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III. Governance-Debatte und Neoinstitutionalismus: Alternative Erklärungsansätze?

3. NIÖ-basierte governance-Konzepte

3.4 Fazit

„Se ha observado algún tipo de relación entre las reformas económicas y un reforza-miento de la tendencia hacia la fuga (...).“578

Die Art und Weise ihres Zustandekommens und ihrer gestaltenden Umsetzung schaffen je-doch ein Gesamtklima, das für Investitionen und damit für Wachstum und Entwicklung zu-träglich ist oder nicht; da innerhalb dieser Gesamtkonstellation nicht nur Reforminhalte von Bedeutung sind, sondern auch andere - gleichsam „weichere“ - Faktoren, greifen Ansätze, die historische Komponenten unberücksichtigt lassen, notwendigerweise zu kurz. Formen und Ursachen von ‚bad’ governance können nur verstanden werden, wenn sie innerhalb ihres his-torischen Kontextes erfasst werden und hierbei das Erscheinen und Auftreten des Staates in ihre Überlegungen einbeziehen.580 Daraus folgt, dass ‚bad’ governance von Fall zu Fall auch unterschiedliche Hintergründe haben kann, bzw. ‚good’ governance fallweise unterschiedli-cher Strategien bedarf.

4. Der „political credibility“-Ansatz: Grundlage eines umfassenden governance-Konzepts?

Einen möglichen Ansatzpunkt für ein stärkeres Eingehen auf landesspezifische Besonderhei-ten bei gleichzeitiger wenigsBesonderhei-tens teilweiser Lösung von den starken institutionellen Veranke-rungen bietet der „political credibility“-Ansatz Borners, Brunettis und Weders. Auf der Grundlage des Neoinstitutionalismus setzen sie sich mit der Frage auseinander, weshalb in vielen Entwicklungsländern trotz Umsetzung wirtschaftlicher Reformen nachhaltiges Wachs-tum oft ausbleibt. Dabei gehen sie in ihren Überlegungen davon aus, dass hierfür weniger die eigentlichen wirtschaftlichen als vielmehr die politischen Institutionen verantwortlich zu ma-chen seien. Nicht unzureima-chende wirtschaftliche Institutionen behinderten den Schritt „from stabilization to growth“,581 sondern vor allem eine mangelhafte Begrenzung staatlicher und insbesondere exekutiver Macht.

4.1 „Political Credibility“ und „Credible Commitments“

Borner, Brunetti und Weder stellen insbesondere die wirtschaftspolitische Kontinuität in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen:

„You can make money under any policy situation as long as it doesn´t change every fifteen minutes.“582

580 Eine solche Einschätzung vertritt u.a. auch Walter Eucken, der in seinen Arbeiten immer wieder die Notwendigkeit beton-te, „die Enge des eigenen Fachgebiets“ zu überschreiten und dabei darauf hinwies, dass Staats-, Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung eng zusammenhingen. Thomas Fischer: Staat, Recht und Verfassung im Denken von Walter Eucken. Zu den staats- und rechtstheoretischen Grundlagen einer wirtschaftsordnungspolitischen Konzeption, Frankfurt am Main 1993, S. 2 und 87.

581 Silvio Borner, Aymo Brunetti, Beatrice Weder: Institutional Obstacles to Latin American Growth, a.a.O., S. 28.

582 Aussage eines Unternehmers, zitiert bei Silvio Borner, Aymo Brunetti, Beatrice Weder: Political Credibility and Econo-mic Development, a.a.O., IX.

Untergraben werde diese wirtschaftspolitische Kontinuität durch „institutional uncertainity“.

Hierunter verstehen die Autoren ein Umfeld, in dem sich für private Wirtschaftssubjekte in Folge volatiler institutioneller Rahmen Gefahren einer unvorhersehbaren vollständigen oder teilweisen Enteignung ergeben.583 Unter dieser Volatilität litte die politische Glaubwürdigkeit einer Regierung, die so nicht in der Lage sei, die privaten Wirtschaftssubjekte der Kontinuität ihrer wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu versichern. Werde infolge von „uncertainity about the nature and enforcement of the ‚rules of the game’“584 die „political credibility“ nachhaltig gestört, so ihre Überlegungen, dann zeitige dies gravierende Auswirkungen auf Investitions- und Spezialisierungsentscheidungen und damit auf die Wirtschaftsentwicklung allgemein.

Auch Ahrens hebt die besondere Bedeutung eines solchen „credible commitment“ im Rah-men wirtschaftlicher ReforRah-men hervor.585

Hauptursache der politischen Unsicherheiten seien große diskretionäre Spielräume des Staa-tes, und hier insbesondere der exekutiven Gewalt. Die Autoren verweisen dabei exemplarisch auf das Beispiel Boliviens, wo trotz umfangreicher wirtschaftlicher Reformen während der 80er und 90er Jahre keine dauerhafte und deutliche Steigerung der Wachstumsdynamik zu beobachten gewesen sei. Obschon die Regierung potenziellen Investoren per Dekret umfang-reiche entgegenkommende Zusicherungen machte und so formal für günstige Investitionsbe-dingungen sorgte, gelang es ihr nicht, ihre politische Glaubwürdigkeit auf diese Weise zu stärken. Denn ebenso, wie Investorenschutz dekretiert werden könne, sei dieser auf diesem Wege auch wieder aufhebbar: „Credibility can not be established by decree.“586

