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Definition und Diagnosekriterien der Autoimmunen Hepatitis (AIH)

1. EINLEITUNG

1.1.2. Definition und Diagnosekriterien der Autoimmunen Hepatitis (AIH)

Autoimmunerkrankungen der Leber sind durch einen Verlust der Selbsttoleranz gegenüber hepatozellulärem und cholangiozellulärem Gewebe charakterisiert. Die genauen Pathomechanismen die zur Entstehung dieser Erkrankungen führen, sind bislang noch nicht vollständig geklärt. Zu der Gruppe der autoimmunen Lebererkrankungen gehören die primär sklerosierende Cholangitis (PSC), die primär biliäre Zirrhose (PBC) und die autoimmune Hepatitis (AIH). Mit 10- 20% der chronisch auftretenden Hepatitiden und einer Inzidenz in Westeuropa von bis zu 1,2 pro 100.000 Einwohner ist die AIH eine relativ seltene Erkrankung.3 Ätiologisch muss die AIH von virusinduzierten (durch die Hepatitisviren A, B, C usw.), toxischen (durch Alkohol, Medikamente, chemische Noxen), hereditären (z.B.: Hämochromatose, Morbus Wilson, Alpha1- Antitrypsinmangel) und den anderen beiden autoimmunen Erkrankungen PBC und PSC unterschieden werden.

1992 wurden von einer internationalen Expertenkommission, der Internationalen AIH Gruppe (IAIHG), in Brighton/ Grossbritannien diagnostische Kriterien festgelegt. Dies war notwendig, da bei verschiedenen Lebererkrankungen (biliäre-, virale-, genetische-, drogen- oder alkoholinduzierte) ähnliche klinische, biochemische und/ oder histologische Erkrankungsmerkmale wie bei der AIH zu finden sind. Da es keinen einzelnen, spezifischen Test für die AIH gibt, ist für die Diagnose der Nachweis bzw. der Ausschluss verschiedener Kriterien notwendig, die dann anhand eines Scoresystems die Wahrscheinlichkeit einer AIH-Diagnose definieren.4 Eine Überarbeitung dieser diagnostischen Kriterien und des Score- Systems erfolgte durch die IAIHG im Jahr 1999.2, 5 Im Folgenden ist der AIH- Score nach Alvarez et al. 5 von 1999 angeführt:

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Parameter/ Merkmale Score Parameter/ Merkmale Score

Geschlecht: andere autoimmune Erkrankungen

Ansprechen auf Therapie:

Komplettes Ansprechen

Rezidiv nach Therapie und Remission

Leberhistologie:

Abbildung 1: AIH- Score nach Alvarez et al.5: Darstellung der zu überprüfenden Parameter (linke Spalte) sowie der zu überprüfenden Parameter (rechte Spalte). Nach Kontrolle der Parameter erfolgt eine Addition der

gegebenen Parameterpunktwerte. Interpretation der summierten Scorepunkte:

Vor Therapie: >15 Punkte= Definierte AIH

10- 15 Punkte= Wahrscheinliche AIH

Nach Therapiebeginn: >17 Punkte= Definierte AIH

12- 17 Punkte= Wahrscheinliche AIH

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Scorepunkte nach Therapie

Die AIH ist eine chronische Hepatitis, die durch eine nach 6 Monaten nicht ausgeheilte hepatozelluläre Entzündung mit einer Erhöhung der Aspartat- und Alaninaminotransferasen (AST, ALT) über das 1,5-fache der Norm und einer Hypergammaglobulinämie gekennzeichnet ist. Sie betrifft in erster Linie Frauen.6-9 Bei ca. 40% der Patienten kommt es zu einem akuten Beginn (rascher Entzündungsprozess mit begleitenden Laborparametern und klinischen Symptomen) der Erkrankung.

Ein Teil der Patienten fällt jedoch nur durch erhöhte Aminotransferasen bei sonst unauffälliger Klinik oder nur leichten Beschwerden auf (Zufallsbefund bei laborchemischen Kontrollen). Die fulminanten Verläufe der AIH kommen gehäuft bei Kindern vor.10 Klinische Symptome bei Erstvorstellung umfassen die der allgemeinen chronischen hepatozellulären Erkrankungen, wie Leistungsminderung, rechtsseitiger Oberbauchschmerz und Ikterus. Erst mit zunehmender hepatozellulärer Schädigung und der dadurch induzierten Leberfibrosierung mit Störung der Lebersyntheseleistung und Entgiftungsfunktion treten Folgen wie portale Hypertension mit Aszites und Ösophagusvarizen, sowie hepatische Enzephalopathie in Erscheinung. Ca. ¼ der Patienten werden klinisch durch die Komplikationen einer bereits bestehenden Fibrose auffällig.10

