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2 Schrifttum

2.4 Verdauungsenzyme für eine Enzymsubstitution

2.4.2 Galenische Konfektionierung

In Bezug auf die galenische Konfektionierung müssen oral verabreichte pankreati-sche Enzyme möglichst folgende Kriterien erfüllen, um eine maximale Effizienz bei der Therapie einer Maldigestion in Folge einer EPI zu erreichen (WESTERMARCK u. WIBERG 2012):

• Schutz säureempfindlicher Enzyme vor der Inaktivierung („enteric-coating“)

• Möglichst gute Durchmischung von Mahlzeit und Enzympräparat – relevant vor allem für die angestrebte parallele Magenentleerung (Partikelgröße)

• Erreichen möglichst hoher Enzymaktivitäten im proximalen Duodenum (Freiset-zung der Enzyme)

2.4.2.1 Gecoatete Präparate (Delayed release preparations) Definition

Ein sogenanntes „enteric-coating“ dient als Schutz eines Arzneimittels vor der Inak-tivierung durch die Magensäure (SAUNDERS u. WORMSLEY 1975; LAYER u.

KELLER 1999; FERRONE et al. 2007). Es wird bei Substanzen angewendet, die nach oraler Aufnahme im Dünndarm resorbiert werden sollen oder - wie im Fall von

exogen zugeführten pankreatischen Enzymen - im proximalen Dünndarm wirken sollen. Aufgrund der besonderen Empfindlichkeit der porzinen pankreatischen Lipa-se gegenüber niedrigen pH-Werten (bei pH < 4 rasch inaktiviert) sollten die En-zympräparate zum Schutz vor frühzeitiger Inaktivierung im Magen durch ein

„coating“ geschützt werden (DIMAGNO et al. 1977; KÜHNELT et al. 1991; GRE-GORY 1996), siehe auch Kapitel 2.2.3 und 2.3.

Die „coatings“ exogener porziner Pankreatinprodukte sind derart konzipiert, dass sie sich bei einem pH-Wert von ≥ 5,5 auflösen, so dass der Wirkstoff (Pankreatin) freigesetzt wird (DOMÍNGUEZ-MUNOZ 2011; FIEKER et al. 2011). Der intragastrale pH-Wert darf folglich im Mittel nicht > 5 und der intraduodenale pH-Wert muss > 5 sein, um die Freisetzung und somit die Wirksamkeit der Enzyme am Zielort (Duo-denum) zu gewährleisten. Vor allem das Erreichen eines duodenalen pH-Wertes von > 5 scheint bei EPI-Patienten allerdings oft nicht gegeben (siehe Kapitel 2.3.1), so dass eventuell einige der oral eingenommenen Enzyme erst weiter distal im Du-odenum oder gar im Ileum aus dem „coating“ freigesetzt werden (GUARNER et al.

1993), siehe Kapitel 2.2.5. Für die Wirksamkeit des pankreatischen Enzympräpara-tes ist es jedoch wichtig, dass sich das „coating“ rasch auflöst und die Pel-lets/Tabletten im Duodenum freigesetzt werden (ABBOTT 2013). Je weiter proxima-ler im Dünndarm dieses geschieht, desto länger können die exogen zugeführten Enzyme auf die Verdauung der Nahrungsbestandteile einwirken (GULLO 2000). Es besteht die Vermutung, dass sich das „coating“ eines Enzympräparates bei EPI-Erkrankten weiter aboral auflöst als erwünscht, wodurch eventuell die weiterhin un-vollständige Korrektur einer EPI-bedingten Steatorrhoe erklärt werden könnte (GU-ARNER et al. 1993).

Galenik

Es gibt zahlreiche Polymere, die als Hilfsstoffe bei der Herstellung von „enteric-coatings“ verwendet werden, um eine frühzeitige Inaktivierung von Medikamenten bzw. Wirkstoffen bei niedrigen pH-Werten zu verhindern und somit eine möglichst hohe Wirkstoffkonzentration am gewünschten Wirkort (Dünndarm) zu gewährleis-ten. Es werden natürliche (z.B. Carboxylmethyl) oder synthetisch hergestellte

Poly-mere (z.B. Methacrylat-CopolyPoly-mere oder Hydroxyl-Propyl-Methyl-Cellulose-Phthalate) eingesetzt (FIEKER et al. 2011).

Die Eigenschaften der Auflösung des „coatings“ hängen nicht nur vom vorherr-schenden pH-Wert am Wirkort ab, sondern auch von der Polymerart und der Schichtdicke des „coatings“ (HENDELES et al. 1990).

Trotz moderner „enteric-coatings“ ist es weiterhin schwierig, die optimale Freiset-zung des Enzympräparates zu gewährleisten, da sowohl der pH-Wert im Magenin-halt als auch der pH-Wert im Duodenalchymus periprandialen bzw. phasenweisen Schwankungen unterliegt, siehe Kapitel 2.3.1 (FIEKER et al. 2011; KLEIN 2011).

