• Keine Ergebnisse gefunden

5 Empirische Untersuchung des Tandem-Coaching-Konzeptes

5.4 Datenauswertung

5.4.2 Führungsverständnis und berufliches Handeln

Die untersuchten Personen hatten teilweise erst seit einem Jahr Verantwortung für ein bis drei Mitarbeiter übernommen oder bereits langjährige Führungserfahrung zwischen sechs und 22 Jahren von durchschnittlich 20 Mitarbeitern in den Vertriebsabteilungen bis zu 280 Angestellten in der Produktionsabteilung.

Im Folgenden werden die Antworten der Untersuchungspersonen aus den Interview-protokollen entsprechend den einzelnen Fragenbereichen wiedergegeben.

Erfahrungen und Erkenntnisse bzgl. der Mitarbeiterführung

Die acht befragten Führungskräfte der Untersuchungsgruppe I91 verstehen die Mitarbeiter-führung als eine zeitintensive und anspruchsvolle Aufgabe, bei der die Führungskraft selbst eine Vorbildfunktion übernimmt. Themen wie Team- und Zielorientierung sowie Entschei-dungsfähigkeit werden mit dieser Aufgabe verknüpft. Bei der Mitarbeiterführung ist zu berücksichtigen, dass sich die Art der Führung stets am Stand der persönlichen Reife des Mitarbeiters orientieren sollte:

„Es ist schwieriger als man sich das vorher so denkt. Wesentlich zeitintensiver auch. Es ist nix, was nebenher laufen kann. Man muss mehr Zeit für die Führung aufwenden, um auf der anderen Seite die Entlastung zu kriegen fachlicher Art. Wobei es gravierende Unterschiede gibt, bei den Personen, immer individuell“.

„Dass es sehr schwer ist. Überraschend schwer ist. Schön, Mitarbeiter zu haben, die einen

91Die sechs Teilnehmer der Untersuchungsgruppe II sind aus Zeitgründen nicht nach ihren Erfahrungen mit der Führungsrolle befragt worden.

entlasten. Es braucht viel Zeit, um mit dem Mitarbeiter Gespräche zu führen, was gibt es für Aufgaben. Natürlich auch die Feststellung, dass man für die Mitarbeiter dann auch so verantwortlich ist, der Vorgesetzte ist, dass der Mitarbeiter auch mit Problemen kommen kann und mal nicht kommt. Die fachliche Komponente finde ich auch schwierig bzw. herausfordernd.

Führungskraft sein ist keine Sache, die man so nebenbei machen kann“.

„Man wird gefordert. Es kommen Leute, die aktiv etwas wollen. Ich kann in die Führungsaufgabe reinschnuppern. Üben mit drei Mitarbeitern. Ich kann nicht ganz so viel Aufmerksamkeit reinstecken, aber es läuft.(…) Und es ist Potential da, etwas mehr zu machen“.

„Ich finde Führung nicht sehr einfach. Auch, Vorgesetzter-werden, ist nicht einfach. Das geht nicht mal so geschwind neben her, find´ ich. Erste Erkenntnis: bestimmte Dinge akzeptieren die Mitarbeiter, bestimmte Dinge wollen sie nicht entscheiden und delegieren sie deshalb an mich. Ich delegiere ungern, weil ich mir teilweise unsicher bin, einfach nicht souverän genug bin, zu sagen, ich bin der Chef. Chef sein ist eine einsame Sache, finde ich, teilweise. Als Mitarbeiter ist man einer von vielen, als Chef hat man das irgendwie gar nicht. Das ist so das, was meine erste grundlegende Erkenntnis ist. So ein bisschen Einzelner. Ich stelle mir Führung eher im Team vor.

Ich bin diejenige, die Verantwortung trägt, rechtfertig vor anderen, mache ich alles gern, doch alle arbeiten mit am gleichen gemeinsamen Ziel. So und das macht dann Spaß“.

