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5 Begriffserklärung und Diskussion

5.1 Gesundheit

Jeder einzelne Mensch weiß was Gesundheit bedeutet, denn schließlich ist jede/jeder Ex­

pertin/Experte betreffend seiner eigenen Gesundheit. Fragt man aber genauer nach, was die Definition von Gesundheit sei, so wird dies schon schwieriger. So hat z.B.: jede Gene­

ration, Kultur, Gruppe usw. eine eigene Vorstellung von Gesundheit. Die wohl bekannteste Definition von Gesundheit ist die der WHO aus dem Jahre 1946. „Gesundheit ist ein Zu­

stand des völligen, körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.“ “Damit verbunden sind nicht nur personale, sondern auch soziale Ressourcen, denn Gesundheit und Krankheit sind in ihrer Ent­

stehung untrennbar verbunden mit der sozialen Lage, mit der Lebenssituation und dem Lebensstil der Menschen" (Nideröst, 2007, S. 13). Die obige Definition der WHO, die jeden möglichen dynamischen Prozess ausschließt (Osterman, 2010), ist durch verschiedene Theorien erweitert worden. Dazu gehören das Salutogenese – Modell von A. Antonovsky, oder das biopsychosoziale Modell von G. L. Engel, um nur einige zu nennen.

„Von den vielen theoretischen Ansätzen, die die Beziehung zwischen Körper und Seele (oder zwischen Gehirn und Geist) zu erklären versuchen, ist heute das biopsychosoziale Modell das mit Abstand am häufigsten zitierte Paradigma“ (Goodman, 1991 zit. aus Os­

termann, 2010, S. 100). Dieses biopsychosoziale Modell beschreibt Gesundheit als „[...]

die ausreichende Kompetenz des Systems „Mensch“ beliebige Störungen auf beliebigen Systemebenen autoregulativ zu bewältigen. Nicht das Fehlen von pathogenen Keimen (Viren, Bakterien etc.) oder das Nichtvorhandensein von Störungen/Auffälligkeiten auf der psycho­sozialen Ebene bedeuten demnach Gesundheit, sondern die Fähigkeit, diese pa­

thogenen Faktoren ausreichend wirksam zu kontrollieren“ (Egger, 2007, zit. aus Os­

termann, 2010, S. 103). „In Übereinstimmung mit dem biopsychosozialen Modell der Ge­

sundheit stellt psychische Gesundheit neben den körperlichen und sozialen Aspekten der Gesundheit eine der drei Hauptdimensionen der Gesundheit dar, die eng miteinander ver­

knüpft sind. Psychische Gesundheit ist nicht nur durch biologische und psychologische Faktoren bedingt, sondern ein vielschichtiger Prozess, der neben persönlicher Disposition und individuellem Verhalten massgeblich von sozialen, sozioökonomischen, kulturellen und ökologischen Faktoren beeinflusst wird. Je nach kulturellem, sozialem und wissen­

schaftlichem Hintergrund sowie in Bezug auf die verschiedenen Lebensphasen und Le­

benswelten kann psychische Gesundheit unterschiedlich erlebt und definiert werden;

immer ist sie aber ein Ergebnis der Wechselbeziehungen zwischen Individuum und Umfeld/Umwelt“ (Steinmann, 2005, S. 39).

Zusammenfassend ist nach Hurrelmann (2010), (zit. aus Hurrelmann et. al., 2012) Ge­

sundheit im Bezug auf den Ansatz eines Kontinuums zwischen Gesundheit und Krankheit umfassend als Stadium des Gleichgewichtes zwischen Schutz­und Risikofaktoren in den Systemen Körper, Psyche, soziale Umwelt und psychische Umwelt, und Krankheit, als das Stadium des Ungleichgewichts zu sehen. Außerdem befinden sich zwischen den extremen Polen des Kontinuums von Gesundheit und Krankheit die Stadien der relativen Ge­

sundheit und relativen Krankheit.

5.1.1 Gesundheitsförderung

„Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können“ (WHO, Ottawa­Charta, 1986). Dieses Modell der Gesundheitsförderung orientiert sich am salutogenetischen Ansatz von Anto­

novsky (1970), nach diesem Ansatz ist Gesundheit nicht als Zustand sondern als Prozess zu verstehen. Hurrelmann et al. (2012) erörtern dieses Modell nach Kickbusch (1989), als ein Modell welches stark darauf hinweist, dass Kontext­ und Umweltgegebenheiten für die Diskriminierung von Gesundheit und Krankheit verantwortlich sind. Im engeren Sinn be­

deutet dies, dass stark gespannte Familienbeziehungen, hohe Anforderungen an Qualifi­

kation im Bildungsbereich, mangelnde berufliche Anerkennung aber auch politisch un­

günstige Verhältnisse sich genauso stark auf die natürliche Lebensgrundlage auswirken, wie die Verunreinigung von Wasser, Boden, Luft und Nahrungsmitteln.