Zum Beispiel wurden eine verzögerte Freisetzung der „gecoateten“ Pankreatin-Mikropellets und somit erhöhte ileale Enzymaktivitäten beschrieben (GUARNER et al. 1993). Im Falle einer ungenügenden Wirksamkeit eines Enzymproduktes wird daher auch bei „gecoateten“ Präparaten die zusätzliche Einnahme eines Magen-säureblockers empfohlen, um einer verzögerten Wirkstofffreisetzung entgegen zu wirken, siehe Kapitel 2.2.5.1 (LÖHR et al. 2013).

2.4.2.2 Ungecoatete Präparate (Immediate release preparations)

Porzine Pankreatinprodukte, die nicht durch ein „coating“ vor der sauren Magensäu-re geschützt sind, wirken beMagensäu-reits im Magen (DIMAGNO et al. 1977). Dieses kann sowohl Vor- als auch Nachteile gegenüber den „geschützten“ Produkten haben.

Durch die frühzeitige Wirkung können die exogen zugeführten Enzyme bereits im Magen die Nahrungsbestandteile hydrolysieren und somit eine Resorption der ent-standenen Moleküle (Fettsäuren, Triglyzeride, etc.) im proximalen Dünndarm ge-währleisten. Aufgrund der besonderen Empfindlichkeit der pankreatischen Lipase gegenüber sauren pH-Werten, wird allerdings ein Großteil (> 95%) der mit dem Präparat eingenommenen Lipase bereits im Magen inaktiviert (DIMAGNO et al.

1977), weitere „Inaktivierungsprozesse“ erfolgen im Dünndarm (durch Proteasen und Gallensalze). Daher muss die Dosierung der exogenen Lipase erhöht werden oder ein zusätzliches Medikament eingenommen werden, das den pH-Wert im Ma-gen erhöht (z.B. Protonenpumpenhemmer oder H2-Rezeptor-Blocker; SAUNDERS u. WORMSLEY 1975). Nach DIMAGNO et al. (1977) ist dennoch die schnelle

Inak-tivierung exogen zugeführter Lipasen der Grund für den häufig nicht zufriedenstel-lenden therapeutischen Effekt der „ungecoateten“ Pankreatin-Präparate.

Mikrobielle Enzymprodukte, wie beispielweise bakterielle Lipasen, haben demge-genüber den Vorteil, dass sie kein „coating“ benötigen, da sie bei pH-Werten von etwa 3-10 eine hohe Stabilität aufweisen (RAIMONDO u. DIMAGNO 1994;

KRISHNAMURTY et al. 2009; FIEKER et al. 2011). Demzufolge ist die Anwendung eines mikrobiellen Enzymproduktes auch ohne den zusätzlichen Einsatz eines ma-gensäurehemmenden Wirkstoffes möglich. Allerdings gibt es bis dato keine „hu-man-basierten“ In-vivo-Studien bezüglich der Wirksamkeit bakterieller Lipasen, sie-he Kapitel 2.4.1 (LAYER u. KELLER 2003).

2.4.2.3 Darreichungsformen gecoateter Enzympräparate

Unter den „gecoateten“ Multienzympräparaten kann zwischen verschiedenen Dar-reichungsformen unterschieden werden:

• Tabletten (Mini-/Mikrotabletten)

• Mikropellets, im englischen Sprachgebrauch „Mikrosphären“ (+ Bikarbonat)

• Minimikropellets („Minimikrosphären“)

Des Weiteren sind auch Pankreatinpräparate ohne „coating“ in Tabletten- oder Pul-verform auf dem Markt (FERRONE et al. 2007).

Tabletten

Die erste Generation der „gecoateten“ Pankreatinprodukte wurde in Tabletten–/

Kapselform hergestellt. Diese zeigten allerdings gegenüber den „ungecoateten“

Produkten keinerlei klinische Verbesserungen bezüglich der Fett-Malabsorption (DUTTA et al. 1988; MAROTTA et al. 1989; KRISHNAMURTY et al. 2009). Porzine Multienzympräparate in Form von Tabletten sind denen in (Mini-) Mikropellets-Form in Bezug auf die gleichmäßige Durchmischung des Präparates mit dem Nahrungs-brei unterlegen. Mikropellets sind zudem quantitativ betrachtet wirksamer als Tablet-ten, so dass eine geringere Menge bzw. Enzymdosis ausreicht, um vergleichbare

Ergebnisse zu erreichen (GRAHAM 1979). Tabletten werden - bedingt durch ihre Größe (d = 11-20 mm) - während der digestiven Phase im Magen zunächst zurück-gehalten und erst in der interdigestiven Phase in das Duodenum abgegeben (GOEBELL et al. 1993; KRISHNAMURTY et al. 2009). Somit erreicht das „säurege-schützte“ Produkt das Duodenum zeitlich später als die Mahlzeit, deren Bestandtei-le mit Hilfe dieser exogenen Enzyme hydrolysiert werden solBestandtei-len (FERRONE et al.

