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Grenz- und Fremdheitskategorien

Im Dokument Der östliche Westen (Seite 51-59)

V. Zur Methodik

2. Die Arbeitsschritte

2.3. Die Analyseschritte und das Analyseraster

2.3.1. Grenz- und Fremdheitskategorien

Die Definition der Beziehung von Fremdheit und Grenze hilft uns, sie analytisch nach weiteren Ebenen und Dimensionen zu kategorisieren. Je nach Situation und Gegebenheiten variieren die eingesetzten Grenzarten, die schließlich in Fremdheitserzeugung münden können. Kulturelle und soziale Grenzen können jeweils kulturelle oder soziale Fremdheit

51 veranlassen. Wie in der Tabelle unten abgebildet, haben wir es hier mit drei Formen kultureller und zwei Formen sozialer Fremdheit zutun:

Grenzsphäre Fremdheitssphäre

Grenze

Kulturell

Fremdheit

Kulturelle Fremdheit

Kompatibel

Ambivalent

Inkommensurabel Sozial

Soziale Fremdheit

• Symbolische Exklusion

• Materiale Exklusion

Tabelle 4

In den folgenden Abschnitten wird jede Kategorie im Hinblick auf das Forschungsproblem definiert und anschließend passend zu jeder Rubrik ein Beispiel aus den Berichten vorgelegt.

A. Dimensionen kultureller Fremdheit

Der Erfahrungsmodus kultureller Fremdheit ist Unvertrautheit. „Immer dann, wenn wir die Erfahrung mangelnder Vertrautheit machen, befinden wir uns im Grenzbereich der eigenen Wirklichkeitsordnung. Dort, wo das jeweils verfügbare Wissen und Können zur Bewältigung einer Situation nicht ausreichen, werden die Grenzen dieser Wirklichkeitsordnung besonders erfahrbar.“ (Stenger 1998: 341f.).

Wenn die Unvertrautheit für die eigene Sicht auf die Welt nicht bedrohlich ist, sprechen wir von Alterität. Diese Art der Unvertrautheit bleibt jedoch im Horizont der eigenen Wirklichkeitsordnung, weil sie die grundlegenden Gewissheiten nicht in Frage stellt, sondern ihre Gültigkeit vielmehr bestätigt (vgl. ebd.). Diese vertraute Alterität oder das Vertraute Unvertraute wechselt dann zum Fremden, wenn der Andere für uns pragmatische Relevanz gewinnt, das heißt, indem die Fremdheit des Anderen offengelegt wird. Dies wiederum geschieht, wenn man zu der Erkenntnis kommt, dass „für den oder die Anderen die Wirklichkeit eine in wichtigen Hinsichten andere Ordnung besitzt als für mich selbst.“ (ebd., 342 f.). Gerade durch die Nähe und die Beziehung, die zustande kommt, entsteht eine tiefere Erfahrung der Fremdheit. Hier erfährt das Subjekt die Grenzen der eigenen kulturellen Welt.

Als Reisender in einem fremden Land steht man geradezu in der Erwartung eines unvertrauten Anblicks. Unter anderem handelt es sich hier um eine Kontingenzerfahrung (vgl.

Münkler/Ladwig 1997: 30). Im Extremfall gelangt man mit der Fremdheitserfahrung zu der

52 Einsicht, dass der Andere nicht das Potential besitzt, durchs Kennenlernen (wie bei der Erfahrung der Alterität) zum Eigenen zu werden. In diesem Fall wird das Lernen zu einer Erfahrung der Grenze, die bei jedem Aneignungsversuch zu Schwierigkeiten oder gar zum Scheitern führt.

Diese beiden Kategorien der Unvertrautheit, bei der das Andere „einmal als Element der eigenen Ordnung und zum anderen als Repräsentant und Bestandteil einer anderen Ordnung erscheint“ (Stenger 1998: 343), wird im Folgenden als Endpunkte eines Kontinuums von Fremdheitserfahrungen kultureller Art verstanden. Ausgehend von diesem Punkt wird bis zu dem Grad des Aneignungsprozesses untersucht, bei dem angenommen wird, dass das Fremdheitsgefühl nicht völlig aus dem Kontext des Vertrauten hinausfällt, denn das ist der Punkt, wo der Akteur merkt, dass durch Aneignungsprozesse das Fremde sich nicht in das Eigene verwandeln kann und einer Aneignung sozusagen widersteht und daher auf Dauer fremd bleiben wird. Möglich ist auch, dass die Voraussetzungen der eigenen Orientierungsfähigkeit selbst fragwürdig werden. „Jetzt ist es die Transformation oder die Auflösung der Ordnung überhaupt, die uns mit der Kontingenz der Verhältnisse konfrontiert.

