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III. Governance-Debatte und Neoinstitutionalismus: Alternative Erklärungsansätze?

1. Die governance-Diskussion 1 Allgemeine Definition

1.2 Die governance-Definitionen von Weltbank und OECD

Der governance-Auffassung der großen internationalen Geberorganisationen Weltbank und OECD368 ist aus zwei Gründen besondere Bedeutung beizumessen. Erstens, weil die Welt-bank als Vorreiterin und Initiatorin der governance-Diskussion gilt,369 die seither stetig an Bedeutung gewonnen hat. Im weiteren Verlauf der Debatte kam es zu gegenseitiger Befruch-tung der sich sehr nahe stehenden Ansätze von Weltbank und Development Assitance Com-mittee (DAC), die in ihren jeweiligen Definitionen auch oft aufeinander Bezug nehmen.

Zweitens kann die governance-Diskussion, soll sie einen konkreten Nutzen haben, nicht nur auf den akademischen Bereich beschränkt bleiben. Sein Gewicht entfaltet das Konzept insbe-sondere im Rahmen der Politikberatung, was mit seinem Hauptgegenstand: dem staatlichen Handeln und seinen Folgen für wirtschaftliche und soziale Entwicklung, in engem Zusam-menhang steht. Politikberatung auf Staatenebene wiederum wird in besonderem Maße von den großen entwicklungspolitischen Organisationen betrieben, wobei die Weltbank aufgrund ihrer umfangreichen personellen wie finanziellen Ressourcen eine herausragende Rolle spielt.370 Ihre Positionen in der governance-Debatte nehmen so wenigstens hinsichtlich des Praxisbezuges eine zentrale Stellung ein und finden, wie u.a. auch die Leitlinien der deut-schen Entwicklungshilfepolitik zeigen, ihre Entsprechung in nationaler Politik.

366 Jean-Jacques Dethier: Governance and Economic Performance: A Survey, Bonn 1999.

367 Ian Marsh: Economic governance and economic performance, in: Ian Marsh, Jean Blondel, Takashi Inoguchi (Hrsg.):

Democracy, governance, and economic performance. East and Southeast Asia, Tokio 1999, S. 51.

368 Bzw. deren Geberorganisation, dem Development Assistance Commettee (DAC).

369 Thomas Fuster: Die „Good Governance“ Diskussion der Jahre 1989 bis 1994, Bern 1997, S. 11 f.

370 Diese große entwicklungspolitische Rolle der Bretton-Woods-Organisationen ist eine Tatsache, wie die vielen Interventi-onen von Weltbank und Währungsfonds belegen. Wie wünschenswert dieses Gewicht ist und wie gut diese OrganisatiInterventi-onen den ihnen gestellten Anforderungen gerecht werden, ist Gegenstand einer eigenen, sehr umfangreich und oft auch sehr kon-trovers geführten Debatte. Sie hat zahlreiche Publikationen hervorgebracht, auf die hier jedoch nicht weiter eingegangen werden soll.

Die Weltbank verwandte den Begriff governance erstmals in einer Studie aus dem Jahr 1989.

Die Bank regierte damit auf die Beobachtung, dass auf die klassische Wirtschaftstheorie Be-zug nehmende strukturelle Anpassungsprogramme allein offenbar nicht ausreichten, um nachhaltiges Wirtschaftswachstum in sog. Entwicklungsländern zu bewirken. Stärker in den Mittelpunkt der Betrachtungen gerückt werden sollten daher der Staat und seine Handlungs-fähigkeit innerhalb des Entwicklungsprozesses.