„Wichtig ist Zielorientierung in der Führung und innerhalb der Zielvorgaben, der Zielerreichung, aber schon teamorientierte Führung, … insbesondere wenn die Ergebnisse nur dann in Summe erreichbar sind, wenn die Mannschaft auch weiß, dass sie ein Team ist. Aber wichtig ist, dass jeder einfach weiß, was er zu bringen, zu erfüllen hat, dass er das Ziel kennt und da auch Feedback bekommt, wie er denn in der Zielerreichung ist. Also auch regelmäßiges Abgleichen, Zielstand und Feedback, was man erwartet, ist wichtig als Führungsinstrument oder als Führungsgrundsätze. … auch Vorbild sein“.

„Ich glaube, dass es unglaublich wichtig ist, dass die Führungskraft Vorbild ist. Ich kann nur das fordern, was ich selbst bringe. In Bezug auf Engagement, Zeit oder auch Motivation, zum Arbeiten.

Authentizität wird hoch geschätzt bei den Mitarbeitern. Sich nicht zu verstellen oder etwas zu konstruieren, sondern irgendwo man selbst zu sein, so dass man hohe Verlässlichkeit ausstrahlt.

Das ist immer mein Ziel gewesen. Wenn ich was sage oder zusage, dann muss es gehalten werden. Das ist die Erfahrung, die ich gemacht habe, die da mit am wichtigsten trägt. Und Klarheit in der Linie, was auch bedeutet, in Personalfragen oder in Sachfragen immer klare Entscheidungen zu treffen. Das sind meine wichtigsten Erfahrungen“.

„Jeder Mensch ist anders zu motivieren und anzusprechen und diese „Knöpfchen“ gilt es herauszufinden. Das ist für mich das Wichtigste. Und bei der Team-Zusammenstellung die Menschen zunächst mal so zu nehmen, wie sie sind und ihre Stärken herauszufinden und sie entsprechend einzusetzen. Ich möchte nicht aus einem Ackergaul (kann ziehen über einen langen Zeitraum) ein Rennpferd (kann schnell rennen) machen. Das ist die wichtigste Erkenntnis“.

„Mitarbeiterführung ist zeitintensiv; man muss 30-40 % für Mitarbeiterführung aufbringen. Das Gesamtergebnis ist nur so gut, wie der Mitarbeiter mitzieht und mitarbeitet und genau weiß, was er tun soll. So gut kann auch nur das Ergebnis sein. Erkenntnis, dass jeder Mitarbeiter eine eigenständige Persönlichkeit ist. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Man kann Grundlinien und Grundvorgaben geben, doch letztendlich muss man aus jedem einzelnen seine Stärken herauskristallisieren. Man muss die Führung dem Niveau des Mitarbeiters anpassen“.

Folgende Erfahrungen und Erkenntnisse haben die Untersuchungspersonen aus den beiden Untersuchungsgruppen I und II während der Tandem-Coaching-Qualifikation bzgl. ihres Führungsverständnisses und ihres Führungsverhaltens gewonnen:

Untersuchungsgruppe I Untersuchungsgruppe II

„Ob ich sie neu gewonnen habe, weiß ich nicht. Aber es hat sich zumindest wieder in den Vordergrund gespielt, dass man es nicht allen recht machen kann.

Das man manchmal einfach unpopuläre Entschei-dungen treffen muss und die dann durchsetzen und nicht alle danach fragen und manchmal auch einen Weg bis zum Ende zu gehen, auch wenn er für einzelne dann nicht so erfreulich ist“.

„Gespräche, die ich vorher gescheut habe, zu führen, konsequent ran zu gehen und die Probleme offen anzusprechen. (…) Und ich glaub, mir ist klar geworden, dass man eine Person nicht komplett ändern kann und nicht so formen kann, wie man sie gerne hätte. Aber ich bin mehr in die Vorgesetzten-rolle rein gekommen und stelle mich mehr den Anfor-derungen, Gespräche zu führen“.

„Durch die strukturierte Fragestellung sind wir oft zu einem anderen Kern gekommen, als die ursprüng-liche Fragestellung bzw. das Thema. Und Erkennt-nisse da draus, wie man solche Dinge greifbar hinbekommt, (…).Die Erkenntnis mit der Strukturierten Fragestellung da hin zu kommen und das dann nachher auch auszuarbeiten war neu“.

„Bei unseren Tandem-Coachings stand das Führungsverhalten oftmals gar nicht im Vordergrund.

