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3.  Theoretischer Rahmen

3.6  Einordnung der Forschungsfragen

74 Verschiedene Einflussvariablen können zu einer intensiveren oder auch zu einer oberflächlichen Verarbeitung der Argumente führen. Wird eine objektive Auseinandersetzung mit einem Argument erleichtert, gewinnen stichhaltige Argumente an Bedeutung. Wird dagegen eine vertiefende Auseinandersetzung mit einem Argument erschwert, verlieren stichhaltige Argumente an Bedeutung. „When a variable enhances argument scrutiny in a relatively objective manner, the strengths of cogent arguments should become more apparent as should the flaw in specious ones. Similarly, when a variable reduces argument scrutiny in an unbiased fashion, the strengths of cogent arguments should become less apparent as should the flaws in specious ones” (Petty & Cacioppo, 1986, S. 19).

Neue Argumente können auch bereits im Vorfeld durch bereits bestehende Einstellungen „gefiltert“ werden. „[…] when a variable affects the motivation to process in a relatively biased manner, this means that the variable encourage or inhibits the generation of either favorable or unfavorable thoughts in particular” (Petty

& Cacioppo, 1986, S. 19). Eine objektive Auseinandersetzung mit einem Argument findet dann nicht mehr statt.

Geht der Einstellungsbildung eine intensive Auseinandersetzung mit den Argumenten voraus, ist die dann entstandene Einstellung zeitlich und auch gegenüber Gegenargumenten recht resistent. Peripher erworbene Einstellungen sind dagegen wenig stabil. Der Aufbau einer Einstellung durch den vertiefenden Abgleich von Argumenten erfordert entsprechend mehr Aufwand als eine Verarbeitung auf der peripheren Route, weist dann aber auch eine höhere Stabilität auf. „[…] attitude chances induced via the central route involve considerably more cognitive work than attitude changes induced under the peripheral route“ (Petty & Cacioppo, 1986, S.

21).

75 konkretes Umsetzungsbeispiel als Vorsorgemaßnahme gegen Naturrisiken gewählt.

Das ELM wird herangezogen, um verschiedene Intensitäten der Auseinandersetzung mit Information differenziert betrachten zu können. Die Differenzierung in die Begriffe der zentralen bzw. peripheren Route ist hilfreich, da sie dazu beitragen, verschiedene Tiefen in der Auseinandersetzung mit Information voneinander abgrenzen zu können.

Die individuell gestaltbare Entscheidung für oder gegen einen Versicherungsschutz gegen Elementarrisiken postuliert implizit, dass Risikomündigkeit als Entscheidungsbasis vorhanden ist. Übertragen auf die Annahmen des ELM bedeutet dies, dass davon ausgegangen wird, dass ausreichend Motivation und kognitive Fähigkeit bei den Adressaten vorliegen, um sich mit den Hintergründen und Argumenten vertiefend auseinanderzusetzen. Einer risikomündigen Entscheidung geht dann die Verarbeitung von Information auf der zentralen Route voraus. Die Darstellung der aktuellen Versicherungslage lässt jedoch vermuten, dass gesamtgesellschaftlich betrachtet die Risikomündigkeit im Umgang mit Naturrisiken nicht stark ausgeprägt ist.

Die Analyse der Risikomündigkeit mit dem Fokus auf Vorsorge, beispielsweise durch den Abschluss einer Elementarschadenversicherung, wird unter Berücksichtigung des ELM von zwei Annahmen untermauert:

Verarbeitet ein Empfänger auf der zentralen Route Information, hat dieser sich mit den Argumenten und den Zusammenhängen des Klimawandels auseinandergesetzt.

Das Bedrohungspotenzial durch Naturgefahren ist ihm aufgrund der Auseinandersetzung mit der entsprechenden Information bekannt. Er kann auf ein Basiswissen zurückgreifen und Pro- und Kontra-Argumente für den Abschluss einer Elementarschadenversicherung können abgewogen und begründet werden. Die Entscheidung zu einer zusätzlichen Absicherung durch eine Elementarschadenversicherung basiert auf gezielt aufgebautem Wissen. Die Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel und den damit verbundenen Naturrisiken wurden mit Blick auf die eigene potenzielle Betroffenheit abgewogen.

Die getroffene Entscheidung basiert auf der Identifikation der individuellen Risikoabwägung sowie auf eigenen Wertvorstellungen. Die Entscheidung für oder gegen den Abschluss einer Elementarschadenversicherung kann als risikomündig bezeichnet werden.

