• Keine Ergebnisse gefunden

6 Erklärungsversuche: Warum schätzen Betriebsräte ihren eigenen Beitrag auf die Ausbildung als eher gering ein?

Im Dokument Bildung = Berufsbildung?! (Seite 96-99)

Der Einfluss der Betriebsräte auf die Ausgestaltung einer „guten“ Ausbildung wird von allen interviewten Personen als eher gering eingeschätzt. Dies kann unter Um-ständen auf folgende Ursachen zurückgeführt werden:

Leitmotiv Fachkräftesicherung: Dort, wo die Betriebe ihren Bedarf an qualifi-zierten Fachkräften nur noch bedingt über den Arbeitsmarkt decken können, wird die eigene Ausbildung als Investition in die betriebliche Zukunft verstanden. Dieses Investitionsmotiv beinhaltet in erster Linie das Interesse der Betriebe, über ihre eige-nen Ausbildungsaktivitäten nicht nur qualifizierte Fachkräfte mit beruflicher Hand-lungskompetenz, sondern darüber hinaus auch betrieblich sozialisierte Mitarbeiter zu gewinnen, die gelernt haben, sich in das betriebliche Arbeitsregime und Sozialge-füge des Betriebes einzupassen. Eine Ausbildung, die dieses Ziel erreicht, gilt per se als qualitativ „gut“. Wenn darüber hinaus auch der Betriebsrat davon überzeugt ist, dass Ausbildung in der Unternehmenstradition fest verankert ist, sehen Betriebsräte wenig Anlass zu intervenieren, da sich auch ihre Maßstäbe und Kriterien für „gute“

Ausbildung aus dem Berufsbild bzw. der Ausbildungsordnung ableiten.

Einbettung der Aktivitäten in die unternehmerische Steuerungslogik: In der Wahrnehmung dieser Rechte zeigen Betriebsräte in Abhängigkeit von ihren Res-sourcen ein „breit gefächertes Aufgabenverständnis […] in der betrieblichen Ausbil-dung, das nicht nur auf eine bloße Wächter- und Schutzfunktion begrenzt ist“ (Ber-ger 2013, S. 20). Sie befinden sich hierbei in einer zweifachen Rolle: Sie sind die gewählte Interessenvertretung der Beschäftigten, gleichzeitig aber auch dem Be-triebsziel und der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber verpflich-tet. Gerahmt wird dies von der Steuerungslogik im Unternehmen, die betriebsratli-ches Handeln wesentlich mitbestimmt. In den untersuchten mittelständischen Ausbildungsbetrieben werden „familiale“ Steuerungslogiken beschrieben, die durch ein „familienorientiertes“ Betriebsklima charakterisiert sind, in dem alle ungeachtet der Hierarchie „offen und ehrlich“ und „vertrauensvoll Hand in Hand“ bei Ausbil-dungsfragen zusammenarbeiten. Familiale Strukturen als unternehmerische Steue-rungslogik überlagern die strukturbedingten Machtverhältnisse in den betrieblichen Arbeitsbeziehungen, sodass Letztere bei der innerbetrieblichen Kommunikation als solche kaum mehr wahrgenommen werden. Auffällig ist hierbei, dass den befragten Betriebsräten das Agieren in Machtstrukturen durchaus bewusst ist – sie werden jedoch weniger im eigenen Betrieb als in internationalen konzernzugehörigen Un-ternehmen als Risiko für die Ausbildung wahrgenommen Hingegen erwarten die Interviewpersonen der mittelständischen Fallstudienbetriebe, dass Konfliktregulie-rungen im unmittelbaren Gespräch möglich sind. Wenn Fragen der Ausbildung zur Klärung anstehen, nutzen Ausbilder wie Auszubildende unausgesprochen ihre „Pri-märmacht“ als qualifizierte oder angehende Fachkräfte, welche „originär aus der Art der Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den sozialen Parteien im Betrieb erwachse-nen Machtpositioerwachse-nen für einzelne Beschäftigte bzw. Beschäftigtengruppen“ erwächst.

Solange die Ergebnisse dieses familiären Umgangs akzeptiert werden, scheint die Inanspruchnahme des Betriebsrats mit seiner „auf bereits kollektiv erkämpften bzw.

staatlich gesetzten Regelungen und Institutionen“ basierenden „Sekundärmacht“

(Jürgens 1984, S. 61) verzichtbar.

Im Spannungsverhältnis zwischen Überwachung und Intervention von Ausbil-dung: Die Fallstudien zeigen, dass die Betriebsräte wie „betriebsinterne Kontrol-leure“ agieren und über die Durchführung der betrieblichen Ausbildung wachen.

Solange die Betriebe selbst ein starkes Eigeninteresse an „guter“ Ausbildung haben und dadurch gewährleisten, dass die Auszubildenden ihre Ausbildung erfolgreich abschließen, sehen die Betriebsräte keine Veranlassung, darüber hinaus zu interve-nieren – auch ist es möglicherweise diesem Hintergrund geschuldet, dass sie ihren Beitrag auf die Ausbildungsqualität als niedrig einschätzen. Bei gleichbleibenden be-trieblichen Rahmenbedingungen und gleichbleibendem Interesse der Geschäftsfüh-rung an einer auf Ausbildung beruhenden FachkräftesicheGeschäftsfüh-rung ist die Interventions-funktion und die GestaltungsInterventions-funktion des Betriebsrats daher eher unauffällig.