Die bislang gültigen Regeln und Relevanzstrukturen verlieren ihre Verbindlichkeit und können ihre handlungsleitende Funktion nicht länger erfüllen.“ (Münkler/Ladwig 1997: 30).

Durch die Sichtbarmachung dieser Grenzziehungen, die letzten Endes in unterschiedlich abgestufte Unvertrautheit münden, gelingt es in diesem Abschnitt, die relevanten Formen der kulturellen Fremdheit darzustellen.

Je nach Grad und Stufe der erfahrenen Fremdheit in verschiedenen Situationen, also je nach der Position und Stärke der Fremdheitserfahrung innerhalb des obigen Kontinuums, wird die Widerständigkeit der Grenzziehung festgemacht. Das heißt, je mehr wir auf den Extremfall der Fremdheitserfahrung zusteuern, desto unüberwindbarer scheinen die Grenzen, die den Raum des Fremden definieren. Im wechselseitigen Zusammenspiel der Fremdheitskonstruktionen mit kulturellen Grenzen können wir verschiedene Typen der kulturellen Fremdheit festlegen. Die eingesetzte Grenzform für kulturelle Fremdheit ist demnach die kulturelle Grenze. Wie zuvor erwähnt, dienen kulturelle Grenzen als Differenzierungsmittel, die auf bestimmte kulturelle Merkmale fokussieren. Anders als soziale Grenzen funktioniert die kulturelle Grenzziehung auf einer intersubjektiven Ebene (vgl. Lamont, Molnár 2002: 169).

Da wir es hier mit einem Kontinuum und unterschiedlichen Abstufungen zu tun haben, wird es in der Regel auch unzählige Arten kultureller Fremdheit geben. Hier wurden nur die

53 relevantesten Typen skizziert, um bei der Untersuchung auf konkretere Konzepte zurückgreifen zu können.21

a. Kompatible Unvertrautheit

Die kompatible Unvertrautheit oder die vertraute Unvertrautheit verfügen über Grenzen, deren Überwindung durch unkomplizierte Aneignungsprozessen möglich ist. Die Dichte der Widerständigkeit bei der Aufnahme dieser Art von Unvertrautheit ist in der eigenen Sinnordnung ziemlich gering. Daher geschieht es oft, dass sie trotz der Erfahrung unvertrauter Elemente zu der eigenen Wirklichkeitsordnung als äußerst kompatibel wahrgenommen werden und dementsprechend auch in den Reisetexten behandelt und wiedergegeben werden.

Die kompatible Unvertrautheit ist für die Konstruktion der Alterität ein Hauptbestandteil.

Denn Alterität entwickelt sich aus dem vertrauten Unvertrauten heraus. Während Alterität auf der einen Seite des Kontinuums steht, liegt die inkompatible bzw. inkommensurable Unvertrautheit auf der anderen Seite. Der Raum der Alterität wird durch die Erfahrung kompatibler Unvertrautheit konstruiert. Das Fremde wird hier der eigenen Ordnung zugerechnet, daher erscheint jede Unvertrautheit prinzipiell überwindbar oder aufhebbar. In dieser Zurechnung erscheint das Fremde als ein potentiell Eigenes, Kompatibles, als etwas, das man sich vertraut machen könnte, wenn man nur wollte (vgl. Stenger 1998: 342).

b. Ambivalente Unvertrautheit

Zuvor wurde auf einen Kontinuum, das zwischen kompatibler und inkommensurabler Unvertrautheit abgestuft ist, hingewiesen. Innerhalb dieses Kontinuums, „also dem, was durch Internalisierung zu eigen gemacht werden kann, und dem, was einer Aneignung widersteht und auf Dauer fremd bleibt“ (Stenger 1998: 345), lässt sich ein breites Übergangsfeld denken, in dem sich Elemente kompatibler und inkommensurabler Unvertrautheit in unterschiedlichen Mengen mischen. Mit der ambivalenten Unvertrautheit ist hier die ambivalente Haltung zum Fremden gemeint, denn Fremdheit ist imstande, Beziehungen zwischen Personen und Sachverhalten zu konstituieren, zu regulieren und zu verdinglichen. Fremdheit kann sowohl Idiosynkrasie unterstützen als auch stören. Bei der Fremdheitswahrnehmung kann die eigene