Die Weltbank definierte den Begriff governance 1989 als „the exercise of political power to manage a nation´s affairs“.371 1992 führte die Bank eine Konkretisierung hinsichtlich der Ob-jekte und Ziele von governance durch und übernahm die Begriffserklärung aus Webster´s New Universal Unabridged Dictionary: governance könne als „the manner in which power is exercised in the management of a country´s economic and social resources for develop-ment“372 beschrieben werden. Dabei unterschied die Bank zwischen drei Ausdrucksformen der governance in Gestalt des politischen Regimes, seiner Entscheidungs- und Machtaus-übungsformen sowie der Politikplanungs- und -implementierungsfähigkeiten der Regierung.

Hierin folgte sie der OECD, die ihrerseits als wichtigste Regelgrößen von governance identi-fiziert hatte:

„the form of the political regime; the process by which authority is exercised in the management of a country´s economic and social resources; and the capacity of go-vernment to formulate and implement policies and discharge gogo-vernment functi-ons.“373

Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer Definitionsvorschläge,374 die sich teilweise stark an den Vorgaben der Weltbank orientieren. So formulierte das Canada-Asean Governance Inno-vation Network (CAGIN) 1996 in Anlehnung an die Weltbank:

„[G]overnance refers to the institutions, processes and traditions which define how power is exercised, how decisions are made, and how citizens have their say.“375

371 The World Bank: Sub-Saharan Africa. From Crisis to Sustainable Growth, Washington, D.C. 1989, S. 60.

372 The World Bank: Governance and Development, Washington, D.C. 1992, S. 3.

373 George Abed in einem Beitrag zum Seminar Capacity Building, Governance, and Economic Reform in Africa, in: Michel Dessart, Roland Ubogu (Hrsg.): Capacity Building, Governance, and Economic Reform in Africa, Washington, D.C. 2001, S.

42. 374 Zu einer Zusammenstellung gängiger governance-Definitionen siehe Joachim Ahrens: Governance and Economic Deve-lopment. A Comparative Insitutional Approach, Cheltenham 2002, S. 121.

375 Zit. nach Hermann Hill, Helmut Klages (Hrsg.): Good governance und Qualitätsmanagement. Europäische und internatio-nale Entwicklungen, Speyer 2000, S. 5.

Hinsichtlich des Weltbank-Ansatzes wird hier eine wichtige Konkretisierung vorgenommen, indem nicht nur die Ausdrucksformen - die Kanäle - von governance benannt werden, son-dern auch ihre Quellen: Institutionen und Traditionen.376

1.2.1 ‚Good’ und ‚bad’ governance

Die Definitionsvorschläge der Weltbank und der OECD sind weit gefasst und daher schwer zu qualifizieren. Sie umfassen nicht nur die breite Vielfalt staatlicher Handlungen, sondern auch die Strukturen und Quellen staatlicher Macht, die nicht nur institutionell begründet sind, sondern sich auch aus dem komplexen und dynamischen Wechselspiel verschiedenster natio-naler und internationatio-naler Organisationen mit dem Staat ergeben.

Als besondere Herausforderung stellt sich vor allem die Bewertung von governance im Sinne von ‚good’ oder ‚bad’ governance, der insbesondere in der Entwicklungspolitik mittlerweile eine erhebliche Bedeutung zukommt.377 Im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Konzeptes - gerade auch in den Studien der Weltbank - war so die Frage zu klären, was unter zu fördern-den ‚good’ governance zu verstehen sei und worin sich diese äußere: ein in Anbetracht der al-le Staaten der Erde umfassenden Fallgruppe außerordentlich probal-lematisches Unterfangen.

