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Qualifikationsanforderungen an einen personenbezogenen Einzelberater

1 Einleitung

2.7 Anforderungen, Qualifikationen und Kompetenzen des Coaches

2.7.1 Qualifikationsanforderungen an einen personenbezogenen Einzelberater

sich in drei Kompetenzbereiche gliedern, in die fachliche Qualifikation, die konzeptionellen und methodischen Grundlagen und in die persönlichen und beziehungsorientierten Eigenschaften.

Fachliche Qualifikationen

Ein kompetenter Coach verfügt über umfangreiche betriebswirtschaftliche und psycholo-gische Kenntnisse und eigene Führungserfahrung von drei bis sieben Jahren, so die Empfehlungen in der einschlägigen Literatur (Heß & Roth, 2001; Weßling u.a., 1999, S. 86).

Eine praktische mehrjährige Führungstätigkeit beinhaltet unterschiedliche eigene Führungs-erfahrungen auf unterer und oberer Ebene, Erfahrungen im Zusammenwirken mit Arbeit-nehmervertretung und Aufsichtsgremien und die Steuerung von Entwicklungsprozessen über einen längeren Zeitraum (Angermeyer, 1997, S. 108). Auch Bayer (1996) fordert vom Coach eine fachliche Doppelqualifikation, bestehend aus einem technisch-ökonomischen Verständnis und sozialwissenschaftlich bzw. pädagogisch-psychologischen Erkenntnissen.

Schreyögg sieht es ähnlich: „Als fachliche Voraussetzungen sollte ein Coach intellektuelle Flexibilität, breites sozialwissenschaftliches Wissen, ideologische Offenheit und eine zum Klienten passende Feldkompetenz aufweisen“ (Schreyögg, 1998, S. 144).

Der Coach muss demnach nicht nur theoretisch wissen sondern selbst erfahren haben, wie Unternehmen organisiert sind, wie Aufgaben und Projekte geleitet und Mitarbeiter geführt werden. „Ein Coach hat sich ein Modell zum Führen zu entwickeln“ (König, 1997, S. 150).

Ein qualifizierter Coach sollte sich darüber hinaus auf Coaching spezialisiert haben und bereits fundierte Erfahrungen in der beraterischen Unterstützung und Begleitung von Menschen mitbringen (Heß & Roth, 2001).

Konzeptionelle und methodische Grundlagen

Grundlegend für eine qualifizierte Arbeit als Coach ist gemäß der hier vertretenen Auffassung, dass der Coach über ein Konzept verfügt, das die einzelnen auf einander aufbauenden Beratungsschritte begründet und dies auch für den Ratsuchenden nachvollziehbar macht. Im konzeptionell fundierten Handlungskonzept sollte angegeben sein, aufgrund welcher Wahrnehmungen, Erfahrungen, Annahmen, Hypothesen diese Intervention gemacht werden, und was damit erreicht werden soll (Heß & Roth, 2001, S.

130). „Wesentlich für ein Konzept ist, dass darin einerseits ein Plan, Programm, eine

systematische Vorgehensweise zum Tragen kommt und andererseits beachtet wird, dass ein Konzept etwas flexibles (…) zu sein hat“ (Fatzer, 2000, S. 36).20

Das zugrunde liegende Konzept bildet die Grundlage für den Coaching-Prozess. Zur Durchführung von Coaching-Prozessen benötigt der Coach umfangreiche methodische Grundlagen und Techniken. Zur Auswahl und zur Anwendung der Methoden ist generell anzumerken, dass es sich um empirisch bewährte Methoden handeln sollte. Der Methoden-einsatz sollte auch individuell abgestimmt sein, d.h. der Ratsuchende sollte an der Entscheidung über die Auswahl und den Einsatz von Coaching-Methoden beteiligt sein. So sorgt der Coach gleichzeitig für Transparenz der Methoden. Ein kompetenter Coach zeichnet sich darüber hinaus durch eine hohe Methodenvielfalt aus. Er sollte auf keine Methode bzw.

keinen theoretischen Ansatz festgelegt sein (Heß & Roth, 2001).

