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2   Grundbegriffe der Ethik

2.4   Ethiktheorien

Die normative Ethik hat, im wesentlichen, folgende Grundmodelle entwickelt:

2.4.1 Deontologie

Die deontologische Ethik wurde in der Aufklärungszeit wesentlich von Immanuel Kant begründet und nimmt in der zentraleuropäischen Tradition eine wichtige Position ein. Durch den damaligen, enormen Aufschwung der Naturwissenschaften mit ihrer empirischen Kausalitätsbegründung, wurde auch für den Bereich des Sittlichen eine kausale Normenbegründung gefordert, die sich nicht auf Religion (heteronome Begründung) oder bloße Konvention stützte. Die Theorie Kants gründet auf Rationalität, Autonomie, Selbstbestimmung und Willensfreiheit eines jeden Menschen (vgl. Kuhlen 2004, S.58).

In der praktischen Philosophie Immanuel Kants ist die Rede von der Autonomie des Willens: „Das Urteil über die Frage nach richtigem und falschem Handeln spricht die Vernunft. Die Vernunft erlässt selbstgesetzgebend die sittlichen Vorschriften, denen ich mich als vernünftiges Wesen unterwerfen muss. Die Vernunft ist das Vermögen, den Bereich der Sinne und der Natur zu übersteigen;

dadurch ist sie in der Lage, den Willen des Menschen zu bestimmen“ (Ludwig 2011, S. 31). Die Grundlage für ein Handeln aus Vernunft auf der Basis eines Sittengesetzes bietet der kategorische Imperativ. Dieser besagt:

„Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne“ (KpV A 54, in Ludwig 2011, S. 92).

In der deontologischen Ethik kommt also dem guten Willen, der Intention einer Handlung primäre Bedeutung zu. Kant gibt eine weitere Erläuterung seines sittlichen Imperativs:

„Demnach muß ein jedes vernünftiges Wesen so handeln, als ob es durch seine

Dem Menschen als vernunftbegabtem und autonomem Wesen kommt somit Selbstzweck zu. Alles andere hat einen Preis, er selbst besitzt Würde. Kant beschreibt ein moralisches Ideal, eine Gesellschaft vernünftiger Wesen, in der niemand den anderen bloß als Mittel zum Zweck gebraucht sondern wo jedes Lebewesen die Würde des Selbstzweckes besitzt. In dieser idealen Willensgemeinschaft sind private Belange integriert, sofern sie mit dem allgemeinen Sittengesetz konvergent sind (vgl. Ludwig 2011, S. 93 f).

2.4.2 Utilitaristische Ethik

Die utilitaristische Ethik beurteilt dagegen nicht primär die Intention, sondern die Auswirkungen des Handelns. Es gibt hier, im Unterschied zum deontologischen Ansatz keine Handlung, die unabhängig von den Umständen immer falsch wäre.

Entscheidendes moralisches Kriterium ist der größtmögliche allgemeine Nutzen (utilitas), „das Prinzip des größten Glücks der größten Zahl“. Mit Nutzen ist nicht der individuelle Nutzen gemeint, sondern die Anhebung des allgemeinen Wohlergehens, es wird oft als Nutzen-Prinzip bezeichnet (vgl. Kuhlen 2004, S.48).

2.4.3 Verantwortungsethik

Eine jüngere Theorie stellt das „Prinzip Verantwortung“ (Hans Jonas) in den Mittelpunkt, das besonders auch die generationsübergreifende Perspektive wahrnimmt. Ihr Nachhaltigkeitsprinzip basiert nicht auf dem „Handeln nur auf das Hier und Jetzt bezogen“, sondern auf die gesamte Erde, unter verantwortlicher Einbeziehung der Folgen für zukünftige Generationen (Kuhlen 2004 S.51). Somit spielt das Prinzip der Verantwortung in intergenerationeller Perspektive die entscheidende Rolle und ist langfristig angelegt.

2.4.4 Diskursethik

deutschsprachigen Raum wird die Diskursethik von Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas vertreten (Kuhlen, 2004, S. 43). Die Regeln einer idealen Kommunikationsgemeinschaft, in der es kein hierarchisches Gefälle im Austausch von Argumenten geben darf, sind gerade auch für klinische ethische Fallbesprechungen von großer Bedeutung.

