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6   Entwicklung der klinischen Ethikberatung

6.4   Ethikberatung in Österreich

6.4.2   Gespräch mit Herrn Prof. Dr. Dr. Schaupp

Ein Gründungsmitglied des Ethikkomitees ist Dr. Dr. Walter Schaupp, Professor an der theologischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität-Graz. In einer Befragung vom 22. Juli 2011 beantwortete er Fragen zu Organisation, Arbeitsweise und Zukunftsperspektiven ethischer Beratungssysteme in Österreich und im besonderen des Grazer Klinikums. Laut Herrn Prof. Schaupp trifft sich das Gremium einmal monatlich zu einer allgemeinen Sitzung. Ethische Fallbesprechungen erfolgen ca. zwei bis vier mal im Monat. Sie finden meist auf den Stationen statt und werden von Herrn Prof. Dr. Helmut Tritthart, dem Leiter des Komitees organisiert. Diese sogenannten „Konsile“ finden in Form von Besprechungen, mit zwei Mitgliedern des Gremiums, der behandelnden Ärztin, dem Arzt und Vertreterinnen und Vertretern der Pflege statt. Häufig nehmen auch Mitglieder anderer Berufsgruppen, aus dem Bereich Psychologie und Therapeutinnen und Therapeuten teil. Die Interprofessionalität sei ausdrücklich erwünscht. Meist bringt die behandelnde Ärztin, der Arzt den Antrag für ein Konsil bei der Anstaltsleitung ein, diese setzt sich mit dem Gremium in

Das Grazer Ethikkomitee verfolgt drei Hauptziele:

1. die Organisation und Durchführung von Fallbesprechungen oder Ethikkonsilen,

2. das Verfassen von allgemeinen ethischen Bestimmungen wie die DNR-Richtlinien (am 21.10.2009 präsentierte das Ethikkomitee des Grazer Universitätsklinikums Empfehlungen für den Umgang mit dem geplanten Verzicht auf kardiopulmonale Wiederbelebung („DNR Vermerk“)) und 3. das Organisieren von Fortbildungen sowie die Unterstützung einer

Bewusstseinsbildung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese Fortbildungen finden zwei bis drei mal jährlich statt und sind dem klinischen Personal zugänglich.

Auf die Frage, welche Zugangsvorraussetzungen ein potentielles Mitglied benötigt, antwortet Herr Prof. Schaupp: „Das ist eine schwierige Frage, die noch nicht endgültig geklärt ist. Derzeit gibt es keine Erfordernisse, die unbedingt gegeben sein müssten. Die Gründungsmitglieder haben sich damals mehr oder weniger aus Interesse getroffen, weil ihnen Ethik ein Anliegen gewesen ist.

Damals hat Frau Dr. Imke Strohscheer, Ärztin der Palliativstation, die Initiative ergriffen und hat verschiedene Personen angesprochen, die sich dann zur Mitarbeit bereit erklärt haben. Die Qualifikation von potentiellen Mitgliederinnen und Mitgliedern, die nachbesetzt werden, ergibt sich derzeit aus deren Interesse und ihren Vorerfahrungen mit Ethik. Es wäre für die Zukunft zu diskutieren ob eine Ausbildung in Form eines Ethik-Masters oder eine spezielle Fortbildung Bedingung wäre; zur Zeit ist das nicht der Fall.”

Zwei bis drei Mitglieder des Ethikkomitees seien Angehörige der Pflege, diese Personen würden von der Pflegedienstleitung vorgeschlagen und würden zur Mitarbeit im Gremium eingeladen. Auch auf den Stationen seien Pflegepersonen am Konsil beteiligt.

Mitarbeit des Stationsteams. Ein weiterer Punkt für das steigende Interesse von Seiten der Ärzteschaft sei die Unsicherheit in Bezug auf die Gesetzeslage. Aus Angst vor Fehlern hole man den Rat des Gremiums ein. Diese Unsicherheiten beträfen meistens die Behandlung am Lebensende. Die behandelnde Ärztin oder der zuständige Arzt bleibe juridisch verantwortlich, gewinne durch den Diskurs mit dem Gremium jedoch Entscheidungssicherheit. Außerdem würde die Auseinandersetzung mit dem ethischen Konflikt in der Krankenakte dokumentiert.