Die Anwendung und Wirkung der Methoden und der Interventionen hängen eng mit den persönlichen Eigenschaften und Kompetenzen des Beraters zusammen. Unverzichtbar für eine personen-bezogene Beratung sind Techniken der Gesprächsführung und -gestaltung und eine umfangreiche Kommunikationsfähigkeit. Dazu gehören Kenntnisse der Nonverbalen Kommunikation, der Meta-Kommunikation und des Aktiven Zuhörens, eine hohe Fragenqualität und die Fähigkeit, konstruktives Feedback zu geben (Schmidt, 1995, S.

214). Als wichtigste Eigenschaften eines externen Coaches benennt sowohl Doppler (1991) als auch Bayer (1995) das gute Zuhören und verstehen können. Daneben gehören das Erkennen von Warnsignalen im Gespräch und übergreifend eine gelungene Kommunikation neben der Kunst, Anerkennung zu vermitteln (König, 1997, S. 149) ebenfalls zu den grund-legenden Kompetenzen des Coaches.

Ein Coach sollte ebenfalls über Methoden zur effektiven und effizienten Arbeitstechnik, Zeit-gestaltung und Entspannung verfügen (König, 1997, S. 151). Er muss die vernetzte Arbeits-situation des Ratsuchenden erfassen, das anstehende Problem analysieren, die Veränderungsmomente diagnostizieren und gemeinsam mit dem Ratsuchenden Lösungs-wege entwickeln können. Die von Weßling u.a. (1999, S. 86) befragten Unternehmen nannten auf die Frage nach den methodischen Fähigkeiten des Coaches folgende Kompetenzen: Präsentationstechniken, Problemlösungstechniken, konzeptionelles und komplexes Denken, Zeitmanagement, Moderationstechniken, Methoden der Gesprächs-führung, Brainstorming (Clark, 1989; Nöllke, 2006) und analytisches Verständnis.

Darüber hinaus sollte der Coach das Verhaltensspektrum des Ratsuchenden erweitern können und angestrebte Verhaltensänderungen unterstützend begleiten (Schmidt, 1995, S.

215), damit dieser zukünftig flexibler und situationsangemessener reagieren kann. Der Coach sollte außerdem über Methoden der Selbstreflexion verfügen, um sein eigenes Denken und Handeln permanent zu überprüfen. Dies kann in Form von Selbst-Coaching geschehen oder in geeigneten Supervisions- und Gesprächskreisen (Bayer, 1996). Der Coach sollte weiter sein, als die Menschen, die er coacht (Bayer, 1996).

20 Ein Beispiel für eine ausformulierte konzeptionelle Basis findet sich bei Schreyögg (1998, S. 11).

Persönliche und beziehungsorientierte Eigenschaften

Ob sich ein Berater oder eine Führungskraft persönlich zum Coach eignet und das entsprechende menschliche Potenzial mitbringt, unterliegt zwar immer der subjektiven Bewertung, eine breite Lebens- und Berufserfahrung, eine gute persönliche Ausstrahlung und ein angemessener Interaktionsstil bilden nach Schreyögg (1998, S. 126ff) jedoch die wesentlichen Voraussetzungen.

In einer schriftlichen Befragung (Vogelauer, 1998, S. 133-150) von fünfzig deutschen, öster-reichischen und schweizer Führungskräften und Personalentwicklern wurden persönliche und beziehungsorientierte Fähigkeiten wie die kommunikative Kompetenz (94%) und das Einfühlungsvermögen (97%) am häufigsten als qualitative Anforderung an den Coach genannt. Die von Weßling u.a. (1999, S. 85) untersuchten Unternehmen nannten, nach persönlichen bzw. menschlichen Fähigkeiten des Coaches gefragt, folgende Aspekte: auf Probleme eingehen, Lebenserfahrung mitbringen, Verständnis und Mitempfinden aufbringen, Sensibilität für die jeweiligen Situationen zeigen, Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Mitarbeitern beweisen, Vertrauensperson sein, ein gewisses Lebensalter haben, über soziale Kompetenz verfügen, entsprechende innere Einstellung mitbringen, menschlich kompetent, bodenständig und offen sein. Vergleichbare Aufzählungen personenspezifischer Eigen-schaften eines Coach finden sich u.a. auch bei Whitmore (1995), bei Czichos (1995, S. 72) und bei Brinkmann (1997, S. 71): Lebens- u. Berufserfahrung, persönliche Selbsterfahrung, persönliche Ausstrahlung, Intentionalität, interpersonelle und intrapersonelle Intelligenz, an-gemessener Interaktionsstil, situationsbezogener Coaching-Stil.

