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3.  Theoretischer Rahmen

3.3  Risikokommunikation

3.3.2  Funktionen von Risikokommunikation

Die wirksame Vermittlung und Verarbeitung von Wissen ist die Grundlage, um Argumente über den Umgang mit diesen Risiken abwägen zu können. Der Übergang zwischen reiner Wissensvermittlung als Einweg-Kommunikation vom Sender einer Information zum Empfänger und dem Dialog zwischen zwei oder mehreren Akteuren als wechselseitiger Austausch von Argumente ist dabei zu unterscheiden. Ein Lernprozess wird durch beide Formate gewährleistet, ist jedoch methodisch von einer reinen Informationsveranstaltung zu differenzieren. Auch in einem dialogorientierten Format, das nicht primär auf Informationsvermittlung ausgelegt ist, sondern einen gegenseitigen Abgleich verschiedener, auch gegenläufiger Argumente, zulässt, findet ein Lernprozess statt, während Ansichten präzisiert oder wieder verworfen werden.

Eine gelungene Abwägung von Argumenten kann jedoch nur gelingen, wenn auf eine entsprechende Wissensbasis zurückgegriffen werden kann. „Dies bedeutet, dass jede von Risiken betroffene Person oder auch soziale Gruppe befähigt werden sollte, auf der Basis der Kenntnis der faktisch nachweisbaren Konsequenzen von risikoauslösenden Ereignissen oder Aktivitäten, der verbleibenden Unsicherheiten und anderer risikorelevanter Faktoren eine persönliche Beurteilung der jeweiligen Risiken vornehmen zu können, die den eigenen oder für die Gesellschaft als bindend erachteten ethischen Kriterien entspricht“ (Renn, Schweizer & Dreyer, 2007, S. 111).

Der Dialog über Risiken erfordert entsprechend sowohl von Laien als auch von Experten kommunikative Kompetenzen und ein Basiswissen, um in einen konstruktiven Austausch treten zu können.

Risikokommunikation hat mehrere Funktionen zu erfüllen, die sowohl Aspekte einer fundierten Aufklärung, den Abstimmungsprozess der Akteure untereinander, Informationen zu den eingesetzten Verfahren zur Bewertung und Abwägung der Risiken, eine Klärung der Standpunkte der Betroffenen sowie die Bereitstellung und Durchführung von kommunikativen Verfahren beinhaltet (vgl. Renn, Schweizer &

Dreyer, 2007, S. 113).

54 Diese Funktionen können durch die Kombination verschiedener Kommunikationsformate erreicht werden. Diese Kommunikationsformate sind auf unterschiedliche Bedürfnisse ausgerichtet und werden idealerweise kombiniert. Renn et al. unterscheiden grundsätzlich vier verschiedene Kommunikationsformen (vgl.

Renn, Schweizer & Dreyer, 2007, S. 113):

1. Dokumentation zur Herstellung von Transparenz,

2. Information zur Aufklärung des Kommunikationspartners,

3. gegenseitige Kommunikation mit Fokus auf gegenseitiges Lernen und 4. Beteiligung an Risikobewertungen und Managemententscheidungen.

Entscheidend ist, dass die Kommunikation möglichst frühzeitige stattfindet, auf die jeweiligen thematischen Erfordernisse abgestimmt und für alle Beteiligten transparent, nachvollziehbar und konsistent ist. Je länger der Dialog über wichtige und möglicherweise strittige Themen hinausgezögert wird, desto schwieriger wird sich der Dialog später gestalten, wenn Meinungen verfestigt und die Dialogpartner anderen Argumenten gegenüber weniger offen sind. Haben sich Meinungen über bestimmte Risiken in der Gesellschaft manifestiert, so ist es sehr schwer, diesen Überzeugungen neue Aspekte und Argumente entgegenzustellen. „Da sich einmal gefundene Einstellungen und Überzeugungen häufig hartnäckig halten und die Aufnahme und Umsetzung neuer Informationen prägen, ist eine möglichst frühe, proaktive und kontinuierliche Kommunikation anzustreben“ (Renn, Schweizer &

Dreyer, 2007, S. 115).

Um einen Dialog auf Augenhöhe zu ermöglichen, ist ein gegenseitiges Verstehen der Inhalte unabdingbar. Entsprechend wichtig ist die Verwendung von für den Laien verständlichen Begrifflichkeiten, die auch in sich konsistent und nachvollziehbar und nicht durch mehrere Bedeutungen gekennzeichnet sind (vgl. Renn, Schweizer &

Dreyer, 2007, S. 116).

Risikokommunikation ist zu einer Sensibilisierung des Laien und auch zur Schaffung von Transparenz geeignet und ist damit auch ein erster Schritt zur Schaffung von Vertrauen. Kosow und ihre Mitautoren zeigen aber auch, dass beispielsweise reine Stellungnahmen von Behörden zu ausgewählten Risiken alleine nicht ausreichen, um Kompetenz in der Bewertung von Risiken zu vermitteln (vgl. Kosow, Oertel & Köster, 2010). Dies impliziert die Annahme, dass Risikokommunikation mehr enthalten muss

55 als Informationen zu einzelnen Risiken. Die Kompetenz, Risiken nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie auch in Relation setzen zu können, sie zu bewerten und Schlussfolgerungen für das eigene Handeln ziehen zu können, setzt demnach einen tiefer gehenden Lernprozess voraus, als dies die Weitergabe von reinen Informationsbroschüren leisten kann.