21 Bei der Definition der drei kulturellen Fremdheitstypen wurde stark das Fremdheitskonzept von Horst Stenger aus seinem Aufsatz über die Fremdheitsbeziehungen zwischen den Ost- und Westdeutschen in den Jahren nach der Wiedervereinigung Deutschlands in Betracht gezogen. Die Definition „ambivalente Unvertrautheit“ wurde direkt von ihm übernommen. Siehe: Stenger, Horst (1998: 345). Zwar wird seine Typeneinteilung formal übernommen, inhaltlich sind die Konzepte jedoch unterschiedlich, denn sie werden aus einem anderen Blickwinkel heraus und passend zur Fragestellung bearbeitet und modifiziert.

54 Wirklichkeitsordnung bedroht werden, es geschieht aber auch, dass der Fremde Faszination weckt. Insofern enthält Fremdheit stets einen Grad an Ambivalenz (vgl. Reuter 2001: 34).

Bei der ambivalenten Unvertrautheit werden die potentielle Überwindung der Grenzen und ihre Überschaubarkeit mit der Anerkennung der Widerständigkeit des Fremden vereint. Das Fremde erscheint nicht mehr als ein zugehöriges Element zu einer völlig anderen Ordnung, eher erscheint es als ein Produkt der Aneignungsbedingungen.

Ambivalent ist die Beziehung also insofern, als die Fremdheit als potentieller Gegenstand der eigenen Ordnung (wie beim Fall der Alteritätskonstruktionen bzw. der kompatiblen Unvertrautheit) wahrgenommen wird, aber auch die Widerständigkeit bzw. die Inkommensurabilität des Fremden nicht vollkommen außer Acht gelassen werden kann.

Implizit ist dieser Fall immer von der Annahme begleitet, dass die erfahrene Fremdheit bei der ambivalenten Unvertrautheit unter bestimmten Bedingungen (anders als den gegebenen) vollständig angeeignet werden kann (vgl. ebd.), weil dies innerhalb eines grundsätzlich intakten Ordnungsgefüges geschieht. Die kulturellen und sozialen Grenzen, die hier zur Markierung des Fremdheitsraums eingesetzt werden, verfügen über eine relative Dichte. Das heißt, sie sind nicht so einfach überwindbar wie bei der kompatiblen Unvertrautheit, auch nicht allzu widerspenstig wie bei der inkommensurablen Unvertrautheit. Demnach gibt es einerseits Annahmen der Überwindbarkeit der Grenzen, es werden also Aneignungspotentiale erkannt, andererseits gibt es auch ernsthafte Barrieren, die die Widerständigkeit des Fremden unterstreichen. Zudem ist diese Art der Fremdheitserfahrung deshalb ambivalent, weil sie unterschiedliche räumliche wie zeitliche Kontexte miteinander verbinden kann, indem etwa einer vergangenen Fremdheitsüberwindung eine gegenwärtige Widerständigkeit zur Seite gestellt wird.

In der Erfahrung ambivalenter Unvertrautheit, als einer spezifischen Mischung aus Aneignung und Fremdbleiben, erweist sich mithin das Fremde noch als Fremdes handhabbar. Es kann zwar nicht bis zur Selbstvergessenheit internalisiert werden, kann jedoch im Rahmen instrumenteller Ziele angeeignet werden. „Instrumentelle Aneignung bei gleichzeitiger Distanz charakterisiert ganz wesentlich den Erfahrungstypus ambivalenter Unvertrautheit.“

(Stenger 1998: 248).

c. Inkommensurable Unvertrautheit

Bei der inkommensurablen Unvertrautheit geht es um die Erfahrung einer dauerhaften und unüberwindbaren Grenze. Wenn in der Beziehung zum Anderem das Unvertraute zu Grenzziehungen führt, die die Möglichkeiten der Überschaubarkeit und des Verstehens

55 vollständig blockieren, so dass überhaupt keine Möglichkeit einer potentiellen Aneignung und Übernahme vorzufinden ist, wird von einer inkommensurablen Unvertrautheit gesprochen. In diesem Fall ist es möglich, dass die Voraussetzungen unserer Orientierungsfähigkeit selbst fragwürdig werden. Im Sinne Waldenfels wird dieser Fall als „radikale Fremdheit“ bezeichnet (vgl. Waldenfels 1995).

