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Gesamtwirtschaftliche 2.2 Situation

Im Dokument OPUS 4 | Lebenslagen in Brandenburg (Seite 58-69)

Die soziale Lage der Bevölkerung hängt in ent-scheidendem Maße von den Bedingungen am regionalen Arbeitsmarkt ab. Erwerbsarbeit und Arbeitslosigkeit definieren sowohl die ökonomi-sche als auch die sozialpsychologiökonomi-sche Situati-on der Menschen und haben bedeutenden Ein-fluss auf deren Lebensqualität, -gestaltung und -zufriedenheit. Daher werden in diesem Kapitel vergleichende Aussagen zur Wirtschafts- und Beschäftigungssituation getroffen.

Wirtschaftliche Dynamik 2.2.1

Die gesamtwirtschaftliche Leistung ist im Be-trachtungszeitraum seit Mitte der 1990er Jah-re nahezu stetig angewachsen. 2007 stieg das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) 32 im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent und erreichte eine Höhe von 52,6 Milliarden Euro.

Damit wurde das höchste jährliche Wachs-tum der letzten zwölf Jahre erreicht (Tabelle 7). Im Vergleich mit dem gesamtdeutschen Durchschnittswert der Arbeitsproduktivität verharrt Brandenburg bei einem Niveau von etwa 83 Prozent.

Pro Kopf wurde 2007 ein Einkommen von 20.678 Euro erwirtschaftet. Damit liegt Bran-denburg leicht unter dem Durchschnitt der neuen Länder mit 21.106 Euro. Die Wachs-tumsrate des BIP je Einwohner/-in von 1996 bis 2007 betrug 32 Prozent.

32 Die Diskrepanz zwischen dem nominalen und realen BIP resultiert aus dem herausgerechneten Preiseinfluss durch steigende Rohstoff- und Energiepreise in Branchen, die in Brandenburg stark vertreten sind, z. B. Mineralölwirtschaft, Kunststoffe/Chemie, Automotive, Luftfahrt, Stahl- und Metall-bau.

Männlich Weiblich

30 20 10 00 10 20 30

Tausend Einwohner/-innen 100

95 90 85 80 75 70 65 60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0

Bevölkerung 2007 Prognose für 2030 Altersjahre

58 lebenslagen in brandenburg

Tabelle 7

BIP (nominal) von 1996 bis 2007 und Wachstum zum jeweiligen Vorjahr

Motor der wirtschaftlichen Entwicklung ist die Industrie. 2006 hat die Brandenburger Indus-trie eine Wertschöpfung von rund 9,1 Milliar-den Euro erbracht. Insbesondere der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der gesam-ten Bruttowertschöpfung konnte in den letzgesam-ten fünf Jahren um 2,5 Prozent erhöht werden.

In der Bauwirtschaft wurde 2006 nach zehn Jahren erstmals wieder ein leichter Anstieg der Bruttowertschöpfung erreicht. Der bereits seit Jahren andauernde Konsolidierungsprozess in der Bauwirtschaft, der mit einem massiven Ab-bau an Beschäftigten und einem beträchtlichen Rückgang der Bruttowertschöpfung verbunden war, konnte dank des konjunkturbedingten Auf-trageinganges unterbrochen werden.

Im wertschöpfungsstärksten Bereich, den Dienstleistungen, traten in den letzten Jahren bedeutsame Strukturveränderungen auf. Wäh-rend der Anteil der öffentlichen und privaten Dienstleister kontinuierlich zurückgegangen ist, erhöhte sich der Anteil im Bereich Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen von 21 Prozent im Jahr 2000 auf 26 Prozent im Jahr 2006. Der Bruttowertschöpfungsanteil des Bereiches Handel, Gastgewerbe, Verkehr blieb in den letzten Jahren nahezu konstant.

Die Wirtschaftssituation ist regional sehr un-terschiedlich. Die Entwicklung in den Berlin

nahen Landkreisen und kreisfreien Städten verläuft günstiger als in den peripheren Räu-men. Diese regionalen Unterschiede spie-geln sich im Wirtschaftswachstum wider. In der Wirtschaftsentwicklung der Kreise (BIP je Erwerbstätigen) im Jahr 2006 konnten ins-besondere die Kreise Teltow-Fläming, Ucker-mark und Oder-Spree ein überdurchschnittli-ches Wachstum aufweisen. Die Differenz des BIP zwischen dem wirtschaftsstärksten Kreis Teltow-Fläming (136 Prozent des Landes-durchschnitts) und dem schwächsten Frank-furt (Oder) (89 Prozent des Landesdurch-schnitts) beträgt mehr als 22.000 Euro.