In Abgrenzung zum „mainstream of economic development theory“587 konzentrieren sich die Autoren daher nicht auf die Effizienz einzelner politischer Maßnahmen, sondern auf die insti-tutionellen Grundlagen ihres Zustandekommens und die mit diesen zusammenhängenden Fra-gen ihrer politischen Glaubwürdigkeit. Ihren Ausdruck findet diese Herangehensweise in der Formel „efficency versus credibility“.588 Insbesondere in den Staaten Lateinamerikas sei dabei ein Mangel an „institutional safeguards“589 festzustellen, der durch auf makroökonomische Stabilisierungen abzielenden Reformgrundsätze wie dem „Washington Consensus“ nicht

583 Silvio Borner, Aymo Brunetti, Beatrice Weder: Institutional Obstacles to Latin American Growth, a.a.O., S. 17.

584 Ebd., S. 5.

585 Joachim Ahrens: Governance and Economic Development. A Comparative Insitutional Approach, a.a.O., S. 138.

586 Aymo Brunetti, Beatrice Weder: Political Credibility and Economic Growth, Basel 1992, S. 4.

587 Ebd., Abstract.

588 Ebd., S. 4.

589 Silvio Borner, Aymo Brunetti, Beatrice Weder: Institutional Obstacles to Latin American Growth, a.a.O., S. 4.

hoben würde und daher wesentliche Ursache der unbefriedigenden wirtschaftlichen Entwick-lung dort sei.590

Dabei gehen die Autoren davon aus, dass mangelnde politische Glaubwürdigkeit gerade bei großen Investitionsvorhaben mit einem sehr langfristigen zeitlichen Horizont besonders prob-lematisch sei, da hier auch ohne einen solchen „discretionary state“591 eine Fülle von kaum zu beeinflussenden Faktoren zu berücksichtigen sei. Bestehe zusätzlich zu diesen Unsicherheiten noch die Möglichkeit, dass sich Planungsvariablen aufgrund willkürlicher staatlicher Eingriffe ständig kurzfristig und unvorhersehbar verändern könnten, so erschwere dies die Planbarkeit wirtschaftlichen Handelns zusätzlich. Für das private Wirtschaftssubjekt ergäben sich vor die-sem Hintergrund drei Handlungsoptionen: Die Investition wird

1. nicht getätigt,

2. in ihrem Volumen deutlich reduziert, oder

3. im Verborgenen ausgeführt (Gang in die Informalität).592

In jeder Hinsicht aber sei das Ergebnis mangelhafter Glaubwürdigkeit eine Verschlechterung des Investitionsklimas mit einer in Folge verschleppten oder reduzierten Investitionstätigkeit im formellen Sektor und einer entsprechenden langfristigen Reduzierung des Wirtschafts-wachstums.593

Auf Grundlage ihrer Überlegungen konstruieren Borner, Brunetti und Weder einen Indikator zur Messung politischer Glaubwürdigkeit, bei dem sie als Variablen insbesondere Ergebnisse aus Umfragen unter Unternehmern in den untersuchten Ländern zu Grunde legen.594 Bei sei-ner Überprüfung gelangen sie zu dem Schluss, dass

„(...) political credibility is a robust determinant of economic growth, and secondly our indicator outperforms all other political variables used in traditional cross-country growth analyses.“595

Dieses Ergebnis ist von besonderer Bedeutung, da es die Möglichkeiten zur Aufzeigung von Verbindungen zwischen politischer und wirtschaftlicher Entwicklung deutlich verbessert.

Durch die Befragung von Unternehmern erhält dieser Indikator einen starken Bezug sowohl

590 „The executive can virtually do whatever it likes, and (...) the only reaction of the people is to try to escape from this unpredicable monopoly of power.“ Aymo Brunetti, Beatrice Weder: Political Credibility and Economic Growth, a.a.O., S.

24.

591 Ebd., S. 26.

592 Silvio Borner, Aymo Brunetti, Beatrice Weder: Political Credibility and Economic Development, a.a.O., S. 28-34.

593 Silvio Borner, Aymo Brunetti, Beatrice Weder: Institutional Obstacles to Latin American Growth, a.a.O., S. 7.

594 Silvio Borner, Aymo Brunetti, Beatrice Weder: Political Credibility and Economic Development, a.a.O., S. 50.

595 Ebd., S. 70 f.

zur Praxis als auch zu jeweiligen landesspezifischen Konstellationen. Hervorzuheben ist dabei insbesondere, dass bei der Frage nach der politischen Glaubwürdigkeit und der Einschätzung der Gefahren wirtschaftspolitischer Volatilität von Vornherein gezielt persönliche Einstellun-gen erfasst werden, die in einem direkten Zusammenhang mit InvestitionsentscheidunEinstellun-gen ste-hen. Dadurch erhebt dieser Indikator nicht nur keinen Anspruch auf eine wie auch immer ge-artete Objektivität, sondern macht seine Subjektivität sogar zu seiner Hauptaussage.