Hill und Kages weisen daher in diesem Zusammenhang auf die Schwierigkeit hin,

„einen, angesichts ihrer Unterschiedlichkeit, für alle gesellschaftlichen und politischen Systeme passenden Rahmen zur Beurteilung guten Staatshandelns zu finden.“378

In der Bemühung um eine möglichst abstrakte und in diesem Sinne breit anwendbare Defini-tion benannte die Weltbank drei Grundelemente von ‚good’ governance: Einen effizienten Staatsdienst, ein zuverlässiges Gerichtswesen und eine gegenüber der Öffentlichkeit verant-wortliche Administration.379

Doch selbst innerhalb der Weltbank bestehen in wichtigen Nuancen unterschiedliche Auffas-sungen zu den Komponenten von ‚good’ governance, was die Schwierigkeiten im Ringen um eine klare und einigermaßen verbindliche Definition unterstreicht. So wies etwa Omar Kab-baj, Präsident der African Development Bank Group, auf einem Seminar des von der

376 Zwar gehen die Zusammenhänge zwischen governance und Institutionen implizit auch aus den Definitionen von Welt-bank und OECD hervor, wenn es etwa um die Regimeform geht; so klar wurden die Zusammenhänge zwischen Institutionen und governance jedoch in den beiden vorgenannten Definitionen nicht beschrieben.

377 Vgl. hierzu etwa OECD (Hrsg.): DAC orientations on participatory development and good governance, Paris 1994, aber auch die Richtlinien der Bundesregierung zur Entwicklungszusammenarbeit.

378 Hermann Hill/Helmut Klages: Good Governance und Qualitätsmanagement. Europäische und internationale Entwicklun-gen, a.a.O., S. 4.

379 The World Bank: Governance and Development, a.a.O., S. 28.

bank mit getragenen Joint Africa Institute in überkommener Weltbank-Manier auf die heraus-ragende Bedeutung einer soliden Finanzpolitik hin, die er ausdrücklich zu den konstituieren-den Charakteristika von ‚good’ governance zählte.380 Währungsfondsberater George Abed hingegen definierte governance auf dem selben Seminar als „the manner in which responsibi-lity is discharged“,381 und umriss ‚good’ governance daher ganz allgemein als

„a condition whereby such a responsibility is discharged in an effective, transparent, and accountable manner (...).“382

Die Weltbank konzentriert sich hinsichtlich ‚good’ governance insbesondere auf vier Haupt-bereiche:

1. die Verbesserung des Managements des öffentlichen Sektors, womit eine Verbesse-rung sowohl der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung als auch bei der Be-reitstellung öffentlicher Dienstleistungen gemeint ist (Public Sector Management);383 2. die Zurechenbarkeit staatlichen Handelns („accountability“), was insbesondere auf

eine Stärkung der Nachvollziehbarkeit und Kontrolle staatlichen Handelns abzielt und die Forderung nach Dezentralisierung und Demokratisierung beinhaltet;384

3. die Schaffung eines entwicklungsfreundlichen Rechtsrahmens, der Unternehmern und Bürgern vor allem Rechtssicherheit und eine verlässliche Planungsgrundlage liefern soll und als „rule of law“ bezeichnet wird;385

4. die Verbesserung von Information und Transparenz, womit auf eine Stärkung der Zugangsmöglichkeiten zu Informationen über staatliches und unternehmerisches Han-deln, insbesondere zur Bekämpfung von Korruptionserscheinungen, abgehoben wird.386

In eine ganz ähnliche Richtung gehen die von der OECD genannten Bedingungen für ‚good’

governance, die in erster Linie die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit, einem effizienten

„Public Sector Management“ und einer effektiven Korruptionskontrolle, sowie auch der Re-duzierung übermäßiger Militärausgaben hervorheben.387 Eine deutlich ausgeprägtere normati-ve Dimension haben jedoch die von der OECD als weiteres Merkmal von ‚good’ gonormati-vernance

380 Omar Kabbaj: Opening Adress, in: Michel Dessart, Roland Ubogu (Hrsg.): Capacity Building, Governance, and Econo-mic Reform in Africa, a.a.O., S. 6.

381 George Abed in einem Beitrag zum Seminar Capacity Building, Governance, and Economic Reform in Africa, in: Michel Dessart, Roland Ubogu (Hrsg.): Capacity Building, Governance, and Economic Reform in Africa, a.a.O., S. 42.

