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2. Literaturübersicht

2.3 FGF-2 knock-out Mäuse

2.3.1 Herstellung transgener FGF-2 knock-out Mäuse

Die für die Generierung von FGF-2 knock-out Mäusen notwendige gezielte Mutation im FGF-2-Gen wurde von Dr. Thomas Doetschman (Departments of Molecular Genetics, Biochemistry and Microbiology, University of Cincinnati College of Medicine, 231 Bethesda Avenue, Cincinnati, Ohio 45267, USA) entwickelt (ZHOU et al., 1998):

Dabei wurde ein Austauschkonstrukt (replacement construct) hergestellt, welches zwei flankierende homologe Sequenzen enthält, zwischen denen die Mutation sitzt.

Durch ein doppeltes Cross-over in den beiden homologen Regionen wird die Originalsequenz durch die mutierte Sequenz ersetzt.

Doetschman isolierte zunächst aus der permanenten embryonalen Stammzelllinie 129P2/OlaHsd die Plasmid-DNA, welche 6,7 Kilobasen (kb) lang war. Von dieser Plasmid-DNA klonierte er ein 4 kb langes XbaI/BamHI-Fragment in das Bluescript KS II Plasmid (Stratagene, La Jolla, CA). Ein 3,2 kb Hypoxanthin Phosphoribosyl-Transferase (Hprt) Minigen wurde benutzt, um ein 0,5 kb NarI/XbaI-Fragment aus der genomischen FGF-2-DNA auszutauschen. Als Negativ-Marker wurde ein Thymidin-Kinase-Gen am 3’-Ende der genomischen DNA inseriert.

Das Austauschkonstrukt wurde mittels Elektroporation in die embryonale Stammzelllinie E14TG2a transfiziert. 24 Stunden nach Elektroporation wurde mit einem Antibiotikum-haltigen Medium auf stabil transfizierte Zellen selektiert.

Anschließend, 48 Stunden nach Elektroporation, wurde Gancyclovir für 3-5 Tage hinzugegeben, welches vom Negativ-Marker (Thymidin-Kinase) in ein toxisches Produkt umgesetzt wurde. So wurden alle Zellen getötet, die den Negativ-Marker exprimieren, d.h., bei denen es zu keiner homologen Rekombination kam.

Resistente Kolonien wurden durch PCR mit einem Primerpaar für das DNA-Konstrukt getestet. Diese korrekt transfizierten ES-Zellen (E14TG2a), bei denen ein 0,5 kb Abschnitt, der 121 Basenpaare (bp) der proximalen Promotorregion und das komplette erste kodierende Exon enthielt, durch das Hprt-Minigen ersetzt wurde, wurden in Blastocysten (C57BL/6) injiziert. Die Blastocysten wiederum wurden in pseudogravide Ammenmäuse implantiert, welche die Blastozysten austrugen. Die entstandenen Tiere waren Chimären, denn sie enthielten ihr ursprüngliches Erbgut (129P2/OlaHsd) und das Erbgut aus den embryonalen Stammzellen (E14TG2a). Um herauszufinden, ob eine Transmission des DNA-Konstrukts in die Keimbahnzellen stattgefunden hat, wurden die Chimären (F0-Generation) mit dem Maus-Stamm Black Swiss (Taconic Farms, Großbritannien) verpaart. Gemäß der Mendelschen Regeln trugen etwa die Hälfte der daraus entstandenen F1-Generation das DNA-Konstrukt. Homozygote transgene Tiere erhielt man erst in der F2-Generation, die aus der Verpaarung der F1-Tiere hervorgeht. Die Genotypisierung wurde mittels der Schwanzspitzen-PCR mit einem Primerpaar für das FGF-2-Gen und einem weiteren Primerpaar für ein Fragment des Hprt-Minigens durchgeführt. Da die Black Swiss

Mäuselinie keinen genetisch identischen Hintergrund besitzt, musste dieser durch konsequente Bruder-Schwester-Verpaarung über mindestens 20 Generationen geschaffen werden.

2.3.2 Phänotyp der FGF-2 knock-out Mäuse

FGF-2 knock-out Mäuse sind lebensfähig, entwickeln sich völlig unauffällig und erreichen die Geschlechtsreife mit 6-8 Wochen (ORTEGA et al., 1998). Beide Geschlechter sind fertil und produzieren normale Wurfgrößen, die wiederum gesund und unauffällig sind (DONO et al., 1998; ORTEGA et al., 1998; ZHOU et al., 1998).

