 hin, das sich umgehend in die englische Debatte einschaltete. In der Hoffnung, daß ein Whig-Premier auch ihren politischen Forderungen mehr Entgegenkommen schenken werde, ergriffen Grattan und seine Gefolgsleute sofort die Partei Fox‘. Zugleich war es aber auch eine glänzende Gelegenheit, wieder einmal die irische ‚Unab-hängigkeit‘ zu demonstrieren – das ‚unabhängige‘ Königreich Irland konnte sich durch die Wahl eines Regenten als Großbritannien gleichgestellt gerieren. Die Repräsentanten der Ascendancy – allen voran die landed country gentlemen –

665 Charles James Fox (1749-1806): Englischer Liberaler, britischer Außenminister und Oppositi-onsführer. Ururenkel Karls II. (mütterlicherseits), Erziehung und Ausbildung in Eton und Hertford College, Oxford, Reisen in Frankreich (Treffen mit Voltaire), Italien und den Niederlanden; 1768 als Abgeordneter für Midhurst, Sussex, im Unterhaus; erwirbt dort schnell den Ruf eines enthu-siastischen und überzeugenden Redners; 1770 bereits einer der Lords der Admiralität unter der Regierung North; macht sich im Parlament unbeliebt, weil er die Pressefreiheit beschränken wollte (1770/71); gab 1772 sein Amt in Norths Administration zurück und schließt sich der Opposition um Conway und Edmund Burke an, kehrt aber ein paar Monate später als stellvertretender Schatzmeister in die Administration Norths zurück; von Georg III. aus Verärgerung über sein Auftreten entlassen; schloß sich 1774 der Rockingham Opposition an und kritisierte das Verhalten des britischen Parlaments als den Grund für den Aufstand der amerikanischen Kolonisten; läßt sich während des englisch-amerikanischen Krieges nicht mehr auf einen Posten in Norths Admi-nistration ein, sondern bleibt bei Rockingham; wird 1782 Außenminister in Rockinghams Kabi-nett; unterstützte Grattans Revolution und brachte im britischen Parlament den Entwurf zur Ab-schaffung des Declaratory Acgt ein; legte sein Amt über einen Streit mit dem Kolonialminister über die Zuständigkeit für die Verhandlungen mit den USA 1783 nieder, was zur Spaltung der Whigs führte; Fox ging mit seinen Anhängern eine Koalition mit North ein und wurde wieder Außenminister (um den Preis, daß die Whigs als Partei ruiniert wurden); Ende 1783 vom König erneut entlassen; skandalöser Wahlkampf gegen Pitt endet 1784 mit Wiederwahl Foxens und empfindlichen Verlusten für seine Anhänger; Rückzug ins Privatleben; 1787 politische Renais-sance; Gegner Pitts in der Regentschaftskrise von 1788; sprach sich von Anfang an für die Fran-zösische Revolution aus, überwarf sich dadurch mit Burke und verstellte sich mögliche Koalition mit Pitt, was einige führende Whigs dazu veranlaßt, sich von Fox zu trennen und Pitt zu dienen;

vergeblicher Widerstand gegen den Krieg mit dem revolutionären Frankreich (1792/93); ebenso gegen die Treason und Sedition Bills und die Regelungen zur Niederschlagung der Meuterei in Spithead (1796); zog sich danach für fünf Jahre ins Privatleben zurück; begann an einer Geschich-te der Revolution von 1688 zu schreiben; Gegner einer Union Irlands mit Großbritannien; 1802 als Abgeordneter wiedergewählt; mehrere Gespräche mit Bonaparte 1802, vertrat daraufhin die Ansicht, daß Bonaparte den Frieden mit Großbritannien zu erhalten wünsche; setzte sich nun auch wiederholt für die Pressefreiheit ein; Pitts Versuche, Fox wieder als Außenminister einzusetzen scheitert am ausdrücklichen Verbot des Königs (1803, 1805); nach dem Tode Pitts von Grenville als zweiter Mann ins Boot genommen, verfolgt Fox nun eine anti-napoleonische Linie; setzte sich am Schluß seines Lebens stark für die Abschaffung des Sklavenhandels ein, lehnte einen Adelsti-tel nebst Versetzung ins Oberhaus ab und starb am 13.9.1806 an der Wassersucht.

schlossen sich (auch aus Opportunismus und handfesten Eigeninteressen) dieser Sichtweise an und das irische Unter- und Oberhaus präsentierten je ihr eigenes, einstimmiges Votum für die Wahl des Prinzen von Wales zum irischen Regenten.

Lord Lieutenant Buckingham weigerte sich, diese Voten nach London weiterzu-leiten, nachdem es ihm nicht gelungen war, die Abstimmung in den beiden Kam-mern zu verhindern. Daraufhin ernannten beide Häuser Abgesandte, welche die Abstimmungsergebnisse persönlich nach London bringen sollten. Es kam aller-dings nicht komplett zum Eklat, weil sich der Gesundheitszustand des Königs rechtzeitig besserte, die Streitfrage wurde daher nicht abschließen geklärt.666 Die Regentschaftskrise erhärtet die These, daß englische und irische ‚Liberale‘ – wenn man von der „patriotischen“ Kernforderung nach der legislativen Unabhän-gigkeit Irlands absieht, waren die „Patrioten“ im Prinzip auch Whigs – kooperier-ten, um das politische Gewicht der parlamentarischen Oppositionen in beiden Ländern zu erhöhen – mit dem durchschlagenden Ergebnis, daß einzelne politi-sche Entpoliti-scheidungsträger, ja, ganze Kabinette darüber zu Fall kamen. Zum Teil basierte diese interinsulare Zusammenarbeit auf verwandten politischen Interes-sen (z.B. der gemeinsamen Forderung nach Parlamentsreformen auf konstitutio-neller Basis), entscheidend erleichtert aber wurde sie durch die Auffassung der englischen Whigs, daß nur Bildungs- und Besitzkriterien, nicht aber die Staatsan-gehörigkeit die politische Partizipation beeinflussen dürfe – was aus Sicht briti-scher Liberaler für die britische Gesellschaft als ‚gut‘ und ‚fortschrittlich‘ einge-schätzt wurde, durfte auch der irischen Gesellschaft nicht verweigert werden. Das ist zumindest die Konsequenz, die man aus der Unterstützung britischer Whigs für

„Grattan’s Revolution“ ziehen darf.667

Die schwierige Kooperation irischer, schottischer und englischer Radikaler.

