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Unter der Fleischbeschau, die in Deutschland um 1900 mit dem „Reichsfleischbe-schaugesetz" durch führende Initiative von Robert von Ostertag gemeinsam mit A.-Schroeter amtlich und damit obligatorisch eingeführt wurde, versteht man die mak-roskopische und mikmak-roskopische Untersuchung von für den menschlichen Verzehr bestimmtem Fleisch. Dies beinhaltet vor allem auch die spezielle Trichinenschau bzw. -untersuchung nach der Schlachtung. Mit dem Fortschritt in den biologischen Wissenschaften erfuhr das Gesetz bis heute zahlreiche Neufassungen (DRIESCH 1989).

Durch die konsequent durchgeführten Fleischuntersuchungen konnten die „klassi-schen“, visuell erfassbaren, Zoonosen weitestgehend getilgt werden. Dagegen liegen im Falle von subklinischen Zoonosen bei Schlachttieren (z.B. durch latente bakteriel-le Infektionen) und Rückständen keine primär sichtbaren Veränderungen an Tierkör-pern und Organen vor. Dies bedeutet, dass die traditionelle Fleischuntersuchung nicht alle gesundheitlichen Risiken für den Menschen ausschließen kann.

Die Schlachttier- und Fleischuntersuchung nach heutigen EU-Verordnungen umfasst im Vorfeld vor der Ablieferung eine Beurteilung der Gesundheit der Tiere im Erzeu-gerbetrieb, die klinische Untersuchung der lebenden Tiere am Schlachthof (die so-genannte „Lebendbeschau“) sowie die nachfolgende makroskopische bzw. organo-leptische Untersuchung der Tierkörper nach der Schlachtung. Die oben angeführte mikroskopische Trichinenschau ist noch weiter wesentlicher Bestandteil der Fleisch-untersuchung, da die Kommissionsverordnung (2075/2005) in Deutschland bisher noch nicht angewendet wurde.

Die neue Verordnung ermöglicht die Festlegung von:

1. „Trichinenfreien Beständen“

2. „Trichinenfreie Kategorie von Beständen“

3. „Regionen mit einem vernachlässigbaren Risiko bezüglich Trichinen“

Auch die Hausschlachtung zum Eigenbedarf unterliegt den lebensmittelrechtlichen Bestimmungen und somit den vorgeschriebenen veterinärmedizinischen Kontroll-maßnahmen.

Die amtliche Schlachttier- und Fleischuntersuchungspflicht betrifft Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und andere Paarhufer, Pferde und andere Einhufer im Rahmen des geltenden Fleischhygienerechts. Die Durchführung der Schlachttier- und Fleischun-tersuchung obliegt dem amtlichen Tierarzt.

Die tierärztliche Lebensmittelüberwachung umfasst alle Tätigkeiten von der Erzeu-gung bis zum Inverkehrbringen von Lebensmitteln tierischer Herkunft. Dies beinhaltet die Überwachung der Hygiene und der aktuell geltenden Rechtsvorschriften.

Amtliche Tierärzte fungieren im Fleischhygienebereich neben dem Amtstierarzt (Lei-ter/in der jeweiligen amtlichen Fleischuntersuchungsstelle). Es handelt sich bei die-sen um Tierärzte, die mit der behördlichen Überwachung bei der Gewinnung von fri-schem Fleisch betraut sind, unabhängig von ihrem Dienstverhältnis zur Veterinär-verwaltung. Zusätzlich werden in der amtlichen Fleischuntersuchung auch noch amt-liche Fachassistenten (Fleischkontrolleure) eingesetzt, welche weisungsgebunden, Fleischuntersuchungen durchführen dürfen. Neben der Kontrolle der Lagerung und der Verkaufseinrichtungen in Lebensmittelbetrieben stellt die Prüfung der Aufzeich-nungen des Betriebes über Kontrollen in eigener Verantwortung eine zentrale Aufga-be dar. Der Amtstierarzt oder amtliche Tierarzt steht hier vor allem im Dienste der Gesundheitsvorsorge und des Verbraucherschutzes.

Nach dem neuen EU-Lebensmittelhygienerecht (Januar 2006) müssen laut VO (EG) 854/2004 Informationen zu den Schlachtschweinen vor deren Anlieferung am Schlachthof durch einen amtlichen Tierarzt systematisch bewertet werden. Dieser entscheidet unter risikoorientierten Aspekten über die erforderliche Untersuchungs-methodik, d.h. ausschließlich visuelle, traditionelle oder gezielt erweiterte Untersu-chung. Die Verordnung (EG) 853/2004 fordert vom Herkunftsbetrieb für alle Schlacht-tiere relevante, die Lebensmittelsicherheit betreffende Informationen.

