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Geschlechterverhältnis der Seehundpopulation

2.5 Explorative Datenanalyse

3.1.1 Geschlechterverhältnis der Seehundpopulation

In der Literatur sind vielfältige Angaben zum Geschlechterverhältnis zu finden. So gibt BIGG (1969) ein Verhältnis von männlichen zu weiblichen Individuen von 0,91 für das Ge-biet der Westküste Kanadas an. BOULVA und MCLAREN (1979) definieren sogar ein Ver-hältnis von 0,74 für die Ostküste Kanadas. ABT (2002) legt ein Geschlechterverhältnis von 0,86 zugrunde.

Prinzipiell gilt für das Geschlechterverhältnis das gleiche wie für die Altersstruktur. Alle Angaben basieren auf Modellrechnungen. Alle Autoren sind sich einig, dass ein Ge-schlechterverhältnis von 1:1 für die Jugendklasse, also Juvenile und infertile Subadulte typisch ist. Bei den Adulten hingegen, verschiebt sich das Geschlechterverhältnis zuguns-ten der Weibchen (JOHN 1984).

Für die vorliegende Arbeit wurden die Daten der 1988 bis 2008 in die Seehundstation Na-tionalpark-Haus eingelieferten Heuler deskriptiv verwendet (s. 3.1.4).

3.1.2 Geburtenrate

Die Notwendigkeit, Sandbänke als Ruheplatz zu nutzen und die ausschließliche Möglich-keit, die Jungtiere auf diesen zu laktieren, erklärt die starke Bindung des Mutter-Jungtier-Verbandes zu diesen Plätzen. In mehreren Arbeiten wurde untersucht, dass diese Ver-bände die Sandbänke stärker frequentieren, als subadulte, oder männliche Tiere (WIPPER

1974, JOHN 1984, ABT 2002). Nahezu alle zu säugenden Jungtiere werden im Rahmen der Zählflüge erfasst (JOHN 1984).

Abbildung 3.1-4:

Entwicklung der prozentualen scheinbaren Pro-Kopf-Geburtenrate der Seehundpopulation im Nie-dersächsischen Wattenmeer 1976 bis 2010. Der schwarze Rahmen begrenzt den Untersuchungs-zeitraum dieser Arbeit. Die gelben Rahmen markieren die Sonderereignisse Staupe 1988 und 2002.

Die Abbildung 3.1-4 stellt die "Scheinbare Pro-Kopf-Geburtenrate", also das Verhältnis der Anzahl von Jungtieren zur Anzahl der Ein- und Mehrjährigen, im Niedersächsischen Wat-tenmeer auf Basis der absoluten Zahlen der Zählergebnisse dar. Diese absoluten Zahlen stellen nicht unbedingt die realen Proportionen dar (s.u.). Entsprechend gehen wir von einer "scheinbaren" Pro-Kopf-Geburtenrate (ABT 2002) aus.

Ergebnisse Seehundpopulation

Es muss berücksichtigt werden, dass sehr früh gesetzte Jungtiere bereits ihre Selbstän-digkeit erlangen und der Mutter-Jungtier-Verband entsprechend aufgelöst ist, während spät gesetzte Tiere noch laktiert werden. Erstere sind von geringen Subadulten kaum noch zu unterscheiden. Ältere, aber noch gesäugte Jungtiere werden vom Muttertier, z.T. auch während der Niedrigwasserphasen, zu "Ausflügen" ins Wasser animiert (eigene Beobach-tung Kamera Norderney & ABT pers. Kommentar 2009). Des Weiteren ist davon auszuge-hen, dass aufgrund von Störungen z.T. Mutter-Jungtier-Verbände von der Sandbank ver-trieben wurden und somit nicht erfasst werden konnten (WIPPER 1974, JOHN 1984, ABT

2002).

Für den Untersuchungszeitraum liegt das Minimum der Pro-Kopf-Geburtenrate bei 15,66 % im Jahr 2008, das Maximum bei 25,27 % im Jahr 2006. Der Mittelwert beträgt 20,17 %. Für den Zeitraum aller Zählflüge liegt das Minimum bei 14,44 % im Jahr 1984, das Maximum ebenfalls bei 25,27 % im Jahr 2006. Der Mittelwert beträgt für den Zeitraum 1976 bis 2010 bei 19,42 %.19

Die Ergebnisse der Flugzählungen liefern eine gute Daten-Basis an absoluten Zahlen, die es ermöglichen, jahresweise Relationen und Entwicklungen darzustellen. Es ist jedoch unmöglich, den realistischen Gesamtbestand zu erfassen (THOMPSON &HARWOOD 1990).