„Die Ottawa­Charta war eine Antwort auf die wachsende Kritik an der medizinisch orien­

tierten Prävention und an der klassischen Gesundheitserziehung, die sich vorwiegend am individuellen Risikoverhalten orientierten. Dieser Ausrichtung stellt die Charta Frieden, an­

gemessene Wohnbedingungen, Bildung, Ernährung, Einkommen, ein stabiles Öko­

System, eine sorgfältige Verwendung vorhandener Naturressourcen sowie soziale Ge­

rechtigkeit und Chancengleichheit als grundlegende Bedingungen und konstituierende Mo­

mente von Gesundheit entgegen“ (Steinmann, 2005, S. 26).

„Gesundheitsförderung setzt bei dem an, was vorhanden ist und versucht, durch parallele Interventionen auf der individuellen und auf der sozialen Ebene Menschen dazu zu befä­

higen, ihre eigenen Bedürfnisse zu entdecken, Verantwortung für Leben und Gesundheit zu übernehmen und dieses in einer Weise zu tun, über die sie selbst und keine Anderen bestimmen“ (Naidoo, Wills, 2003, zit. aus Schnabel, 2007, S. 40­41). Hurrelmann et al.

(2012) beschreiben Gesundheitsförderung als Strategie der Beeinflussung gesundheitsre­

levanter Lebensbedingungen und Lebensweisen aller Bevölkerungsgruppen mit dem Ziel der Stärkung von persönlicher und sozialer Gesundheitskompetenz. Gesundheitsför­

derung berücksichtigt sowohl medizinische als auch hygienische, psychische, psychia­

trische, kulturelle, familiäre, soziale, rechtliche edukative, ökonomische, architektonische und ökologische Aspekte.

Ein weiteres wichtiges und wirksames Instrument zur Erhaltung der Gesundheit ist „Empo­

werment for Health“. „Empowerment for Health zielt darauf ab, Menschen dabei zu helfen, Fähigkeiten zu entwickeln, Kraft derer sie in der Lage sind, ihre soziale Umwelt und ihr Leben selbst zu gestalten, d.h. gesundheitsbewusst zu planen und dieses selbst dann al ­ leine und/oder mit Hilfe anderer durchzusetzen, wenn sie dabei auf Widerstände stoßen.

Infolge des erfolgreichen Einsatzes von Empowerment­Strategien konnte den Menschen ein größtmöglicher Teil der Verantwortung für die Gestaltung ihrer Lebenswelt und für den Umgang mit Gesundheit und Krankheit zurückgegeben werden. Und dieses soll unter möglichst geringem Einsatz von Fremdhilfe, allenfalls mit den Mitteln der Hilfe zu Selbst­

hilfe, d.h. Überwiegend durch die Stärkung bereits vorhandener Fähigkeiten geschehen und möglichst wenig auf die Beseitigung ohnehin kaum beseitigbarer Risiken setzen“

(Schnabel, 2007, S. 36).

Gesundheitsförderung ist stark abzugrenzen von Krankheitsprävention, meist in abge­

kürzter Form als Prävention verwendet. „Krankheitsprävention als Strategie der Ver­

meidung oder Verringerung von Gesundheitsschädigungen durch gefährdende Exposi­

tionen und Belastungen und personengebundene Risiken. Sie zielt vor allem auf Risiko­

gruppen mit klar erwartbaren, erkennbaren oder bereits im Ansatz eingetretenen An­

zeichen von Gesundheitsstörungen und Krankheiten. Ziel ist die Verhinderung des Voran­

schreitens einer Gesundheitsstörung oder Krankheit in ein jeweils schlimmeres Stadium und das Vermeiden von Folgestörungen psychischer und sozialer Art sowie das Redu­

zieren von Folgekrankheiten“ (Hurrelmann et al., 2012, S. 661). Krankheitsprävention lässt sich also nach Dollinger et al. (2009) als ein unmittelbar normorientierter Versuch, uner­

wünschtes Verhalten frühzeitig zu unterdrücken oder in seiner Intensität zu mindern zu­

sammenfassen. „Der Krankheit erfolgreich vorbeugen, kann von diesem Standpunkt her nur der bzw. diejenige, dem/der es gelingt, die Betroffene dauerhaft zur Entwicklung alter­

nativer (salutogener) Formen der Auseinandersetzung mit dem Leben und seinen Schwie­

rigkeiten zu motivieren“ (Schnabel, 2007, S. 40). In der unten angeführten Abbildung wird der Unterschied zwischen Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention zur Verdeutli­

chung dargestellt.

