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5   Ethische Herausforderungen in der Pflege

5.2   Ethische Bildung

In der Ausbildung der Gesundheits- und Krankenpflege in der Steiermark, wird im ersten Ausbildungsjahr das Fach Berufsethik und Berufskunde, im Umfang von 40 Unterrichtseinheiten, unterrichtet. Inhalte sind:

Allgemeine Ethik: Grundbegriffe der Ethik, Grundlagen philosophischer Theorien, Rechtsgrundlagen

Geschichte der Pflege: Entwicklung des Pflegeberufs und der Pflegewissenschaft

Berufliche Sozialisation: Einflussfaktoren, Berufsbild, Rollenverständnis (vgl. Offenes Curriculum 2003)

Diese Unterrichtsreihe findet im ersten Ausbildungsjahr statt; es ist der einzige im Curriculum verankerte Block zum Thema Ethik. In der weiteren dreijährigen Ausbildung spielt das Thema Ethik nur eine geringe Rolle.

Im Gegensatz dazu werden in den Einrichtungen des Gesundheitswesens zunehmend Fortbildungen mit ethischen Themen angeboten. Diese Seminare und Workshops gehören zum festen Bestandteil der Fortbildungsangebote der meisten deutschsprachigen Kliniken und werden gut angenommen. Immer häufiger wird dieser Unterricht für die verschiedenen Berufsgruppen gemeinsam angeboten.

Gerald Neitzke spricht von interprofessionellem Ethikunterricht, dessen Ziel es ist die Berufsgruppen, die in der Patientenversorgung zusammenarbeiten, „auf eine an der Patientin, am Patienten orientierten, gemeinsamen Entscheidungsfindung professionell vorzubereiten“ (...) (Neitzke 2005). Die affektiven (Einstellungen Haltungen und Gefühle) und praktischen Lehrziele dieses Unterrichts sind:

• Interprofessionelle und kommunikative Kompetenz

• Teamfähigkeit

Tabelle 1: Praktische und affektive Lernziele (nach Neitzke)

Die Tabelle zeigt die Differenzierung der beiden Hauptbereiche in weitere Skills.

Gerald Neitzke spricht von ethischer Kompetenz als Oberbegriff für das Bündel von Schlüsselqualifikationen, das für den professionellen ethischen Diskurs notwendig ist. Er fordert eine multiprofessionelle Ausbildung, bei der die verschiedenen Berufsgruppen aus dem Gesundheitssektor gemeinsam in Ethik

Schlüsselqualifikationen auch wichtige Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Kommunikation gefördert.

Neitzke verwendet in seinen Ethikseminaren folgende Methodik:

• „Sequentielle Falldarstellung (realitätsnah)

• Rollenspiele (schult kommunikative Kompetenz)

• Kleingruppen-Diskussionen (fördert Beteiligung aller)

• Entscheidungsfindung im Team (Verbindlichkeit simulieren)

• Lernenden-zentriert

• Lehrer-Auszubildender-Beziehung als Modell der Helfer-Patient-Beziehung

• Niedrige Hierarchien (minimiert moralische Beeinflussung)

• Evaluation (Respekt)“ (Neitzke 2004).

Neitzke sieht den subjektorientierten Ethikunterricht als das Mittel erster Wahl;

die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden aufgefordert, sich aktiv zu beteiligen und eigene Vorstellungen einzubringen. Der Austausch in der Gruppe ist dabei eine wichtige Methode, die eigene Reflexion und den nötigen Perspektivenwechsel zu fördern. Lernen durch persönliche Erfahrung und Einsicht ist die Vorrausetzung für ein Verinnerlichen der Themen.

Eine andere Einteilung macht Konstanze Giese; sie unterteilt ethische Kompetenz in drei Aspekte:

• „Sich seiner Überzeugungen, Werthaltungen und Prinzipien bewusst zu sein,

Eine andere Form Unterteilung macht Rabe, er beschreibt persönliche Fähigkeiten:

• die Fähigkeit, die eigenen moralischen Orientierungen zu reflektieren und zu formulieren,

• die Fähigkeit, moralische Probleme als solche zu erkennen,

• die Fähigkeit zum argumentativen Diskurs, die Bereitschaft zur Mitverantwortung,

• die Wachheit und den Mut, tatsächlich moralisch gut zu handeln (Rabe 2001, S.63).