Der personenbezogene Berater sollte eine offene und interessierte Haltung einnehmen, die dem Ratsuchenden signalisiert, in diesem Prozess lernen beide Seiten dazu (Heß & Roth, 2001). Ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein für den Coaching-Prozess und ein klares Selbstbild sollten außerdem im Auftreten erkennbar sein.

Der kompetente Coach arbeitet möglichst diskret, zuverlässig und berechenbar. Er sollte vom Ratsuchenden als authentisch erlebt werden, d.h. seine Äußerungen und seine Handlungen sollten zueinander passen. Wenn gerade ausgesagt wurde, dass sein Verhalten dem Ratsuchenden gegenüber von Empathie, Akzeptanz und positiver Wertschätzung sowie Echtheit (Kongruenz) und Intentionalität (Brinkmann, 1997, S. 27 ff) sollte geprägt sein, dann ist damit folgendes gemeint: Empathie bedeutet in diesem Zusammenhang, der Coach kennt das Arbeitsumfeldes des Ratsuchenden, kann dessen Sichtweise nachvollziehen und zeigt einfühlendes Verständnis. Für die praktische Tätigkeit des Coaches bedeutet das, die Subjektivität von Problemwahrnehmungen und Problemformulierung ist bewusst, die Unter-schiede in Wahrnehmung und Interpretation sind bekannt, das Bemühen, die Sichtweise des Anderen zu verstehen, ist vorhanden und das Ansprechen von wahrgenommenen Gefühlsäußerungen ist vorgesehen. Der Coach akzeptiert auch die Meinungen oder Bedürfnisse des Ratsuchenden, die ihm selbst missfallen, und Gefühle und Verhaltensweise, die ihm selbst fremd sind. Er respektiert sein Gegenüber als einmaligen und wertvollen Menschen. Er äußert dies durch gezielte und ehrliche gefühlsbetonte Anteilnahme an Schwierigkeiten, Problemen und Ängsten. Echtheit (Kongruenz) besagt, dem anderen

ehrlich, offen und ohne manipulativen Hintergedanken entgegenzutreten. Und mit Intentionalität (gemeinsame Willenbekundung) ist die Fähigkeit des Beraters gemeint, mit verschiedenen Verhaltensstrategien ein Problem gezielt und absichtsvoll angehen zu können (Rogers, 1994b).

Neben einem ausgeprägten Stehvermögen und einer beträchtlichen Frustrationstoleranz benötigt der Coach für seine Tätigkeit außerdem überdurchschnittlichen Mut, Risiko-bereitschaft und übergreifendes verantwortliches Denken (Bayer, 1996). Ein qualifizierter Coach arbeitet stets mit der Absicht, dem Gegenüber Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten, und ihn zur Selbstverantwortung zu ermutigen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, „ein Coach ist demnach eine Person mit der Kompetenz, soziale Prozesse zu gestalten und zu beschleunigen, mit der Folge, dass die üblichen Reibungsverluste in der (betrieblichen) Zusammenarbeit signifikant (und wenigstens prinzipiell messbar) reduziert werden“ (Bayer, 1995, S. 95). Die berufliche und persönliche (Welt- und Menschenbild) Passung des Coaches zum Gecoachten entscheidet dabei über den Erfolg des Coaching-Prozesses, denn „je besser der Coach für ein Anliegen des Klienten qualifiziert ist (...), desto wahrscheinlicher wird sich der gewünschte Beratungserfolg einstellen“ (Rauen, 1996, S. 201).

2.7.2 Qualifikationsanforderungen an den Vorgesetzten als Coach seiner Mitarbeiter

An die Qualifikation von Vorgesetzten als Coaches ihrer Mitarbeiter werden längst nicht so hohe Anforderungen gestellt wie an externe Berater. Bei einem externen Coach wird verstärkt darauf geachtet, welche konzeptionelle Richtung er vertritt. „Berater mit einem redlichen Qualifikationsanspruch legen ihrer Arbeit eine explizite Wissensstruktur zugrunde“

(Schreyögg, 1998, S. 11), die praktische und normative Orientierung gibt.