In Brandenburg gibt es nur wenige große Unternehmen. Der Anteil kleiner und kleins-ter Unkleins-ternehmen beträgt nahezu 98 Prozent.

2006 waren etwa 22 Prozent der Erwerbstä-tigen (226.000 Personen) im produzierenden Gewerbe beschäftigt (Abbildung 12), davon rund 13 Prozent in der Industrie und etwa neun Prozent im Baugewerbe (90.000 Perso-nen). Auf die Dienstleistungsbereiche entfiel ein Anteil von etwa 74 Prozent (751.000 Per-sonen). Innerhalb des Dienstleistungssektors hatten die privaten und öffentlichen Dienst-leister mit etwa 35 Prozent (359.000 Perso-nen) den größten Erwerbstätigenanteil 33.

33 MW 2007

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

BIP in

Millionen € 39.983 41.059 41.971 43.633 44.985 45.946 46.594 46.919 48.279 48.999 50.209 52.562 Wachstum

in % 4,5 2,9 2,2 4,0 3,1 2,1 1,4 0,7 2,9 1,5 2,5 4,7

Quelle: AfS BE-BB 2008 a

Abbildung 12

Erwerbstätige nach Branchen 2006

Arbeitsmarkt- und 2.2.2

beschäftigungspolitische Reformen

Mit den jüngsten Arbeitsmarktreformen ent-standen neue Rahmenbedingungen für die Teilhabe an arbeitsmarktnaher sozialer Si-cherung und Arbeitsförderung. Im August 2002 wurden mit der Vorlage des Berichts der „Kommission für moderne Dienstleistun-gen am Arbeitsmarkt“ unter Vorsitz von Peter Hartz die umfangreichsten arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Reformen einge-leitet, die es in der Geschichte der Bundes-republik Deutschland bislang gegeben hat.

Ausgehend von den Empfehlungen der so-genannten „Hartz-Kommission“ wurden auf der Bundesebene zahlreiche Veränderungen gesetzlich umgesetzt, die auch für die Lan-des- und Regionalebene von hoher Relevanz sind. Sie haben insofern Auswirkungen auf die Lebenslagen der Brandenburger Bevöl-kerung, als dass sie den Zugang zu und die Qualität von Erwerbsarbeit beeinflussen. Da-rüber hinaus haben sie die soziale Sicherung im Fall von Arbeitslosigkeit verändert.

Durch das Erste, Zweite, Dritte und Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt sowie das Kommunale Opti-onsgesetz wurden weitreichende Neurege-lungen in den gesetzlichen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik vorgenommen:

Das Erste Gesetz für moderne

Dienst-•

leistungen am Arbeitsmarkt nahm Veränderungen im Leistungsrecht vor (neue Zumutbarkeits- und Sperrzeiten-regelungen; Wegfall der Dynamisierung des Bemessungsentgelts; veränderte Anrechnungen von Partnereinkommen).

Darüber hinaus gab es auch instru-mentelle Veränderungen, wie etwa die Neuausrichtung der Weiterbildungsför-derung (Bildungsgutschein, doppelte Zertifizierung) oder die Einführung des neuen Instruments der Personal-Service-Agenturen. Die wesentlichen Regelungen dieses Gesetzes traten zum 1. Januar 2003 in Kraft.

Quelle: AfS BE-BB 2008 a

-30

2005 2010 2015 2020 2025 2030

1.000 Personen

Natürlicher Saldo Wanderungssaldo Bevölkerungsentwicklung

Quelle: AfS BE-BB 2008 c, Basis: 31.12.2006

Abbildung 10 Bevölkerungsprognose bis 2030 Abbildung 9 Größe der Haushalte 2007

4 % 13 %

9 %

14 % 25 %

35 % Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe Baugewerbe

Handel, Gastgewerbe und Verkehr Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister Öffentliche und private Dienstleister

Quellen: AfS BE-BB 2007 c; BA RD Berlin-Brandenburg 2007; eigene Berechnungen Abbildung 12 Erwerbstätige nach Branchen 2006