Auch Rabe zählt verschiedene Items auf um ethisches Handeln zu beschreiben.

Die Ausführungen bleiben Theorie, es fehlen spezifische und praktische Beispiele, an denen sich Pflegende orientieren könnten. Die Pflege benötigt praxisnahe und leicht verständliche Orientierungshilfen um Sicherheit in ethischen Fragen zu erlangen.

Rainhard Lay hat speziell für die Pflege ein System von Kompetenzen erarbeitet.

Er sieht das Ziel von Ethik-Unterricht in pflegerischen Aus- und Weiterbildungen darin, die Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu ethischer Reflexion und moralischem Handeln zu befähigen (vgl. Lay 2004, S. 228).

Er geht systematisch vor und beschreibt die zu erlernenden Kompetenzen in chronologischer Reihenfolge als eine Art Bausteinsystem. Am Anfang allen Handelns steht das Erkennen, denn nur die Wahrnehmung macht die nächsten Schritte bis hin zum konkreten Handeln erst möglich. Dieser Prozess wurde bereits in ähnlicher Weise von Kahlke und Reiter Theil 1995 beschrieben, damals war die Zielgruppe jedoch die der Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung.

Reinhard Lay modifizierte dieses System für die Pflege:

1. Sensibilisieren: Erkennen lernen, welche moralischen Probleme im Einzelfall aufgeworfen werden und inwiefern pflegerisches Handeln ethische Implikationen hat.

2. Motivieren: Bereitschaft entwickeln, pflegerische Zusammenhänge selbstständig auf ethische Aspekte zu untersuchen und die eigene moralische Grundhaltung zu reflektieren.

3. Orientieren: Die Pluralität pflegeethischer Auffassungen sowie deren Unterschiede erkennen und fähig werden, die eigene moralische Grundhaltung wahrzunehmen und auf dem Hintergrund dieser Pluralität pflegeehtischer Auffassungen einzuordnen, zu reflektieren und weiterzuentwickeln.

4. Argumentieren: Lernen, die ethische Problematik anhand von Beispielen differenziert zu beurteilen und darzustellen, eine aus eigener Sicht angemessene Lösung des Problems zu entwickeln, detailliert zu begründen und im Diskurs zu vertreten.

5. Entscheiden: Im pflegerischen Arbeitsbereich Notwendigkeiten und Möglichkeiten dafür erkennen lernen, eigene moralische Entscheidungen zu treffen, bereits gefällte oder vorgefundene Entscheidungen kritisch zu reflektieren und erforderlichenfalls aus ethischen Gründen zu revidieren.

Fähig werden, neben der Verallgemeinerbarkeit von pflegerischen Maßnahmen die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen.

6. Handeln: Die Tragweite von Entscheidungen im pflegerischen Arbeitsbereich in Bezug auf die Allgemeinheit und für den Einzelnen erkennen lernen. Fähig werden, die eigenen moralischen Kompetenzen in die Praxis einzubringen und mit Beteiligten zu diskutieren und im Umgang mit Klienten, Klientinnen und Betroffenen unter Wahrnehmung von Toleranz nach eigenen moralischen Grundsätzen zu handeln (vgl. Lay 2004, S. 228 ff).

gesehen werden, die nötig ist, um im interprofessionellen Miteinander eine gemeinsame Basis zu finden.

Die verschiedenen Lehransätze und Methoden haben das gemeinsame Ziel, eine Wissensbasis und einen Handlungsrahmen zu schaffen. Diese Basics sind notwendig um einen interprofessionellen ethischen Diskurs zu führen, bei dem die Berufsgruppe der Pflege eine emanzipierte Position einnimmt. Durch die von Neitzke beschriebene Methodik des handlungsorientierten Unterrichts, in dem Fallbesprechungen und praxisbezogenes Lernen im Vordergrund stehen, werden ethische Prinzipien alltagsnah und nachvollziehbar. Das Image der Ethik als verstaubte Philosophie kann durch moderne Unterrichtsmethoden überwunden werden. Besonders im Ethikunterricht sind reformpädagogische Ansätze von Bedeutung, da humanistisches und demokratisches Denken und Handeln nur durch Lernen am Modell, durch positive Vorbilder verinnerlicht werden können.

Das Fördern von Selbstbewusstsein und eigenverantwortlichem, reflektiertem Handeln muss dabei ein vorrangiges Ziel sein.