In Situationen inkommensurabler Unvertrautheit ist das Zusammenspiel mit der Grenze wechselseitig. Zum einen herrschen vorgegebene Grenzen, die die Beziehung als unvertraut und fremd wahrnehmen lassen, zum anderen wird durch die Inkommensurabilität in der vorgefundenen Wirklichkeits- bzw. Sinnordnung das Feld des Unvertrauten noch ausgeprägter und undurchschaubarer. Mit anderen Worten: Die Erfahrung inkommensurabler Unvertrautheit „ist die Erfahrung einer anderen, fremdbleibenden Wirklichkeitsordnung.

Genauer gesagt kann nicht die fremde Ordnung selbst erfahren werden, denn sie bleibt

‚dunkel‘ oder ‚unsichtbar‘“ (Stenger 1998: 348). Man steht also in einer unvertrauten Beziehung, die durch eine akzentuierte, bewusste Grenzziehung zu einer Situation der völligen Widerständigkeit des Fremden führt. Unsere bislang gültigen Regeln und Relevanzstrukturen verlieren in diesem Kontext ihre Verbindlichkeit (vgl. Münkler/Ladwig 1997: 30), wodurch eine kommunikative Beziehung zum Fremden nahezu unvorstellbar wird.

In dieser Art von Beziehung zum fremden Gegenstand gibt es auch keine Annährungsversuche, den Fremden kompatibel zu machen. Wahrnehmbar sind vielmehr Objektivationen, die als Zeichen und Symbole einer unverstandenen Ordnung dienen.

Inkommensurabilität ist die Bezeichnung dieser Unvertrautheit, weil sie auf inkompatible Sinn- und Wirklichkeitsordnungen verweisen soll, die eine Mischung der Elemente verhindern, oder besser gesagt, die als inkompatibel, nicht aneignungsfähig und inkommensurabel wahrgenommen werden. Bei der inkommensurablen Unvertrautheit werden Grenzen konstruiert, gleichzeitig stößt man auf vorgegebene Grenzstrukturen.

B. Dimensionen sozialer Fremdheit

Wie zuvor schon angedeutet, ist das differenzierungsschaffende Element bei sozialer Fremdheit der Kontext der Nichtzugehörigkeit. Dabei sorgt die Innen-Außen-Grenze in der Beziehung für Differenzierungen asymmetrischer Art. Das heißt, dass die Zurechnung zum Außen mit der Zuschreibung eines niedrigeren Status verbunden ist. „Insofern gehört Asymmetrie zu den wesentlichen Voraussetzungen sozialer Fremdheit.“ (Stenger 1998: 332).

Soziale Fremdheit wird also im Verhältnis zu sozialen Grenzen erzeugt. Soziale Grenzen wirken als Mittel, durch das im Verlauf eines prozessualen Geschehens symbolische und

56 materiale Ressourcen asymmetrisch zwischen Gruppen verteilt werden. Demnach handelt es sich bei einer Innen-Außen-Grenze um einen Exklusion/Inklusion-Mechanismus, der soziale und hierarchische Auswirkungen hat. Da die Fremdheitsbeziehung eine wechselseitige ist, kann in diesem Verhältnis sowohl derjenige fremd sein, der zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe mit spezifischen symbolischen wie sozialen Monopolen keinen Zugang findet, als auch der, der einer überlegenen und überragenden Position zugesprochen wird und anderen Personen und Gruppen den Zugang verweigert. Anders ausgedrückt heißt das, dass Fremdheit als Exklusionsverhältnis zu bestimmen ist, dazu hat der Beobachter nach sprachlichen oder nichtsprachlichen Zeichen einer Innen-Außen-Unterscheidung zu suchen.