Abbildung 13 Entwicklung des Arbeitsvolumens von 1995 bis 2006

0

Arbeitsvolumen in Mio. Stunden

Quelle: AfS BE-BB 2007 c

60 lebenslagen in brandenburg Das Zweite Gesetz für moderne

Dienst-•

leistungen am Arbeitsmarkt brachte neue Förderinstrumente in die bundesdeutsche Arbeitsmarktpolitik ein, wobei insbeson-dere der Existenzgründungszuschuss bei Aufnahme einer Selbstständigkeit (Ich-AG) sowie die Neuregelungen geringfügi-ger Beschäftigungsverhältnisse (Mini- und Midi-Jobs) zu nennen sind. Die wesentli-chen Regelungen dieses Gesetzes traten zum 1. Januar 2003 in Kraft.

Das Dritte Gesetz für moderne

Dienst-•

leistungen am Arbeitsmarkt richtete sich auf drei Bereiche: 1. Zur effizienteren und effektiveren Erbringung von Dienstleis-tungen am Arbeitsmarkt wurden struktu-relle Veränderungen in Organisation und Steuerung der Bundesagentur für Arbeit ermöglicht. 2. Es wurden erneute Verän-derungen im Leistungsrecht vollzogen, um dieses effektiver, einfacher und trans-parenter zu gestalten. 3. Wichtige ar-beitsmarktpolitische Instrumente wurden angepasst: ABM und SAM bei Wegfall des Instruments der Strukturanpassungs-maßnahmen zusammengeführt und in ihrer Zielausrichtung modifiziert. Die we-sentlichen Regelungen dieses Gesetzes traten zum 1. Januar 2004 in Kraft.

Das Gesetz zu Reformen am

Arbeits-•

markt vom 30. Dezember 2003 verfügte Änderungen beim Bezug von Arbeitslo-sengeld nach SGB III, u. a. die Kürzung der maximalen Bezugsdauer des Ar-beitslosengeldes auf zwölf Monate bzw.

18 Monate für über 55-jährige Arbeits-lose. Im Falle der Bedürftigkeit erfolgt bei länger anhaltender Arbeitslosigkeit der Übergang in den Rechtskreis der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die wesentlichen Regelungen dieses

Geset-zes traten zum 1. Januar 2004 in Kraft.

Im November 2007 verständigte sich der Koalitionsausschuss auf eine Verlänge-rung der maximalen Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitslose.

Danach erhalten Arbeitslose ab dem 50.

Lebensjahr 15 Monate lang Arbeitslosen-geld, ab dem 55. Lebensjahr 18 Monate und ab dem 58. Lebensjahr 24 Monate.

Das Vierte Gesetz für moderne

Dienst-•

leistungen am Arbeitsmarkt vereinigte im Kern zwei, bislang getrennt agierende Unterstützungssysteme: Die von der Bundesanstalt für Arbeit und ihren Glie-derungen umgesetzten Arbeitslosenhilfen einerseits und die von den Kommunen umgesetzten Sozialhilfen andererseits.

Rechtliche Grundlage der zusammenge-führten und dabei veränderten Leistun-gen ist die Grundsicherung für Arbeitsu-chende, welche als Zweites Buch in das Sozialgesetzbuch eingeführt wurde. Zu-gleich entstanden damit aber auch zwei Rechtskreise, das SGB III (Arbeitsförde-rung) und das SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende), die sich nunmehr getrennt mit unterschiedlichen Gruppen von Arbeitsuchenden und mit Erwerbstä-tigen bzw. deren Bedarfsgemeinschaften (SGB II) und deren nicht existenzsichern-den Einkommen befassen. Die Regelun-gen dieses Gesetzes traten zum 1. Januar 2005 in Kraft.

Das Kommunale Optionsgesetz

ermög-•

lichte 69 zugelassenen kommunalen Trägern die Umsetzung des SGB II in Eigenverantwortung, während in den meisten anderen Regionen die Grund-sicherung für Arbeitsuchende in Arbeits-gemeinschaften aus Bundesagentur für Arbeit und Kommunen (ARGEn) realisiert

wird. Die Regelungen dieses Gesetzes traten zum 1. Januar 2005 in Kraft. Im Land Brandenburg wurde diese Option von den Landkreisen Oberhavel, Oder-Spree, Ostprignitz-Ruppin, Spree-Neiße und Uckermark genutzt 34.