Der Haupterreger der parasitären Lebensmittelinfestationen für den Menschen im Zusammenhang mit Schlachtfleisch, Trichinella spiralis, wurde von OWEN 1835 entdeckt und ist auch heute nahezu weltweit vertreten. Nicht betroffene Gebiete sind Afrika südlich der Sahara und Australien (MURELL et al. 2000, AUER und ASPÖCK 2002).

Bereits im antiken Ägypten kamen Trichinen vor. Dies wurde anhand von Trichinen-kapseln in 3200 Jahre alten Mumien nachgewiesen (MILLET et al.1980). Nach Auf-zeichnungen von HERODOT und PLUTARCH galt ein Schweinefleischverbot, da

„dieses Fleisch eine Verseuchung der Kräfte“ verursachte, also folglich krankheits-auslösend war (SATTMANN und PROSL 2005).

In Analogie dazu wurde das Schwein schon im Alten Testament als „unrein“ angese-hen, mit dem Argument, dass es „krank mache“. Im 8. Jahrhundert n. Chr. erließ Papst Zacharias ein Gebot, Schweinefleisch und Speck nur in gekochter Form zu verzehren.

Es wird vermutet, dass Trichinella spiralis zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch Schweineimporte aus China nach Europa gelangte (JOHNE 1904).

In den Jahren 1863/64 traten in Deutschland mehrere Trichinenepidemien auf. 1860 wurde ein Trichinellose-Fall aus Plauen durch ZENKER publiziert (SATTMANN und PROSL 2005). Die Pathogenität des Trichinella-Erregers wurde dennoch angezwei-felt.

VIRCHOW (1860, 1864, 1865) wies darauf hin, dass bis 1860 nur Fälle beim Men-schen bekannt wurden, die man als Zufallsbefunde bei „gesunden“ Verstorbenen diagnostizierte. Erkrankungen und Todesfälle wurden meist auf Typhus zurückge-führt. Der endgültige Nachweis der Pathogenität erfolgte 1865 durch VIRCHOW und MOSLER anhand von Anamnesen und Sektionen.

Bis ins 12. Jahrhundert erfolgten in Deutschland vorrangig Hausschlachtungen zum Eigenbedarf. Ab dem 13. Jahrhundert etablierten sich zunehmend gewerbliche Flei-schereien (Metzgereien), aus denen die „Fleischerzunft“ als übergeordnete Standes-organisation resultierte. In der Folge wurde die visuelle Fleischbeschau als Kontroll-maßnahme eingeführt. Diese wurde im Mittelalter von Zunftmitgliedern ausgeführt und unterlag primär wirtschaftlichen Aspekten. Dabei wurde die Qualität des Flei-sches beurteilt aber auch pathomorphologische Veränderungen des Tierkörpers be-anstandet, die eine Bedeutung für die Gesundheit der Konsumenten hatten. Dies betraf insbesondere die „Finnigkeit“, die aus Unkenntnis der Ätiologie der Schweine-finne häufig mit tuberkulösen Veränderungen gleichgesetzt wurde. Hygienische As-pekte bzw. der damals noch unbekannte Begriff der „Lebensmittelsicherheit“ standen nicht im Vordergrund (GIESE 2000, SCHRUFF 2004). Wie bereits erwähnt, hatten ökonomische Gesichtspunkte Priorität. So wurde durch apathogene Mikroorganis-men befallenes und entsprechend beanstandetes Fleisch in der Regel nicht entsorgt, sondern zu geringeren Preisen für den menschlichen Verzehr angeboten.

Nur regional gab es Regelungen, die diese Praxis untersagten und insbesondere bei

„finnigem“ Fleisch Maßnahmen zur Entsorgung oder Kenntlichmachung enthielten (GIESE 2000).

Im 13. bis 15. Jahrhundert strebte man aufgrund der z. T. katastrophalen hygieni-schen Bedingungen in den Innenstädten an, das Fleischergewerbe an der Peripherie von Städten anzusiedeln (GIESE 2000). Diese Bemühungen waren erst zum Ende des 19. Jahrhundert erfolgreich.

Öffentliche Schlachthäuser wurden zentralisiert eingerichtet und erste regionale Re-gelungen über die Durchführung einer „amtlichen“ Fleischbeschau erlassen.

Mit der Novellierung der Fleischbeschauordnung 1868 bzw. mit dem preußischen Gesetz zur „Errichtung öffentlicher, ausschließlich zu benutzender Schlachthäuser“

1881 änderten sich die hygienischen Zustände grundlegend (SUCHFORT 1997;

GIESE 2000).

