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1 Einleitung

2.8 Idealtypischer Ablauf von Coachingprozessen und –gesprächen

2.8.2 Beratungsschritte im Coaching-Prozess

Der gesamte Coaching-Prozess ist längerfristig angelegt; er dauert je nach Zielsetzung einen Monat (Huck, 1989, S. 419) oder auch sechs Jahre (Rückle, 1992, S.39). Looss (1991) ist

22 Eine umfangreiche allerdings schon etwas ältere Übersichtstabelle über die bis dahin und größtenteils heute noch bekanntesten Coaching-Ansätze von Bayer (1995), Brinkmann (1997), Hamann & Huber (1991), Huck (1989), Looss (1991), Rückle (1992), Schmidt (1995), Schreyögg (1998) Weiß (1993), Whitemore (1995) befindet sich in der Diplomarbeit von Rauen (1996).

allerdings der Ansicht, dass alle Anliegen, die nicht innerhalb von zehn Gesprächssitzungen gelöst werden können, in eine andere Interventionsform wie beispielsweise der Therapie gehören.

Der schematische Ablauf23 eines Coaching-Prozesses kann je nach Schwerpunktlegung variieren. Es gibt jedoch in der Literatur eine große Übereinstimmung bezüglich folgender Arbeitsschritte im Coaching-Prozess:

Wahrnehmung des Bedarfs auf seiten des Ratsuchenden

Der Ratsuchende nimmt längerfristig ein gewichtiges Problem wahr, das er nicht mehr allein lösen kann. Er gesteht sich diese Situation und den damit verbundenen Unterstützungs-bedarf ein und beginnt mit der Suche nach professioneller Unterstützung in Form von Beratung bzw. Coaching. Riedel (2003) nennt als entscheidende Voraussetzungen bei Ratsuchenden für einen Coaching-Prozess deren Bereitschaft und Fähigkeit zu Verän-derungen und deren Möglichkeit an Erfolgen und Positivem anzuknüpfen. Eine deprimierte hoffnungslose Person ohne positive Selbstattribution ist durch ein Coaching nicht zu erreichen24. Der Ratsuchende hat also ein begründetes Interesse an einer Beratungs-beziehung und er sucht diese freiwillig auf.

Suche eines Coaches als Teil des Klärungsprozesses für den Ratsuchenden

In dieser Suchphase können sehr viele Emotionen mitschwingen. Der Ratsuchende kann auf Verständnis und Unterstützung durch ein sympathisches und kompetentes Gegenüber hoffen. Er kann aber auch Zweifel haben, ob er sein Anliegen auch entsprechend formulieren und vorbringen kann.

Die Kontaktsuche läuft vielfach über informelle Kanäle. So werden beispielsweise gleich-wertigen Kollegen aus anderen Branchen befragt: „Ich fühle mich überfordert, kennst Du einen guten Coach, einen der weiterhelfen könnte?“ Erst die anhaltende Suche zeigt die langfristige Motivation des Ratsuchenden zur aktiven Mitarbeit an seiner Problemstellung.

Der erste Kontakt zu einem potentiellen Coach kommt nicht selten auf Grund persönlicher Empfehlungen oder Veröffentlichungen in der Fachpresse zustande. „Am leichtesten sind die dienstleistungsorientierten Coaches zu finden, deren Arbeitsfeld die verschiedenen positiven Lernwünsche von Führungskräften sind (...) am schwierigsten sind jene Coaches zu finden, die mit fortgeschrittenen personenzentrierten Befindlichkeitsstörungen von bereits einigem Reifegrad und dem damit einhergehenden hohen Veränderungswiderstand des Ratsuchenden arbeiten“ (Looss, 1991, S. 89). Die erste Kontaktaufnahme geschieht vielfach per Telefon, Email, Fax, schriftlich oder mündlich. Von der Wahrnehmung eines Coaching-Bedarfs beim Ratsuchenden bis hin zur tatsächlich ersten Kontaktaufnahme, können mehrere Wochen oder sogar Monate vergehen.

Kontakt- oder Erstgespräch

Das Kontaktgespräch dient zunächst zur Abklärung des Vertrauens und der gegenseitigen Akzeptanz. Die Voraussetzungen und Vorbedingungen für eine mögliche Zusammenarbeit

23 Ein übersichtlicher Coaching-Prozessablauf findet sich bei Rauen (2000, S. 173).

24 Kilburg (2000) zu Faktoren auf Coach- und Klienten-Seite, die zu negativen Coaching-Ergebnissen führen.

werden besprochen. Im Verlaufe dieses Erstgespräches werden die Grundlagen für die weitere Austauschbeziehung zwischen Coach und Ratsuchendem gelegt. Konnte im Erstgespräch keine Vertrauensbasis gefunden werden, endet der gemeinsame Lernprozess bereits an dieser Stelle.

Nach Ansicht von Schmidt (1995, S. 63) stellt sich das Vertrauen nur dann ein, wenn folgende Punkte im Erstgespräch geklärt werden:

• Die Erwartungen des Ratsuchenden müssen mit den realen Möglichkeiten des Coaches in Übereinstimmung gebracht werden.

• Die Werte und Werthaltungen des Ratsuchenden müssen mit den Werten und Werthaltungen des Coaches grundsätzlich vereinbar sein.

• Der Coach muss falsche Vorstellungen zurechtrücken, vor allem solche Vorstellungen, die in ihm lediglich den Macher sehen.

• Der Coach muss den individuellen und konzeptionellen Charakter von Coaching betonen: Jeder Coaching-Prozess ist einmalig und anders und muss jedesmal neu konzipiert und gestaltet werden.

• Zwischen Coach und Ratsuchendem wird ein Dienstleistungsvertrag abgeschlossen, der klar und eindeutig Rechte und Pflichten, die Treffpunkte, das Honorar25 und die ersten Termine festlegt.

