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6.  Diskussion der Ergebnisse

6.1  Diskussion der empirischen Ergebnisse

113 Fukushima, das ist einfach so, [...] das ist natürlich auch immer ziemlich kurzlebig“

(Interview 7: 18).

Die Bereitschaft, sich mit den Konsequenzen des Klimawandels auseinanderzusetzen, ist hoch, allerdings liegt der Fokus deutlich auf der Vermeidung von CO2-Emissionen und damit verbundenen baulichen Maßnahmen.

Die eigene finanzielle Vorsorgeleistung zur Vermeidung von Schäden durch extreme Wetterereignisse wird von keinem der Befragten als Themenbereich genannt. Die Relevanz, den eigenen finanziellen Schutz gegen eine potenzielle zunehmende Schadensentwicklung mit zu bedenken, ist bei den Befragten als Thema nicht präsent.

114 Darüber hinaus ergibt sich Problematik der unklaren Sachlage. Denn zum einen sind sich Experten in der Bewertung der Risiken oft selbst nicht einig, zum anderen sind z.

B. Versicherungsmakler durch eigene Interessen keine neutrale Informationsquelle.

Die Glaubwürdigkeit von Informationen wird entsprechend durch diese Voraussetzungen erschwert.

Glaubwürdigkeit spielt eine wichtige Rolle im Zusammenspiel zwischen Informationsvermittlung und Informationsaufnahme. Doch gerade aufgrund der spezifischen Charakteristika von Naturrisiken und der damit verbundenen Komplexität des Themas müssen zur Informationsaufnahme Experten zu Rate gezogen werden. Dies erfordert vom Informationsempfänger, dass er in der Lage und entsprechend motiviert ist, sich auch mit widerstreitenden Argumenten auseinanderzusetzen.

Der Herausbildung von Risikomündigkeit als eine Kombination aus Wissen über die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Naturrisiken und dem Abwägungsprozess stellt damit eine sehr hohe Anforderung an die Empfänger von Informationen. Dass dies einen großen Teil der Befragten überfordert, ist naheliegend und wird auch in den hier erhobenen Daten deutlich. Insbesondere das Abwägen von Argumenten und eine begründbare Strukturierung von Argumenten für oder gegen ein Vorsorgeverhalten durch den Abschluss einer Elementarschadenversicherung konnte bei den Befragten kaum nachgewiesen werden.

Risiken aus dem Klimawandel werden mehrheitlich als globales Phänomen wahrgenommen. Der Bezug des Klimawandels auf das persönliche Umfeld ist jedoch noch recht diffus. Schlussfolgerungen auf Änderungen des eigenen Verhaltens sind jedoch, wenn vorhanden, fast ausschließlich auf Vermeidungsmaßnahmen ausgerichtet. Wetterveränderungen werden von den meisten Befragten zwar als ungewöhnlich und teils auch als bedrohend interpretiert, eine Handlungsnotwendigkeit mit Blick auf Anpassungsmaßnahmen wird jedoch nicht gesehen. Die Angst vor regionaler Betroffenheit ist damit nur bedingt ein Motiv, um sich vertiefend mit Vorsorgemaßnahmen zu befassen. Bei den meisten Befragten ist die Vermeidung von klimaschädigendem Verhalten stärker im Bewusstsein verankert als die Notwendigkeit zur Vorsorge gegen Risiken. Die Befragten nehmen die Risiken aus dem Klimawandel wahr, beziehen diese aber vor allem auf die Folgen für

115 Entwicklungsländer. Eine vertiefende Auseinandersetzung bezüglich der aus dem Klimawandel resultierenden Risiken vor Ort findet nicht statt. Der Bezug von Klimarisiken auf einen möglichen Schaden und eine persönliche Betroffenheit wird nicht hergestellt. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit der unterschiedlichen Bedeutung des Klimawandels und den damit verbundene Risiken für Deutschland wird kaum vorgenommen.

Der Abschluss einer Elementarschadenversicherung ist kein Indikator für eine hohe Risikomündigkeit. Kaum einer der Befragten konnte genau sagen, welche Risiken durch eine Elementarschadenversicherung abgedeckt sind, unabhängig davon, ob ein Versicherungsschutz besteht oder nicht. Wer eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen hat, tut dies entsprechend nicht ausschließlich auf der Basis der gründlichen Abwägung von Argumenten. Damit kann nicht der Annahme gefolgt werden, dass dem Abschluss einer Elementarschadenversicherung ein sorgsamer Abwägungsprozess über Pro und Kontra vorausgeht. Vielmehr zeigt die Analyse, dass der Abschluss einer Elementarschadenversicherung nicht auf einer tiefen Auseinandersetzung mit dem eigenen Bedrohungspotenzial durch Extremwetterereignisse einhergeht.

Gleichzeitig bedeutet aber auch das Nein zur Elementarschadenversicherung nicht, dass keine Auseinandersetzung mit den Risiken durch Elementarschäden stattgefunden hat. Der Abschluss einer Elementarschadenversicherung kann – muss aber nicht – auf einer vertiefenden Auseinandersetzung mit Argumenten basieren.

Die meisten Befragten haben die Argumente für oder gegen eine Elementarschadenversicherung nicht abgewogen. Vielmehr wird sehr häufig pauschal auf das Argument zurückgegriffen, aufgrund der geografischen Wohnsituation nicht betroffen zu sein.

