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Bellevue! Malerei, Fotografie und die Kunst des Sich-Zeit-Nehmens

Die Ausstellung «Bellevue» widmet sich zwei Künstlern, die sich besonders mit der Luzerner Landschaft im Bild auseinandergesetzt und sich Zeit für ihre genaue Betrachtung genommen haben:

Einerseits dem Landschaftsmaler Robert Zünd, bekannt auch als Meister des Buchenblattes, und andererseits Tobias Madörin, dem Schweizer Fotografen, der sich für die Landschaftsfotografie im zeitgenössischen Sinne interessiert.

Es wird gemunkelt, dass es vor vielen, vielen Jahren eine Zeit im Kunstmuseum Luzern gab, da einige Besucher fast nur aus einem Grund immer wieder hierhin pilgerten, nämlich um «den Eichwald»

von Robert Zünd zu bestaunen. Und an Gerüchten scheint wohl immer etwas Wahres zu haften. Unbestritten ist, dass Robert Zünd wohl als der bedeutendste Luzerner Landschaftsmaler des 19. Jahr-hunderts gilt – sicherlich zu Recht. Und auch die Serie der «Eichen-wälder» darf zudem als Gruppe von Schlüsselwerken seiner Arbeit betrachtet werden. Das Gemälde «Eichwald» aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern bildet eine scheinbar unspektakuläre Ansicht des Eichwaldes mit schier unfassbarem Detailreichtum ab – als wollte Zünd eine Fotografie übertreffen! Es zeigt die gegen den Himmel strebenden Bäume in einem perfekten von der Sonne erzeugten Lichtspiel und den bewachsenen Waldboden mit solcher Klarheit und Schärfe, dass es seine Betrachter regelrecht gefangen nimmt und ins Bild verführt. Und ja, wer Zünds «Eichwald» einmal

Das Kunstmuseum Luzern lädt zur Ausstellung «Robert Zünd (1827–1909), Tobias Madörin (*1965).

Bellevue.» und stellt dafür Fototableaus des Schweizer Fotografen Madörin den Gemälden des Land-schaftsmalers Zünd gegenüber – ein Dialog, der Spannung verspricht.

Bellevue! Malerei, Fotografie und die Kunst des Sich-Zeit-Nehmens

genauer angeschaut hat, wird den realen Eichwald für immer mit anderen Augen sehen.

Nach seinen Lehrjahren, unter anderem als Schüler beim Maler François Diday in Genf, hielt Zünd nichts davon, wie sein Malerfreund Rudolf Koller, im Ausland, etwa in Italien, Neues zu entdecken.

1862 fand Zünd einen Bauplatz an der Peripherie Luzerns, wo er an der Moosmattstrasse 13 ein Haus errichtete. Fortan konzentrierte sich Zünd auf seine Umgebung, auf die Luzerner Landschaft. «Mit der Gewohnheit eines Sonntagsmalers», wie Fanni Fetzer, die Kuratorin der Ausstellung und Direktorin des Kunstmuseums, schmunzelnd beifügt, malte Zünd nun viele Ansichten Luzerns, wie die Schellenmatt, Landschaft am Vierwaldstättersee bei Ennethorw, den Hirtenhof, Blick auf Luzern vom Stollberg, bei Tribschen am Vierwaldstättersee und blendete dabei die fortschreitende Industri-alisierung, und somit auch die aufkommende Tourismus-Industrie Luzerns, komplett aus. Zünd blickt daher quasi von der Stadt hinaus in die «heile Landschaft». Mit der Idee Fetzers, den Gemälden Zünds zeitgenössische Landschaftsfotografien des Schweizer Fotografen Madörin gegenüber zustellen, spannt die Kuratorin nun ein neues Entdeckungsfeld auf, in dem die Landschaftsdarstellungen des 19.

Jahrhunderts mit jenen der Gegenwart, Malerei mit Fotografie oder die unterschiedlichen künstlerischen Arbeitstechniken in der Landschaftsdarstellung von damals und heute in Kontexte gestellt

Zweimal Eichwald. Oben Zünd, Sammlung des Kunstmuseums Luzern, unten Madörin, 2016.

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KUNST

und so landschaftliche Veränderungen sowie auch gesellschaftliche Entwicklungen unserer nächsten Umgebung sichtbar gemacht werden.

Wie Städte in die Landschaft wachsen

Dieser Umstand ist zugleich Anknüpfungspunkt an die fotografischen Arbeiten von Tobias Madörin. Der Fotograf sieht sich unter anderem in der Tradition der Bewegung «New Topographic Movement» und somit jener Fotografengruppe, die sich in den

1970er-Jahren formierte und gerade nicht von der Stadt in die heile Landschaft hinausblickt, sondern ihre Aufmerksamkeit auf die von Menschenhand veränderte Landschaft richtet.

