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1. EINLEITUNG

1.3. Genetik

Die exakte Ätiologie der AIH ist bislang nicht vollständig aufgeklärt worden. Neben Umwelteinflüssen und der Dysregulation des Immunsystems spielen sehr wahrscheinlich auch genetische Faktoren eine Rolle in der Pathogenese der Erkrankung. Die stärksten bislang beschriebenen genetischen Assoziationen von komplexen Autoimmunerkrankungen bestehen mit Genen des Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC).

1.3.1 Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC)

Das autosomal ko- dominant vererbte und auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6p21.3 lokalisierte MHC- System des menschlichen Genoms, wird in drei Gruppen unterteilt. Die Gruppe- I besteht aus über 100 Genen, von denen die klassischen HLA- Antigene A, B und C für die AIH von Bedeutung sind. 124 Allele sind bislang bei Gen A, 258 bei Gen B und 74 bei Gen C identifiziert worden.96, 97 Die entsprechenden Proteine werden auf der Zellmembran von Gewebezellen, immunkompetenten Zellen und Thrombozyten exprimiert. Über sie werden CD8- positiven T- Lymphozyten hauptsächlich endogene (vermindert auch exogene) Antigene präsentiert. Das HLA- Molekül besteht im extrazellulären Anteil aus vier verschiedenen Domänen: zwei verschiedenen Polypeptid-Ketten, einer MHC- codierten α-Kette und einer assoziierten, nicht MHC- codierten β-Kette (β2- Mikroglobulin). Die

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α-Kette besteht aus drei Domänen (α1- 3) und jeweils ca. 90 Aminosäureresten. Die zwischen α1 und α2 entstehende antigenbindende Grube (antigen- binding- groove) kann ein Proteinfragment bestehend aus bis zu ca. 10 Aminosäuren binden.96, 97

Die HLA- Gruppe- II besteht aus mindestens 30 Genen, wobei 4 Gene der D- Region für die AIH von Bedeutung sind. Hierzu zählen DRB (263- Allele), DQB (39- Allele), DQA (19- Allele) und DPB (15- Allele). HLA- II- Moleküle werden auf dendritischen Zellen, aktivierten T- Zellen, Gallengangsendothelien, Monozyten und B- Lymphozyten exprimiert. Über sie werden CD4- positiven T- Lymphozyten hauptsächlich exogene Antigene präsentiert, die zunächst endozytotisch in die Zelle aufgenommen und durch proteolytische Spaltung in den Endosomen zur Bindung an das HLA- II Molekül vorbereitet werden. Ebenso wie das HLA- I- Molekül besitzt das HLA- II- Molekül eine antigenbindende Grube aus vier extrazellulären Domänen (eine α- und eine β- Kette mit jeweils 2 Domänen), die jedoch deutliche funktionelle und strukturelle Unterschiede zum HLA- I- Molekül aufweist. Die Domänen bestehen ebenfalls aus jeweils ca. 90 Aminosäureresten und zusätzlich einer transmembranen Region von ca. 25 Aminosäureresten.96 Da die α1 und β1- Kette die antigenbindende Grube bilden und im Gegensatz zur Klasse- I nicht interagierende Enden besitzen, können Peptidfragmente von bis zu ca. 24 Aminosäureresten gebunden werden.96, 97

Die HLA- Gruppe- III umfasst weitere immunologische Gene, die unter anderem für die Komplementfaktoren C2, C4, Faktor B, TNF-α, TNF-β, Lymphotoxin (LT)-α und β sowie Hitzeschockproteine kodieren. Die Komplementfaktoren C2 und C4 werden zur Konversion von C3 zu C3b (Konvertase), sowie C5 zu C5b benötigt. Der Faktor B konvertiert C3 über den alternativen Weg (direkte Aktivierung des Komplementfaktors C3) des Komplementsystems zu C3b. Die beiden Isotopen des Komplementfaktors C4, C4a und C4b, sowie der Faktor B weisen Polymorphismen auf, die bei Aktivierung zu einer abnormen Funktion des Komplementsystems führen können.96, 97

Eine Vielzahl von genetischen Varianten wurde für nahezu alle Gene des MHC beschrieben. Der Hauptteil dieser genetischen Variationen ist Folge eines Austausches einzelner Nukleotide, sogenannter „single nucleotide Polymorphisms“ (SNP). Die durch diese SNPs bedingte genetische Variabilität birgt Vor- und Nachteile. Sie macht den Menschen widerstandsfähiger gegenüber viralen oder bakteriellen Erkrankungen und sichert somit das Überleben, jedoch bedingt dieser evolutionäre Vorteil auch eine erhöhte Anfälligkeit für autoimmune Erkrankungen. Viele der Gene des MHC sind miteinander verbunden (Linkage) und werden daher „en bloc“ vererbt (Haplotyp). Die erweiterten Halpotypen des MHC enthalten daher eine Vielzahl von genetischen Varianten, die die Suszeptibilität und den Verlauf von Autoimmunerkrankunge beeinflussen können.