Risikokommunikation ist demnach ein offener Prozess, in welchem ein Abgleich von Information und Argumenten stattfindet (vgl. Renn, Schweizer & Dreyer, 2007). Der Laie ist nach diesem Verständnis nicht mehr nur der „Empfänger“ von Information, sondern ist gleichzeitig auch in der Rolle des Informationsgebers. Dies ermöglicht einen Austausch auf Augenhöhe, vermeidet Konflikte und gewährleistet durch den gegenseitigen Austausch auch ein Lernen und gegenseitiges Verstehen.

Der Austausch über verschiedene Bewertungen und sich daraus ableitbaren Handlungskonsequenzen erscheint insbesondere im Kontext der hier dargestellten Zusammenhänge von zentraler Bedeutung. Auch wenn „der psychologischen Risikoforschung zufolge ist die Differenz zwischen der Risikowahrnehmung von Laien und Risikoabschätzung der Experten nur bedingt ,heilbar’“ (Holzheu &

Wiedemann, 1993, S. 14) ist, so erfordert die Zunahme des Risikos bei gleichzeitig mangelhafter Absicherung in der Gesellschaft neue Wege in der Dialogkultur, um Risikomündigkeit zu fördern.

Ziel eines Austausches auf Augenhöhe ist es, ein gegenseitiges Verständnis für die unterschiedliche Herangehensweise der Bewertung zu schaffen, um dann auf einer gemeinsamen Basis entsprechende Lösungen im Umgang mit Risiken erarbeiten zu können. Auch Smith spricht sich deshalb deutlich für einen Austausch zwischen Experten und Laien aus: „Clearly, there is a need for better communication between risk assessors and the public, especially bearing in mind the adversarial context of many debates about environmental hazards” (Smith, 1992, S. 59).

Eine nicht beeinflussende, sondern auf wissenschaftlichen Fakten beruhende erfolgreiche Kommunikation, die auf der Annahme basiert, dass risikomündigen Bürger angemessene und sinnvolle Entscheidungen treffen, erfordert nach Fischhoff (2007) das Zusammenspiel von mehreren Forschungsdisziplinen. So müssten Daten aus der Klimaforschung ebenso transparent gemacht werden wie die wichtigsten Entscheidungskriterien bei der Abwägung von Handlungsoptionen bei gleichzeitiger

56 Berücksichtigung der Wahrnehmung kritischer Fakten und Ziele von Bürgern (vgl.

Fischhoff, 2007, S. 7207).

Beck weist auf die Gefahr hin, dass eine Bewertung der Risiken durch Experten

„objektiv“ erfolgt, während die Wahrnehmung der Risiken durch Laien diese Objektivität nicht leistet. Dies führt zu der oben dargestellten Diskrepanz, bei der die Wahrnehmung von Laien verstanden wird als „individuelle Reaktion und Antwort auf ,objektive’ Risiken“ (Beck, 2008, S. 33). Vorurteile und Fehler werden aus dieser Sichtweise entsprechend beim Laien und nicht beim Experten vermutet (vgl. Beck, 2008).

Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen reinem auf wissenschaftlichen Fakten beruhendem Wissen und dem Ansatz der Risikomündigkeit, der auch intuitives Wissen mit einbezieht und ihm eine gesonderte Bedeutung gibt. In der allgemeinen Debatte gilt das „Expertenwissen“ als die relevante Entscheidungsgrundlage für gute Entscheidungen im Umgang mit Risiken. Was aber, wenn das Expertenwissen nur einen Teil des entscheidungsrelevanten Wissens ausmacht? Evers und Novotny (1987) plädierten schon früh für eine Risiko-Diskussion in der „Urteile und Reaktionen der Öffentlichkeit nicht auf psychologisch verzerrte Vorformen von Experten-Rationalität reduziert werden, sondern als Repräsentanten eines anderen Wissens Anerkennung finden“ (Evers & Nowotny, 1987, S. 210 f.). Ein Verständigungsprozess, der zum Ziel hat, vorhandenes Wissen von Laien und Experten zusammenzubringen, um daraus die gemeinsam getragene Essenz ableiten zu können, erscheint unabdingbar. Dieser würde alle Komponenten des Risikobegriffs mit einbeziehen und sowohl das Experten-Know-how aus dem jeweiligen Blickwinkel mit einbeziehen als auch die Kriterien einer Laienbewertung berücksichtigen.

Beispielsweise bei der Entwicklung von Szenarien über den zukünftigen Umgang mit Konsequenzen aus dem Klimawandel, und entsprechenden robusten politischen Leitlinien, hat sich das Einbeziehen von Laien und Stakeholdern als vielversprechende Möglichkeit hervorgetan. Um tragfähige Konzepte für die Vermeidung und Anpassung an den Klimawandel zu erarbeiten hat sich die Einbeziehung prozessrelevanter Werte (z. B. Vertrauensaufbau, Ausbau von Wissen) als ebenso relevant gezeigt wie die Berücksichtigung inhaltlicher Werte (vgl. Larsen

& Gunnarson-Ostling, 2009).

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