Der Ausschluss einer Infektion mit Virushepatitiden stellt einen wichtigen Punkt der AIH- Diagnostik dar. In erster Linie sollten Hepatitis A, B und C ausgeschlossen werden, bei entsprechendem Verdacht aber auch Viren wie Zytomegalie (CMV) oder Epstein-Barr (EBV). In sehr seltenen Fällen können Patienten mit einer Virushepatitis gleichzeitig an einer AIH erkrankt sein. Auf der anderen Seite wurden ätiologisch Viren als Auslöser der AIH (Mimikry- Hypothese) impliziert, die vor dem Hintergrund einer immungenetischen Prädisposition des Betroffenen (HLA- Antigene) zur Überwindung der immunologischen Toleranz führen.11 Bislang konnte allerdings kein kausaler Zusammenhang zwischen einer Virushepatitis und einer AIH- Erkrankung nachgewiesen werden.

Um die AIH von einer toxischen bzw. alkoholinduzierten Hepatitis abzugrenzen, wurde die Alkohol- und Drogen-/ Medikamentenanamnese in den AIH Score aufgenommen. Bei dauerhaftem Alkoholkonsum von über 60 mg pro Tag und/ oder einer positiven Drogen-/ Medikamentenanamnese muss zunächst eine durch andere Toxine induzierte Hepatitis ausgeschlossen werden. Bei Progress von Leberschäden nach Abstinenz von Alkohol, Drogen oder Medikamenten sollte eine mögliche AIH-Diagnose erneut geprüft werden.5

Allein histologisch ist eine AIH nicht zu diagnostizieren, da nur erkrankungstypische, jedoch keine beweisenden Veränderungen der Leberstrukturen auftreten. Die Portalfelder sind dicht rundzellig (hauptsächlich durch Lymphozyten) infiltriert, wobei diese weder Gallengänge noch Gefäßstrukturen angreifen. Die sogenannte „Interface Hepatitis“ stellt die Nekrose einzelner, nach Durchbruch der Grundplatte abgeschnürter und zerstörter Hepatozyten dar. Bei Verbindung zweier unterschiedlicher Nekroseareale durch Bindegewebe (Periportalfeld zu Periportalfeld oder Periportalfeld zu Läppchenzentrum) kommt es zu einer sogenannten Brückenbildung (bridging). Mit zunehmender bindegewebiger Substitution der Nekroseareale (Fibrose) entsteht im Verlauf eine mit unterschiedlich großen Parenchyminseln und Regeneratknoten ausgeprägte Zirrhose. Gallengangsläsionen oder Kupferablagerungen kommen als differentialdiagnostisches Bild bei jeder Form der Cholestase vor

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und können auf eine cholestatische Erkrankung wie die PBC, PSC oder ein Überlappungssyndrom der verschiedenen Entitäten hinweisen.5

1.1.2.1 Extrahepatische Manifestationen

Ein vermehrtes Auftreten verschiedener extrahepatischer Erkrankungen ist bei AIH- Patienten beobachtet worden. Autoimmunthyreoiditis, Diabetes mellitus Typ- 1, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Lupus erythematodes, Vitiligo, Rheumatoide Arthritis und Alopezie gehören dabei zu den typischen Autoimmunerkrankungen. Nichtimmunvermittelte Erkrankungen, wie Arthralgien und Fibromyalgie, werden aber auch gehäuft bei AIH Patienten gefunden.10-14

Die Rheumatoide Arthritis ist eine chronisch entzündliche Systemerkrankung, die durch eine Synovialitis zu Arthritis, Bursitis und Tendovaginitis führt. Fakultativ kann es zu extraartikulären Organmanifestationen kommen. Der schubweise progrediente Verlauf kann zu Gelenkdestruktion und Invalidität führen. Eine familiäre Häufung wurde bei der rheumatoiden Arthritis nachgewiesen.15 HLA-DRB1*0401, *0404, *0405, *0408, *0101, *1001 und *1402 zeigen eine starke Assoziation mit der RA bei Kaukasiern.16