Damit die Führungskraft überhaupt in der Lage ist, die gewünschte Beratungsleistung zu erbringen, benötigt sie zunächst einen zeitlichen Freiraum und die Ausstattung mit entsprechenden Coaching-Kompetenzen. Sie sollte in der Lage sein, ihr eigenes Führungs-verhalten zu analysieren und zu reflektieren, die Beziehung zum Mitarbeiter aktiv zu gestalten, die durch Coaching angestrebten Entwicklungen entsprechend am derzeitigen Entwicklungsstand des Mitarbeiters auszurichten und dem Mitarbeiter entsprechende Lernangebote zu machen.

Kritische Reflexion des eigenen Führungshandelns

Ein Mitarbeiter-Coaching kann beispielsweise mit einer Ist-Soll-Diagnose durch den Vorgesetzten beginnen, durch die die Diskrepanzen zwischen dem gewünschten und dem tatsächlichen Verhalten des Mitarbeiters auf den Ebenen fachliches Können, soziales Verhalten und Führungshandeln deutlich wird (Brinkmann, 1997, S. 21). Der Vorgesetzte kann die so gewonnenen Ergebnisse mit seinem Führungshandeln in Zusammenhang bringen und sich fragen, durch welche Impulse er selbst den Handlungsspielraum des Mitarbeiters beeinflussen kann. Nach dieser umfangreichen Analyse kann der Vorgesetzte anschließend seine Interventionen auf die gewonnenen Erkenntnisse abstimmen.

Die Erreichung der beschriebenen Qualifikationen zum Vorgesetzten als Coach hängt eng mit der persönlichen Art, mit dem Mut und der Risikobereitschaft des jeweiligen Menschen zusammen. Coaching-Kompetenz richtet sich auf die Professionalisierung der Führungs-aufgabe. Sie erfordert das anspruchsvolle Zusammenspiel von menschlichen Qualitäten mit Coaching-Kompetenzen. Dies ist der Grund, warum in der Literatur davor gewarnt wird, dass kühle, reservierte, arrogante, egoistisch-ehrgeizige und manipulierende Führungskräfte mit dem Coaching-Gedanken ihre Schwierigkeiten haben werden und ihn sogar missbrauchen könnten (Bayer, 1996).

Gestaltung der Beziehung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter

Es ist davon auszugehen, dass bei der Einführung von Mitarbeiter-Coachings bereits eine Beziehung zwischen dem Mitarbeiter und seinem Vorgesetzten besteht. Entscheidend ist, dass diese Beziehung von beiden Interaktionspartnern als tragfähig für umfangreiche Veränderungsprozesse angesehen wird. Die Führungskraft muss sich in diesem Kontext mit ihrem persönlichen Rollenkonflikt, nun parallel Vorgesetzter und Coach zu sein, ausein-andersetzen.

So meint Bayer (1995, S. 97ff): „Es reicht nicht, wenn Coaching als personenzentrierte Arbeit auf eine extern moderierte Beratungssituation begrenzt ist. Der Führende im Betrieb ist genau zu dieser personenzentrierten Arbeit gefordert – exakt dies ist sein Beruf, weil er ohne Bezug zur Persönlichkeit seiner Mitarbeiter nicht führen kann.“ Entscheidend ist auch, wie die Arbeitsbeziehung von Seiten des Mitarbeiters bisher bewertet wird. Der Mitarbeiter möchte im Rahmen einer Vertrauensbeziehung die für ihn relevanten Fragestellungen verhandeln. Er muss den Coach sympathisch finden; die „Chemie muss stimmen“, sonst wird er nicht über aktuelle Beunruhigungen, berufliche Krisen, Wünsche, anstehende Entwick-lungsschritte etc. sprechen.

Das Mitarbeiter-Coaching basiert, trotz einem gelebten partnerschaftlichen Führungsstil, auf einer asymmetrischen (ungleichgewichtigen) Coach-Gecoachter-Beziehung, die von vorn-herein das Lernklima beeinflusst und die zu bearbeitenden Themenstellungen begrenzt.

