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6. Diskussion

6.1 Genetischer Einfluss der untersuchten SNPs

Im Rahmen dieser Arbeit wurde der Einfluss von fünf häufigen, nicht-synonymen SNPs des MTHFR-Gens (rs1801131, rs1801133) und des DISC1-Gens (rs821616, rs3738401, rs6675281) auf das Volumen verschiedener Gehirnstrukturen untersucht. Es fanden sich multiple Effekte der einzelnen Polymorphismen auf verschiedene Gehirnvolumina.

Überraschenderweise zeigten sich dabei stark geschlechterabhängige Auswirkungen der SNPs.

6.1.1 Einfluss von MTHFR-Varianten auf Gehirnvolumina

Es konnten mehrere statistisch signifikante Einflüsse der SNPs MTHFR rs1801131 und rs1801133 auf verschiedene Gehirnvolumina festgestellt werden. Nach dem Kenntnisstand des Autors wurden bislang keine Veröffentlichungen bezüglich des Einflusses von SNPs des MTHFR-Gens auf regionale Gehirnvolumina bei jungen, gesunden Erwachsenen durchgeführt. In einer Studie von Rajagopalan et al. (2012) wurden die Einflüsse von rs1801133 auf die Gehirnstruktur und Atrophie in zwei unabhängigen Populationen von älteren Menschen mit leichten kognitiven Einbußen untersucht. Dabei fanden sich signifikante Einflüsse des Polymorphismus auf das Volumen verschiedener Gehirnregionen. Es zeigte sich insbesondere eine Assoziation des Risiko-Allels (T-Allel) mit einer Volumenminderung im Bereich der periventrikulären, fronto-parietalen weißen Substanz sowie im Bereich der posterioren, parieto-okzipitalen weißen Substanz.

Eine Reihe von Studien beschäftigte sich mit dem Einfluss von Poly-morphismen des MTHFR-Gens sowie den daraus resultierenden Ver-änderungen des Plasma-Homocysteinspiegels auf die Entwicklung von Demenzen (Alzheimer Demenz, Vaskuläre Demenz) (Mansouri et al., 2013;

Mansoori et al.; 2012, Hua et al., 2011). Die Datenlage diesbezüglich ist je-doch kontrovers, eine eindeutige Beeinflussung konnte in den Studien nicht nachgewiesen werden.

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Schlussendlich lassen sich die im Rahmen dieser Studie gefundenen Unter-schiede zwischen den verUnter-schiedenen Genotypen bezüglich der SNP rs1801131 und rs1801133 nicht sicher einordnen. Es ergeben sich immerhin erste Hinweise darauf, dass das MTHFR-Gen eine wichtige Rolle bei der strukturellen Gestaltung des menschlichen Gehirns spielt. Durch seine Schlüsselrolle im Ein-Karbon-Metabolismus ist es durchaus vorstellbar, dass Veränderungen im MTHFR-Protein einen strukturellen Einfluss auf verschie-dene Bereiche des Gehirns haben.

Zumindest in der frühen, embryonalen Neurogenese gelten die auch in dieser Arbeit untersuchten Polymorphismen im MTHFR-Gen und die damit einhergehenden Veränderungen der Enzymtätigkeit als Risikofaktor für die Entwicklung von Neuralrohrdefekten (van der Put et al., 2001). Insbesondere der durch die Gen-Varianten hervorgerufenen Erhöhung des Homocystein-spiegels scheint dabei eine entscheidende Rolle zuzukommen, auch wenn die exakten Mechanismen bezüglich der Entstehung von Neuralrohrdefekten noch nicht geklärt sind. Der Zusammenhang zwischen Polymorphismen im MTHFR-Gen und Neuralrohrdefekten spiegelt jedenfalls die Wichtigkeit dieses Gens bzw. des MTHFR-Enzyms im Rahmen der Neurogenese wieder.

Es ist somit durchaus vorstellbar, dass die genannten Varianten des MTHFR-Gens Einfluss auf die Struktur des menschlichen Gehirns nehmen. Auch diesbezüglich gibt es Hinweise auf geschlechterspezifische Unterschiede. So fand sich bei Männern ein verstärkter Einfluss des SNP rs1801133 auf Homocysteinblutkonzentrationen im Vergleich zu Frauen (Stanisławska-Sachadyn et al., 2008). Zukünftige Studien sollten deshalb mögliche Effekte des Geschlechts berücksichtigen.

