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5 Fazit, Ausblick und kritische Reflexion

Im Dokument Bildung = Berufsbildung?! (Seite 155-158)

Unabhängig davon, ob ökonomische, arbeitssoziologische oder gesellschaftliche Ver-änderungstendenzen als Begründungszusammenhang analysiert werden, kristalli-siert sich heraus: Die traditionelle bildungskonzeptionelle, funktionslogische und institutionelle Trennung beruflicher und akademischer (Weiter-)Bildung gerät zu-mindest ins Wanken. Die mitunter emotional aufgeladene Debatte (u. a. „Akademi-sierungswahn“, „Employability“) zeigt, wie nachhaltig die frühe und klare Aufgliede-rung der Bildungswege als zentrales bildungspolitisches Diktum das Nachdenken über das Verhältnis von Berufs- und Hochschulbildung bis heute prägt (Euler 2017, S. 40). Dabei stellt sich vor dem Hintergrund des lerntheoretisch begründeten Prin-zips der Kompetenzorientierung die Frage, „ob beide Bildungsbereiche nicht doch ein kongruentes Verständnis […] haben, da Bildung in beiden Bereichen auf den Transfer bzw. die Anwendung des Erlernten zur Bewältigung komplexer situativer Anforderungen [...] ausgerichtet ist“ (Hanf/Rein 2006, S. 9).

Wie die grundlegende bildungstheoretische Auseinandersetzung zeigt, scheint sich ein bildungsbereichsübergreifender Blick zumindest bildungspolitisch durchzu-setzen und die Anforderungen an ein zeitgemäßes Verständnis flexibler, auf eine in-dividuelle Kompetenzentwicklung ausgerichteter Lernwege zu reflektieren. Mit Blick auf die Forschungsfrage ist zu konstatieren, dass das Prinzip von Kompetenzorien-tierung hierfür den bildungs- und lerntheoretischen Rahmen bilden kann, auf Basis dessen die Akteure der beruflichen und der akademischen Bildung in die Lage ver-setzt werden, sich auf gemeinsame Zielsetzungen und Umsetzungsmöglichkeiten von (beruflichen) Bildungsprozessen zu verständigen. Die Bemühungen der letzten Jahre, reziproke Übergänge zwischen akademischer und beruflicher Bildung zu er-leichtern sowie die Stärken beider Bildungsbereiche durch die Schaffung hybrider Bildungsformate systematisch miteinander zu verbinden, stellen eindeutige Indizien dafür dar. Mit dem Leitbild einer „erweiterten modernen Beruflichkeit“ steht zudem seit einigen Jahren ein Bildungskonzept im Raum, welches das Verhältnis von allge-meiner und beruflicher Bildung neu zu justieren versucht. Ausgehend von der be-gründeten Annahme, dass die bestehende Dualität von (praxisorientierter) Theorie und (reflektierter) Praxis zunehmend den Anteil wissenschaftlicher Erkenntnisse bei der Bewältigung beruflicher Aufgaben erhöhen muss, wird eine Kombination beruf-licher und akademischer Lernwege eingefordert. Dies verlangt zwangläufig einen in-tensiveren Austausch von Akteuren beider Bildungsbereiche, vor allem um gemein-same neue Bildungsformate an dieser Schnittstelle zu entwickeln.

Am Beispiel der Composite-Berufe wird deutlich, wie bildungsbereichsübergrei-fende Lernwege durch Verzahnung von beruflicher und akademischer Weiterbil-dung praktisch umgesetzt werden können. Es zeigt sich, dass es den beteiligten Hochschulen gelingt, im Dialog mit Akteuren der beruflichen Bildung praxisnahe, problemlösungsorientierte, flexible sowie kurzzyklische Weiterbildungsangebote zu positionieren. Bildungspolitisch interessant ist dabei der festgestellte Bedarf an Wei-terbildungsformaten auf DQR-5-Niveau, um die bestehende Lücke zwischen

Erst-ausbildung (DQR 4) und staatlich anerkannten Fortbildungen bzw. dem Bachelorab-schluss (DRQ 6) im deutschen Bildungssystem zu schließen. Vor allem mit Blick auf sich technologisch schnell wandelnde Branchen lässt sich dies dahin gehend inter-pretieren, dass zur Förderung von Spezialisten*innen-Karrieren ein hohes Potenzial für die Verzahnung von beruflicher und hochschulischer Bildung besteht. Aus in-haltlich-didaktischer Perspektive ist allerdings auch festzustellen, dass die curricu-lare Strukturierung von Lerninhalten entlang fachspezifischer Arbeitsprozesse sowie die Gestaltung flexibler, arbeitsprozessintegrierter Lern-/Lehrarrangements konzep-tionell äußerst aufwendig sind. Gleichermaßen herausfordernd stellt sich die lernor-ganisatorische Planung und pädagogische Begleitung von Präsenz- und Selbstlern-phasen dar.

Hinsichtlich der Frage zur Rolle von Hochschulen als Akteure der beruflichen (Weiter-)Bildung markiert das Beispiel eine ebenso spannende wie sicher auch kon-trovers zu diskutierende Zäsur in der deutschen Bildungslandschaft. Obwohl die

„klassischen“ Akteure der beruflichen Bildung systematisch in den Angebotsent-wicklungsprozess eingebunden sind, so beanspruchen letztlich die beteiligten Hoch-schulen als Angebotsträger eine zentrale Rolle im Berufsbildungssystem. Damit bestätigt sich faktisch die von Euler proklamierte Entwicklung von „beruflichen Hochschulen“ im Zuge einer zunehmenden vertikalen Differenzierung des Hoch-schulwesens, die er mit einer Typologisierung von Studiengängen theoretisch be-gründet (Euler 2017, S. 49).

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