Die FGF-2 defizienten Mäuse besitzen eine normale Lebenspanne und zeigen weder im Verhalten noch ihrer Morphologie Unterschiede zu Wildtyp-Mäusen (ZHOU et al., 1998). Die Sektion und Untersuchungen von Organen und Geweben ergaben, in Übereinstimmung mit der normalen, gesunden Erscheinung der FGF-2 knock-out Mäuse, keine auffallenden Veränderungen.

Obwohl das Gehirn der FGF-2 knock-out Mäuse makroskopisch keinen Unterschied zu Wildtyp-Mäusen zeigt (ORTEGA et al., 1998), weisen die knock-out Mäuse mikroskopisch sowohl während der embryonalen Entwicklung als auch im Erwachsenenalter Defekte in der Organisation und Differenzierung des cerebralen Cortex auf. So zeigen FGF-2 knock-out Mäuse im Vergleich mit Wildtyp-Mäusen eine um 10% reduzierte Dicke des cerebralen Cortex (DONO et al., 1998). VACCARINO et al. (1999) konnten nachweisen, dass diese Reduktion durch eine Abnahme der Gesamtzellzahl, die sowohl Neurone als auch Astroglia betrifft, zustande kommt.

Schon in FGF-2 defizienten Mäuseembryonen kann am Tag 10,5 eine etwa 60%ige Reduktion von proliferierenden Zellen im pseudostratifizierten ventrikularen Epithelium (PVE) nachgewiesen werden (RABALLO et al., 2000). Man fand heraus, dass FGF-2 für die Entwicklung von cortikalen Progenitoren im dorsalen PVE notwendig ist. Das PVE ist an der Ausbildung des cerebralen Cortex beteiligt, indem es in cortikale Projektionsneurone differenziert und soll demnach hauptsächlich dazu

beitragen, dass glutamaterge pyramidale Zellen aus dem dorsalen Neuroepithelium radiär in die cortikale Platte einwandern (TAN et al., 1998). Das Fehlen von FGF-2 in diesem Entwicklungsstadium führt dazu, dass weniger glutamaterge pyramidale Zellen in die cortikale Platte einwandern. Dieses Ergebnis deckt sich mit Untersuchungen von KORADA et al. (2002). Sie fanden heraus, dass adulte FGF-2 knock-out Mäuse eine 40%ige Abnahme der glutamatergen pyramidalen Neurone im frontalen und parietalen Cortex, nicht aber im occipitalen Cortex aufweisen. Andere Zellen, wie z.B. cortikale GABA-Interneurone, sind nicht verändert. Auch sind die pyramidalen Zellen in FGF-2 defizienten Mäusen deutlich kleiner als in Wildtyp-Mäusen. Im frontalen Cortex von Wildtyp-Mäusen variiert die Zellgröße zwischen 151-200 µm². Dabei sind etwa 65% der pyramidalen Neurone größer als 151 µm². In FGF-2 knock-out Mäusen sind nur 38% der pyramidalen Neurone größer als 151 µm². FGF-2 ist also notwendig für die Regulation der Anzahl und Größe der glutamatergen pyramidalen Neurone im frontalen und parietalen Cortex. Aufgrund dieser Ergebnisse vermutete die Arbeitsgruppe, dass FGF-2 knock-out Mäuse im cerebralen Cortex eine Imbalance zwischen exzitatorischen (glutamatergen) und inhibitorischen Neuronen (GABA) besitzen und zeigten, dass die knock-out Mäuse bei Applikation von Pentobarbital (einem GABA-Rezeptor-Agonisten) einen verlängerten Nachschlaf haben. Die Defekte der FGF-2 knock-out Mäuse sind jedoch nicht nur auf den cerebralen Cortex beschränkt.