Das im Kontext dieser Unterscheidungsfiguren dem Außen Zugeschriebene ist der Fremde (vgl. Stenger 1997: 160), wobei es sich sowohl um den Überlegenen als auch den Unterlegenen handeln kann. „[…] [D]ie Eigenschaft ‚fremd‘ wird einer Person, einer Gruppe, einem Gegenstand oder einem Sachverhalt immer dann zugeschrieben, wenn das jeweilige Objekt der Zuschreibung als ‚außerhalb‘ der eigenen Sphäre existierend wahrgenommen wird.

Der, die oder das Fremde sind also in Bezug auf einen stets variablen Kontext des ‚Eigenen‘

(z. B. der Person, Weltanschauung, Familie, Nation) nicht zugehörig.“ (Ebd.)

Im Weiteren bezeichnet Stenger zwei Hauptformen für die soziale Fremdheit: die materiale und die symbolische Exklusion. Im Fall der materialen Exklusion verfügen die Exkludierten nicht in gleichem Maße über Berechtigungen und haben nicht die gleichen Rechte wie die Inkludierten (vgl. Stenger 1998: 336). Somit haben die Mitglieder Rechte, die Nichtmitglieder explizit nicht haben. Materiale Exklusion lässt sich daher als Verweigerung des Zugangs zu Positionen und Rollen in Funktionssystemen, Organisationen und Gruppen verstehen. Ein weiterer Aspekt der Konstruktion materialer Exklusion ist die Benachteiligung bei der Zuweisung von Ressourcen, welche als Folge des nicht gleichberechtigten Zugangs zu Positionen/Rollen sichtbar wird (vgl. ebd., 337).

Als symbolische Exklusion werden alle Erfahrungen grenzziehenden Verhaltens gegenüber der eigenen Person oder der eigenen Gruppe verstanden, dabei sind jedoch die Beeinträchtigung der Teilnahme und die Behinderung des Zugangs zu Positionen/Rollen irrelevant. Im Fokus steht also jeweils die Tatsache, dass durch ein bestimmtes Verhalten Grenzen zwischen einem Wir und einem Ihr sozial sichtbar werden. Systematisch ist daran wichtig, dass die Erfahrung symbolischer Exklusion nicht notwendigerweise mit der Erfahrung materialer Exklusion verbunden ist (vgl. ebd., 337 f.). Symbolische Exklusionen sind häufig als Zuschreibung von Verhaltensweisen, Denkmustern oder Eigenschaften zu

57 verstehen, welche die Person in einer bestimmten Hinsicht aus dem moralischen Universum der Gruppe ausschließen, ohne sie zwangsläufig auf der materialen Ebene zu exkludieren.

C. Mischformen und Überlappungen

Bei sozialer und kultureller Fremdheit können beide Dimensionen unabhängig voneinander auftreten. Es gibt jedoch Situationen der Überlappung. Bei der Überlappung sozialer und kultureller Fremdheitskonstruktionen entstehen Mischformen der Nichtzugehörigkeit und Unvertrautheit. Je nach dem in welcher Erfahrungssituation sich Personen befinden, entstehen entsprechend unterschiedliche Mischformen der Fremdheit. Dass Unvertrautheit mit Exklusion und Vertrautheit mit Inklusion zusammenfallen, ist recht prädiktiv. Die meisten Fälle der Fremdheitskonstruktion sind Fälle der Exklusion kognitiver Unvertrautheit. Die Unverständlichkeit der anderen Ordnung, die Undurchschaubarkeit der Strukturen und das mangelnde Wissen über inkommensurable Unvertrautheit führen zu einer Abgrenzung, in der Asymmetrie eine strukturelle Bedingung ist. „So ist die Überzeugung, der Andere oder die Anderen gehörten einer anderen Wirklichkeitsordnung an, eng verbunden mit der Bereitschaft, jene Andere auch sozial zu exkludieren, sie also in einer materialen und/ oder symbolischen Dimension als nicht zur eigenen Gruppe zugehörig zu bestimmen.“ (Stenger 1997: 209).

Es gibt jedoch auch Konstellationen, in denen das Nichtzugehörige vertraut und das Unvertraute zugehörig ist. Somit sind exkludierendes Verhalten gegenüber Unvertrautem oder Inklusion gegenüber Vertrautem zwar am wahrscheinlichsten, aber das sind nicht die einzig vorstellbaren Fremdheitserfahrungen. Daher müssen die Mischformen kultureller und sozialer Fremdheit je nach Lage der Wahrnehmung empirisch erläutert werden.

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A: Einblick in die Geschichte der

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