Wir haben öfters andere Themen gecoacht. (…)“.

„Es ist schon so, dass die dort im Tandem-Coaching besprochenen Punkte immer wieder aus dem Arbeitsalltag waren und ich da schon einiges mit in die Umsetzung bringen konnte und insbesondere einige Punkte, die in der Zusammenarbeit mit dem Team waren bzw. mit meiner Struktur, die ich da unter mir aufgebaut habe. (…). Und diese Erfahrung, diesen Fortschritt, den ich durch das Tandem-Coaching habe, auch meinen Mitarbeitern in der ersten Stufe etwas weitergeben. (…)“.

„Die eigene Position noch besser zu beschreiben Dazu besser zu verstehen, welche Rolle da gewisse Verhaltensweisen von mir spielen in der Reaktion meiner Gegenüber. (…) Das hat schon bei mir die Erkenntnis gebracht, dass gerade in extremen Führungssituationen man eben drei Mal überlegen muss, welches Wort man wie wo anwendet. Und sich vorher die eine oder andere Frage (…) vielleicht zu stellen und dadurch dann gefasster in die dann kommende zumeist absehbare Situation ruhiger zu gehen. Das ist eine Erkenntnis, wie wirkt meine eigene Person, wie kann ich mich durch den Perspektivenwechsel, den ich vielleicht kurz vor einem herannahenden Problem durchlaufe, besser verhalten“.

„Wieder intensiver Fragen stellen“.

Eigenes Finden von Lösungen führt zu höherer Identifikation der Mitarbeiter, Coaching ist in jedem Fall sehr sinnvoll und wird in jedem Fall verfeinert! `Mein`

Werkzeug für die Zukunft“.

„Nicht sofort und selbst alles lösen. Als Vorgesetzter beraten, aber nicht die Aufgabe/das Problem über-nehmen. Zeitmanagement besser. Mitarbeitermotiva-tion noch nicht optimal“.

„Es ist in bestimmten Situationen wichtig, Lösungen nicht vorzugeben, sondern den Mitarbeiter zu `coa-chen`“.

„Bei Gesprächen mit Kollegen und Teammitgliedern hat sich die Art und weise der Gesprächsführung geändert. Weniger beratend, dafür aber zielgerichtetes Hinterfragen“.

„Themen versuchen mehr aus der Distanz zu betrachten/hinterfragen. Kollegen öfter um ein Coaching-Gespräch bitten, um selbst mehr mögliche Alternativen zu sehen und mehr Klarheit/Sicherheit bei Entscheidungen zu haben“.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Untersuchungspersonen durch das Tandem-Coaching ihrer Rolle und Position als Führungskraft bewusster geworden sind. Sie sind zu der Erkenntnis (wieder-)gelangt,

dass sie Probleme mit strukturierten Fragen angehen können,

dass sie die Mitarbeiter selbst Lösungen finden lassen und diese nicht vorgeben müssen, dass sie als Führungskraft nicht alles mit sich selbst abmachen müssen.

dass sie als Führungskraft selbst öfter ein Coaching-Gespräch nutzen sollten,

dass sie manchmal auch Entscheidungen durchsetzen müssen,

und dass sie auch in Extremsituationen gefasst und ruhig reagieren können.

Nutzen des Tandem-Coachings in beruflichen Veränderungssituationen

Folgenden Nutzen haben die Untersuchungspersonen aus den beiden Untersuchungs-gruppen aus dem Tandem-Coaching gezogen:

Untersuchungsgruppe I Untersuchungsgruppe II

„Mit den ganzen neuen Gesellschaften hat sich beruf-lich schon relativ viel verändert. In diesem Zusam-menhang habe ich zwei Teams, die räumlich ausein-ander gelegen haben, zusammengeführt. Dabei habe ich auch einen Mitarbeiter frei gesetzt und speziell in diesem Fall hat mir das Tandem-Coaching genutzt, wie ich mit der Situation umzugehen hatte“.