Die Hashimoto Thyreoiditis ist eine das Schilddrüsengewebe zerstörende Autoimmunerkrankung, bei der sich T-Lymphozyten und Antikörper (Thyreoid- Peroxidase Antkikörper (anti- TPO) und Thyreoglobulin Antikörper (anti- TG)), die gegen das eigene Schilddrüsengewebe gerichtet sind, nachweisen lassen. Gehäuft bestehen zusätzlich weitere Autoimmunerkrankungen. Assoziationen mit HLA- DR3, -DR5 und -B8 sowie anderen Genen wie zum Beispiel CTLA- 4 wurden beschrieben.17 Der Morbus Basedow ist eine autoimmune Schilddrüsenerkrankung, bei der eine Hyperthyreose durch Schilddrüsenstimulierende TSH- Rezeptorautoantikörper (TRAK) verursacht wird. Patienten mit einem Morbus Basedow weisen gehäuft HLA- B8 und DR3 Allele auf.18 Die thyreoidale Autonomie/ Struma ist eine Vergrößerung der Schilddrüse nicht entzündlicher und nicht maligner Ätiologie. Hierunter fallen mehr als 90% der Schilddrüsenerkrankungen. Das Struma stellt die häufigste endokrine Erkrankung dar. Pathogenetisch tritt am häufigsten das Jodmangelstruma in Erscheinung.15

Der Typ-1- Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung bei der die B- Zellen der Langerhansschen Inseln im Pankreas durch eine Immunreaktion zerstört werden. 20% der Typ-1- Diabetiker haben eine positive Familienanamnese (Typ-1- Diabetes positiv).15 Genetische Studien haben eine enge Assoziation vor allem mit DR3 und DR4 Allelen gefunden. Neuere Untersuchungen weisen auf eine primäre Rolle für den benachbarten HLA-DQ- Genort hin, wobei die Allele DQB1*0201 (DQ2) und DQB1*0302 (DQ8) Marker für eine Prädisposition und das Allel DQB1*0602 (DQ6) Marker für eine Protektion sind.15 Der Typ- 2- Diabetes (9 von 10 aller Fälle) beruht auf einer gestörten Insulinsekretion, sowie einer herabgesetzten Insulinwirkung (Insulinresistenz). Der Typ- 2- Diabetes manifestiert sich eher im höheren Lebensalter. Differentialdiagnostisch sind zudem ein Gestations- und Steroid-induzierter Diabetes zu unterscheiden.15

Die akute Pankreatitis ist eine akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse, für die ätiologisch Gallenwegserkrankungen (45%) wie Choledochussteine oder Stenose der Papilla Vateri, Alkoholabusus (35%), idiopathische Ursachen (15%), Nebenwirkungen von Medikamenten und andere seltenere Ursachen wie iatrogene Entzündungsreaktionen (z.B. post- ERCP) in Betracht kommen.

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Ätiologisch ist die chronische Pankreatitis häufig Folge eines chronischen Alkoholabusus (80%). In einigen Fällen lassen sich Mutationen des Trypsinogen- Gens mit fehlender Inaktivierung des Gens nachweisen.15

Der Morbus Crohn ist eine diskontinuierlich segmental auftretende Entzündung der tiefen Wandschichten des gesamten Gastrointestinaltraktes mit häufiger Lokalisation im terminalen Ileum und proximalen Kolon. Die Colitis Ulcerosa hingegen stellt eine entzündliche Dickdarmerkrankung kontinuierlicher Ausbreitung mit Ausbildung von Ulzerationen der oberflächlichen Schleimhautschichten dar. Als ätiologischen Hintergrund dieser chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) wird eine Störung der Immunregulation auf dem Boden einer genetischen Disposition und einer Auslösung durch eine Infektion postuliert. 5 von 100.000 Menschen erkranken pro Jahr an Colitis ulcerosa, wobei die Inzidenz beim Morbus Crohn nur 3 pro 100.000 Menschen pro Jahr beträgt. Eine familiäre Häufung insbesondere beim Morbus Crohn und ein Erkrankungsgipfel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr komplettieren die Charakteristika dieser CED. Beide Erkrankungsformen treten gehäuft im Zusammenhang mit einer Primär Sklerosierenden Cholangitis PSC (Colitis ulcerosa bei PSC= 85%; Morbus Crohn bei PSC= 1-14%) auf.19 HLA- DRB1*07, DRB1*0301, DRB3*0301, DRB1*1302 und DRB1*04 wurden mit einem erhöhten Risiko, während HLA- DRB1*1501 mit einem verminderten Risiko für einen M. Crohn assoziiert. Auf der anderen Seite wurde bei Patienten mit einer Colitis ulcerosa gehäuft HLA- DRB1*0103 und DRB1*1502 und selten HLA- DRB1*04 gefunden.20

Der Lupus erythematodes (SLE) ist eine Systemerkrankung der Haut und des Gefäßbindegewebes zahlreicher Organe mit Vaskulitis/ Perivaskulitis der kleinen Arterien und Arteriolen, verbunden mit Ablagerungen von Immunkomplexen, die aus DNS, Anti- DNS, Komplement und Fibrin bestehen.