Ändern sich jedoch diese Rahmenbedingungen und wird die Ausbildung auf institu-tioneller oder individueller persönlicher Ebene gefährdet, tragen Betriebsräte dazu bei, die Ausbildung – und auch das Ausbildungsplatzangebot – zu sichern.

Literatur

Backes-Gellner, Uschi/Frick, Bernd/Sadowski, Dieter (1997): Codetermination and Per-sonnel Policies of German Firms: The Influence of Works Councils on Turnover and Further Training. In: International Journal of Human Resource Management, 8 (3), S. 328–47.

Baethge, Martin (1999): Glanz und Elend des deutschen Korporatismus in der Berufsbil-dung. In: WSI-Mitteilungen, 52 (8), S. 489–497.

Berger, Klaus (2013): Zur Handlungsorientierung von Betriebsräten in der betrieblichen Berufsausbildung. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 25, S. 1–22. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe25/berger_bwpat25.pdf (16.08.2018).

Berufsbildungsgesetz vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931). Online: https://www.gesetze-im-internet.de/bbig_2005/BBiG.pdf (16.08.2018).

Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.) (2018): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2018. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Bonn.

Ebbinghaus, Margit (2016): Qualität betrieblicher Berufsausbildung in Deutschland. Wei-terentwicklung bisheriger Ansätze zur Modellbildung aus betrieblicher Perspektive.

Bielefeld.

Jürgens, Ulrich (1984): Die Entwicklung von Macht, Herrschaft und Kontrolle im Betrieb als politischer Prozeß – Eine Problemskizze zur Arbeitspolitik. In: Jürgens, Ulrich/

Naschhold, Frieder (Hrsg.): Arbeitspolitik. Opladen, S. 58–91.

Koch, Benno/Mühlemann, Samuel/Pfeifer, Harald (2018): Do works councils improve the quality of apprenticeship training in Germany? Evidence from workplace data (Paper eingereicht). Online: http://conference.iza.org/conference_files/EmRep_

2018/pfeifer_h4414.pdf (10.08.2018).

Kriechel, Ben/Mühlemann, Samuel/Pfeifer, Harald/Schütte, Miriam (2014): Works Councils, Collective Bargaining, and Apprenticeship Training – Evidence From Ger-man Firms. In: Industrial Relations, 53 (2), S. 199–222.

Liebold, Renate/Trinczek, Rainer (2009): Experteninterview. In: Kühl, Stefan et al. (Hrsg.):

Handbuch Methoden der Organisationsforschung: Quantitative und qualitative Me-thoden. Wiesbaden, S. 32–56.

Niederalt, Michael (2005): Bestimmungsgründe des betrieblichen Ausbildungsverhaltens in Deutschland. In: Friederich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Lehrstuhl für VWL, insbes. Arbeitsmarkt- und Regionalpolitik. Discussion Papers No. 36. Er-langen-Nürnberg.

Pflüger, Jessica/Pongratz, Hans, J./Trinczek, Rainer (2010): Fallstudien in der deutschen Arbeits- und Industriesoziologie. In: Pongratz, Hans J./Trinczek, Rainer (Hrsg.): In-dustriesoziologische Fallstudien. Entwicklungspotenziale einer Forschungsstrategie.

Berlin, S. 23–70.

Pongratz, Hans J./Trinczek, Rainer (2010): Industriesoziologische Fallstudien. Entwick-lungspotenziale einer Forschungsstrategie. Berlin, S. 23–70.

Sachverständigenkommission Kosten und Finanzierung der beruflichen Bildung (1974):

„Kosten und Finanzierung der außerschulischen beruflichen Bildung“. Abschluss-bericht. Bielefeld.

Soskice, David (1994): Reconciling Markets and Institutions: The German Apprenticeship System. In: Lynch, Lisa M. (Hrsg.): Training and the Private Sector. Chicago, S. 25–60.

Statistisches Bundesamt (2018). Online: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Ge samtwirtschaftUmwelt/Arbeitsmarkt/_Doorpage/Indikatoren_QualitaetDerArbeit.

html?cms_gtp=318944_slot%253D5 (16.08.2018).

Streeck, Wolfgang/Hilbert, Josef/van Kevelaer, Karl-Heinz/Maier, Friederike/Weber, Hajo (1987): Steuerung und Regulierung der beruflichen Bildung: Die Rolle der Sozial-partner in der Ausbildung und beruflichen Weiterbildung in der BR Deutschland.

Berlin.

Wenzelmann, Felix/Muehlemann, Samuel/Pfeifer, Harald (2017): The costs of recruiting apprentices: Evidence from German workplace-level data. In: German Journal of Human Resource Management, 31 (2), S. 108–131.

Yin, Robert K. (2006): Mixed Methods research: Are the Methods Genuinely Integrated or merely Parallel? In: Research in the School, Vol. 13, No. , S. 41–47.

Tabellenverzeichnis

Tab. 1 Ausbildungsqualität = Prüfungserfolg (Beispiel: Mittelständisches

Unter-nehmen in der Metall-/Elektroindustrie) . . . . 92 Tab. 2 Outcome-Erwartungen und Verwertungsperspektiven von Ausbildung

(Fallstudienbetrieb A aus der Kfz-Zuliefererindustrie) . . . . 94

Im Dokument Bildung = Berufsbildung?! (Seite 96-99)