2007).

Die Partikelgröße eines Pankreatinpräparates beeinflusst seine Verteilung im Nah-rungsbrei maßgeblich (GULLO 2000), wodurch wiederum die Parallelität der Ma-genpassage bzw. Magenentleerung beeinflusst wird (BRUNO et al. 1998). Idealer-weise gelangt das Pankreatinprodukt gleichzeitig mit dem Nahrungsbrei in das Du-odenum (MEYER et al. 1985; BRUNO et al. 1998).

Aufgrund von Studien, die belegen, dass Mikropellets mit einer Partikelgröße von 1-3 mm die beste Durchmischung mit dem Nahrungsbrei bzw. zeitlich betrachtet die gleichmäßigste Magenentleerung zeigen (MEYER et al. 1988), wurden Minimikro-pellets in der genannten Größenordnung entwickelt (KRISHNAMURTY et al. 2009).

Der größte Anteil der Partikel (> 90%) eines marktgängigen Präparates weist bei-spielsweise einen Durchmesser von < 1,25 mm auf (HALM et al. 1999).

Eine weitere Studie bestätigt eine tendenziell höhere lipolytische Aktivität bzw. einen 25% höheren Behandlungseffekt eines Präparates mit einer Partikelgröße von 1,0-1,2 mm gegenüber einem der Größe 1,8-2,0 mm (KÜHNELT et al. 1991). Die kriti-sche Partikelgröße bzw. „Optimalgröße“ zur simultanen Magenentleerung wird mit einem Durchmesser von 1,4 mm (MEYER et al. 1988; GREGORY 1996; BRUNO et al. 1998; FIEKER et al. 2011) bzw. < 2 mm (MÖSSNER u. KEIM 2011) angege-ben, wobei sehr kleine Enzympellets schneller aus dem Magen entleert werden als der Chymus, mit dem diese parallel abfluten sollten (ABBOTT 2013).

Ab einer Partikelgröße von > 1,6 (MEYER et al. 1985; MEYER et al. 1988; MEYER u. LAKE 1997) bzw. ≥ 2 mm (BRUNO et al. 1998; LAYER et al. 2001) oder > 4 mm (ABBOTT 2013) kann von einer Entmischung des Nahrungsbreis und der Enzyme

im Magen ausgegangen werden, so dass die Enzympellets den Magen später ver-lassen als der Chymus (ABBOTT 2013).

Mikropellets

Mit der Markteinführung der Mikropellets (z.B. Lipazym®, Pancrecarb®, Lipram®) konnte das Problem der zuvor nicht parallel mit der Nahrung aus dem Magen ent-leerten Tabletten behoben werden, da sich die in einer magensaftlabilen Kapsel befindlichen „gecoateten“ und „kugelförmigen“ Partikel (d = ca. 2 mm) schon im Magen mit dem Nahrungsbrei vermischen (FERRONE et al. 2007; KRISHNAMUR-TY et al. 2009). Bereits 1979 wurden die Vorteile von Mikropellets gegenüber Tab-letten nachgewiesen (GRAHAM 1979). Die meisten auf dem Markt angebotenen pankreatischen Enzympräparate bestehen derzeit aus Mikropellets (FERRONE et al. 2007).

Minimikropellets

Derzeit weltweit verbreitet ist vor allem die Therapie einer EPI-assoziierten Maldi-gestion mit Hilfe von eingekapselten Minimikropellets (Kreon®), die eine Weiterent-wicklung bezüglich der Partikelgrößen der genannten Mikropellets darstellen. Der Durchmesser aktuell verwendeter Minimikropellets beträgt < 1,7 mm (WESTER-MARCK u. WIBERG 2012) bzw. < 1,2 mm (ABBOTT 2013).

Um die Einnahme zu erleichtern, sind die Minimikropellets - wie auch die Mikropel-lets - von einer Gelatinekapsel umgeben, die sich bereits im Magen auflöst. Jedes einzelne enthaltene Minimikropellet ist zusätzlich von einem „Säureschutz-coating“

umgeben, so dass die „Kügelchen“ ebenfalls isoliert eingenommen werden können (häufig bei Kindern aufgrund mangelnder Akzeptanz erforderlich (FIEKER et al.

2011)); (ABBOTT 2013).

Diverse Placebo-Vergleichs-Studien belegen sowohl bei Kindern (mit CF-Erkrankung); (COLOMBO et al. 2009) als auch bei Erwachsenen (SAFDI et al.

2006; KUHN et al. 2010; WHITCOMB et al. 2010; THORAT et al. 2012) eine signifi-kant geringere Stuhlfettexkretion und eine reduzierte Defäkationsfrequenz. Zusätz-lich konnten eine Verbesserung der Stuhlkonsistenz und eine hohe VerträgZusätz-lichkeit

bzw. Toleranz bei den Patienten festgestellt werden. Bislang konnte jedoch keine höhere Wirksamkeit der Minimikropellets gegenüber den Mikropellets belegt werden (HALM et al. 1999).