Themen wie Manipulation, Macht, Abhängigkeit und Autorität sollten allerdings nicht von vornherein als Gesprächsthemen tabuisiert werden. Im Gegenteil, ihre Erörterung trägt maßgeblich zur Bildung des gegenseitigen Vertrauens bei. Der Rahmen, in dem Offenheit, Vertrauen, Freiwilligkeit und Partnerschaftlichkeit möglich ist, wird durch beide Parteien abgesteckt. Das wichtigste Werkzeug des Coaches ist demnach seine Fähigkeit, tragfähige Beziehungen aufzubauen (Looss, 1991).

Die Führungskraft sollte über den Status der Beziehung zum Mitarbeiter wissen und den Lernprozess entsprechend dem Reifegrad des jeweiligen Mitarbeiters steuern und voran bringen. Sie sollte zielorientiert Gespräche führen können, die Persönlichkeit und den Charakter des Mitarbeiters analysieren und Aufgaben beschreiben können. Und sie sollte zu einer realistischen Einschätzung des Mitarbeiterpotentials kommen, um gemeinsam mit dem Mitarbeiter Entwicklungsschritte und –ziele beschreiben zu können. Bei alledem sind nicht die Führungsaufgaben an sich neu. Die dahinterstehende Philosophie, das Bild vom Mitarbeiter als wertvolles Gut in der Wertschöpfungskette ist das wesentlich Neue.

Nur diejenige Führungskraft, die bereit ist, den Blickwinkel von sich weg auf die Entwicklung und Förderung des Mitarbeiters zu richten, kann ein wirkungsvoller Coach der Mitarbeiter werden. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Führungskraft stets unter hohem Erfolgsdruck steht. Da Personalführung nur eine von vielen unternehmerischen Aufgaben ist, wird der Einsatz von Mitarbeiter-Coachings zeitlich begrenzt bleiben.

Im Coaching soll der Mitarbeiter nicht sein Angewiesensein auf den Coach erfahren, sondern die Stärkung seiner eigenen Kräfte zur Problemlösung. Das ereignet sich nur, wenn die Unabhängigkeit des Ratsuchenden vom Coach gefördert wird. Fatzer (2000, S. 45) schreibt:

„Wir stehen vor einer paradoxen Situation: Das intensive sich Einlassen auf eine Beziehung, die momentane Wichtigkeit des Beraters für den Beratenden, die hohen Anforderungen an die Tragfähigkeit der Beziehung, dient nichts anderem, als dem Selbständig werden, der Loslösung vom Berater und der Freiheit des Partners. Diese Metamorphosen stellen hohe Anforderungen an die methodischen Fähigkeiten des Beraters bezüglich eigener Veränderung, Rollenflexibilität und wechselnden Interventionsformen.“

Entscheidend für das Gelingen des Vorgesetzten-Coachings wird sein, in wieweit sich die Beteiligten über ihre Rollenverteilungen und damit über die Übernahme von Funktionen in dieser Coach-Gecoachter-Beziehung bewusst sind. So kann der Mitarbeiter das Problem bzw. die Herausforderung selbst schon kennen und diagnostiziert haben und nun den Vorgesetzten ersuchen, eine Lösung durchzuführen, oder aber der Vorgesetzte führt selbst die Problemdiagnose und –lösung durch, oder der Mitarbeiter nimmt das Problem als eigene Herausforderung an und der Vorgesetzte unterstützt ihn bei allen notwendigen Schritten.

Exkurs: Entwicklungsstand des Mitarbeiters

Auch der Entwicklungsstand des zu coachenden Mitarbeiters bestimmt die Vorgehensweisen und Ausrichtungen im Vorgesetzten-Coaching entscheidend mit. Die Motive des Mitarbeiters für eine Teilnahme an einem Coaching-Prozess können persönliches Wachstum, Gesundheit, der Wunsch nach Entwicklungsmöglichkeit, Partizipation und Selbstverwirk-lichung sein (Brinkmann, 1997, S. 24). Je besser der Vorgesetzte seinen Mitarbeiter kennt, desto individueller und gleichzeitig erfolgversprechend kann der Coaching-Prozess ausfallen.

