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3.4 Aufbau und Layout

3.4.2 Gestaltung

wurde, einen präventiven Nuklearkrieg gegen die Sowjetunion zu führen.“267 Eine militärische Anwendung von Kernwaffen war bereits am 6. und 9. August 1945 durch die USA gegen die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki erfolgt, damit werden die USA in diesem Aufruf indirekt als Kriegsverbrecher angeklagt. Es muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass die Sowjetunion Erfolge bei der Ent-wicklung eigener Atombomben verzeichnete und es ihr im Jahr 1949 gelungen war, das ‚Atombombenmonopol der USA‘ zu durchbrechen.268 Durch Ankündigungen zur Entwicklung der Wasserstoffbombe setzte die US-Regierung jedoch weiterhin auf atomare Aufrüstung. Der Stockholmer Appell zielte nicht zuletzt darauf ab, in diese Auseinandersetzungen einzugreifen. Richard Peter schrieb – entsprechend der offiziellen Politik der DDR269 – in seinem geplanten Vorwort jedoch nur von der Aufrüstung der „westlich orientierten Länder“270, während sich um die Sowjetunion

„heute alle friedliebenden Völker der Erde“271 sammeln und gemeinsam die Ablehnung der Atombombe fordern.

ein, – eine Kamera klagt an überlagert den Städtenamen partiell. Die Gestaltung lässt das Bombeninferno von Dresden erahnen. Vergleichbar mit glühenden Häuser-fassaden oder dem Feuersturm steht in verzerrten Versalien272 der flammendrote Schriftzug Dresden. Die untere Zone des Wortes ist schwarz gesprenkelt, diese Sprenkelung nimmt zur Mitte der Buchstaben hin ab. Da das Wort Dresden nicht ohne genaues Hinschauen lesbar ist, drängt sich der Vergleich auf, dass auch die Stadt nach der Zerstörung nicht mehr ohne weiteres als solche erkennbar war.

Darüber sind, in Plakatschrift, schräg ansteigend die Worte – eine Kamera klagt an gelegt. Diese Formulierung erklärt das Buch zu einem unleugbaren Beweisstück, denn eine Kamera hat objektiv die Tatbestände aufgezeichnet. Damit wird dieser die Rolle eines Augenzeugen des Vernichtungsausmaßes angewiesen, hinter die der Fotograf zurücktritt. Für die Dresdner war diese ‚Anklage‘ gleichzeitig eine Klage über den Verlust an historischer Bausubstanz. Durch diese Titelgebung wird das technische Gerät ‚Kamera‘ zum Vehikel einer scheinbar objektiven Berichterstattung, zu der die Dresdner durch die Zerstörung ihrer Stadt und das erlittene Leid wahrscheinlich nicht in der Lage gewesen wären.

Ein weiterer Punkt in Bezug auf den Bildtitel Dresden – eine Kamera klagt an ist be-merkenswert. Er verweist auf die Bilder der Trümmer, der Leichen, der Flüchtlinge und Heimkehrer. Einen Verweis auf den Wiederaufbau und den Blick in eine positive sozialistische Zukunft gibt er nicht. Einerseits passt der Titel in die offizielle DDR-Propaganda, die Anklage gegen die USA und Großbritannien erhob, eine einzigartige, unschuldige Stadt sinnlos am Ende des Krieges zerstört zu haben.273 Andererseits bedeutet er eine Verschiebung der Gewichtung zuungunsten der Aufbaupläne zu einer sozialistischen Großstadt und der aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbaren, aber damals zeittypischen Einschätzung des Verkehrsplaners Gotthold Weicker: „Der Bombenterror hat freie Bahn geschaffen, sie ist zu nützen.“274 Ein weiterer Widerspruch besteht zum Gedicht Max Zimmerings, das Priorität auf Optimismus und Wiederaufbau legt.