Die obligatorische Trichinenbeschau, d.h. die mikroskopische Untersuchung von Schweinefleisch zur Detektion der Muskellarven von Trichinella spiralis, wurde in Preußen 1886 eingeführt (GIESE 2000).

Vor Einführung des "Reichsfleischbeschaugesetzes" um 1900 gab es in Deutschland nach Schätzungen etwa 15.000 Erkrankungen, die durch Trichinella spiralis verur-sacht wurden. Im Ergebnis der nachfolgend konsequenten Fleischbeschau sank die-se Zahl in nur 50 Jahren auf nahezu Null.

„Mit dem 1900 verkündeten ´Reichsgesetz, betreffend die Schlachtvieh- und Fleisch-beschau´ (Reichsfleischbeschaugesetz) wurde eine allgemeine gesundheitspolizeili-che Untersuchung des zum Genuss für den Mensgesundheitspolizeili-chen bestimmten Fleisgesundheitspolizeili-ches von Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen, Pferden und Hunden eingeführt“ (BARTELS 1962).

Das Reichsfleischbeschaugesetz legte verbindliche Kriterien für eine amtliche Über-wachung des Fleisches fest und bewirkte prinzipielle Änderungen der hygienischen Bedingungen im Fleischergewerbe. Die wissenschaftliche Grundlage der Untersu-chungsvorschriften bildeten Erkenntnisse über Trichinellose, Tuberkulose und bakte-rielle Infektionen.

Die erste Publikation zur Fleischhygiene stellt das Buch von GERLACH aus dem Jahr 1865 dar: „Die Fleischkost des Menschen vom sanitären und marktpolizeilichen Standpunkte“ (GIESE 2000).

RUDOLF VON OSTERTAG propagierte 1892 in seinem „Handbuch der Fleischbe-schau“ diese als eine vorrangige Aufgabe der Tierärzte (GIESE 2000).

In Norddeutschland erachtete man Ende des 19. Jahrhunderts häufig noch Human-mediziner als zuständig. Nach Inkrafttreten des Reichsfleischbeschaugesetzes 1903 wurde im Jahr 1906 die Fleischuntersuchung in der tierärztlichen Approbationsord-nung als Prüfungsfach verankert.

„Das Gesetz hatte in erster Linie den Schutz der Verbraucher vor gesundheitlichen Schäden durch den Verzehr von dazu nicht geeignetem Fleisch zum Ziel. Es sollte auch vor nicht gesundheitsschädlichen Manipulationen und Täuschungen schützen sowie der Erkennung und Bekämpfung von Tierseuchen dienen und inländische Interessen bei der Einfuhr von Fleisch schützen“ (BARTELS 1962; GIESE 2000).

In Tab. 1 soll ein kurzer chronologischer Überblick zur gesetzlichen Trichinen- bzw.

Fleischbeschau dargestellt werden (ENIGK 1986, SIELAFF 1962):

Tabelle 1: Gesetze/Verordnungen zur Durchführung von Fleischbeschauen Jahr Gebiet bzw. Gesetz

1862 Plauen

1863 Sachsen-Coburg-Gotha

1864 Braunschweig

1864/1883 Berlin

1866 Hamburg

1868/1877 Preussen

1900/1903 „Reichsgesetz, betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau“

1940 Regelung der Trichinenschau im Fleischbeschaugesetz

1978 Vereinfachte Methode durch künstliche Verdauung von Sammelproben

Bis 1964 behielten die Vorschriften des Reichsfleischbeschaugesetzes, bis auf die Verankerung der obligatorischen Trichinenbeschau für verschiedene Tierarten im Jahr 1937, weitgehend ihre Gültigkeit (BARTELS 1962).

1964 wurde die „Richtlinie 64/433/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Verkehr mit frischem Fleisch“

(RL 64/433/EWG) („Frischfleischrichtlinie“) erlassen, die bis zum Jahr 2005 in der

Eu-ropäischen Union (EU) für die amtliche Schlachttier- und Fleischuntersuchung bin-dend war.

Obwohl die Richtlinie generellen Charakter trägt und vielfältige Auslegungen zulässt, schützt sie die Verbraucher in der Europäischen Gemeinschaft, indem sie die Pro-duktion eines Vorrates an für den Verbraucher gesundheitlich unbedenklichem Fleisch sicherstellt, welches unter angemessenen und hygienischen Bedingungen produziert wird (JAGGER 1974).

Auf das neue EU-Lebensmittelrecht, das 2006 in Kraft trat, soll in Kap. 2.6 der vorlie-genden Arbeit näher eingegangen werden.