Die im Zuge der neuen Geschäftspolitik der Bundesagentur für Arbeit entwickelte Seg-mentierung in Kundengruppen trug dazu bei, Teilhabechancen zu differenzieren. Durch die, den einzelnen Kundengruppen formal zugeordneten, Handlungsprogramme wurde über die Teilnahmemöglichkeiten an arbeits-marktpolitischen Förderinstrumenten ent-schieden 35.

Erst gegen Ende des Jahres 2006 erfolgte ein Umsteuern. Die Bundesagentur für Arbeit nahm mit den Sonderprogrammen „Weiter-bildung geringqualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen“ sowie „Integrati-onsfortschritte für Betreuungskunden“ Be-treuungskundinnen und Betreuungskunden, Nichtleistungsempfängerinnen und Nicht-leistungsempfänger stärker in den Fokus. Ab 2008 soll eine Gesamtstrategie zur Unterstüt-zung und Förderung der

Betreuungskundin-34 Damit wurden im Oktober 2007 65,5 Prozent der Arbeitslo-sen im SGB II von ARGEn und 34,5 Prozent von zugelasse-nen kommunalen Trägern betreut.

35 WZB/infas 2006, XXVII: Die Evaluatoren der Hartz-Gesetze haben dies kritisch kommentiert: Handlungsprogramme

„konzentrieren den Mittel- und Programmeinsatz mehr-heitlich auf das Segment der Beratungskunden, während Betreuungskunden sowie Marktkunden tendenziell von Maßnahmen ausgeschlossen werden, da der Produkteinsatz für diese Gruppen als Ressourcenvergeudung angesehen wird. Von der Systemlogik her betrachtet, geht es bei den Handlungsprogrammen nicht um die bestmögliche individu-elle Dienstleistung für die Einzelperson. Insbesondere der quasi systematische Ausschluss der Betreuungskunden von arbeitsmarktpolitischen Programmen bleibt kritisch zu hin-terfragen. Die Umsetzung der Handlungsprogramme könnte damit auch den Verbleib der sogenannten Betreuungskun-den in der Nichterwerbstätigkeit oder in Ersatzarbeitsmärkten tendenziell verfestigen.“

nen und Betreuungskunden in die wirkungs-orientierte Steuerung der Bundesagentur für Arbeit einbezogen werden.

Durch die mit den vorgenommenen arbeits-marktpolitischen Reformen erfolgte Zusam-menführung der vorher getrennten Leis-tungssysteme der Sozialhilfe und der losenhilfe können Leistungen der Arbeits-förderung an Erwerbsfähige mit Hilfebedarf nun auch dann gewährt werden, wenn keine Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung bestehen oder noch nie bestanden haben.

Eine damit verbundene Segmentierung von Arbeitslosen bzw. Arbeitsuchenden wird im sozialpolitischen Diskurs kritisch gesehen:

Die steuerfinanzierten Leistungen nach dem SGB II basieren in weit stärkerem Maße auf dem Gedanken der Aktivierung. Das zeigt sich in den härteren Anspruchsvorausset-zungen – fast jede Arbeit ist zumutbar – und in empfindlichen Leistungskürzungen im Fall der Verletzung von Mitwirkungspflichten oder der Nichtannahme einer zumutbaren Be-schäftigung. Dabei ist selbst das völlige Ver-sagen der Leistung nicht ausgeschlossen.

Im Zusammenhang mit den Segmentierun-gen von Arbeitslosen und Arbeitsuchenden entsteht die Gruppe der sogenannten „Nicht-leistungsempfängerinnen und Nichtleistungs-empfänger“, die sich in gewisser Weise zwi-schen den beiden Rechtskreisen befindet. Es sind vor allem weibliche Personen, die keine Ansprüche (mehr) auf Leistungen der Ar-beitslosenversicherung nach SGB III haben, jedoch aufgrund fehlender materieller Hilfe-bedürftigkeit nicht zum Rechtskreis des SGB II gehören. Sie werden dem Rechtskreis des SGB III zugewiesen, haben dort Anspruch auf Beratung und Vermittlung und können im Rahmen von Ermessensleistungen