272 Außer dem letzten Buchstaben, der als kleines ‚n‘ gestaltet ist.

273 Vgl. Neutzner: Vom Anklagen zum Erinnern. In: Reinhard, Neutzner und Hesse: Das Rote Leuchten, 2005, S. 128–163.

274 Lerm: Abschied vom alten Dresden, 2000, S. 33.

Die Einbände für beide Ausgaben wurden, laut Impressum, von Albert Georg Jahn275 aus Dresden entworfen. Er lieferte dem Verlag offensichtlich mehrere Vor-lagen, von denen jeweils ein Entwurf ausgewählt wurde (Abb. 8).276 Die Halbleinenausgabe betreffend schrieb die Verlagsleitung in einem Brief an Jahn folgendes:

Diese Reinzeichnung muß farbig gestaltet werden, da die Wiedergabe im Offset erfolgen soll. Wir sagten Ihnen bereits am Telefon, daß wir das Rot nicht so blutig, sondern durchbrochener wünschen. Die Umrandung wollen Sie bitte in einem schönen warmen Grau halten, ohne jeden roten Zusatz. In Wegfall kommt das Stadt-wappen von Dresden. Vor der weißen Schrift ‚eine Kamera klagt an ist ein Gedankenstrich zu setzten.277

Die Art der Umschlaggestaltung ergibt eine Einheit von künstlerischer Gestaltung und Werbewirksamkeit, die das Interesse der Käufer wecken sollte und auch geweckt hat. Vergleicht man den Buchdeckel mit dem von Kurt Schaarschuchs Bilddokument Dresden, wirkt Peters wesentlich eindringlicher (Abb. 9). Bei der konventionellen Aufmachung des Deckels des Schaarschuch-Buches umschließt der Titel das Stadt-wappen, darüber befindet sich der Name des Fotografen und am unteren Rand die Nennung des Herausgebers Rat der Stadt Dresden. Auch die Einbandgestaltung von Hermann Claasens Gesang im Feuerofen wirkt gegenüber Peters Buch schlicht (Abb. 10). Ungefähr in der Mitte der farblich beige gestalteten Seite befindet sich ein brauner Balken mit dem Titel des Buches in Kapitalbuchstaben, darüber steht der Name des Künstlers. Dagegen wurde bei der Publikation Verbrannte Erde mit Trüm-merbildern von Claasen ein dramatisches Umschlagbild gewählt (Abb. 11). Dieser Buchdeckel zeigt eine Fotografie mit gegen den Himmel hoch aufragenden Mauer-resten. In den Himmel eingeschrieben ist der Titel Verbrannte Erde mit roter Schrift, die an emporzüngelnde Flammen erinnert. Am unteren Rand ist ein schwarzer Balken abgesetzt, im dem die Orte der Zerstörung aufgezählt werden.

275 Der Gebrauchsgrafiker Albert Georg Jahn, geboren am 1. August 1906, war vor dem Krieg Atelierleiter bei der Firma Reklamekunst Seering in Dresden. Nach 1945 war er freiberuflich tätig und Mitglied im Verband Bildender Künstler Deutschlands, Sektion Gebrauchsgrafik. Für diese Angaben bedanke ich mich bei Karl-Heinz Lötzsch.

276 Siehe SHSTA, 11827, VEB Verlag der Kunst Dresden, Nr. 1493. In dieser Akte befindet sich ein Entwurf in Tempera für die Umschlaggestaltung (unsigniert), wie er letztlich ausgeführt wurde.

Leider blättert durch die unsachgemäße Lagerung bereits die Farbe ab. Die anderen Entwürfe befinden sich nicht in den Akten.

277 SHSTA, 11827, VEB Verlag der Kunst Dresden, Nr. 1316, Brief der Verlagsleitung an Albert Georg Jahn vom 28.7.1950.

Im Bildband Dresden – eine Kamera klagt an gehen die größtenteils großformatigen Illustrationen nie über eine Einzelseite hinaus. Informationen zu den Fotografien, zu ihrer Entstehung oder zum Fotografen fehlen. Die Bilder bleiben ohne Einführung, allein mit ihnen und den wenigen, sachlich-nüchternen Bildunterschriften wird in der Folge argumentiert. Richard Peter schrieb dazu in einem Werbetext:

Es verzichtet bewußt und gewollt auf Worte. Allein durch die Führung der Kamera wurde es zu dem, was es ist: zum Kompendium für eine leidgesättigte Menschheit und zu einer Anklage. Aber zu einer Anklage, deren letzte Zielsetzung es ist, nicht Hass zu predigen, sondern den Frieden zu erhalten.278