Fähigkeit

hoch niedrig

hoch

Reifegrad 4: Der Mitarbeiter ist fähig und bereit, die vorgegebene Aufgabe zu bewältigen

Reifegrad 2: Der Mitarbeiter ist sehr leistungsbereit und motiviert, aber fachlich nicht ausreichend kompetent Engagement

niedrig

Reifegrad 3: Der Mitarbeiter ist zwar fachlich fähig, seine Aufgaben zu bewältigen, fühlt sich aber noch sehr unsicher bis unwillig

Reifegrad 1: Der Mitarbeiter ist fachlich und motivationsmäßig noch nicht zur Erfüllung der Aufgabe in der Lage

Abb. 2.7.2-1: Reifegrad nach Hersey und Blanchard (1988)

Zur Ermittlung des Entwicklungsstandes von Mitarbeitern kann das Modell von Hersey und Blanchard (1988) zum Reifegrad dienen. Die Autoren verstehen unter Reife ein Zusammen-spiel von Motivation, Verantwortungsbereitschaft und Erfahrung in Bezug auf die zu

bewältigende Aufgabe. Zur genaueren Bestimmung werden die Merkmale: Fähigkeit (berufliche Fertigkeiten, Wissen und Erfahrung) und Engagement (Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Verantwortungsbereitschaft) in einer Vierfeldermatrix kombiniert.

Brinkmann (1997, S. 71f) schlägt unter Bezugnahme auf das Modell von Hersey und Blanchard die in Abbildung 2.7.2-2 abgebildete Kombinationen zwischen dem Coaching-Stil und jeweiligen Reifegrad eines Mitarbeiters vor. Das dargelegte Schema bietet eine Orientierung. Die Führungskraft kann so ihre Grundhaltung zum Mitarbeiter überprüfen. Sie kann dadurch tendenziell eine Über- oder Unterforderung vermeiden. Das Mitarbeiter-Coaching beginnt erst bei Mitarbeitern des mittleren Reifegrades (Reifegrad 3-4).

Idealtypisch zielt das Mitarbeiter-Coaching auf einen selbstregulativ handelnden Mitarbeiter, was bei diesem zu einer hohen Arbeitszufriedenheit und umgekehrt beim Vorgesetzten zur Befreiung von routinemäßig ablaufenden Arbeiten führen soll. Außerdem hat die Führungs-kraft über das Mitarbeiter-Coaching die Möglichkeit, ihre Persönlichkeit auf den Prüfstand zu stellen, Maßstäbe für die Zusammenarbeit zu setzen und gegenüber den Mitarbeitern klare Leistungserwartungen auszusprechen. Sie hat so die Chance, ihre Mitarbeiter zu Best-leistungen zu motivieren, und selbst an der Aufgabe zu wachsen.

Reifegrad des Mitarbeiters Coaching-Stil des Vorgesetzten Der Mitarbeiter ist fachlich und motivationsmäßig noch

nicht zur Erfüllung der Aufgabe in der Lage (Reifegrad 1).

Unterweisen: Die Interaktionen bestehen größtenteils aus aufgabenbezogenen Anweisungen; die Beziehung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter steht nicht im Vordergrund.

Der Mitarbeiter ist sehr leistungsbereit und motiviert, aber fachlich nicht ausreichend kompetent (Reifegrad 2).

Anleiten: Die Aufgabenbewältigung durch den Mitarbeiter wird noch stark überwacht. Entscheidungen werden besprochen und Vorschläge gemacht.

Bereits erkennbare Lernfortschritte sollten verstärkt werden, um das Engagement des Mitarbeiters zu erhalten.

Der Mitarbeiter ist zwar fachlich fähig, seine Aufgaben zu bewältigen, fühlt sich aber noch sehr unsicher bis unwillig (Reifegrad 3).

Unterstützen: Bei Entscheidungen Hilfestellungen geben, ermutigen und fördern. Bewältigung von beruflichen und privaten Fragestellungen, soweit sie Auswirkungen auf die Aufgabenbewältigung haben.

Der Mitarbeiter ist fähig und bereit, die vorgegebene

Aufgabe zu bewältigen (Reifegrad 4). Delegieren: Die Verantwortung für die zu lösenden Aufgaben und Entscheidungen werden dem Mitarbeiter übertragen.

