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Familienpflegezeitgesetz Rechtsanalyse

Anhang II – Übersicht Länder der Vergleichsanalyse

Fallstudie 9: Familienpflegezeitgesetz Rechtsanalyse

Familienpflegezeitgesetz (FPfZG)

Mit dem FPfZG besteht für Beschäftigte die Möglichkeit, nach Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung über eine Familienpflegezeit mit dem Unternehmen (es besteht kein Rechtsanspruch auf Vereinbarung einer FPfZ), für einen Zeitraum von maximal 2 Jahren die Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden pro Woche zu reduzieren, wenn sie einen nahen Angehörigen pflegen. Wird beispiels-weise die Arbeitszeit um 50 % reduziert, erhalten die Beschäftigten während dieser Pflegephase weiterhin 75 % des letzten Bruttoeinkommens. Zum Ausgleich muss dann im Anschluss in der Nachpflegephase bei 75 % des Gehalts wieder Vollzeit gearbeitet werden, bis die durch den Vor-schuss vorab vergütete Arbeitszeit nachgearbeitet ist. Das Unternehmen kann den zu zahlenden Gehaltsvorschuss durch ein zinsfreies Bundesdarlehen des Bundesamtes für Familie und zivilge-sellschaftliche Aufgaben (BAFzA) finanzieren. Die Entgeltaufstockung erfolgt zu Lasten von Wert-guthaben (vgl. §§ 7b ff. SGB IV), also Zeitwertkonten, in denen einerseits der durch den Gehalts-vorschuss (die Aufstockung) aufwachsende negative Saldo während der Pflegephase und ande-rerseits der Ausgleich durch den Einbehalt von Arbeitsentgelt in der Nachpflegephase erfasst wer-den. Hat das Unternehmen das Bundesdarlehen des BAFzA zur Finanzierung der Entgeltaufsto-ckung in der Pflegephase in Anspruch genommen, so wird es die im Rahmen der Nachpflegephase einbehaltenen Anteile von Arbeitsentgelt zur Tilgung des Darlehens verwenden.

Das Ausfallrisiko im Falle des Todes oder der Erwerbsunfähigkeit eines Beschäftigten, wodurch der Aufstockungsbetrag nicht mehr zurückerarbeitet werden kann, wird durch eine vom BAFzA zertifi-zierte Familienpflegezeitversicherung bzw. eine Gruppenversicherung mit niedrigen Prämien abge-deckt.

Das Gesetz und mit ihm die Ermöglichung einer Familienpflegezeit trägt der aktuellen Pflegesitua-tion Rechnung. Aktuell werden rund 1,63 Mio., also mehr als zwei Drittel aller Menschen, die in Deutschland Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen, von Angehörigen oder durch ambu-lante Dienste betreut. Da die Mehrzahl der pflegenden Angehörigen erwerbsfähig ist, soll die Ein-führung der Familienpflegezeit die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege verbessern.

Für das Unternehmen entstehen durch die Vereinbarung einer Familienzeit zusätzliche Aufwände, insbesondere im Rahmen der Lohnbuchhaltung (Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung zwi-schen Unternehmen und Beschäftigten über die Inanspruchnahme der Familienpflegezeit, Berech-nung der Entgeltaufstockung, das Einrichten bzw. Führen eines Zeitwertkontos und ggf. Beantra-gung eines zinslosen Bundesdarlehens zur Finanzierung der Gehaltsaufstockung).

Mit der Einführung von neuen Informationspflichten im Rahmen des FPfZG rechnete der Gesetz-geber lediglich mit Mehrkosten in Höhe von durchschnittlich 32,50 EUR pro Beschäftigtem/pro Fall.

Des Weiteren wird auf die Einsparungen hingewiesen, die Unternehmen erzielen können, wenn sie Maßnahmen zur Vermeidung ungelöster Vereinbarkeitsprobleme bei ihren Beschäftigten wie die vorliegende ergreifen. Die Einsparungen werden nach Auffassung des BMFSFJ (auf Grundlage ei-ner Untersuchung des Forschungszentrums Familienbewusste Personalpolitik im Auftrag der Volkswagen Stiftung) durch die Reduzierung von Konzentrationsstörungen und Krankschreibungen realisiert und mit jährlich 14.000 EUR pro Beschäftigtem mit Pflegeaufgaben beziffert. Des Weite-ren hat der Gesetzgeber den Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt, die Entgeltaufstockung durch ein zinsloses Bundesdarlehen zu finanzieren, um eine unnötige finanzielle Belastung zu vermeiden. Auch werden weitere Vorteile des Gesetzes wie Mitarbeiterbindung, Motivation und Ar-beitszufriedenheit für die Unternehmen gesehen, die Auswirkungen auf die Produktivität der Be-schäftigten haben. Seitens der Deutschen Stiftung Patientenschutz und anderer Organisationen wird ein Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit gefordert, eine Übernahme zusätzlicher, bei den Unternehmen anfallender Kosten durch den Bund sowie die Ausweitung der bisherigen Befristung.

