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Flink war einmal, jetzt ist Hermann da: Die Luzerner Mundartband wird unterstützt von einer Beatmaschine

und hat eben ihr Debüt auf Kassettli veröffentlicht.

Hermann und ihr viertes Bandmitglied: der Rhythm Ace FR-1. Bild: zvg

«Im Lift ufe»

Der Gesang fügt sich tipptopp in dieses halbfertige, retromässige Hermann-Konstrukt zum Mitwippen. Besonders schön gelingt das in Nummern wie

«Stillstand», «Plakat» oder «D’Ironie esch jetzt verbi», wo das Repetitive einen schönen Sog entwickelt. Etwas aus dem Rahmen fällt der Song «Diktatur» mit seinem Sprechgesang und dem Gute-Laune-Weltverbesserungs-Text.

Bei Hermann gestaltet sich das Texten spielerisch, aus dem Moment heraus und oft gemeinsam: «Ich kann nicht im stillen Kämmerlein sitzen und Texte schreiben», sagt Winkler, dafür sei er viel zu ungeduldig. So kam es, dass sie den Text zu «Lift» am letzten der vier Studiotage noch schnell schrieben. Weil sie nicht erwartet hatten, dass sie so viele Songs einspielen. Nun ist «Lift» einer der rundesten und luftigsten Songs auf dem Debüt: «Im Lift ufe, ech weiss ned genau i wele Stock. Im Lift ufe.»

Jonas Wydler

Hermann: Hermann (Eigenvertrieb, erhältlich auf Kassette und bald auf Vinyl: hrmnn.bandcamp.com)

Live: Mitternachtskonzert, FR 18. August, Schüür, Luzern

40 I S T D A S J A Z Z ?

Nei du!

Ach, das Blue Balls Festival. Da gibt es immer etwas zu meckern. Manche sehen darin den provinziellen Versuch, Luzern kulturgeografisch etwas näher nach Montreux zu rücken. Andere enervieren sich über Hinterländler, die während der neun Festivaltage gleich wagonweise angerollt werden, um überteuertes Importbier zu saufen. Die diesjäh-rige Ausgabe bietet Schandmäulern frisches Kanonenfutter:

einen Xavier Naidoo, der sich auf der Suche nach der uni-versellen Wahrheit immer tiefer im Wald der Verwirrten verirrt. Auf dem neuen Album seiner Söhne Mannheims bedient er sich Begrifflichkeiten, die sonst politischen Quer-einsteigern von der AfD und Konsorten vorbehalten sind.

Vom deutschen Feuilleton gab’s dafür mit der Nazikeule aufs Maul, in Mannheim hat der Oberbürgermeister die einst so intakte Beziehung zu den Musikern gekappt, nur noch ein einsamer NPD-Stadtrat hält ihnen in der Heimat die Stange.

Am 21. Juli lässt das Blue Balls Festival Naidoo im KKL auftreten. Nun ja, was ist dagegen einzuwenden? Ist ja alles strafrechtlich okay, weil Meinungsfreiheit. Genauso steht es einem zu, sich nur noch mit Kartoffelsäcken zu kleiden. Das verstösst ebenfalls gegen keine rechtliche Norm, ist aber ein-fach etwas beschämend. Man könnte Naidoo also als eine Art Kartoffelsackgewand des Blue Balls verstehen.

Bleibt die Frage, wieso das Festival dieses Gewand seit Jah-ren trägt und sich weigert, es abzustreifen. Mit den Söhnen Mannheims wird bekanntlich bereits seit Jahren abgekum-pelt. Es ist eine Freundschaft, die beiden Parteien reichlich Geld in die Kassen spülen dürfte. Naidoos Konzerte sind oft ausverkauft. Auch der KKL-Gig wird es wohl sein. Schliess-lich beackert Naidoo längst ein lukratives Wirtschaftsfeld – den Markt der Treudoofen. Er besteht aus Kunden, deren Leben aus derart viel Leere besteht, dass sie sich nichts sehn-licher wünschen als einen Ast, an dem sie sich vor dem end-gültigen Nichts retten können. Ihre Verzweiflung macht sie für Musik anfällig, die pathetischen Kitsch mit Inhalten vereint, die auch nach dem zehnten überteuerten Import-bier zu verstehen sind. Zu Naidoos Nebenbuhlern gehören Aushängeschilder des schlechten Geschmacks wie die Böh-sen Onkelz oder Frei.Wild. Vielleicht wird uns aber auch Gölä vom nächsten Blue-Balls-Plakat entgegenstarren.

Martin Erdmann

Abwechselnd schreiben Martin Erdmann und Stefan Zihlmann in der Kolumne «Ist das Jazz?» über ein Musikthema und ordnen ein und aus.

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SOUNDS

ALPEN-COUNTRY FÜR DIE DORFDISCO

Die Schweizer Volksmusik erlebt seit Jahren einen Popularitätsschub (siehe auch unsere Hintergrundgeschichte S. 18). Und das hat viel mit Kapellen wie Zuckdraht zu tun. Das Quartett aus Nidwalden modernisiert die Länd-lermusik, die ja seit jeher eine Tanzmusik ist, mit Pop-Elementen zu einem lüpfigen Mix. Adrian Würsch (Schwyzerörgeli) und die beiden Brüder Linus (Gitarre) und Lukas Bircher (Kontrabass) begannen 2009 zusammen zu musizieren. Drei Jahre später stiess Schlagzeuger Roli Würsch dazu und mit ihm und seinem Instrument floss noch mehr Pop und Rock in ihren Sound. Oder auch Disco, wie im Stück «Jump’n’run (back to the 80ies)», in der ein gut geölter Basslauf auf das virtuose Örgelispiel von Würsch trifft.