FGF-2-defiziente Mäuse weisen im Durchschnitt einen um 10 mmHg niedrigeren Blutdruck als Wildtyp-Tiere auf (DONO et al., 1998; ZHOU et al., 1998). Dieser hypotensive Phänotyp ist überraschend, da vorherige Studien gezeigt haben, dass exogen appliziertes FGF-2 eine Hypotension in normotensiven und hypertensiven Tieren hervorrief (CUEVAS et al., 1991; LAZAROUS et al., 1995). Mehrere Untersuchungen sprechen dafür, dass es sich bei dem reduzierten Blutdruck von FGF-2 knock-out Mäusen um die Konsequenz einer autonomen Dysfunktion, die mit Hypotension assoziiert ist, handelt (BANNISTER, 1988). Nach chronischer Angiotensin II-Infusion zeigen FGF-2 defiziente Mäuse einen übertriebenen Anstieg des Blutdruckes, weshalb die Ursache für den niedrigen Blutdruck keine chronische

glatte Muskel- und/oder Myocardinsuffizienz sein kann (DONO et al., 1998). Bei akuter Isoproterenol-Infusion kommt es in FGF-2 knock-out Mäusen zu einem drastischen Abfall des Blutdruckes, während Wildtyp-Mäuse keine Veränderung zeigen (DONO et al., 1998). In Zusammenhang mit einem beeinträchtigten Anstieg der Herzfrequenz sagt dieses Ergebnis aus, dass die Vasodilatation nicht durch einen Anstieg der sympathischen Nervenaktivität kompensiert wird. Dies ist ein Phänomen, das bei den meisten menschlichen Patienten mit autonomer Dysfunktion auftritt (MATHIAS, 1998). Interessanterweise wird FGF-2 und sein Tyrosinkinase-Rezeptor Typ 1 (FGFR1) in autonomen Wurzelzellen des Nucleus intermediolateralis im thorakalen Rückenmark von Ratten exprimiert (GROTHE und UNSICKER, 1990;

STACHOWIAK et al., 1994; MEISINGER et al., 1996; BLOTTNER et al., 1997) und das Überleben dieser Neurone durch exogen applizierten FGF-2 reguliert (BLOTTNER et al., 1989a; BLOTTNER und BAUMGARTEN, 1992).

Eine weitere Auffälligkeit, die man bei FGF-2 knock-out Mäusen feststellte, ist eine um etwa drei Tage verzögerte Wundheilung. So gibt es zwischen Tag 1 und 7 keinen signifikanten Unterschied in der Wundheilung von knock-out- und Wildtyp- Mäusen.

Die Verzögerung tritt erst in der zweiten Woche der Wundheilung (also ab Tag 14) auf. Bei den Wildtyp-Tieren ist nach 14 Tagen die zugefügten Hautläsionen (eine einzelne kreisrunde Hautstanze, die das gesamte Epithel erfasste; Lokalisation:

mittlerer Rücken) zu 50% verheilt. Knock-out-Tiere zeigen eine 50%ige Heilung der zugefügten Hautläsionen erst nach Tag 17 (ORTEGA et al., 1998).

Als neurotropher Faktor ist FGF-2 auch an der Entwicklung und Regeneration des Nervengewebes beteiligt (GROTHE und NIKKHAH, 2001; DONO, 2003). So zeigen FGF-2 knock-out Mäuse im Vergleich mit Wildtyp-Mäusen eine Woche nach Quetschung des Nervus ischiadicus nahe der Verletzung fünfmal mehr regenerierte, myelinisierte Axone mit erhöhtem Myelin- und Axondurchmesser. Aufgrund der quantitativen Verteilung von Makrophagen und kollabierten Myelinscheiden wird vermutet, dass die Wallersche Degeneration bei FGF-2 knock-out Mäusen schneller als bei Wildtyp-Mäusen abläuft (JUNGNICKEL et al., 2004). Die Abwesenheit von FGF-2 scheint das Überleben und die Regeneration von Nervengewebe zu

beeinflussen. So kommt es nach Axotomie des Nervus ischiadicus bei Wildtyp-Mäusen zu einem normalen Verlust von sensorischen Neuronen (ca. 35%) und zu einer signifikanten Verminderung der Anzahl von calcitonin gene-related peptide (CGRP)-positiven Neuronen ( ca. 69%) in ipsilateralen lumbaren Spinalganglien. Bei FGF-2- und FGFR3 knock-out Mäusen dagegen gibt es keinen offensichtlichen Verlust von Neuronen, und die Anzahl der CGRP-positiven Neurone wird nicht signifikant verringert. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass FGF-2 über den FGFR 3 entscheidend an der Regulation des Überlebens von lumbaren sensorischen Neuronen nach Nervenläsionen beteiligt ist (JUNGNICKEL et al., 2005;

JUNGNICKEL et al., 2006; GROTHE et al., 2006).