Dadurch, dass die Überschriften und die Bildunterschriften nur eine begleitende Rolle einnehmen, wird die Eigenwertigkeit der Fotografien gesteigert. Den Bildern wird damit ein größerer Stellenwert als der Sprache eingeräumt. Die Abbildungen können gezielt auf den Betrachter wirken, so dass ihm Raum für eigene Gedanken gelassen wird. Bei manchen Fotografien wäre zwar eine Bildunterschrift zum Erkennen des Ortes aufschlussreich, aber sie wurde bewusst weggelassen. Die Bild-legenden sind in ihrer Funktion und Aussage jedoch sehr verschieden, was besonders im ersten Abschnitt des Bildbandes zur zerstörten Stadt sichtbar wird. Einige Bild-titel entsprechen in ihrer knappen Form einer dokumentarischen Wiedergabe, wie zum Beispiel die Bezeichnung Kaufhaus Prager Straße. Bemerkenswert ist, dass Peter, wie das vorangegangene Beispiel zeigt, diese so gewählt hat, als hätte man eine heile Welt vor sich. Bei anderen Bildunterschriften wird mit diesen nicht das Foto dokumentarisch erfasst, sondern eine Einschätzung der Situation gegeben, wie zum Beispiel bei dem Zwischentitel Überall das gleiche Bild… Ein anderes Beispiel für eine Bildunterschrift im Telegrammstil ist die folgende: 14. Februar 1945 / Rathausuhr – 2.30 Uhr – Die Schicksalsstunde, die allerdings gleichzeitig einen Bezug zu den Angriffen nimmt und mit der Metapher Schicksalsstunde auf die Unabwendbarkeit und gleichzeitig auf das Ausgeliefertsein hinweist.

Eine zukunftsorientierte Aussage innerhalb der Trümmerbilder wird bereits mit der Bildunterschrift November 1945 – Erstes Licht am Postplatz erreicht. Etwas ausführlicher werden die Bildlegenden ab der Mitte des Buches bei den Bildsequenzen, die den Menschen nach der Zerstörung und den Wiederaufbau zeigen. Hier finden sich

278 SHSTA, 11827, VEB Verlag der Kunst Dresden, Nr. 1316, Text für einen Messeprospekt von Richard Peter. Erich Fleschhut strich übrigens den letzten Satz dieser Passage, war aber sonst einverstanden (1.8.1950).

seltener Bildlegenden, die die Situation dokumentarisch knapp beschreiben, sondern vielmehr solche, die agitatorisch die Wirkung der Bilder steigern. Dies entspricht der offiziellen Linie, durch bildliche und textliche Darstellung zum einen über das wahre Ausmaß der nationalsozialistischen Herrschaft und ihrer Folgen aufzuklären und zum anderen die Anstrengungen zur Stabilisierung der Lebensverhältnisse aufzu-zeigen, um den Lesern Mut zum Neuanfang zu machen und gleichzeitig Vertrauen in die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges zu wecken. Eine der längsten und prägnantesten Bildunterschriften erhielt die Aufnahme mit den Suchmeldungen am Wohnhaus Winckelmannstraße: Die Tragödie der geöffneten Keller darf der Menschheit bei der Gewissensfrage – Krieg oder Frieden? – nicht vorenthalten bleiben. Sie steht den drei Foto-grafien der mumifizierten Leichen in den zerstörten Luftschutzkellern voran und dient als Überleitung. Mit diesem Text wird der Aspekt der Anklage und der Mahnung wieder aufgegriffen. Gleichzeitig ist er Ausdruck des Kalten Krieges und Teil der Friedenspropaganda. Mit Hilfe dieser Kampagnen – hier kann eine Brücke zum Aufruf des Ständigen Komitees des Weltfriedenskongresses am Schluss des Bandes geschlagen werden – sollten zum einen die Versorgungsprobleme der Bevölkerung erträglicher gemacht und zum anderen die Bereitschaft zu verstärktem Engagement in der Produktion gefördert werden, da angeblich angesichts der Aggressivität der westlichen Länder der friedliche Aufbau des Sozialismus bedroht sei. Im Abschnitt der Aufbaubilder erhielten die Bildunterschriften meist einen zuversichtlichen Grundton, wie zum Beispiel In den Konstruktionssälen und Montagehallen wird wieder fleißig gearbeitet, der dem Leser die Aktivitäten und damit den Fortschritt vor Augen führen und gleichzeitig Vertrauen in das politische System stiften soll.

3.5 Vergleichende Bildanalysen