Aber sie können auch traditioneller, wie im Stück «ON», einem «Western-Schottisch», so Adrian Würsch. Ihre Interpretation von Volksmusik wird wohl nicht nur Traditionalisten irritieren, sondern auch die vielen Musiker aus der Jazz-Ecke, die in den letzten Jahren einen neue Seriosität in dieses Genre brachten. Zuckdrahts Mission ist eine andere: eine verspielte Ausge-lassenheit wieder zurück in die Tanzstuben zu bringen. Und das schaffen sie mit Bravour. (zis)

GEKONNT UND GELÄUTERT

2013 feierten Ophelia’s Iron Vest auf ihrer zweiten Platte «The Drinking Side» den Alkohol, jetzt geben sie sich geläutert und gottnah: «Prepare to meet thy god», mahnen die fünf Luzerner auf dem Cover ihres neuen Al-bums «The Holy Gospel Of Country Music». Ohne es bierernst zu meinen.

Die Band, die schon mehr als zehn Jahre auf dem Buckel hat, flunkert gerne und behauptet etwa, aus dem (imaginären) Spice River Valley zu stammen. Obschon das Werk mit besinnlichen Orgeltönen beginnt, fokus-sieren Ophelia’s Iron Vest rasch auf ihre Kernkompetenzen Country und Bluegrass. Während «It’s The Devil Who Made Electro Music» entspannt vor sich hinwalzert und von sündigen Sounds kündet, erfreut sich «If You Ever Get Tired (Of Country Songs)» an seinem Honky-Tonk-Kleid. Pop und Rock müssen bei der Formation so gut wie aussen vor bleiben, lieber lässt man die Pedal-Steel-Gitarre leise lamentieren oder verleiht dem Bass ordentlich Twang. Das Ergebnis? Zehn flotte Songs, die mit Patina aufwar-ten, ohne anachronistisch zu wirken. (mig)

VON A BIS Z

Pink Spider, eigentlich: Valerie Kolosza´r, verzichtet auf ihrer neuen EP «Fern»

auf kolossale Arrangements und bevorzugt stattdessen das Reduzierte. Um ihre vier Songs einzuspielen, benötigte die Luzernerin nebst einem Raum gerade mal noch Mikrofon, Gitarre, Keyboard und Laptop. Diese Ausstat-tung genügte ihr, um den kurzen Nachfolger ihres 2014er-Albums «The Hunch» zu vollenden. Im melancholischen «Heavy Heart» fragt sich Pink Spider mit warmer und bisweilen brüchiger Stimme, wann die Liebe denn letztmals zu Besuch war. Dabei klingt sie nicht niedergeschlagen, sondern wissbegierig. Das anschliessende «Lament» hingegen trägt seine Schwermut demonstrativ vor sich her. Die Singer-Songwriterin, deren aktuelle Stücke sich insbesondere ums Abschiednehmen drehen, hat nach wie vor ein Flair für Lo-Fi. Weil ihr Sound vergleichsweise still, leise und zurückhaltend scheppert, büsst die Platte nie an Wärme ein. Vielmehr durchströmt diese das Werk dergestalt, dass man sich von der Musik aufgehoben fühlt – und zwar von A bis Z. (mig)

CHICAGO SEI DANK!

Im vergangenen Jahr gewann Dominic Hirschi alias Dominic Schoemaker die Promo Blues Night in Basel, worauf er nach Chicago reiste. Dort suchte er den heute 86-jährigen Bassisten Bob Stroger auf, einst in den Diensten von Blues-Grössen wie Eddie King oder Otis Rush. Nachdem er während dreier Monate gemeinsam mit Stroger durch die Clubs getingelt war, fasste Schoemaker den Entschluss, sich einzig der Musik zu verschreiben. Mit

«Downtown Stories» legt der frühere Gitarrist und Sänger von Cattlefood jetzt sein Debüt vor. Die sieben Songs verhehlen nicht, wie sehr sich der Luzerner vom Chicago Blues hat inspirieren lassen: Ganz genregemäss zeigen sich sowohl «Alley Cat» als auch «Listen» muskulös, erdig und von der elektrischen Gitarre dominiert. Dagegen präsentiert sich «Crazy Wo-man» minimal melancholisch und zu aalglatt, da gefällt das vom Reggae angehauchte «I’d Like» weitaus besser. Mit diesem Stück legt der 23-Jäh-rige nicht nur eindrücklich seine musikalische Neugier, sondern auch sein kreatives Können dar. (mig)

Zuckdraht: ON (zuckdraht.ch) Ophelia’s Iron Vest: The Holy Gospel

Of Country Music

(www.facebook.com/opheliasironvest)

Pink Spider: Fern (Little Jig Records)

Dominic Schoemaker: Downtown Stories (www.dominicschoemaker.com)

Wir verlosen ein Exemplar des Albums «ON». Schicken Sie einfach eine Mail mit Betreff «I am ON» sowie Postadresse an weingartner@kulturmagazin.ch und schon nehmen Sie an der Verlosung teil. Wir wünschen viel Glück!

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Sommer