6.1.2 Einfluss von DISC1-Varianten auf Gehirnvolumina

Mehrere Studien befassten sich bereits mit dem Einfluss des Ser704Cys SNP (rs821616) auf Hirnvolumina. Insbesondere der Effekt auf die Hippo-campusregion wurde aufgrund ihres Bezuges zu diversen psychiatrischen Störungen wie Schizophrenie und Depression bereits ausgiebig untersucht.

Es ergaben sich jedoch bisher insgesamt widersprüchliche Erkenntnisse.

Callicott et al. (2005) fanden in einer Gruppe von 158 gesunden Probanden

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(Alter 35,1±10,3 Jahre, Kaukasier) eine signifikante Reduktion der grauen hippocampalen Substanz bei A-Allel-Homozygoten (Genotyp AA) im Vergleich zu T-Allel-Trägern (Genotypen AT und TT). In einer weiteren europäischen Studie zeigte sich ein Trend zu vermehrter grauer Substanz im Gyrus parahippocampalis bei Serin-Homozygoten im Vergleich zu Cystein-Trägern (Di Giorgio et al., 2008). Im Gegensatz dazu konnte in einer japanischen Studienpopulation kein Einfluss des SNP rs821616 auf das Volumen des Hippocampus festgestellt werden (Hashimoto et al., 2006). In einer weiteren japanischen Arbeit fanden sich ebenfalls keine Unterschiede des hippocampalen oder parahippocampalen Volumens zwischen den einzelnen Genotypen (Takahashi et al., 2009). Im Rahmen der Studie von Hashimoto et al. (2006) wurden auch weitere Gehirnregionen wie das limbische System sowie Regionen des Parietal- und Temporallappens volumetrisch erfasst, jedoch konnten auch in diesen Regionen keine Ein-flüsse des rs821616 entdeckt werden. In der aktuellen Studie ließ sich kein signifikanter Einfluss des SNP rs821616 auf das gesamte Hippocampus-volumen feststellen. Jedoch zeigte sich insbesondere in der weiblichen Probandengruppe ein Trend zu größerem Hippocampusvolumen bei Cystein-trägern (Genotypen AT und AA) im Vergleich zu Ser704-Homozygoten (Genotyp TT), was die Ergebnisse von Callicott et al. (2005) unterstützt.

In einer Reihe weiterer Studien wurden die Effekte des SNP rs821616 auf andere Gehirnregionen untersucht. Brauns et al. entdeckten bei gesunden Serin-Homozygoten eine signifikante Verschmälerung des linken Gyrus frontalis superior (Brauns et al., 2011).

In einer Studie mit Gesunden und Schizophrenie-Patienten konnte außerdem eine Volumenminderung der grauen Substanz im Frontal- und Temporallappen bei T-Allel Trägern im Vergleich zu AA-Homozygoten fest-gestellt werden (Hua et al., 2011). Sogar bei Neugeborenen fand sich ein Effekt von rs821616 auf verschiedene Gehirnareale. Knickmeyer et al. (2013) beschreiben bei AA-Homozygoten Kindern eine Reduktion der grauen Substanz im Frontallappen im Vergleich zu T-Allel Trägern. In dieser Untersuchungsreihe fanden sich keine Effekte des SNP rs821616 auf die gesamte kortikale graue Substanz (Kortex), wobei eine Analyse einzelner

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Gehirnlappen nicht erfolgte und somit die Ergebnisse nur sehr eingeschränkt vergleichbar sind.

In einer Zusammenschau der bisherigen Forschungsergebnisse ergibt sich bezüglich des SNP rs821616 somit kein einheitliches Bild. Vielfältige Unter-suchungen erbrachten unterschiedliche Erkenntnisse bezüglich dieser Variante in Bezug auf Gehirn(-teil)volumina. Die hier präsentierten Ergebnisse unterstützen teilweise die bisherigen Studienergebnisse.

Die hier vorgestellte Studie fand Auswirkungen des SNP rs3738401 auf eine Reihe von Gehirnteilvolumina (zerebelläre weiße Substanz, Globus pallidus, Nucleus accumbens, Hippocampus, Amygdala) bei Männern und Frauen.