In diesem Sinne schaut Madörin nicht aus der Stadt hinaus, sondern eher aus der Landschaft her in Richtung Stadt. 2014 legte Madörin um-fangreiche fotografische Arbeiten vor, für die

er sich über 20 Jahre Zeit genommen hatte und die unter dem Titel

«Topos» in einem gehaltvollen Bildband erschienen sind. Madörin scheint das Reisen aber nicht zuwiderzulaufen und so finden sich in seinem Œuvre Aufnahmen, die zeigen, wie die Städte Rio de Janeiro, Benidorm (Spanien), Beirut, Kuala Lumpur (Malaysien) u.v.a. in die Landschaft hineinwachsen. Wolkenkratzer, Sendetürme, Strassensysteme und Menschen fügen sich darin in die Landschaft ein, nicht störend, jedoch unaufhaltsam. Für die kommende Aus-stellung «Bellevue» lässt (beachte das Präsens) sich der Fotograf in seiner Arbeit von den «malerischen» Ansichten Zünds inspirieren.

Madörins Werkzeug ist dabei die analoge Grossbildkamera, also ein wahres Ungetüm von einem Fotoapparat, für dessen Aufbau von Stativ, Gestell, mit Linsenhalterung und Linse, Faltenbalg und Mattscheibe sowie für das Füllen der Filmkassetten mit Blattfilmen usw. ein grosses Können nötig ist. Wer mit einem solchen Werkzeug arbeitet, «der bringt Geduld mit», sagt Madörin selber, wird aber mit Fotografien von überwältigender Qualität belohnt. Seit 2016 besucht der Fotograf jene Orte um Luzern, die Zünd schon vor über hundert Jahren für seine Landschaftsmalerei aufsuchte. Madörin nimmt sich aber auch die Freiheit, eigene fotografische Ansichten in der Umgebung zu entdecken und festzuhalten. Beim «Blick auf Luzern vom Stollberg», einer bekannten Ansicht Zünds, nahm sich Madörin besonders viel Zeit, die Landschaft neu ins Bild zu rücken, sodass er sich im Haus «Alpenblick» den Zugang zu ver-schiedensten Balkonen erfragte, um seine Kamera in die richtige Position zu bringen. Die Bewohner fragten offenbar nachher, ob die Aufnahme gemacht werden konnte, worauf Madörin meinte, dass das Tageslicht noch nicht das richtige gewesen sei. Der Fotograf will die Aufnahme zum richtigen Zeitpunkt nochmals wiederholen.

Mit Humor erzählte er auch, vom «Alpenblick» seien die Alpen überhaupt nicht zu entdecken gewesen.

Making-of-Raum

In einer Sache sind die beiden Künstler, Zünd und Madörin, neben der Tatsache, dass sie Luzerns Landschaft als Sujet akribisch in ihren Fokus genommen haben, besonders vereint, nämlich dadurch, dass sie sich die Kunst des Sich-Zeit-Nehmens beim Bildermachen angeeignet haben. Oder anders gesagt, Zünds genauso wie Madörins

Werken gehen langwierige und minutiöse Vorarbeiten voraus. Es wird gesucht, überlegt, skizziert, verworfen, es werden Vorstudien erstellt, es wird gehadert, korrigiert und wieder verworfen usw.

So ist das Ziel dieser Künstler nur das Endprodukt, das richtige Kunstwerk! Bei Zünd das Tableau (Gemälde), bei Madörin die

«echte» Aufnahme und das Fototableau bei Ausstellungen. Es ist beispielsweise bei Zünd überliefert, dass er seine Studien «sorglich gehütet» hat und sie unter keinen Umständen weggeben wollte (vgl. Susanne Neubauer, 2004). Gemäss Fetzer gibt es daher einen Making-of-Raum in der Ausstellung, in dem die Vorarbeiten der beiden Künstler ihren Platz haben. Dazu gehören Ölstudien, Vorzeichnungen (teilweise in Ras-termethode ausgeführt) und schon modern anmutende Hinterglasmalereien Zünds sowie auch fotografische Studien in digitaler Form und als Schwarz-Weiss-Aufnahmen Madörins.

Für die Kuratorin Fetzer verbindet den Maler und den Fotografen vor allem die Genauigkeit des Blicks. «So sind das Schauen, der Blick, kurz die Bildkompetenz das eigentliche Thema der Ausstel-lung», schreibt sie.