Pathogenetisch kommt es durch eine Virusinfektion über eine Zytolyse zur DNA- Freisetzung. Durch DNAse- Mangel wird eine Immunreaktion ausgelöst. Assoziationen mit den Allelen HLA- A11, B7, B35 sowie DR2 und DR3 wurden nachgewiesen.21, 22

Die Sklerodermie ist eine Systemerkrankung des Bindegewebes mit Kollagenanhäufung und Fibrose von Haut sowie inneren Organen. Weiterhin tritt eine obliterierende Angiopathie (Zwiebelschalenangiopathie mit Intimaproliferation) mit Haut- und Organinfarkten auf. Klinisch kann eine diffuse oder akrale (limitierte) Verlaufsform in Erscheinung treten. Die limitierte Form wird auch als CREST- Syndrom (Calcinosis cutis, Raynaud- Syndrom, Ösophagusbeteiligung, Sklerodermie und Teleangiektasien) bezeichnet. Die Ätiologie ist unbekannt, wobei eine Assoziation mit HLA- DR5 (bei der diffusen Verlaufsform) und mit HLA- DR1, 4, und 8 (bei der limitierten Verlaufsform) nachgewiesen werden konnte.23

Die Vitiligo ist eine Autoimmunerkrankung der Haut mit Untergang der Melanozyten. Es findet sich ein familiär gehäuftes Auftreten in ca. 30 % der Fälle sowie eine Assoziation mit Diabetes mellitus, Lupus erythematodes und Hypoparathyreoidismus. Diagnostisch imponieren weiße, pigmentfreie und größer werdende Flecke an der Haut, seltener an Schleimhaut und behaarter Kopfhaut (Poliosis circumscripta).24 In verschiedenen Studien wurden Assoziationen zu den HLA- Allelen DRB4*0101 und DQB1*0303 nachgwiesen.25

Der Lichen ruber planus, die sogenannte flache Knotenflechte, ist eine entzündliche Erkrankung der

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Haut und Schleimhaut. Ätiologisch wird eine autoimmune Genese postuliert. Diagnostisch imponieren multiple polygonale, flache, oft zentral gedellte wachsartig glänzende, livide Papeln, welche konfluieren und häufig stark jucken können. Lokalisiert sind diese Hautveränderungen vermehrt an den Beugeseiten der Unterarme und Unterschenkel, sowie Sakralregion und Genitalbereich.24 Assoziationen mit HLA- DR1 wurden nachgewiesen.26

Die Alopecia areata ist ein kreisrunder Haarausfall, der in 80 % der Fälle die Kopfbehaarung betrifft.

Für eine autoimmune Ursache sprechen das gehäufte Aufreten zusammen mit anderen Autoimmunerkrankungen wie z. B. Thyreoiditis, Myasthenia gravis, Colitis ulcerosa und Idiopathische Thrombozytopenische Purpura (ITP). Ferner unterstützen einige Tiermodelle ebenso wie das Ansprechen auf verschiedene Immunsuppressiva die Theorie einer Autoimmunpathogenese der Alopezia areata.

Arthralgien treten häufig in Kombination mit autoimmunen Erkrankungen in Erscheinung, weshalb eine autoimmunvermittelte Genese vermutet wird.24 Verschleißerscheinungen (Degeneration) und Symptome einer chronischen Polyarthritis müssen von Arthralgien differenziert werden

Das Fibromyalgie- Syndrom (FMS) ist ein multilokuläres Schmerzsyndrom mit typischen Schmerzpunkten im Bereich der Muskulatur, des Bindegewebes und der Knochen. Es wird ein primäres und sekundäres FMS unterschieden. Das primäre FMS hat eine unklare Ätiologie, wobei eine autoimmunvermittelte Genese in Betracht gezogen wird. Das sekundäre FMS tritt verbunden mit anderen Erkrankungen in Erscheinung (entzündliche und degenerative Erkrankungen, Trauma etc.) und ist 2- 3- mal häufiger als das primäre FMS.15