382 Ebd.

383 The World Bank: Governance: The World Bank´s Experience, Washington, D.C. 1994, viii.

384 The World Bank: Governance and Development, a.a.O., S. 13 ff.

385 Ebd., S, 28 ff.

386 Ebd., S, 39 ff.

387 OECD: DAC Orientations on Participatory Development and Good Goverance, a.a.O., S. 14.

formulierten Forderungen nach einer Ausweitung von allgemeinen Partizipationsrechten, ei-ner stärkeren Demokratisierung sowie nach der Respektierung grundlegender Menschen- und Minderheitenrechte.388 Fuster sieht hierin den „politischen Assoziationsbereich von Good Governance“, während sich die Weltbank aufgrund ihres begrenzten Mandats mit ihren For-derungen auf den „administrativen Kernbereich von Good Governance“389 beschränken müs-se.

1.2.2 Vertiefung des Weltbankansatzes

Doch auch die Weltbank hat sich seit 1994, dem Erscheinungsjahr von Fusters Untersuchung, verstärkt in diesen „politischen Assoziationsbereich“ vorgewagt und damit auf Kritik reagiert, ihr governance-Konzept sei „somewhat narrow as it ignored the role of civil society and the importance of political institutions and civil liberties.“390 Entsprechend definiert Abed als Ka-näle von ‚good’ governance:391

1. Die Einhaltung fester konstitutioneller Prinzipien als Organisationsgrundlage des Staa-tes: Hierdurch müsse die Macht der Regierung - etwa durch den Grundsatz der Gewal-tenteilung - begrenzt werden. Die Bevölkerung solle dabei in die Lage versetzt wer-den, über Wahlen am politischen Willensbildungsprozess teilzunehmen und so auch eine Aufsichtsfunktion ausüben zu können.

2. Effiziente Führung des öffentlichen Sektors: Es müsse sichergestellt werden, dass die Finanzmittel der öffentlichen Hand effektiv eingesetzt würden. Auch wenn Regie-rungshandeln oft nicht direkt den Marktkräften unterworfen werden könne, so sollten hier doch wo möglich Marktmechanismen Anwendung finden. Hierzu zählt Abed ins-besondere öffentliche Ausschreibungen und die Aufgabe von einigen Staatsmonopo-len zur effizienzsteigernden Ausweitung des Wettbewerbs. Dies werde auch zu einer Steigerung der Transparenz öffentlichen Handelns beitragen, und darüber auch zu ei-ner Bekämpfung der Korruption.

3. Accountability: Auch Abed bezeichnet die Zurechenbarkeit öffentlicher Handlungen als eine Hauptgrundlage von ‚good’ governance. Er nennt hierfür Beispiele aus Groß-britannien und Australien, bei denen Behördenleiter im Gegenzug für mehr Autono-mie persönlich für die Ergebnisse ihrer Handlungen hafteten, wodurch deren

388 OECD: DAC Orientations on Participatory Development and Good Goverance, a.a.O., S. 9-13, 21 ff.

389 Thomas Fuster: Die „Good Governance“ Diskussion der Jahre 1989 bis 1994, a.a.O., S. 90 ff.

390 George Abed in einem Beitrag zum Seminar Capacity Building, Governance, and Economic Reform in Africa, in: Michel Dessart, Roland Ubogu (Hrsg.): Capacity Building, Governance, and Economic Reform in Africa, a.a.O., S. 42.

391 Ebd.

tungsmotivation gesteigert und die persönliche Verantwortlichkeit klar definiert wür-de.

Im Vergleich zu den früheren Weltbank-Ausführungen zu governance-Aspekten zeigt sich hier eine sehr viel stärkere Konkretisierung, vor allem aber auch eine Aufteilung in zwei zent-rale governance-Bereiche: die Einhaltung grundlegender Verfassungsnormen einerseits und die Schaffung und Wahrung einer verlässlich funktionierenden Verwaltung andrerseits.