Die Angst vor dem sichtbar werden von Behandlungsfehlern sei andererseits ein Grund, das Ethikkonsil nicht in Anspruch zu nehmen. Es könnte sein, dass durch die Beschreibung eines speziellen Falls eventuelle Fehler deutlich würden.

Herr Prof. Schaupp betont die Wichtigkeit der räumlichen Nähe des Gremiums zu den Beteiligten des aktuellen Dilemmas. Aus dem Grund sei die Durchführung von Konsilen eine geeignete Methode, den ethischen Diskurs zu führen.

Bedeutend sei auch die Tatsache, dass das Gremium keine Entscheidungen vorgebe, sondern lediglich Unterstützung bei der Problemlösung anbiete.

Die Frage nach den Möglichkeiten von unterstützenden Maßnahmen zur Anbahnung von ethischem Bewusstsein beantwortet Prof. Schaupp mit dem Hinweis auf die Ausbildung von Medizinern. Einige seien sehr interessiert an ethischen Fragestellungen, andere hielten Ethik nicht für notwendig. Die Konflikte aus der Praxis seien noch unbekannt und ihnen fehle es an Bewusstsein.

Die Bearbeitung von Fallbeispielen sei ein sinnvolles Mittel, die Auseinandersetzung zu fördern und ethisches Bewusstsein anzubahnen.

Wünschenswert für die Zukunft sei das weitere Verfassen von Regelwerken für den Umgang mit bestimmten sensiblen Themen, um das Niveau innerhalb der Klinik anzugleichen. Fragen, wie in einem Krankenhaus mit Tumorerkrankungen oder Wiederbelebung umgegangen wird, sollte einem gewissen gemeinsam definierten Standard entsprechen. Aber auch der Umgang mit Angehörigen sei ein

Anliegen der Ethikberatung. Um diese Aufgaben bewältigen zu können, brauche es mehr Spezialisten und Arbeitskreise, es sollten noch mehr Möglichkeiten geschaffen werden, sich diesen Anforderungen zu widmen.

Prof. Schaupp sehe die Zukunft der klinischen Ethik positiv. Die Notwendigkeit von ethischen Gremien und Arbeitskreisen nehme zu. Das liege einerseits an den steigenden Möglichkeiten der Medizin und andererseits an der zunehmenden Sensibilisierung für ethische Themen in der Gesellschaft. Handlungsbedarf bestehe in Bezug auf die Schaffung von Planstellen, um die notwendigen Aufgaben professionell bewältigen zu können.

Innerhalb von Österreich werde sich die klinische Ethik weiter entwickeln.

Abhängig sei dies in erster Linie von den Menschen, die mit den Patientinnen und Patienten arbeiten. Wenn der ethische Diskurs im Behandlungsteam auf den Stationen statt fände, wäre dies ein Erfolg. Idealerweise würde dann kein Ethikkonsil mehr notwendig, da die Fallbesprechungen eigenständig durchgeführt würden. Dies zeichne sich auch jetzt schon ab. Auf Stationen mit einer engagierten Leitung, die regelmäßig Fortbildungen besuche, fänden häufiger ethische Diskussionen statt. Dadurch erlange das Team mehr Sicherheit im Umgang mit ethischen Grenzbereichen (Gespräch mit Prof. Dr. Dr. Schaupp am 22.07.2011).

Die Arbeitsweise des Grazer Ethikkomitees entspricht der im deutschsprachigen Raum üblichen Praxis.

Die Pflege hat theoretisch die Möglichkeit, ihre Belange einzubringen und aktiv an der individuellen Entscheidungsfindung mitzuwirken. Im Klinikalltag wird dies bis jetzt nur vereinzelt in Anspruch genommen. Gründe dafür sind einerseits Unsicherheit in Bezug auf Kompetenzen wie Problemformulierung, angemessene Präsentation und Argumentation und andererseits mangelnde Aufklärung

Mitgliedern; diese sind laut Prof. Schaupp aus eigenem Interesse und durch persönliche Initiative dem Gremium beigetreten.

Verschiedene Modelle der klinischen Ethikberatung bieten Aufklärung, Schulung und Unterstützung in Fragen der Ethik und der eigenen Positionierung im ethischen Diskurs. In den letzten zehn Jahren haben sich verschiedene Beratungsstrukturen etabliert. Im nächsten Kapitel wird die Vorgehensweise der klinischen Ethikberatung näher beleuchtet und die einzelnen Varianten beschrieben.