ak-62 lebenslagen in brandenburg

tive Leistungen der Arbeitsförderung erhal-ten. Eine landesweite Quantifizierung dieser Personengruppe ist mit dem vorliegenden Datenmaterial nicht möglich. Arbeitsmarkt-experten sind sich jedoch darin einig, dass diese Personengruppe mit Abschaffung der Arbeitslosenhilfe größer geworden ist und dass zu ihr, als Folge der Rechtskonstruktion der Bedarfsgemeinschaft, überproportional viele Frauen gehören 36. Eine repräsentati-ve Befragung des IAB 37 ergab, dass allein durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe bundesweit rund elf Prozent der bisher darin Anspruchsberechtigten ohne Leistungsan-spruch im SGB II blieben. Während 7,7 Pro-zent der weiterhin arbeitslosen männlichen Arbeitslosenhilfeempfänger vom Dezember 2004 im Januar 2005 keine Leistungen nach SGB II erhielten, war der entsprechende Wert für Frauen mit 14,9 Prozent deutlich höher.

Beschäftigungsentwicklung 2.2.3

Der gesamtwirtschaftlich aussagefähigs-te Indikator zur Entwicklung der realisieraussagefähigs-ten Arbeitskräftenachfrage 38 ist das Arbeitsvo-lumen, d. h. die Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden, unabhängig davon, wie sie sich auf die Erwerbstätigen verteilen. Im Zeit-raum 1995 bis 2005 ist in Brandenburg das nachgefragte Arbeitsvolumen, nicht zuletzt in Folge des schwachen Wirtschaftswachstums seit Beginn der neuen Dekade, kontinuier-lich zurückgegangen; dabei war bundesweit

36 Die MAIA (Mittelmärkische Arbeitsgemeinschaft zur Integrati-on in Arbeit) beziffert die Anzahl der Nichtleistungsempfänge-rinnen und -empfänger im Landkreis Potsdam-Mittelmark für das Jahr 2006 auf knapp 1.000 Personen, darunter sind fast vier Fünftel Frauen.

37 Bruckmeier/Schnitzlein 2007

38 Alle folgenden Angaben zur Beschäftigungsentwicklung basieren auf dem Arbeitsortprinzip.

sogar der stärkste Rückgang zu verzeich-nen. Allein zwischen 2000 und 2005 war ein Rückgang von mehr als neun Prozent zu konstatieren und zwar von 1,69 Millionen Arbeitsstunden im Jahr 2000 auf nur noch 1,53 Millionen Arbeitsstunden im Jahr 2005.

Ein sinkendes Arbeitsvolumen an sich muss nicht zwingend negative Auswirkungen auf die Beschäftigungschancen der Bevölkerung haben, sondern kann je nach Verteilung auf die Erwerbspersonen durchaus zu gerechten Teilhabechancen an Erwerbsarbeit führen.

Im Jahr 2006 ist im Zuge der sich verbessern-den konjunkturellen Situation das Arbeitsvo-lumen erstmals wieder angestiegen und zwar auf 1,54 Millionen Arbeitsstunden 39.

Zwischen den Jahren 1991 und 2006 nahm die Zahl der Erwerbstätigen in Brandenburg ebenso wie in ganz Ostdeutschland um 15 Prozent ab (Westdeutschland: Zunahme um 5,8 Prozent). In diesem Betrachtungszeit-raum wirkten die Strukturbrüche, die in Folge der deutschen Einheit zu verzeichnen waren.

Dabei spielten neben wirtschaftlichen auch demografische Ursachen eine Rolle. Seit Mitte der 1990er Jahre geht die Zahl der Per-sonen im erwerbsfähigen Alter enorm zurück.

Während sie im Berlin nahen Raum gering sinkt, ist der Rückgang im äußeren Entwick-lungsraum deutlich spürbar. Hier wirken sich stark die niedrige Geburtenrate, die Erhöhung der Lebenserwartung und die Abwanderung aus. Damit ist auch ein Mangel an Fachkräf-ten vorhersehbar bzw. bereits eingetreFachkräf-ten.