Abbildung 1: Interventionsansätze (Kolip, 2001, zit. aus . Dollinger et al., 2009, S. 246)

5.1.2 Gesundheitsförderung bei Jugendlichen

Die Jugendzeit wird in zwei Abschnitte gegliedert, einerseits in die körperliche Entwick­

lungsphase, sprich die Pubertät zwischen dem 10. und 13. Lebensjahr, und andererseits die psychosoziale Entwicklung, die Adoleszenz, welche zwischen dem 10. und 20. Le­

bensjahr stattfindet. Die Adoleszenz wird wiederum in drei Stufen eingeteilt. Die frühe Ado­

leszenz in welcher pubertäre Veränderungen wie Wachstum, Hormonumstellung und die Ausbildung der sekundären Geschlechtsorgane stattfinden. Die mittlere Adoleszenz im Alter von 14 bis 17 Jahren in welcher das äußere Erscheinungsbild wie z.B.: Haartracht und Mode von Wichtigkeit für die Jugendlichen sind. Die späte Adoleszenz zwischen dem 17. und 20. Lebensjahr ist stark geprägt vom Übergang ins Erwachsenenalter, dem Auszug aus dem Elternhaus, der Aufbau von Partnerschaften und die Berufswahl. Ge­

sundheitsförderung ist für Jugendliche kein attraktives Thema, da Gesundheit für die meisten in diesem Alter als selbstverständlich angesehen wird. Die Handlungsorientierung der Jugendlichen bezieht sich auf Spaß, Genuss, Risiko und Flexibilität. Es zeigt sich jedoch, dass akute Erkrankungen mit dem Alter abnehmen und im Gegensatz chronische Erkrankungen wie z.B.: Diabetes und Asthma zunehmen. Psychische und physische Er­

krankungen nehmen sogar stark zu, ganz besonders bei Mädchen, hier werden Ge­

reiztheit, Schlafstörungen gefolgt von Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Niederge­

schlagenheit genannt. Mädchen geben ab dem Pupertätseintritt eine stärkere gesundheit­

liche Beeinträchtigung an und klagen häufiger über Krankheitssymptome. Diese subjek­

tiven Beschwerden schlagen sich jedoch nicht als manifeste Erkrankung, mit den Aus­

nahmen „typischer weiblicher Erkrankungen“ wie Depression, Magersucht und Bulimie, nieder. Bei Jungen zeigt sich, dass diese wesentlich krankheitsanfälliger bis zum Erwach­

senenalter sind, sich dies jedoch später im Erwachsenenalter umkehrt. Konstruktives Risi­

koverhalten wird als Chance zur Neuorientierung und Neudefinition genutzt. Grenzüber­

schreitungen sind ein notwendiger Bestandteil eines Prozesses, welcher Selbstgestaltung und Selbstinszenierung am eigenen Körper beinhaltet. Männliche Jugendliche zeigen ex­

ternalisierende Verhaltensweisen wie Drogengebrauch, Aggressivität, Alkoholmissbrauch und eine hohe Rate an Unfällen und Suiziden. Jungen zeigen eine höhere Akzeptanz des eigenen Körperkonzeptes als Mädchen. Die Selbstzufriedenheit steigt mit dem Größen­

umfang von Körperteilen (z.B. Brustumfang, Körpergröße, Oberarme) an; Jungen nehmen sich gerne als groß bzw. männlich wahr. Weibliche Jugendliche zeigen internalisierende

Syndrome wie Depression, Ängstlichkeit, Anorexia, Bulimie und Binge Eating. Bei Mädchen sinkt die Zufriedenheit mit dem Größenumfang von Körperteilen (z.B. Hüfte, Oberschenkel). Bevorzugt wird ein schlanker und zierlicher Körper. Besonders belastend für Jugendliche können intellektuelle Anforderungen sein. Beispiele dafür sind: Neube­

stimmung der Körperverhältnisse, die Entwicklung eines Wertesystems als Leitfaden für das Verhalten, emotionale Unabhängigkeit von Erwachsenen, ein stabiles Selbstbild mit Ich­Identität, die Übernahme männlicher und weiblicher Geschlechterrollen und das Ak­

zeptieren der eigenen Körperlichkeit. Aus medizinischer Sicht gelten Jugendliche ge­

sünder als andere Altersgruppen, im Sinne subjektiver Befindlichkeit hingegen als be­

sonders stark belastet (Paletta, 2001). „Die Einschätzung des Gesundheitszustands hat aber nicht nur mit einer medizinisch diagnostizierten Erkrankung zu tun. Sie wird auch von bestimmten Lebensumständen mitbestimmt, wie etwa dem Eingebettet­Sein in eine funk­

tionierende Familie oder positiven Erfahrungen in der Schule“ (Preglau, 2001, zit. aus WHO­HBSC­Survey, 2010, S. 89).

Jugendliche haben dieselben Gesundheitsressourcen wie Erwachsenen, diese sind in seelische und körperliche Ebenen unterteilt. Die seelische Ebene beinhaltet den Ko­

heränzsinn, „seelische Gesundheit“, „Bewältigungsstrategien“, und Kontrollüberzeu­

gungen. Die körperliche Ebene beinhaltet Fitness, Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit. Ge­

sundheitsressourcen aus der Perspektive von Jugendlichen benötigen einen pragmati­

scheren Ansatz (Paletta, 2001).