1.3.2 AIH und HLA

Bereits 1972 konnte erstmals eine Assoziation von MHC- Genen mit der AIH durch Morris und Mackay nachgewiesen werden.98 In der Folge wurden bei europäischen AIH- Patienten insbesondere die HLA- Allele- DRB1*0301 und DRB1*0401 sowie der Haplotyp A1-B8-DRB1*0301 als wichtige genetische Determinanten indentifiziert.99-102 Regionale Unterschiede in der Prävalenz und der mit der Erkrankung assoziierten Allele verdeutlichen die genetische Heterogenität der AIH. Es konnte beispielsweise bei japanischen AIH- Patienten, im Gegensatz zu Patienten aus Mitteleuropa und den USA, keine Assoziation mit dem HLA- A1-B8-DR3- Haplotypen nachgewiesen werden. Stattdessen zeigte sich

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HLA- DRB1*0405103 als wichtigstes Suszeptibilitätsallel bei diesen AIH- Patienten. Bei mexikanischen Patienten stellte sich diesbezüglich DRB1*0404 heraus.104

Basierend auf diesen Befunden wurden drei molekulare Modelle postuliert, um die Basis der MHC- kodierten Suszeptibilität für die AIH- Typ- 1 zu erklären. Entsprechend dieser Theorie sind genetische Varianten bestimmter Aminosäuren in den HLA- Allelen von besonderer Bedeutung. Der Hauptteil der genetischen Variationen resultiert aus einem Austausch von Aminosäuren innerhalb der antigenbindenden Grube. Der Austausch einer Aminosäure in dieser Region, insbesondere wenn die Polarität und Ladung verändert wird, bedingt eine Konformationsänderung, die Auswirkungen auf den antigenbindenden Charakter des Moleküls und auf die Interaktion mit dem TZR hat.96, 97

Bei Vergleich der HLA- DRB1- Allele, die das Risiko einer AIH bei Patienten aus Nordamerika und Nordeuropa erhöhen bzw. vermindern (DRB1*0301, DRB1*0401, DRB1*0404/5 bzw. DRB1*1501), wurde die Aminosäuren an Position DRβ- 71 als entscheidende Determinante identifiziert.99 Die HLA- Allele, die das AIH- Risiko erhöhen, weisen Lysin bzw. Arginin an dieser Position auf, beides Aminosäuren mit zwei positiv geladenen Aminogruppen und einer negativ geladenen Carboxylgruppe, während das protektive HLA- Allel an dieser Stelle ein Alanin aufweist mit nur einer einzelnen Amino- bzw. Carboxylgruppe. Dieses sogenannte Lysin- 71 Modell lässt aber keine Rückschlüsse auf ein Autoantigen zu und ist weiterhin nicht universell anwendbar. So wurden z.B. alternative Modelle, die auf einem Valin/ Glycin Dimorphismus an Position 86 des DRβ- Polypeptids beruhen für Patienten aus Argentinien und Brasilien vorgeschlagen, welches wiederum nicht auf kaukasische Patienten anwendbar ist. 105 In einer Studie mit japanischen Patienten wurden Arginin und Histidin an Position 13 des DRβ- Polypeptids als kritische Determinanten einer Erkrankungsanfälligkeit identifiziert. 106

Einzelne HLA- Allele beeinflussen möglicherweise nicht nur das Risiko für das Auftreten einer AIH sondern auch den Verlauf der Erkrankung. Demnach sind Patienten mit DRB1*0301 häufig jüngeren Alters bei Erstdiagnose, haben eine geringere Remissionsrate, häufiger Rezidive nach Therapie und eine höhere Lebertransplantationsrate.100, 102, 107, 108 DR4- positive Patienten hingegen sind älter bei Erstdiagnose und haben einen milderen Verlauf der Erkrankung, bei ihnen treten häufiger extrahepatischen Erkrankungen auf.107, 109

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Abbildung 2: HLA- DR- Molekül: Dargestellt ist das HLA- DR- Molekül mit der antigenbindenden Grube (groove), der α- und der β- Kette (chain), sowie den einzelnen Aminosäurepositionen und ihren assoziierten Erkrankungen.