39 AfS BE-BB 2007 c, S. 8 ff.: Arbeitskreis „Erwerbstätigenrech-nung des Bundes und der Länder“.

Abbildung 13

Entwicklung des Arbeitsvolumens von 1995 bis 2006

Seit 2000 ging die Zahl der Erwerbstätigen um 4,7 Prozent zurück. Absolut betrachtet tra-ten sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern Beschäftigungsverluste auf. Bei den Männern fiel der Abbau etwas stärker aus als bei den Frauen. Damit erhöhte sich der Frauenanteil an den Erwerbstätigen von 46 Prozent in den Jahren 1995 und 2000 auf 47 Prozent im Jahr 2006 40.

Mit dem gesamtwirtschaftlichen Aufschwung einhergehend steigen seit 2006 auch in Brandenburg die Erwerbstätigenzahlen.

Die Zahl der Erwerbstätigen am Arbeitsort im Jahr 2006 betrug 1.014.250 41, das sind 8.350 oder 0,8 Prozent mehr als im Vorjahr.

In Ostdeutschland erhöhte sich die Zahl der Erwerbstätigen ebenfalls um 0,8 Prozent, in Westdeutschland um 0,7 Prozent. Die posi-tive Entwicklung des Jahres 2006 setzt sich 2007 fort: Im ersten Vierteljahr 2007 nahm die Zahl der Erwerbstätigen in Brandenburg im

40 Ebenda 41 Ebenda

Vergleich zum Vorjahresquartal um 2,3 Pro-zent zu. Das war der Spitzenwert unter allen Bundesländern. Im Bundesdurchschnitt stieg die Erwerbstätigenzahl um 1,5 Prozent 42. In der Gruppe der Erwerbstätigen ist zwischen den abhängig Beschäftigten sowie den Selb-ständigen/mithelfenden Familienangehörigen und Beamten zu unterscheiden. Die Entwick-lung im Jahr 2006 verlief in beiden Gruppen positiv. Im Vergleich zum Vorjahr nahm 2006 die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer um 0,5 Prozent, die der Selbststän-digen/mithelfenden Familienangehörigen um ein Prozent zu. Die Dynamik der unternehme-rischen Selbständigkeit hat etwas abgenom-men, denn in den Vorjahren nahm die Zahl der Selbständigen außerordentlich stark zu. Die Zahl der Beamten sank um vier Prozent. Die Beschäftigtengruppen innerhalb der abhängig Beschäftigten (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, geringfügig Beschäftigte) entwi-ckelten sich unterschiedlich (Abbildung 14).

42 AfS BE-BB 2008 d

Quelle: AfS BE-BB 2008 a

-30

2005 2010 2015 2020 2025 2030

1.000 Personen

Natürlicher Saldo Wanderungssaldo Bevölkerungsentwicklung

Quelle: AfS BE-BB 2008 c, Basis: 31.12.2006

Abbildung 10 Bevölkerungsprognose bis 2030 Abbildung 9 Größe der Haushalte 2007

4 % 13 %

9 %

14 % 25 %

35 % Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe Baugewerbe

Handel, Gastgewerbe und Verkehr Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister Öffentliche und private Dienstleister

Quellen: AfS BE-BB 2007 c; BA RD Berlin-Brandenburg 2007; eigene Berechnungen Abbildung 12 Erwerbstätige nach Branchen 2006

Abbildung 13 Entwicklung des Arbeitsvolumens von 1995 bis 2006

0

Arbeitsvolumen in Mio. Stunden

Quelle: AfS BE-BB 2007 c

64 lebenslagen in brandenburg Abbildung 14

Beschäftigungsentwicklung von Juni 2000 bis Juni 2006

9,5 Prozent der Erwerbstätigen sind aus-schließlich geringfügig beschäftigt. Die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten lag im Jahr 2006 bei 96.417 und hat im Vorjah-resvergleich um 2,9 Prozent zugenommen.

Für den Zeitraum Juni 2000 bis Juni 2006 nahm die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten um 38,4 Prozent zu. Das ist der stärkste Zuwachs von allen Bundeslän-dern, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern mit 37,1 Prozent und Berlin mit 36,4 Prozent.

Besonders deutlich war der Anstieg ab 2003.

Die Entwicklung ist auf die Neuregelungen im Zweiten Gesetz für moderne Dienstleis-tungen am Arbeitsmarkt zurückzuführen. Von den ausschließlich geringfügig Beschäftigten waren 56,7 Prozent Frauen, das ist gegen-über dem Vorjahr ein Anstieg um 0,7 Prozent und gegenüber 2000 ein Rückgang um 3,7 Prozent.