„Meine Position im Unternehmen ist die gleiche nach wie vor. Berufliche Situation, da ist einiges so ein bisschen im Fluss, weil ich Tätigkeiten von andern Abteilungen hier mit betreue. Hintergrund ist eben, dass wir den Sozialplan und gesellschaftsrechtliche Veränderungen gemacht haben und anstehen und bei der Personalabteilung eine stärkere Mitwirkung/

Unterstützung gefragt ist. Und da hat mir das Tandem-Coaching genau geholfen. Es gab Problem mit einem Kollegen und Fragestellungen, wie geht man damit um. Das Tandem-Coaching mit meiner Partnerin und ihnen (als Supervisorin) hat mir geholfen, neutral mich da einzuordnen und zu gucken, wo sind denn die Probleme und was man machen kann und einen Blick von draußen auf meine Position und meine Fragestellung gerade zu werfen“.

„Die Konzeption und Struktur des Tandem-Coachings habe ich das ein oder andere Mal im Mitarbei-tergespräch angewandt. Das war sehr gut, das hat mich vorangebracht. Auch in den Fällen, in denen ich gecoacht worden bin, habe ich die Erkenntnisse weit-gehend umgesetzt“.

„Im Unternehmen hat sich viel getan; Gründung von drei Gesellschaften. Ich gehöre jetzt zu einer anderen Gesellschaft, doch bei mir hat sich nichts verändert.

Nach wie vor habe ich zwei Mitarbeiter“.

„Nur insofern, dass wir eine andere Firma sind und ich einen anderen Vorgesetzten habe, an den ich direkt berichte. Beim Alltagsgeschäft ist alles gleich geblieben. Als Zusatzbelastung habe ich meine Kollegin vertreten, die in Mutterschaftsurlaub war, und jetzt wiederkommen wird. und die wesentlichen Aufgaben wieder übernehmen. Das Tandem-Coaching hat darauf nicht gewirkt und das war auch nicht von mir getrieben“.

„Die Makroveränderungen, die Umorganisation haben mich direkt ja nicht betroffen. Deswegen hat sich meine direkte Situation nicht verändert. Aller-dings, um die einzelnen Punkte zu verstehen, hat mir das Tandem-Coaching mit meinem Partner schon genützt, das besser zu verstehen auch anhand der ein oder anderen kritischen Hinterfragung oder Frau-gestellung anders an diese Themen heranzugehen und sie von der anderen Seite zu betrachten. Das definitiv, auch, um meine eigene Position besser zu

„Ende der Anstellung in Sicht und dazu gute Inputs erhalten“.

„Keine Veränderung der beruflichen Situation.

Elemente des Coaching-Prozesses konnten sehr gut in Mitarbeiter-Gesprächen eingesetzt werden, z.B.

Förderunge der Mitarbeiter eigene Entscheidungen zu treffen bzw. zu vertreten“.

„Vertriebsinnendienst wurde (…) aufgeteilt, dadurch Reduzierung der Mitarbeiter von neun auf vier.

Entscheidung im Mai/Juni für (…), davor Job-Unsicherheit. Zu der Zeit kein Tandem-Coaching, jedoch bei Gesprächen mit `Ratgebern` geholfen;

habe mich da als Gecoachter `verhalten`“.

„Aufgabenverschiebung durch Umstrukturierung. Ich habe versucht, in schwierigen Gesprächen das Tandem-Coaching-Konzept anzuwenden“.

„Es gab keine beruflichen Veränderungen“.

„Ein Teil des Servicecenters wird zum Jahresanfang an andere Firma übergeben, Trainingsgruppe kommt hinzu. Tandem-Coaching war allgemein hilfreich. Ein Thema wurde direkt im Coaching besprochen“.

verstehen und auch zu sehen, worum kommt dir jetzt diese Situation, diese Veränderung um dich herum bedrohlicher vor, als sie ist. Das hat es sicherlich bewirkt durch die strukturierte Frageform“.

Das Tandem-Coaching hat die Untersuchungspersonen, die sich im Untersuchungszeitraum in einer andauernden beruflichen Veränderungssituation befanden, insgesamt bei folgenden Themen unterstützt: Reduzierung und Freisetzung von Mitarbeitern, Probleme mit Kollegen, Führen von Mitarbeitergesprächen, Umgang mit Unsicherheiten, Umstrukturierungen und Änderung der Aufgabenverteilung.