Grundsätzlich besteht ein Handlungsspielraum des Bundesgesetzgebers, die Regelungen weniger bürokratisch zu gestalten.

Ergebnisse der Fallstudie

Kurzbeschreibung: Die Familienpflegezeit soll die Situation von Beschäftigten verbessern, die ne-ben einer Vollzeittätigkeit Angehörige in heimischer Pflege betreuen. Zu diesem Zweck regelt das FPfZG, wie eine Familienpflegezeitvereinbarung zwischen Unternehmen und pflegenden Beschäf-tigten auszusehen hat. Auf diese Regelung gibt es allerdings keinen Rechtsanspruch. Beschäftigte können ihre Arbeitszeit um maximal 50 % senken, erhalten aber weiterhin 75 % ihres ursprüngli-chen Gehalts. Diese Situation kann bis zu 2 Jahre beibehalten werden, bis die Beschäftigten in die sogenannte Nachpflegephase kommen. Diese erstreckt sich über den gleichen Zeitraum wie die vorherige Pflegephase. Währenddessen kehren die Beschäftigten zu ihrer Vollzeittätigkeit zurück, erhalten allerdings nur 75 % des Gehalts, um den zuvor erhaltenen Vorschuss zurückzuzahlen.

Diesen Vorschuss kann das Unternehmen über ein zinsfreies Bundesdarlehen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) finanzieren. Das Ausfallrisiko, das durch den Tod oder die Erwerbsunfähigkeit der oder des Beschäftigten entstehen kann, weil er oder sie den Aufstockungsbetrag dann nicht mehr zurückerarbeiten kann, wird durch eine vom BAFzA zerti-fizierte Familienpflegezeitversicherung bzw. eine Gruppenversicherung mit niedrigen Prämien ab-gedeckt.

Befragte: Da die Familienpflegezeit bisher wenig in Anspruch genommen wurde und keines der be-fragten Unternehmen einen entsprechenden Fall bisher hatte, konnten diese nur theoretisch nach

einer möglichen Belastung befragt werden. Da es sich nicht um eine branchenspezifische Rege-lung handelt, wurden große Unternehmen und KMU aus den Bereichen Baugewerbe und Unter-nehmensnahe Dienstleistungen befragt. Außerdem konnten noch Gesprächspartner aus einem großen Handwerks- und einem kleinen Handelsunternehmen gewonnen werden.

Ergebnisse: Die Einführung einer Familienpflegezeit setzt zunächst das Vorhandensein oder Im-plementieren von Zeitwertkonten voraus. Dieser erste Schritt wurde von mehreren Vertretern aus Unternehmen unterschiedlicher Größe und aus verschiedenen Branchen als problematisch identifi-ziert. Sind solche Konten nicht bereits vorhanden, muss die entsprechende Software zugekauft werden, was teilweise sehr kostenintensiv sein kann. Das Vorhandensein von Zeitwertkonten ist al-lerdings neben der Unternehmensgröße auch von der Branche abhängig. Da diese auch für andere Formen flexibler Arbeitszeitregelungen benötigt werden, kommen sie insbesondere in Branchen mit hohem Teilzeitanteil, Stundenkräften oder dezentralen Arbeitsplätzen vor. Abseits dieser Ein-stiegshürde wurde, insbesondere von kleineren Unternehmen, das teilweise Fehlen der Arbeits-kraft, welche die Familienpflegezeit nehmen würde, als problematisch eingestuft. Gerade wenn es sich um spezialisierte Fachkräfte handelt, könnte es nach Aussage unterschiedlicher Befragter zu negativen Auswirkungen auf das Unternehmen kommen. Kleine Unternehmen gaben an, dass ei-nige der Positionen im Unternehmen nur von einer spezialisierten Arbeitskraft erledigt würden und im Unternehmen niemand aushilfsweise diese Arbeit (auch rein zeitlich) übernehmen könnte. 2 Be-fragte mahnten auch die Problematik des Rückkehranspruchs der pflegenden Beschäftigten in die Vollzeit beziehungsweise den damit verbundenen Umgang mit engagierten Ersatzarbeitskräften an.

Fallstudie 10: Arbeitsbescheinigung