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Fortbestand der extremen Haushaltsnotlage

Im Dokument Freie Hansestadt (Seite 21-25)

2. Rahmenbedingungen

2.3. Fortbestand der extremen Haushaltsnotlage

Zu den Ausgangsbedingungen des zu bewältigenden Konsolidierungskurses 2010/

2020 zählt, dass sich die Freie Hansestadt Bremen aktuell, d. h. im zweiten Jahr des auf zehn Jahre angelegten Defizitabbaus weiterhin in einer extremen Haushaltsnot-lage befindet. Auch nach einer erfolgreichen Bewältigung des Konsolidierungspfades bleiben die hohen Vorbelastungen bestehen:

- Die hohe Verschuldung des Stadtstaates wird bis 2020 – wenn auch mit rückläufi-gen Jahresraten – weiter zunehmen. Bei planmäßigem Verlauf des Defizitabbaus wird der Schuldenstand des Landes und seiner Städte bereits am Ende des Fi-nanzplanzeitraumes (2016) um rd. 2,5 Mrd. € und im Endjahr des Konsolidie-rungszeitraumes (2020) – auch nach Gegenrechnung der Konsolidierungshilfen - um knapp 2,6 Mrd. € über dem Ausgangswert des Jahres 2010 liegen (vgl. Abbil-dung 3)

Senatorin für Finanzen, Referat 20

Abb. 3: Entwicklung des Schuldenstandes* im Stadtstaat Bremen in Mrd. €

*) Fundierte Schulden zum Jahresende; Annahme für 2017 ff.: Einhaltung der maximal zulässigen Neuverschuldung

(c) SfF, 2000-26 19,0 19,5 19,8 20,1 20,2 20,4 20,4 20,3 20,3

18,4

17,7

16,6

15,6

14,6

13,5

12,4

11,4

10,7

9,7

9,0

8,7 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020

Freie Hansestadt Bremen

- Infolge der anhaltenden Neuverschuldung nehmen auch die Zinslasten der bremi-schen Haushalte im Konsolidierungszeitraum weiter zu. Abbildung 4 verdeutlicht, dass die Zinsmehrausgaben aufgrund des insbesondere in der Anfangsphase der Konsolidierung weiter deutlich ansteigenden Schuldenstandes – bei einem unter-stellten Durchschnittszinssatz von 3,7 % – bis 2020 rein rechnerisch einen Wert von rd. 297 Mio. € erreichen würden, von dem die zinsentlastenden Effekte der Konsolidierungshilfen (111 Mio. €) etwa 37 % kompensieren. Dies bedeutet eine weitere signifikante Zunahme der Zinslastquote im Gesamthaushalt des Stadt-staates und ein Verbleiben der Zinssteuer-Quote 2016 (20,9 %) sogar leicht über dem Niveau des Jahres 2011 (20,7 %).

Senatorin für Finanzen, Referat 20

Abb. 4: Zinseffekte der Neuverschuldung und der Konsolidierungshilfen

Mio. €

* Angaben für den Stadtstaat bei einem angenommenen Zinssatz von 3,7 %

(c) SfF, 2010-46b

2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Zinsminderausgaben aufgrund Konsolidierungshilfen ab 2011

Zinsmehrausgaben aufgrund der Neuverschuldung

Stadtstaat Bremen; Annahmen: Zinssatz: 3,7%, Neuverschuldung: ab 2017 maximal zulässige Werte

- Mit den besonderen stadtstaaten-spezifischen Ausgabelasten (Sozialhilfelasten, oberzentrale Funktionen etc.) und der hierfür unzureichenden Finanzausstattung bestehen wesentliche Ursachen bzw. Risikofaktoren der bremischen Haus-haltsnotlage unverändert fort. Nachdem die mit Einsetzung der Föderalismus-kommission formulierte Aufgabenstellung, auch Vorschläge für die Stärkung der

„aufgabenadäquaten Finanzausstattung“ der Gebietskörperschaften zu erarbeiten, in den Empfehlungen der Kommission keinen Niederschlag gefunden hat, sind hier Lösungen erst im Zuge der Neuordnung der Finanzausgleichssystematik ab 2019 zu erwarten. Planungen und Modellrechnungen für den Konsolidierungszeitraum müssen daher zunächst von einem Fortbestand der Unterfinanzierung der stadtstaaten-spezifischen Ausgabelasten ausgehen.

Die Bedeutung, die der Frage der Altschulden für die Haushalte der Freien Hansestadt Bremen zukommt, ist in Modellbetrachtungen ablesbar: Bei gleichem Zinsausgaben-niveau (pro Einwohner) wie die Länder und Gemeinden des übrigen Bundesgebietes, d. h. bei vergleichbarer Altschuldenlast, hätte Bremen im Jahr 2010 – statt eines

Defi-zits von 1.217 Mio. € – unter sonst gleichen Bedingungen in seinen Kernhaushalten noch eine Finanzierungslücke von 719 Mio. € aufweisen müssen (vgl. Abbildung 5).