Nach möglichen Effekten des SNP rs3738401 auf Gehirnvolumina wurden überraschenderweise bislang wenig geforscht. Lediglich Brauns et al. (2011) analysierten die Auswirkung dieses SNP auf die kortikale Dicke bei ge-sunden Menschen, wobei keine signifikanten Einflüsse festgestellt werden konnten. In der hier durchgeführten Analyse zeigte rs3738401 eine große Anzahl von signifikanten Effekten auf diverse Volumina, sodass in Zukunft eine stärkere Konzentration auf diesen SNP gerechtfertigt zu sein scheint, zumal er durch den Austausch der Aminosäuren eine zumindest im Zellmodell funktional nachgewiesene Wirkung ausübt (Singh et al, 2011).

Die Effekte des rs6675281 SNP wurden ebenfalls in einer Reihe von volumetrischen Studien erforscht, wobei in den einzelnen Studien keine Re-produktion der Ergebnisse aus den anderen Untersuchungen gelang (Chakravarty et al., 2012). Die meisten Studien befassten sich mit den Ein-flüssen des SNP auf verschiedene Bereiche der grauen und weißen kortikalen Substanz. Szeszko et al. (2008) berichten in einer Gruppe von 44 Personen (25 Gesunde, 19 an Schizophrenie Erkrankte) über eine signifikante Reduktion der grauen Substanz im Bereich des superioren frontalen Kortex sowie im Bereich des vorderen Gyrus cinguli bei Phenylalanin-Trägern (Genotypen CT und TT) im Vergleich zu Leucin-Homozygoten (Genotyp CC). Eine weitere Studie berichtete von einer signifikant verringerten Dicke des Kortex im Bereich des linken Gyrus supramarginalis bei T-Allel-Trägern (Brauns et al., 2011). Des Weiteren wurde in einer Population von gesunden Jugendlichen bei T-Allel-Trägern im Vergleich zu CC-Homozygoten eine Verschmälerung des Kortex

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im Bereich der linken, mittleren Temporalregion, des superioren parietalen Kortex, des rechten inferioren parietalen Kortex und der linken primär-sensorischen Region festgestellt (Raznahan et al., 2010).

In einer Studie von Mata et al. (2010) konnten in einer Gruppe von 112 Probanden (21 Gesunde, 91 Schizophrenie-Kranke) keine Unterschiede der Volumina von Thalamus, Nucleus caudatus oder Putamen zwischen den verschiedenen Genotypen festgestellt werden. Im Gegensatz dazu fanden Chakravarty et al. (2014) in einer Gruppe von Gesunden (n=54) bei Phenylalanin-Trägern (Genotypen CT und TT) ein signifikant größeres Volumen des Striatums (bilateral) als bei Leucin-Homozygoten (Genotyp TT).

Teilweise unterstützt die hier präsentierte Arbeit die Resultate von Chakravarty et al. (2014), wobei sich ein größeres Volumen des Putamens aktuell nur bei weiblichen Phenylalanin-Trägerinnen (Genotypen CT, TT), nicht jedoch bei Männern nachweisen ließ.

Im Rahmen dieser Studie konnten eine Reihe von Effekten dreier SNPs im DISC1 Gen auf verschiedene Gehirnvolumina gezeigt werden. Besonders auffällig war eine starke Geschlechterabhängigkeit der Auswirkungen der einzelnen SNP. Eine mögliche Interpretation dieser geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Ergebnisse liegt im unterschiedlichen Einfluss von Sexual-hormonen während der Gehirnentwicklung.

Bei den drei analysierten DISC1 SNPs handelt es sich allesamt um „miss-sense“- Mutationen in verschiedenen Exons des Gens. Diese führen in allen drei Fällen zu einem Aminosäureaustausch im DISC1-Protein. Am einfachsten ließen sich die in den untersuchten Gehirnvolumina gefundenen Unterschiede deshalb durch diese Aminosäureaustausche, welche wiederum Strukturveränderungen des Proteins nach sich ziehen, erklären. Jedoch ist diese Assoziation aktuell nicht hinreichend belegbar, da noch kein voll-ständiges experimentelles 3D-Modell des DISC1-Proteins vorliegt. Auch eine komplette biophysikalische Beschreibung des Proteins existiert noch nicht (Chubb et al, 2008).

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