Im Detail zeigen die empirischen Ergebnisse, dass bei den Befragten mit Blick auf extreme Wetterereignisse auch höhere Risiken mit dem Klimawandel assoziiert werden. Diese Wahrnehmung speist sich jedoch mehrheitlich aus einem Mix aus oberflächlichen Medienberichten und eher persönlichen Erfahrungen und basiert selten auf der tiefer gehenden Auseinandersetzung sachlicher und fachlicher Argumente. Entsprechend schwierig gestaltet sich eine individuell auf die Wohnumstände bezogene Risikoeinschätzung. Insbesondere reißerische Medienberichte machen eine nüchterne Auseinandersetzung mit dem komplexen

116 Thema schwierig bis unmöglich. Sich vertiefend auf der zentralen Route mit Informationen auseinanderzusetzen, setzt eine sehr hohe Motivationsbereitschaft voraus, sich die notwendigen Informationen zu beschaffen. Entsprechend gering ist der Anteil der Personen, die sich intensiv mit der Materie auseinandersetzen.

Die Frage nach der Selbsteinschätzung des eigenen Wissensstandes zeigt die Diskrepanz zwischen tatsächlichem Wissensstand und der Selbsteinschätzung bzw.

Überschätzung. Die meisten Befragten bezeichnen ihr eigenen Wissen als ausreichend, obwohl deutlich wurde, dass kaum Fachmedien in Anspruch genommen wurden. Allerdings wurde mehrheitlich auch der Wunsch nach neutraler und gut aufbereiteter Information geäußert.

Zudem wurde deutlich, dass Versicherungsunternehmen eine wichtige Bedeutung als Informationsvermittler übernehmen und auch von den Befragten in dieser Rolle gesehen werden. Die Rolle der Versicherungsunternehmen als Informationsvermittler ist dabei eine Herausforderung vor dem Hintergrund, dass ihr hier zwei Rollen zukommen, die von den Befragten als problematisch wahrgenommen werden. Zum einen werden Versicherungen als profitorientierte Unternehmen wahrgenommen und gleichzeitig werden sie durchaus als wichtiger Informationsgeber gesehen. Da Versicherungen hier nicht als neutraler Akteur gesehen werden (können), ist ihre Rolle als Informationsgeber zumindest mit einiger Skepsis bei den Informationsempfängern behaftet. Positiv hervorgehoben wurden individuelle Einzelerfahrungen bei der Schadensregulierung.

Auch die Wahrnehmung der Schäden basiert vorrangig auf Medienberichten.

Insbesondere wird global eine Zunahme von Schäden wahrgenommen. Doch auch in Deutschland wird eine Zunahme von Schadensereignissen gesehen. Aufgrund mangelnder Eigenerfahrung wird für die Situation vor Ort eher selten eine Schadensbedrohung gesehen. Eine sachliche zukunftsgerichtete Auseinandersetzung mit möglichen Schadenszenarien für die eigene Region findet praktisch nicht statt. Um im Vorfeld stärker zu sensibilisieren, ist hier sicherlich noch einiges an Informationsaustausch notwendig. Insbesondere der Erfahrungsaustausch zwischen bereits von extremen Wetterereignissen Betroffenen und von bisher noch nicht Betroffenen erscheint hier als hilfreich, um eine Sensibilisierung zu erreichen. Denn gerade mit Blick auf Regionen, die bisher aufgrund der geografischen Lage von Hochwasser verschont waren und nun durch

117 extreme Starkregenfälle vor neuen Herausforderungen stehen, ist hier der Einsatz neuer Austauschwege im Vorfeld von extremen Wetterereignissen sinnvoll.

Die Wahrnehmung der eigenen Handlungsmöglichkeit bezieht sich insbesondere auf Maßnahmen der Kohlenstoffdioxid-Vermeidung als auf Anpassungsmaßnahmen gegen unvermeidbare Folgen des Klimawandels. Dieser Perspektive liegt vermutlich eine tiefer greifende Argumentationskette bzw. ein „nicht wahr haben wollen“ der eigenen Verantwortlichkeit zugrunde. Um sich auf Anpassungsmaßnahmen einzulassen, müssten die unaufhaltsamen Folgen des Klimawandels akzeptiert werden. Damit hängt auch die Akzeptanz der Eigenverantwortung bzw. dem Eigenanteil am Klimawandel zusammen. Diese Perspektive macht es schwer, da zum einen ein Eigenanteil an einer schädlichen Auswirkung akzeptiert werden müsste, zum anderen auch die Verantwortung der sich daraus ergebenden Folgen übernommen werden muss. Beides ist mit eher unangenehmen Gefühlen verbunden, entsprechend schwierig ist die Auseinandersetzung mit der Thematik uns sich daraus ergebenden Handlungsoptionen. Informationen zu vorbeugendem Handeln müssen auf den Schutz vor drohenden Schäden fokussieren, könnten aber gleichzeitig mit positiv bewerteten Aspekten wie Kohlenstoffdioxid-Vermeidungsstrategien kombiniert werden. Würde beispielsweise ein Teil der Versicherungsbeiträge in einen Fonds für erneuerbare Energien fließen, so ließe sich die Akzeptanz für Versicherungsbeiträge möglicherweise erhöhen.10