Und Madörin teilte telefonisch mit, er sei zurzeit (bei Redakti-onsschluss) auf dem Weg nach Alptor, an jenen Ort im Muotathal, wo er den «richtigen Urwald» vermute. (... Lachen ist zu hören!) Patrick Blank

Zur Ausstellung erscheint der Katalog: «Robert Zünd (1827–1909), Tobias Madörin (*1965). Bellevue. Fanni Fetzer, Kunstmuseum Luzern (Hrsg.). Mit Beiträgen von Fanni Fetzer, Dominik Müller und Jonathan Steinberg. Scheid-egger & Spiess, Zürich 2017. Deutsch und Englisch, 128 Seiten, 84 farb.

Abb. Fr. 49.–

Ein Fototableau Madörins ist zurzeit auch in der Ausstellung «Stadion Klein-feld – Friedhof der Favoriten» im Museum im Bellpark in Kriens (bis SO 29.

April 2018) zu sehen. Es zeigt die gesamte Juniorenabteilung des Sportclubs Kriens und wurde für die Ausstellung «Verein – ein Zukunftsmodell» (Museum im Bellpark 2003/2004) aufgenommen.

Bellevue, SA 8. Juli bis SO 15. Oktober, Kunstmuseum, Luzern Vernissage: FR 7. Juli, 18.30 Uhr

Sankturbanhof Sursee, Entlebucher Kunstverein, Entlebucherhaus und ArtWillisau zeigen gemeinsam von Ende Januar bis Mitte März 2018 eine jurierte Ausstellung an mehreren Orten.

Teilnahmeberechtigt sind alle Kunstschaffenden, die in der Luzerner Landschaft wohnen, bzw. heimatberechtigt sind, oder einen engen Bezug zur Region haben.

Der Bezug ist auch gegeben, wenn künstlerische Arbeiten auf Orte oder Themen der Region eingehen. Die Ausstellung steht KünsterInnen aller Sparten (Malerei, Zeichnung, Skulptur, Fotografie, audio-visuelle Medien, Installationen, Performance etc.) offen.

Interessierte KünstlerInnen reichen bis zum 18 . 10 . 2017 eine Dokumentation mit bis zu drei Werkvorschlägen ein. Die detaillierten Bewerbungsunterlagen sind ab Juli auf sankturbanhof.ch abrufbar.

AUSSCHREIBUNG

‹AKTUELLE KUNST 2018 – LUZERNER LANDSCHAFT›

«So sind das Schauen, der Blick, kurz die Bild-kompetenz das eigentliche Thema der Ausstellung.»

Kuratorin Fanni Fetzer

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KUNST

Leibhaftig begegnete Suzie Maeder der Kunst an der Luzerner Hal-denstrasse 11. Als Zehnjährige zog es sie immer wieder in die Galerie Rosengart, stand fasziniert vor den ausgestellten Werken. Nach der Matura wurde Suzie Maeder aber nicht bildende Künstlerin. Die Fotografie hatte es ihr angetan, die Kunst und das Handwerk, etwas festzuhalten, das im stets wechselnden Licht immer einmalig bleibt.

Sie zog nach London, wo sie ihre Studien am Royal College of Arts mit einem Master abschloss und sich als freischaffende Fotografin in der klassischen Musikszene etablierte. Mit ihrer zurückhalten-den, aber umso intensiveren Präsenz gewann sie das Vertrauen der Musiker und der Dirigenten. Für das English Chamber Orchestra und das London Symphony Orchestra wurde sie zur Hoffotografin.

Ihre Porträts unzähliger Grössen der Musikwelt – kaum jemandem gelang es eindrücklicher, Leonard Bernstein und Yehudi Menuhin nahe zu kommen – gingen um die Welt und wurden von den grossen Recording Companies für ihre CD- und Plattencovers verwendet.

Kompositionen auf Barytpapier

Was wäre, meldete sich Suzie Maeders seismografisches Gespür für Aussergewöhnliches, wenn sie die Kunst der von ihr porträ-tierten Musiker einmal ganz anders festzuhalten versuchte? Die Musik und nur die Musik sichtbar zu machen, wurde zu ihrer fotografischen Obsession. Im Steinway-Haus in London fand sie in einem Abstellraum eine ausgediente Pianomechanik. Selbst in spärlichem Licht warfen die entblössten Hammerköpfe nie gesehene Schatten. Schwarz-weiss und analog auf einen Film gebannt, in der Dunkelkammer zum Leben erweckt, wurde die Musik wie durch einen Zauber optisch wahrnehmbar. Maeder zerlegte zuerst Pianohämmer, dann Geigen und ihre Bogen, Hörner, Klarinetten, Oboen und Fagotte in ihre primären und sekundären Komponen-ten, rückte sie mit unerwarteten Schatten ins Licht. Im Rotlicht

Die in Luzern aufgewachsene Londoner