• Keine Ergebnisse gefunden

4. Deckungsbeitragsrechnung in der Schaden-/Unfallversicherung

4.6 Gesamtschaden

Um eine dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus dem Versicherungs-verträgen zu gewährleisten, ist es nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig, Schadenreservierungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle zu bilden (vgl. Pöll, 1994‚ S. 38). Der Betrag für die Schadenreservierung muss daher nach sorgfältiger kaufmännischer Beurteilung festgelegt werden, um die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtung aus den Versicherungsverträgen sicherzustellen (vgl. Heisberg, 1997, S. 37).

4.6.1 Rechnungsjahrschaden

Im Rechnungsjahrschaden werden sämtliche Schadenaufwendungen dargestellt, die innerhalb des aktuellen Rechnungsjahrs anfallen. In der Deckungsbeitrags-rechnung setzt sich der Rechnungsjahrschaden aus den Zahlungen für die Schäden aus dem Rechnungsjahr, den Schadenreserven aus dem Rechnungsjahr

und aus dem kalkulatorisch errechneten Spätschaden zusammen. Durch diese Darstellung werden nur die Ereignisse aus dem laufenden Rechnungsjahr mit einbezogen und die Vorperioden nicht berücksichtigt (vgl. Kraft, 2008, S. 250).

4.6.1.1 Zahlungen aus dem Rechnungsjahr

Im Schadensfall prüft ein SchadenreferentIn der Versicherung, ob der Versiche-rungsnehmerIn tatsächlich schadenersatzpflichtig ist. Stellt sich bei einer Prüfung heraus, dass es sich um unberechtigte bzw. überhöhte Ansprüche handelt, lehnt der SchadenreferentIn diesen Anspruch ab. Sollte der Anspruch berechtig sein, wird der Schaden im Rahmen der Versicherungssummen bezahlt. Wenn der Schaden im Rechnungsjahr erfolgte, werden die Zahlungen im laufenden Rechnungsjahr dargestellt und durch die Bezahlung des Schadens wird die Schadenreserve aufgelöst (vgl. Nguyen et al., 2013, S. 196).

4.6.1.2 Schadenreserven aus dem Rechnungsjahr

Eine Schadenreservierung für schwebende Versicherungsleistungen wird für jene Versicherungsfälle gebildet, die bereits eingetreten sind, bei denen jedoch die Zahlung der Versicherungsleistung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt (vgl.

Pöll, 1994, S. 41). Dabei handelt es sich um zukünftige Zahlungsverpflichtungen aus Versicherungsfällen des laufenden Rechnungsjahres. Zum Zeitpunkt der Schadenreservierung ist oftmals die genaue Höhe des Schadens nicht korrekt zu beurteilen bzw. wird oft eine vorläufige Schätzung des Schadens durchgeführt.

Durch die vorläufige Schätzung kann es später zu Nachreservierungen kommen oder auch zu einer Teilauflösung der Reserve (vgl. Trauberg et al., 1995, S. 299).

4.6.1.3 Spätschadenrückstellung aus dem Rechnungsjahr

Spätschadenrückstellungen, auch Spätschäden genannt, werden für Versicher-ungsfälle gebildet, die bis zum Bilanzstichtag verursacht, aber noch nicht gemeldet

wurden. Spätschäden kommen vor allem in Sachversicherungssparten vor, in denen zwischen dem Schadenseintritt und der Schadenmeldung bei der Versicherung ein längerer Zeitraum liegt. Grundsätzlich kann es in allen Sachsparten Spätschäden geben (vgl. Pöll, 1994, S. 41). Die Spätschaden-rückstellung kann im Verhältnis zur abgegrenzten Prämie und im Verhältnis zur Schadenrückstellung angegeben werden, darauf wird im Anschluss eingegangen.

4.6.1.3.1 Spätschadenrückstellung Rechnungsjahr im Verhältnis zur abgegrenzten Prämie

Die Abbildung 10 zeigt die Formel Verhältnis Spätschadenreserve zur abge-grenzten Prämie sowie ein Rechenbeispiel.