Auf den Sandbänken befindet sich in Abhängigkeit von Jahreszeit, Tide und Windrichtung nur ein Teil der Population (SCHNEIDER &PAYNE 1983;WATTS 1996). Keinesfalls befindet sich die gesamte Population auf den Sandbänken (NØRGAARD 1996;SCHWARZ 1997; RIES

et al. 1998). Da manche Altersgruppen überproportional zu anderen Gruppen auf der Sandbank vertreten sind, repräsentiert diese Gruppenzusammensetzung nicht die Popula-tion (THOMPSON et al. 1989; HÄRKÖNEN et al. 1999). HÄRKÖNEN et al. (1999) und ABT

(2002) haben folglich festgestellt, dass somit diese Zusammensetzungen zu Fehlinterpre-tationen von Zählreihen führen können.

Um realistischere Zahlen zu generieren, wurden in verschiedenen Untersuchungen für die Gesamtpopulation, durch Korrelation der Zählflugergebnisse mit den Haul-Out-Phasen20 satelliten-telemetrierter Tiere, Korrekturfaktoren errechnet. Da das Haul-Out-Verhalten der Seehunde starke alters- und geschlechtsspezifische Tendenzen aufweist, beinhalten diese Untersuchungen aber einen methodischen Fehler (HÄRKÖNEN et al. 1999). Meist werden Subadulte und Adulte telemetrisch untersucht, die ein anderes Verhalten als Mutter-Jungtier-Verbände aufweisen (JOHN 1984). Zusätzlich sind bei der Satelliten-Telemetrie aus verschiedenen Gründen die Stichprobengrößen zu gering, um Rückrechnungen auf die Gesamtpopulation durchführen zu können (ABT 2002). Sowohl die Kosten für die Satel-liten-Sender, als auch die Kosten und der Aufwand für Wildfänge, grenzen die Möglichkei-ten dieser Forschung stark ein.

Für das Dänische Wattenmeer hat NØRGAARD (1996) für die Augustzählungen einen Kor-rekturfaktor von 1,27 entwickelt. In der vorliegenden Arbeit wird jedoch ausschließlich der Zeitraum Mai bis Juli betrachtet. SCHWARZ behandelt in seiner Untersuchung die Zählflüge im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer. Der von ihm verwendete Korrekturfaktor variiert zwischen 1,81 und 1,59. Das bedeutet, dass bei einem optimalen Zeitpunkt, an dem die meisten Tiere sich auf einer Sandbank befinden, mit einer Haul-Out-Rate von 55,3 % bis

19 Mittelwerte der Zeiträume 1976 bis 1987 = 17,35%, Staupejahr 1988 bis Staupejahr 2002 = 19,88%, postepidemische Phase 2003 bis 2010 = 21,6%

20 Haul-Out: zeitlich begrenzte Nutzung des terrestrischen Lebensraums. Lebensnotwendig für Ru-hephasen, zur Aufzucht und Laktation der Jungtiere, für den Fellwechsel, zum Schutz vor Prädato-ren und Thermoregulation

62,8 % gerechnet werden kann (SCHWARZ 1997). Für die Niederlande haben RIES et al.

(1998) für ein- und mehrjährige Seehunde den Korrekturfaktor 1,47 angegeben. ABT

(2002) hält Korrekturfaktoren für ein- und mehrjährige Tiere von 1,05 bis 1,50 für realis-tisch.

In der vorliegenden Arbeit werden ausschließlich juvenile Tiere im Zeitraum Mai bis Juli betrachtet. Nahezu alle zu säugenden Jungtiere werden nach JOHN (1984) durch die Zähl-flüge erfasst. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde daher zur Erarbeitung des jährli-chen, potentiellen Jungtierbestands (s. Kapitel 2.3.5) ein Korrekturfaktor für den Jungtier-bestand von 1,2 gewählt, der somit im unteren Bereich der von ABT (2002) genannten Schätzungen liegt. Angesichts des Mangels an exakten Daten zu dieser Frage wird erneut die Notwendigkeit eines intensivierten Monitorings z.B. unter Zuhilfenahme des hier vorge-stellten Kamerasystems deutlich.

In Abbildung 3.1-5 wird der prozentuale Anteil eingelieferter Heuler im Verhältnis zu Jung-tierzählergebnissen mit Korrekturfaktor 1,2 für den Untersuchungszeitraum dargestellt.

Abbildung 3.1-5:

Prozentualer Anteil eingelieferter Heuler im Verhältnis zu Jungtierzählergebnissen mit Korrekturfak-tor 1,2

Ergebnisse Funddaten