Im Branchenvergleich zeigt sich seit Jahren eine Tendenz der relativen Abnahme von Er-werbstätigkeit im produzierenden Gewerbe (von 33,1 Prozent aller Erwerbstätigen 1995 auf 22,3 Prozent 2006) und eine Zunahme im Bereich der Dienstleistungen (von 61 Prozent 1995 auf 74 Prozent 2006) 43.

Die je Erwerbstätigen durchschnittlich geleis-tete Arbeitszeit ist, in Übereinstimmung mit dem bundesweiten Trend, zwischen 2000 und 2006 deutlich zurückgegangen, wozu nicht zuletzt das Vordringen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse (s. o.) beigetra-gen hat. Während im Jahr 2000 je Erwerbs-tätigen noch 1.584 Arbeitsstunden geleistet wurden, waren es im Jahr 2006 nur noch 1.517 Arbeitsstunden. Das ist ein Rückgang um 4,2 Prozent 44. Frauen leisteten im Durch-schnitt 1.339 und Männer 1.630

Arbeitsstun-43 AfS BE-BB 2007 c, S. 10 – 11

44 Ebenda: Eigene Berechnungen auf der Grundlage der

„Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder“.

0 200.000 400.000 600.000 800.000 1.000.000 1.200.000

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Ausschließlich geringfügig Beschäftigte Erwerbstätige Quelle: BA 2007 e

Abbildung 14 Beschäftigungsentwicklung von Juni 2000 bis Juni 2006

Abbildung 15 Entwicklung der Arbeitslosenquote bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen von 2000 bis 2007

Quelle: BA 2008 c

-13,89

3,51

-25,38 -30

-20 -10 0 10 20 30

Brandenburg Engerer Verflechtungsraum Äußerer Entwicklungsraum

Saldo in %

Entwicklung Natürlicher Saldo Wanderungssaldo Bevölkerungsprognose

17,0 17,4 17,5 18,8 18,7 18,2

17 14,9

5 10 15 20

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Arbeitlosenquote in Prozent

Brandenburg Neue Bundesländer Alte Bundesländer

Beschäftigte

den pro Jahr 45. Die Brandenburgerinnen und Brandenburger haben damit nach wie vor die bundesweit längsten durchschnittlichen Ar-beitszeiten.

Hinter dem Rückgang der durchschnittlich je Erwerbstätigen geleisteten Arbeitszeit ver-bergen sich erhebliche Veränderungen in Form und Struktur der Beschäftigungsver-hältnisse:

Das sogenannte

Normalarbeitsverhältnis

in einer unbefristeten vollzeitigen oder vollzeitnahen sozialversicherungspflichti-gen oder verbeamteten Beschäftigung ist anteilig zwar immer noch dominierend, gleichwohl aber stark rückläufig: Be-rechnungen auf Grundlage des IAB-Be-triebspanels zeigen, dass im Jahr 2000 knapp 70 Prozent aller Beschäftigungs-verhältnisse auf das Normalarbeitsver-hältnis entfielen, im Jahr 2006 waren es hingegen nur noch etwa 62 Prozent.

Dabei sind die Geschlechtsunterschiede erheblich. Während 2006 etwa 80 Pro-zent aller Männer in einem standardisier-ten Beschäftigungsverhältnis arbeitestandardisier-ten, war es bei den Frauen nur gut die Hälfte.

Sowohl die Anzahl der

sozialversiche-•

rungspflichtigen Teilzeitbeschäftigten als auch deren Anteil an allen sozialversi-cherungspflichtig Beschäftigten nimmt seit Jahren kontinuierlich zu: Wurden Mitte 2000 noch 94.800 Teilzeitbeschäf-tigte gezählt (11,7 Prozent aller sozial-versicherungspflichtig Beschäftigten), so waren es sechs Jahre später bereits

rungspflichtigen Teilzeitbeschäftigten als auch deren Anteil an allen sozialversi-cherungspflichtig Beschäftigten nimmt seit Jahren kontinuierlich zu: Wurden Mitte 2000 noch 94.800 Teilzeitbeschäf-tigte gezählt (11,7 Prozent aller sozial-versicherungspflichtig Beschäftigten), so waren es sechs Jahre später bereits

Im Dokument OPUS 4 | Lebenslagen in Brandenburg (Seite 58-69)