Eine wesentliche Ursache der Altschuldenproblematik und ihrer aus eigener Kraft nicht zu realisierenden Lösung bilden dabei die unzureichenden steuerabhängigen Einnahmen des Stadtstaates. Vor allem aufgrund weit überproportionaler Einwohner-verluste musste die Freie Hansestadt Bremen von 1992 bis 2005 eine 13 Jahre anhal-tende Stagnation ihrer steuerabhängigen Einnahmen hinnehmen. Wäre die Entwick-lung der steuerabhängigen Einnahmen stattdessen parallel zum Bundesdurchschnitt verlaufen, könnte der Stadtstaat bei durchschnittlicher Zinsbelastung und heutigem Ausgabenniveau bereits deutliche Finanzierungsüberschüsse (2010: 504 Mio. €) verzeichnen.

Senatorin für Finanzen, Referat 20

Abb. 5: Kernhaushalt des Stadtstaates Bremen 2010 (in Mio. €) 1)

1) Durchschnitt: Wert der Länder- und Gemeindegesamtheit (umgerechnet über Pro-Kopf-W erte)

(c) SfF, 2010-49

Die extreme Haushaltsnotlage der Freien Hansestadt Bremen und die sich daraus er-gebenden Vorbelastungen für den anstehenden Defizitabbau waren und sind auch Gegenstand der Beratungen im Stabilitätsrat und dem von ihm eingesetzten Evaluati-onsausschuss. Der Stabilitätsrat verzichtet zwar auf die Benennung von Kriterien und Schwellenwerten, die das Bestehen einer (extremen) Haushaltsnotlage belegen, leitet jedoch aus einer Kombination von Indikatoren, die die Vorbelastungen der Haushalte (Schuldenstand; Zins-Steuer-Quote) und deren aktuelle Problematik (struktureller Fi-nanzierungssaldo; Kreditfinanzierungsquote) in Ist- und Planwerten abbilden, das

„Drohen“ einer Haushaltsnotlage ab. Der Stabilitätsrat hat in seiner Sitzung am 23. Mai 2011 erstmalig festgestellt, dass in den Ländern Berlin, Bremen, Saarland und Schles-wig-Holstein eine Haushaltsnotlagedroht.

In Abbildung 6 sind aus der hierauf basierenden aktuellen Überprüfungsrunde des Stabilitätsrates (Beschluss: 23. Mai 2011) exemplarisch die aktuellsten Länderwerte des Schuldenstandes (Vorbelastung) und des einwohnerbezogenen Finanzierungssal-dos (aktuelle Problematik) ausgewiesen. Die Koordinaten der Freien Hansestadt

Bre-men und deren Abstand zu den Länderdurchschnitten, aber auch zu den übrigen Konsolidierungsländern und allen anderen Ländern im Sektor „überdurchschnittliche Schulden und überdurchschnittliches Defizit“ dokumentieren den extremen Grad der Haushaltsnotlage Bremens.

Senatorin für Finanzen, Referat 20

Abb. 6: Kennzahlen zur Ermittlung einer drohenden Haushaltsnotlage Länderwerte 2010 gemäß Stabilitätsrat

*

Freie Hansestadt Bremen

rote Punkte:Konsolidierungsländer (HB, BE, SL, SH, ST)

(c) SfF, 2010-35 0

-2.000 -1.750 -1.500 -1.250 -1.000 -750 -500 -250 0 250

aktuelle Problematik Finanzierungssaldo je Einwohner

VorbelastungSchulden je Einwohne

t

Bremen

nderdurchschnit r

Länderdurchschnitt

Bestätigt wird dieser Sachverhalt durch Modellrechnungen der „Zentralen Datenstelle der Landesfinanzminister“ (ZDL), die für den Stabilitätsrat die – bei identischen An-nahmen zur Einnahmeentwicklung – zulässige Ausgabenentwicklung der einzelnen Länder zur Erreichung ausgeglichener Haushalte 2020 ermittelt hat: Bei einer unter-stellten Inflationsrate von 1,5 % p. a. und einem Zinssatz von 4,0 % sinken die Primär-ausgaben der Länder bei zielbezogener Ausgabenentwicklung bis 2020 demnach real auf 96 % des Ausgangsniveaus 2010. Für Bremen ergäbe sich unter diesen Annah-men – verstärkt durch überproportionale Zinsausgaben (ohne Gegenrechnung der Konsolidierungshilfen) – ein notwendiger realer Abbau der Leistungsausgaben um rd. 25 %.

Der Grad der bestehenden Haushaltsnotlage, die hierfür maßgeblichen Ursachen und die Modellrechnungen zu den theoretischen Anforderungen für eine Befreiung des Landes aus der Haushaltsnotlage allein durch eigene Anstrengungen verdeutlichen, dass die Freie Hansestadt Bremen neben dem uneingeschränkt zu leistenden Eigen-beitrag zur Haushaltssanierung für eine tatsächliche und dauerhafte Konsolidierung ih-rer Haushalte weitere strukturell wirksame Entlastungen benötigt. Ohne Lösung der Altschuldenproblematik und ohne adäquate Abbildung der besonderen, vor al-lem im kommunalen Bereich bestehenden Probal-lemlagen (vgl. 2.4.) in der Finanzaus-stattung des Stadtstaates ist eine dauerhafte Überwindung der massiven Haushalts-probleme des Landes nicht zu erreichen. Die hierfür notwendigen Weichenstellungen sind – nach entsprechenden Verhandlungen mit Bund und Ländern – spätestens zur vorgesehenen Novellierung des bundesstaatlichen Finanzausgleich im Jahr 2019 vor-zunehmen, d.h. parallel zum laufenden Konsolidierungsprozess vorzubereiten.

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