Abbildung 10: Verhältnis Spätschadenreserve zur abgegrenzten Prämie

Die Höhe der Spätschadenreservierung erfolgt auf Basis von Erfahrungswerten aus der Vergangenheit. Deren Höhe kann einen Hinweis auf die Rückstellungs-politik des Versicherungsunternehmens geben.

4.6.1.3.2 Spätschadenrückstellung im Verhältnis zur Gesamtschaden-rückstellung

Diese Kennzahl setzt die Spätschadenreserven in Verhältnis zu den gesamten Schadenrückstellungen. Ein hoher Wert lässt auf eine grundsätzlich

konser-vativere Reservierungspolitik schließen, allerdings kann dieser auch ein höherer Wert eine Unterreservierung in der Vergangenheit zum Ausdruck bringen.

Abbildung 11: Verhältnis Spätschadenreserve zum Gesamtschaden

4.6.1.4 Verhältnis Rechnungsjahrschaden zur abgegrenzten Prämie

Die Schadenquote Rechnungsjahrschaden setzt die gesamten Aufwendungen (Zahlungen aus dem Rechnungsjahr, Schadenreservierungen aus dem Rechnungsjahr, Spätschadenaufbau) für die im Rechnungsjahr eingetretenen Schadenfälle in Verhältnis zu den im gleichen Jahr eingenommenen abgegrenzten Prämien. Bei Sachversicherern, die auch Industriegeschäft zeichnen und darüber hinaus auch Long-Tail-Verträge (z.B. Haftpflichtversicherung) in ihrem Bestand aufweisen, können die Unterschiede der Schadenquote Rechnungsjahrschaden und der Schadenquote aus dem Gesamtschaden über die Jahre durchaus einige Prozentpunkte betragen.

Abbildung 12: Rechnungsjahrschaden zur abgegrenzten Prämie

4.6.2 Abwicklungsergebnis

Das Abwicklungsergebnis (siehe Abbildung 13) ist eine Differenz aus in Vorjahren gebildeten Schadenrückstellungen und den daraus zu deckenden Schaden-zahlungen. Aufgrund der Ungewissheit der zu leistenden Schadenzahlungen in den folgenden Jahren und der damit verbundenen Bewertungsspielräume unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips weichen die zu schätzenden Schaden-rückstellungen oftmals von den tatsächlichen Schadenzahlungen ab.

In der Gewinn- und Verlustrechnung erfolgt keine Trennung zwischen Rechnungs-jahrschäden und dem Abwicklungsergebnis. Der Ausweis erfolgt im versicher-ungstechnischen Ergebnis lediglich saldiert unter der Position „Aufwendungen für Versicherungsfälle“ (vgl., www.versicherungsmagazin.de, 2017).

Abbildung 13: Schema Abwicklungsergebnis

In den nächsten Kapiteln wird auf die Zahlungen und Reserven aus Vorperioden und auf den Abbau des Spätschadens aus dem Vorjahr eingegangen. Weiters wird ein Beispiel eines Abwicklungsgewinnes und ein Beispiel eines Abwicklungsverlustes dargestellt.

4.6.2.1 Zahlungen und Reserven aus Vorperioden

Erfolgt eine Schadenzahlung, die nicht das aktuelle Rechnungsjahr betrifft, werden diese in der Deckungsbeitragsrechnung unter Zahlungen aus dem Vorjahr

dargestellt. Mit Bezahlung des Schadens erfolgt gleichzeitig die Auflösung der Schadenreservierung (vgl. Nguyen et al., 2013, S. 196).

4.6.2.2 Abbau des Spätschadens aus dem Vorjahr

Für unbekannte Spätschäden, die bis zum Abschlussstichtag noch nicht bekannt waren, wurde im Vorjahr eine Spätschadenreserve gebildet. Die Schäden wurden mittlerweile bei der Versicherung gemeldet und somit kann die Spätschaden-reserve aus dem Vorjahr wieder abgebaut werden. Der Abbau erfolgt in der Regel durch eine degressive Funktion und bis zum Jahresende wird die Spätschaden-reserve vollständig aufgelöst.