In der Pflegeethik sind diese Grundhaltungen und Anschauungen des vorherigen Kapitels integriert. Häufig handeln Pflegende intuitiv nach dem von Kant beschriebenen Imperativ. Die Wurzeln pflegerischen Handelns liegen aber auch in der christlichen Nächstenliebe.

2.5 Pflegeethik

Die Pflege als fürsorgliche Betreuung und Versorgung von hilfsbedürftigen Personen ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Die Pflege als Profession existiert im deutschsprachigen Raum erst seit annähernd 100 Jahren. Sie ist aus religiös-caritativer Tradition entstanden (vgl. Weidner Frank 1995).

„Sie, die stets zu dienen bereit ist, wird sich nie selbstgefällig erheben oder herrschen wollen; sie wird unter stillem bescheidenen Wohltun nur immer streben, sich zu verleugnen und zu überwinden“ (Sticker 1960, S. 271). Diese Aussagen spiegeln das gesellschaftliche Bild einer Pflegeperson in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Begründet wurde der Pflegeberuf durch die Ratifizierung der ersten Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Hierdurch entstand die Grundlage für einen weltlichen Beruf. Die Pflege von Kranken wurde bis dahin in unserem Kulturkreis überwiegend als christlich geprägte Liebestätigkeit verstanden und war geprägt von selbstloser Aufopferung. Eine Differenzierung der pflegerischen Aufgaben hatte eine Spezialisierung der Tätigkeitsbereiche zur Folge dadurch ergaben sich in der weiteren Entwicklung die Berufe der Kranken-,

In der Gegenwart ergeben sich durch den Ausbau der ambulanten Pflege, der Einführung pflegewissenschaftlicher Studiengänge und einer demografisch steigenden Anzahl von pflegeabhängigen Menschen, neue berufliche Herausforderungen.

Vor dem Hintergrund allgemein ethisch-philosophischer Aussagen ist der Kern von Pflege als Verantwortungsethik und Pflegehandeln darzustellen. Die Verantwortung professionell Pflegender verpflichtet sie zur Wahrnehmung personaler Verantwortung, bezogen auf ihre Rolle als Pflegeperson. Durch reflektiertes Handeln auf Grundlage ethischer Normen und Werte stellt die personale Verantwortungswahrnehmung der Pflegenden das zentrale Element dieser Tätigkeit dar (vgl. Weidner Frank 1995).

Der Niederländer Arie van der Arend definiert Pflegeethik als ein „Nachdenken über verantwortliches Handeln im Rahmen der Berufsausübung von Pflegenden“.

Er sieht die Pflege als einen wichtigen Part in der Diskussion um eine gemeinsame „Ethik des Gesundheitswesens“ und fordert eine Beteiligung am ethischen Diskurs aus der Perspektive von Pflegenden (Arend 1998, S. 24).

Die deutsche Diakoniewissenschaftlerin Mareike Lachmann sieht die Ethik der Pflege als „Theorie menschlichen Handelns, seiner Bedingungen, Voraussetzungen und Folgen“. In diesem Zusammenhang versteht sie den Begriff des Handelns nicht nur als Handeln im engeren Sinne, sondern auch als Verhalten, Gewohnheiten und Fertigkeiten, da diese für eine Theorie beruflichen Handelns von wesentlicher Bedeutung sind. Als Wesen des Handelns gilt dabei nicht nur das Tun im eigentlichen Sinne, sondern auch das Unterlassen, Verhindern usw.

(Lachmann 2005, S. 44-45).

Ulrich Körtner weist darauf hin, dass die Pflegeethik ein Teil der allgemeinen Gesundheitsethik darstellt. Besonders ihr Verhältnis zur Medizinethik steht dabei

Für die Pflege existiert seit Mitte des 20. Jahrhunderts ein Ethikkodex, der als Maßstab für pflegerisches Handeln gilt. In diesem Regelwerk sind die Prinzipien und Grundhaltungen in Verbindung mit den Tätigkeitsbereichen verfasst. Der folgende Originaltext soll den Zusammenhang zwischen ethisch fundiertem und pflegerischem Handeln verdeutlichen.