Unterhalb der parlamentarischen Ebene bildete sich ab 1791 allmählich ebenfalls eine Kooperationsachse heraus, welche die britische Regierung mit noch größerer

666 Summarisch zur Regentschaftskrise vgl. Beckett, Making, S. 240f., Foster, Modern Ireland, S.

256; zu knapp bei Maurer, Geschichte Irlands, S. 171, der sich um die irisch-englische Kooperati-on keine Gedanken macht. Sowohl Foster als auch Beckett führen auch andere Motive für das irische Votum an (Beckett den Opportunismus der Repräsentanten der Ascendancy, Foster Pläne der Magnaten, daß durch dieses Abstimmungsverhalten das politische Gewicht der alten Underta-ker wieder erhöht werden könnte), aber beide rekurrieren an erster Stelle auf die enge Kooperation zwischen der englischen und der irischen Opposition. Vgl. ebd.

667 Natürlich basiert diese These nicht allein auf dem Verhalten der Rockingham’schen Whigs während „Grattan’s Revolution“ von 1782, sondern ebenso auf ihren ideologischen Entscheidun-gen, die ihre prinzipielle Radikalität eher zweifelhaft erscheinen lassen. Vgl. hierzu Dickinson, Liberty, S. 197-210.

Sorge erfüllen mußte – eine Allianz zwischen den regimekritischen Organisatio-nen in Irland, Schottland und England. Den Ausgangspunkt dieser radikalen ‚In-ternationale‘ im britischen Empire bildeten die United Irishmen, die sich schon im Juni 1791 – also noch während der Planungsphase für die Lancierung der Organi-sation, die am 14.10.1791 in Belfast erstmals zusammentrat – auf die Fahnen schrieben, „mit ähnlichen Gesellschaften im Ausland wie dem Jakobinerklub in Frankreich, der Revolutionsgesellschaft in England [und] dem Komitee für Re-formen in Schottland“ Kontakt aufzunehmen.668 Bei dem ursprünglich geplanten Interessen- und Informationsaustausch blieben die United Irishmen jedoch nicht stehen, sondern bemühten sich sukzessive um den Ausbau dieser Außenbeziehun-gen – mit dem Ziel, eine zur konzertierten politischen (und ab 1795 auch militäri-schen) Aktion befähigte radikale Phalanx zu schmieden. Ihre erste Offerte ging am 26.10.1792 an die Friends of the People in London, denen sie in einer Adresse nicht nur ihre politischen Prinzipien und Absichten erläuterten und eine detaillier-te politische Zustandsbeschreibung Irlands gaben, sondern auch ein vorsichtiges Kooperationsangebot unterbreiteten, das auf Interessengleichheit zwischen der United Irish Organisation und den englischen ‚Volksfreunden‘ beruhte, aber gleichwohl keine Verschmelzung beider Organisationen vorsah:

„Auf der Basis dieser [Prinzipien und Ziele der United Irishmen – MR] ap-pellieren wir an diejenigen, die sich selbst als Freunde des Volkes bezeich-nen. Schaut nicht mit einem unbeteiligten Auge auf Irland. Die Zeit irischer Bedeutungslosigkeit schwindet rasch dahin. Falls die Nation [gemeint ist die irische Bevölkerung als „Sockel legitimer politischer Macht“ – MR] jemals verächtlich erschienen ist, dann lag das daran, daß die Nation nicht gehandelt hat. (...) Mit Hinblick auf eine wie auch immer geartete Union zwischen den Inseln [Großbritannien und Irland – MR] glaubt uns, wenn wir versichern, daß unsere Union auf unserer wechselseitigen Unabhängigkeit beruht. Wir werden einander lieben, sofern wir uns selbst überlassen werden. Es ist die Union der Gedanken (union of minds) die diese Nationen zusammenbinden sollte. Reziproke Interessen und wechselseitige Mißstände werden immer un-sere wechselseitige Wertschätzung sicherstellen, wenn jedoch eine andere Form der Union erzwungen würde – und nur Zwang könnte sie herbeiführen – würdet ihr eure Freiheiten gefährden und wir unsere Rechte verlieren.“669

Diesem Dokument haftete noch eine zögerliche Ambivalenz an: Dem Willen zur politischen Zusammenarbeit, den gemeinsame Interessen nahelegen, stand noch die Befürchtung im Weg, daß englische Radikale versuchen könnten, die United

668 J. Brims, Scottish Radicalism and the United Irishmen, in: D. Dickson et al. (Hgg.), The United Irishmen, Republicanism, Radicalism and Rebellion, Dublin 1993, S. 151-166, S. 151.

669 Address to the Friends of the People in London (26.10.1792), in: Society of United Irishmen of Dublin, estab. November 9, 1791: „Let the Nation Stand“, Dublin 1794, S. 23-29, S. 29. (meine