4.6.2.3 Beispiele Abwicklungsgewinn & Abwicklungsverlust

Wenn die Schadenrückstellung höher war als die tatsächliche Schadenzahlung, entstehen Abwicklungsgewinne. Bei Abwicklungsverlusten war die Schaden-zahlung höher als die ursprüngliche Schadenreservierung oder ein weiterer Zuführungsbedarf der Schadensrückstellung nötig. Ein Abwicklungsverlust ist ein Aufwand aus den Vorjahren, dieser muss aber in jener Periode dargestellt werden, in der die neue Rückstellungshöhe bekannt wurde. In der Deckungs-beitragsrechnung werden die Abwicklungsgewinne bzw. -verluste saldiert im Abwicklungsergebnis dargestellt.

Abbildung 14: Beispiel Abwicklungsgewinn und Abwicklungsverlust

4.6.2.4 Verhältnis Abwicklungsergebnis zur abgegrenzten Prämie

Das Abwicklungsergebnis im Verhältnis zur abgegrenzten Prämie in % sagt aus, wie hoch der Anteil des Abwicklungsergebnisses an der abgegrenzten Prämie ist.

Diese Kennzahl ist auch ein Indikator dafür, ob vonseiten der Versicherung die Schadenreservierung nach kaufmännischer Vorsicht durchgeführt wurde.

Abbildung 15: Verhältnis Abwicklungsgewinn zur abgegrenzten Prämie

4.6.3 Gesamtschaden (Rechnungsjahrschaden, Abwicklungsgewinn/

-verlust)

In der Deckungsbeitragsrechnung setzt sich der Gesamtschaden aus dem Rechnungsjahrschaden und aus dem Abwicklungsergebnis zusammen. Die Unterscheidung Rechnungsjahr und Abwicklungsergebnis soll die Frage beantworten, welche finanziellen Belastungen das aktuelle Geschäftsjahr betreffen und welche Abwicklungsgewinne bzw. -verluste den Vorperioden zuzurechnen sind. Aus der Gewinn- und Verlustrechnung ist diese Aufteilung nicht ersichtlich und daher ist die Deckungsbeitragsrechnung für Versicherungsunternehmen von großer Bedeutung. Der Gesamtschaden setzt sich zu einem Betrachtungs-zeitpunkt aus den bis dahin erfolgten Zahlungen und den zukünftigen Zahlungen zusammen. Die Zahlungen können darüber hinaus in der betrachteten oder in einer späteren Periode anfallen, woraus sich die Notwendigkeit der Periodisierung durch Rückstellungen ergibt (vgl. Kraft, 2008, S. 246ff).

4.6.4 Verhältnis Gesamtschaden zur abgegr. Prämie

Das Verhältnis von Gesamtschaden zur abgegrenzten Prämie, auch Gesamt-schadenquote, setzt die Gesamtschadenaufwendungen einer bestimmten Periode in Verhältnis zur verdienten Prämie derselben Periode. Gerade bei Sachversicher-ungen können die Unterschiede zwischen der Rechnungsjahrschadenquote und der Gesamtschadenquote über die Jahre durchaus mehrere Prozentpunkte betragen.

Abbildung 16: Verhältnis Gesamtschaden zur abgegrenzten Prämie

4.6.5 Verhältnis Deckungsbeitrag 1 zur abgegrenzten Prämie

Der Deckungsbeitrag 1 ist das erste Zwischenergebnis und resultiert aus den abgegrenzten Prämien abzüglich des Gesamtschadens. Die Provisionen und die Verwaltungskosten werden im Deckungsbeitrag 1 nicht berücksichtigt. Die Prämien und Schäden sind in der versicherungstechnischen Rechnung naturgemäß die größten Positionen und daher ist der Deckungsbeitrag 1 von besonderer Bedeutung (vgl. Kraft, 2008, S. 316).

Die Kennzahl Verhältnis Deckungsbeitrag 1 zur abgegrenzten Prämie (siehe Abbildung 17) gibt Auskunft über die Höhe des Deckungsbeitrages 1 in Prozent.

Abbildung 17: Verhältnis Deckungsbeitrag 1 zur abgegrenzten Prämie