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3. Begriff der Strategie

3.1 Das militärische Strategieverständnis

3.1.4 Fazit

Militärische Strategie hat sich als abstrakter Begriff im Laufe der Jahrhunderte verändert und weiterentwickelt. So hat sich im Zeitverlauf vor allem der Betrachtungsrahmen verändert.

Wurden Kriege in der Antike vornehmlich durch große Entscheidungsschlachten gewonnen, die in erster Linie durch das strategische und taktische Talent des Anführers auf räumlich klar abgegrenzten Schlachtfeldern entschieden wurden, vergrößerte sich das Betrachtungs-fenster im Zeitverlauf zunehmend. Neben dem militärischen und politischen Geschehen richtete sich der Fokus zunehmend auch auf die militärische Umwelt, namentlich die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Wissenschaft.

In der Antike war der Strategiebegriff noch sehr auf das abgegrenzte Schlachtfeld begrenzt.

Im Mittelpunkt stand der Feldherr, der alle Informationen zugetragen bekam, diese kognitiv verarbeitete und daraus entsprechende Handlungsoptionen herleitete. Diese Optionen konnte er dank einer klaren Hierarchie und entsprechender Macht selbst zur Ausführung bringen. Ein strategisches Vorgehen verhalf letztlich zu einer qualitativen Überlegenheit, die im Stande war, ein gewisses Maß an quantitativer Unterlegenheit auszugleichen.

Informationsgewinnung, Lagebeurteilung, Vorausdenken, Abwägung und Kalkulation, Antizipation, Organisation und Gliederung sowie direkte Führung lassen sich als charakteristische Elemente dieser Zeit herausarbeiten.

In der Neuzeit wurde der militärische Strategiebegriff maßgeblich von Clausewitz und Jomini weiterentwickelt. Ihre Analysen fußten auf den Feldzügen des Preußenkönigs Friedrich II (1712 – 1786) und dem französischen Kaiser Bonaparte I (vgl. auch Stahel 2004, S.86).

Clausewitz erweiterte den Strategiebegriff, indem er in seiner Theorie unerwartete und unberechenbare Elemente berücksichtigte. Die sogenannten Friktionen machen eine Kalkulation zwar nicht obsolet; müssen aber im strategischen Kalkül berücksichtigt werden.

Um der wachsenden Komplexität gerecht zu werden wurde insbesondere von Jomini der Analyserahmen erweitert und die Welt der Strategie in Ebenen und Hierarchien unterteilt.

In der neueren Geschichte verband der Brite Basil Henry Liddell Hart die Theorien von Jomini und Clausewitz und entwickelte sie unter dem Eindruck eines geänderten politischen Umfelds und neuer technischer Entwicklungen weiter. Er inspirierte damit wiederum strategisch agierende Generäle des Zweiten Weltkrieges wie Rommel, Guderian, Montgomery oder Patton. Nach dem zweiten Weltkrieg und während des Kalten Krieges führten nukleare Auf- und Abrüstung teilweise zu einer Vernachlässigung klassischer Strategieelemente aber gleichzeitig auch zu dessen Weiterentwicklung. So gewannen neben spieltheoretischen Aspekten auch strategische Elemente eine zunehmenden Flexibilität und die Notwendigkeit von Varianten an Bedeutung. André Beaufre soll in dieser Arbeit stellvertretend für eine Reihe von Militärstrategietheoretikern wie Henry Kissinger, Colin Spencer Gray, etc. genannt werden. Vor allem aber nahm auch die Bedeutung einer

erweiterten Umweltbetrachtung und dessen aktiver Einbeziehung stetig zu. Insbesondere der Wirtschaft kam hierbei eine herausragende Rolle zu. Spätestens im Industriezeitalter wurden Kriege zunehmend auch auf den Fließbändern der Fabriken entschieden. Im heutigen Informationszeitalter hat der historisch große Einfluss von Informationen für den Kriegsausgang nochmals an Bedeutung gewonnen. Neben der wirtschaftlichen und (informations-)technologischen Umwelt ist die politische Umwelt für die militärische Strategie essentiell.

Das Verhältnis von Militär und Politik war im historischen Verlauf immer wieder Veränderungen ausgesetzt. Aus rein militärischer Sicht wurde die politische Einflussnahme in der Historie oft als störender Faktor interpretiert, der die Entwicklung und Umsetzung einer militärischen Strategie behinderte. Aus diesem Grund waren in der Geschichte viele Feldherren darum bemüht, die politische und militärische Macht auf sich zu vereinen, um möglichst keine – aus ihrer Sicht störenden – Einflüsse von außen fürchten zu müssen. Dass damit die Strategie auf rein militärische Aspekte begrenzt blieb, die politische Ziele und Lösungen ausschloss, sollte historisch in vielen Fällen in die Katastrophe führen. Heute ist – zumindest unter staatlichen Akteuren – jede militärische Strategie einem politischen Ziel untergeordnet. Die sogenannte Sicherheitspolitik sieht sich auch strategisch neuen Herausforderungen ausgesetzt, da Kriege mehrheitlich nicht mehr zwischen Staaten, sondern zwischen Staaten und nichtstaatlichen Akteuren geführt werden (Asymmetrische Kriege). Für weitere Ausführungen soll an dieser Stelle auf (Mey, 2001) verwiesen werden.