Abb. 2.7.2-2: Reifegrad des Mitarbeiters und Coaching-Stil nach Brinkmann (1997)

Die größte Wirkung kann dann mit Vorgesetzten-Coaching erzielt werden, wenn Coaching schriftlich in den Unternehmensgrundsätzen und den Führungsleitlinien fixiert und auch zum festen Bestandteil der gelebten Führungskultur geworden ist. Das größte Risiko liegt im Abbruch von Mitarbeiter-Coachings aufgrund von Zeitproblemen und/oder persönlicher Überlastung der Vorgesetzten. (Weßling u. a. 1999, S. 106). Die Voraussetzungen für das Gelingen liegen darüber hinaus nicht nur in der „richtigen“ Einstellung des Vorgesetzten gegenüber seinen Mitarbeitern, sondern auch in den Rahmenbedingungen im Unternehmen selbst.

Die Analyse der Qualitätsanforderungen und auch der Vergleich der Anforderungsprofile von organisationssexternen und organisationsinternen Coaches verdeutlicht deren geringe Abweichung in den einzelnen Kompetenzbereichen.

2.7.3 Checkliste für die Auswahl eines kompetenten Coaches

Aus den vorangehenden Überlegungen lassen sich wesentliche Beurteilungskriterien hinsichtlich der Eignung von Coaches gewinnen, die hier in Form einer Checkliste zusammengestellt wurden. Diese Checkliste kann helfen, möglichst schnell festzustellen, ob eine Person die entscheidenden Kompetenzen zum Coach mitbringt.

Fachliche Qualifikationen

Besitzt umfangreiche betriebswirtschaftliche Kenntnisse Ja / nein

Hat wesentliche sozialwissenschaftliche, pädagogische und psychologische Erkenntnisse Ja / nein Kennt sich in Organisationsmustern und Projektmanagement aus Ja / nein Hat eine zum Ratsuchenden passende Feldkompetenz aus dem beruflichen Kontext Ja / nein Verfügt über eigene Führungserfahrung (von mindestens drei Jahren) Ja / nein Ist erfahren in der beraterischen Unterstützung und Begleitung von Menschen Ja / nein Konzeptionelle und methodische Grundlagen

Hat ein ausformuliertes theoretisches Konzept Ja / nein

Verfügt über Techniken der Gesprächsführung und -gestaltung Ja / nein

Besitzt Kommunikationsfähigkeit Ja / nein

Greift auf ein umfangreiches Analyse- und Diagnoseinstrumentarium zurück Ja / nein Verfügt über methodische Problemlösetechniken und andere Unterstützungstechniken Ja / nein Kann Verhaltensspektren erweitern und angestrebte Verhaltensänderungen begleiten Ja / nein

Wendet Methoden der Selbstreflexion an Ja / nein

Persönliche und beziehungsorientierte Eigenschaften

Hat eine positive, sympathische und offene persönliche Ausstrahlung Ja / nein

Bringt Lebenserfahrung (gewisses Lebensalter) mit Ja / nein

Zeigt hohes Verantwortungsbewusstsein für den bevorstehenden Coaching-Prozess Ja / nein Seine Haltungen dem Ratsuchenden gegenüber sind geprägt von: einfühlendem Verstehen

(Empathie), Akzeptanz und positive Wertschätzung, Echtheit (Kongruenz) und Intentionalität (gemeinsame Willensbekundung)

Ja / nein

Ist diskret, zuverlässig und berechenbar Ja / nein

Ist kompetent, die Beziehung zum Ratsuchenden positiv zu gestalten Ja / nein Verfügt über Ausdauer, Mut, Risikobereitschaft und hohe Frustrationstoleranz Ja / nein Ermutigt zur Selbstverantwortung durch Hilfe zur Selbsthilfe Ja / nein Verhältnis der Anzahl der JA´s zu Anzahl der NEIN´s bzgl. der 21 Merkmale

Abb. 2.7.3-1: Checkliste zur Auswahl eines kompetenten Coaches

Die Checkliste21 bildet sozusagen die Schnittmenge und soll die Muss-Kriterien darstellen;

die einzelnen Merkmale werden dabei anhand der schlichten Ausprägung „ja“ oder „nein“

die einzelnen Merkmale werden dabei anhand der schlichten Ausprägung „ja“ oder „nein“