1.3.3 AIH und genetische Faktoren außerhalb des MHC Komplexes

Genetische Varianten des MHC allein können die genetische Prädisposition von Autoimmunerkrankungen nicht erklären und verschieden Gene außerhalb des MHC sind sehr wahrscheinlich in der Pathogenese dieser Erkrankungen involviert.110 Untersuchungen in den letzten Jahren haben allerdings gezeigt, dass der genetische Hintergrund von Autoimmunerkrankungen sehr komplex ist und kaum eine genetische Variante konnte sicher mit dem Auftreten einer Erkrankung assoziiert werden. Polymorphismen im Bereich des TNF-α Promotors111, 112, des zytotoxischen- T- Lymphozytenantigen-4 (CTLA-4)113 oder des Vitamin- D- Rezeptors (VDR)114 wurden mit dem Auftreten einer AIH assoziiert. Jeder dieser Polymorphismen könnte alleine oder in Kombination zu einer Verstärkung nichtselektiver, autoimmuner Reaktionen führen und sich so auf das Erkrankungsrisiko bzw. den Erkrankungsverlauf auswirken.110

1.4.1 Therapie

Frühzeitig wurde die Effektivität einer konsequenten immunsuppressiven Therapie für die AIH erkannt, durch die eine 5- Jahresüberlebensrate von über 90% erreicht werden kann.10 Dementsprechend gibt es keine aktuellen placebokontrollierten Studien. Die letzte placebokontrollierte Studie wurde 1980 veröffentlicht.115 Therapieziel ist eine biochemische und histologische Normalisierung der hepatischen Entzündung sowie das Abklingen der klinischen Symptome, was bei ca. 87% der Patienten mit adäquater Therapie innerhalb der ersten drei Jahre nach Behandlungsbeginn erreicht wird. Bei einem

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kompletten Ansprechen („Response“) erreichen die Aminotransferasen innerhalb von ca. 3- 6 Monaten nach Diagnosestellung den Normbereich. Beweisend für einen Therapieerfolg ist die histologische Remission, die teilweise erst 3- 6 Monate nach der biochemischen Remission erreicht wird.10, 116 Die Erhaltung der Remission stellt ein weiteres Therapieziel dar. Insgesamt ist mit einer Rezidivrate von 50% innerhalb von 6 Monaten und 70% innerhalb von 3 Jahren nach Absetzen der Medikation zu rechnen. Das inkomplette Ansprechen wird definiert als das Nicht- Erreichen einer Remission innerhalb der ersten zwei Behandlungsjahre, mit zwar reduzierten, aber weiterhin anhaltend erhöhten Aminotransferasen und klinischen Symptomen.10, 116 Eine klinische, serologische oder histologische Verschlechterung unter laufender Therapie ist als Therapieversagen definiert, welche bei ca. 10% der Patienten auftritt. Bei Unverträglichkeiten oder nicht Ansprechen sind Alternativen wie Budesonid, Cyclosporin A, Mycophenolat Mofetil (MMF), Tacrolimus (FK 506) und Cyclophosphamid als Mono- oder Kombinationstherapie in Betracht zu ziehen.10, 116, 117

1.4.2 Verlauf

Bei ¾ der AIH- Patienten lässt sich durch eine konsequente Therapie die Leberfibrosierung stoppen, wobei sich bei mehr als der Hälfte dieser Patienten eine Fibrose zurückbildet. Auf der anderen Seite schreitet bei ca. 25% der Patienten mit histologisch gesicherter periportaler Hepatitis die Fibrosierung der Leber auch unter Therapie fort, bei 30% von diesen Patienten bis zur Leberzirrhose.118 Patienten mit fortschreitender Fibrose weisen in der Regel eine höhere histologische Aktivität auf als Patienten mit stabiler oder rückläufiger Fibrosierung. Der Nachweis einer Zirrhose bei Diagnosestellung beeinflusst eine 10- Jahres- Überlebensrate nicht, daher sollten diese Patienten prinzipiell die gleiche Therapie erhalten, wie bei Patienten ohne eine nachgewiesene Zirrhose bei Erstdiagnose.119, 120 Einige Arbeiten haben bei älteren Patienten (über 65 Jahre) höhere Fibrosestadien bei Erstdiagnose als bei jüngeren Patienten (unter 65 Jahre) beschrieben. Kein Altersunterschied konnte allerdings bei Patienten mit manifester Zirrhose dokumentiert werden.121, 122 Beim Ansprechen auf eine immunsuppressive Therapie konnte zwischen älteren und jüngeren Patienten kein Unterschied festgestellt werden, wobei 90% der über 65 jährigen eine komplette Remission erreichen.122

1.4.3 Transplantation

Eine orthotope Lebertransplantation (OLT) stellt die letzte therapeutische Option bei einer durch eine AIH- bedingten Zirrhose dar, wenn irreversible und lebensbedrohliche zirrhosebedingte Komplikationen in Erscheinung treten.94, 123 Von insgesamt 31169 Lebertransplantationen zwischen Januar 1988 und Dezember 2004 in Europa sind 4% (n= 1340) aufgrund einer AIH durchgeführt worden (Europäisches Lebertransplantationsregister 2004 (ELTR)). Bei transplantierten AIH-Patienten konnten gute Langzeitergebnisse mit einer 5-Jahres Überlebensrate von 92% verzeichnet werden. Ein Rezidiv der AIH nach Transplantation kann bei ca. 11% bis 35% der Patienten auftreten. Die AIH-Subtypen scheinen keinen Einfluss auf die Überlebensrate der transplantierten Patienten zu haben.10,

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