Die folgende Tabelle fasst die beschriebene militärstrategische Entwicklung anhand der identifizierten charakteristischen strategischen Elemente zusammen.

Tabelle 1: Entwicklung strategischer Elemente der militärischen Strategie Epoche Feldherr Strategische Elemente

Antike/

Mittelalter

Sun Tsu Vorausdenken, Abwägung, Lagebeurteilung, Abstraktion Alexander Informationsgewinnung, Timing, Überraschung, Führung Cäsar Netzwerk, Organisation, Hierarchie, Führung, Gliederung Leo Erfahrung, Kalkulation, Antizipation

Neuzeit

Machiavelli Moral, Macht, Legitimation Friedrich I Ermüdung, Täuschung, Manöver

Napoleon Schnelligkeit, Informationsgewinnung, Antizipation Clausewitz Konzentration der Kräfte, Schnelligkeit, Friktionen

Jomini Hierarchie und Interaktion, Zieldefinition & Zielerreichung Neuere

Geschichte

Liddell Hart Flexibilität, Mobilität, Varianten, Optionen, verteilte Kräfte Beauffre Übergeordnete Perspektive, Umweltbetrachtung

Die hier tabellarisch dargestellten charakteristischen Elemente prägen den militärischen Strategiebegriff und sollen später im politischen Kontext betrachtet werden. Zuvor soll jedoch auf das betriebswirtschaftliche Strategieverständnis eingegangen werden, das seine Ursprünge in den 1950er Jahren an der Harvard Business School hat und insbesondere in der Anfangszeit eng an das militärische Strategieverständnis angelehnt war.

3.2 Das betriebswirtschaftliche Strategieverständnis

Bereits die Sprache weist auf eine besondere Verbindung von Ökonomie und Militär hin:

Absatzmärkte werden „erobert“, die Geschäftsführung „gerät unter Beschuss“, es werden

„Störfeuer“ von Wettbewerbern ausgemacht, die Kunden „schießen sich auf etwas ein“ und manchmal geht „im Eifer des Gefechts“ gar „ein Schuss nach hinten los“. Im Marketing ist eine „schlagkräftige“ und „gut gerüstete“ „Truppe“ unabdingbar um „Verkaufsschlachten“ zu

„gewinnen“ und den Wettbewerber zu „torpedieren“. Produkte werden „durchgesetzt“, Märkte

„gehalten“ und sogar „Währungskriege“ geführt (Heidtmann, 2010).

Im Gegensatz zur Sprache fand der Strategiebegriff erst nach dem Zweiten Weltkrieg in den ökonomischen Bereich Einzug. So wurde in den 1950er Jahren, ausgehend von der Harvard Business School, der Begriff der Unternehmensstrategie in die Betriebswirtschaftslehre eingeführt (Welge & Al-Laham, 2003, S. 12). Mitte der 1960er Jahre, etwa zeitgleich mit dem Entstehen erster geschlossener Theoriebeiträge zum Strategischen Management, wurde das Forschungsgebiet auch im deutschen Sprachraum populär (Schreyögg, 1984, S. 77f.). Der Einführung des Begriffs des „strategischen Managements“ als Disziplin der Betriebswirtschaftslehre kann auf eine 1977 an der Universität Pittsburgh abgehaltene Konferenz mit dem Titel „Business Policy and Planning. The state-of-the-Art“ zurückgeführt werden (Welge & Al-Laham, 2003, S. 8).

Wie das militärische Pendant ist auch der ökonomische Strategiebegriff durch eine mangelhafte konzeptionelle Klarheit geprägt. Obwohl die Forschungsbemühungen um eine Theorie des strategischen Managements über zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen hinweg immens sind, findet sich bis heute keine einheitliche Theorie für das Phänomen der Unternehmensstrategie. Welge und Al-Laham führen dies neben dem jungen Alter des Forschungsgebietes auf die „große Komplexität strategischer Phänomene in Unternehmungen“ zurück, die sich aus der Berücksichtigung und Integration verschiedener Funktionen und Organisationen ergibt (Welge & Al-Laham, 2003, S. 12-13).

In Anlehnung an Bresser lassen sich in der Theorie des strategischen Managements zwei Grundströmungen unterscheiden: Eine Grundströmung wird wesentlich von der jüngeren, behavioristischen Managementtheorie beeinflusst, in der betriebswirtschaftliche Strategiefragen vor dem Hintergrund verhaltenswissenschaftlicher Überlegungen beleuchtet

werden. Die Ursprünge dieser Grundströmung finden sich in der Psychologie aber auch der Soziologie und den Politikwissenschaften. Die andere Strömung stützt seine Argumentation auf verschiedene ökonomische Theorien, insbesondere den Ansätzen der Neuen Institutionenökonomie, die auf die Erforschung der Auswirkungen bestimmter Institutionen auf das menschliche Verhalten abzielt. Neben transaktionstheoretischen Überlegungen sind an dieser Stelle vor allem systemtheoretisch-kybernetische und spieltheoretische Ansätze zu nennen (Bresser, 1998, S. 4).