76 Besteht hinsichtlich der Frage nach den Zusammenhängen zwischen Klimawandel und Naturrisiken und den daraus ableitbaren Handlungskonsequenzen jedoch nur eine periphere Verarbeitung einer Mitteilung, so liegt wenig Motivation vor, sich intensiver mit den Risiken durch Naturgefahren auseinanderzusetzen. Die eigene Betroffenheit bzw. die Relevanz des Themas wird als gering eingestuft und damit ein hoher Aufwand bei der Informationsbeschaffung und der Auseinandersetzung mit Argumenten abgelehnt. Dies führt dazu, dass beim Empfänger keine fest verwurzelte Einstellung zu dem Thema herausgebildet wird. Der Abschluss einer Elementarschadenversicherung ist dann auf das Hinzuziehen von peripheren Merkmalen (z.B. die Sympathie des Versicherungsvertreters) zurückzuführen und begründet sich dann beispielsweise im Wunsch nach sozialer Bestätigung. Findet kein Abschluss einer Elementarschadenversicherung statt, basiert dies jedoch nicht auf einer risikomündigen Entscheidung, sondern auf mangelndem Interesse, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, da die persönliche Relevanz nicht gesehen wird.

Die empirischen Ergebnisse beleuchten die Intensität der Auseinandersetzung mit Informationen verschiedener Perspektiven. Ziel ist es zu analysieren, wie sich die dem Abschluss einer Elementarschadenversicherung vorausgegangene Informationsverarbeitung beschreiben bzw. dem ELM zuordnen lässt. Die Analyse umfasst dabei die folgenden Schwerpunkte.

Zunächst wird der Frage nachgegangen, wie von den Befragten der Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der Zunahme von Naturrisiken wahrgenommen wird.

Anhand dessen wird gezeigt, welche Ursache-Wirkungszusammenhänge bezüglich des Klimawandels und der Zunahme der Häufigkeit und Intensität von extremen Wetterereignissen wahrgenommen werden. Die Kenntnis über diese Zusammenhänge wird als Basisbaustein definiert, um darauf aufbauend eine Relevanz des Themas ableiten zu können.

Darüber hinaus ist die Frage nach dem Weg der Informationsbeschaffung und der Nutzung von Informationsquellen relevant. Hinweise auf die genutzten Medien und deren Einstufung bezüglich Vertrauenswürdigkeit runden das Bild ab. Insbesondere dem Verständnis der Rolle der Medien als Informationsvermittler kommt eine besondere Bedeutung zu. Häufigkeit und Ausrichtung von Berichterstattungen nehmen eine wichtige Rolle bei der daraus resultierenden Bewertung der Relevanz des Risikos ein.

77 Vertiefend werden in diesem Zusammenhang die Versicherungsunternehmen analysiert. Versicherungsunternehmen verfügen über eine hohe Expertise über Erklärungszusammenhänge des Klimawandels. Als Anbieter von Elementarschadenversicherungen können sie Prognosen über die zukünftige Entwicklung von Naturrisiken darstellen und Handlungsoptionen aufzeigen.

Insbesondere die Aktivitäten des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft zeigen, dass der Dialog mit der Gesellschaft gesucht wird.

Versicherungsunternehmen kommunizieren Prognosen zukünftiger Schäden durch Naturrisiken und sind entsprechend auch auf Glaubwürdigkeit angewiesen.

Aufgrund dieser spezifischen Rolle wurde analysiert, inwieweit Informationen durch Versicherungsunternehmen gefragt sind.

Aufgrund der Relevanz der wahrgenommenen Betroffenheit als Motivationstreiber wurde die Schadensentwicklung und deren Auswirkungen vertiefend analysiert.

Insbesondere der differenzierten Betrachtung der globalen Perspektive im Vergleich zur regionalen Bedeutsamkeit wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

Einen abschließenden Schwerpunkt legt die Analyse auf die Frage nach der wahrgenommenen Eigenverantwortung bezüglich des Vorsorgeverhaltens. Dabei wird der Fokus auf die Frage gelegt, welche Rolle in der Wahrnehmung der Befragten die Eigenverantwortung im Umgang mit Naturrisiken spielt und welche Handlungsimpulse daraus abgeleitet werden können.

Diese Bausteine sollen dazu beitragen, ein umfassendes Bild über die einzelnen Komponenten zu erhalten, die letztendlich Einfluss auf die Entwicklung von Risikomündigkeit haben.

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