• Am Ende des Erstgesprächs vereinbaren der Ratsuchende und der Coach den weiteren Verlauf des Coaching-Prozesses.

Darüber hinaus können im Kontaktgespräch bereits erste konkrete Problempunkte erörtert werden. Vor allem in krisenhaften Situationen kann es erforderlich sein, zunächst beim Ratsuchenden für Entlastung zu sorgen. In sogenannten „Cooling-Downs“ (Looss, 1991, S.

110) bietet der Coach zunächst Hilfe und Unterstützung an. Dies gibt dem Ratsuchenden außerdem die Möglichkeit zu prüfen, ob der Coach qualifiziert ist und ihn bei seinem Anliegen unterstützen kann. „Aus dem ersten Gespräch muss der Manager (...) mit einem intakten Ego hinausgehen. Das Gefühl anerkannt zu sein, aber noch wachsen zu können, muss vorherrschen“ (Waldroop & Butler, 1997, S. 14).

Hat der Ratsuchende nach dem ersten Kontakt mit dem Coach den Eindruck gewonnen, dass er akzeptiert wird und seine Anliegen vertraulich behandelt werden, so entwickelt sich ein Coaching-Prozess (Rauen, 1996, S. 121). Der Ort der Coaching-Gespräche sollte dabei von beiden Interaktionspartnern so gewählt werden, dass eine vertrauliche Atmosphäre entsprechend hergestellt werden kann (Brinkmann, 1997, S. 27). Für das Coaching-Gespräch sollte ausreichend Zeit zur Verfügung stehen. Außerdem sind Störungen wie Telefonate, Besuche oder andere Unterbrechungen zu vermeiden.

Schreyögg (1998, S. 215ff) empfiehlt für die Durchführung von Coachings die Beachtung folgender drei Aspekte:

• Die formale Sitzposition: Berater und Ratsuchender sitzen im 90ig-Grad-Winkel. Vorteil dieser Anordnung ist, dass der Gecoachte größere subjektive Freiheit empfindet. Er kann auch mal vom Berater weg sehen und andere Objekte anvisieren.

25 „Ein guter Coach verlangt im Schnitt 250 Euro pro Stunde bei einem Aufwand von 10 bis 15 Stunden“ (managermagazin 5/2002).

• Das Mobiliar soll maximale spannungsfreie Haltung ermöglichen. So begünstigen gut stützende Sitzmöbel eine Sitzposition, die tiefes und ruhiges Atmen ermöglicht. Ein dazwischen angeordneter Tisch wird meist als passend und nicht als Barriere erlebt, weil er den gewohnten Umgang in Lernsituationen und die Möglichkeit etwas zu notieren, widerspiegelt.

• Eine strukturierte und helle Raumgestaltung animieren den Ratsuchenden zu mehr Selbstverantwortlichkeit und Klarheit im Denken und Handeln.

Abschluss eines Coaching-Kontrakts

Der Kontrakt bildet die schriftliche Überprüfungsgrundlage sowohl während des laufenden Coaching-Prozesses als auch für die ausführliche Schlussauswertung (Rauen, 2003, S.

176). Looss (1997, S. 91) unterscheidet hierbei den formalen Vertrag und das Arbeits-bündnis. Der Vertrag regelt die Modalitäten der Leistungserbringung, Bezahlung, Risiko-verteilung und der Haftung. Der Beratungsvertrag kann darüber hinaus bereits Konflikt-regelungsmechanismen enthalten, nicht aber das Versprechen eines bestimmten Erfolges.

„Dies ist sinnvoll, weil die Herbeiführung eines etwaigen Erfolges ganz erheblich von der inneren Bereitschaft und Mitwirkung des Betroffenen abhängt“ (Looss, 1997, S. 92).

Der Vertrag sollte folgende Mindestbedingungen klären (Schreyögg, 1998, S. 308ff; Hauser, 1991, S. 218f; Rauen, 2003, S. 176):

• Anzahl, Dauer und Abstand der einzelnen Gesprächstermine,

• Gesamtdauer des Coachings;

• Orte, an denen das Coaching stattfindet,

• Beteiligte Personen

• Geheimhaltungspflicht,

• Höhe des Honorars und Aufwandsentschädigung für Spesen,

• Haftungsfragen,

• Art der Rechnungsstellung und Zahlungsweise (auch bei abgesagten Terminen);

Im Arbeitsbündnis werden eher die Spielregeln der gemeinsamen Klärungsarbeit beschrieben. Aspekte und Fragestellungen, die immer wieder in schriftlich formulierten Arbeitsbündnissen auftreten sind beispielsweise die groben Zielsetzungen des Coachings, Tabuzonen, das generelle Anliegen bzw. das zu bearbeitende Thema, Grenzen, Prognosen, die Festlegung der Machtverhältnisse, Befürchtungen, Vorannahmen oder Zeithorizonte (Looss, 1997, S. 94).

An dem schriftlich niedergelegten Arbeitsbündnis oder Kontrakt lassen sich im Laufe des Coaching-Prozesses Lernfortschritte ausmachen. Die Abmachungen können geändert und ergänzt werden. Zum Abschluss des Coaching-Prozesses kann unter Herannahme des Coaching-Kontraktes nochmals abschließend Bilanz der Zusammenarbeit gezogen werden.

Klärung der Ist-Situation; Zielbestimmung der Soll-Situation

Zu Beginn des Coaching-Prozesses wird üblicherweise die Ist-Situation aufgenommen. Die angestrebten Ziele werden formuliert und ein individueller Arbeitsplan wird festgelegt. Dabei werden der Ort und die Zeiträume, in denen die Coaching-Gespräche ablaufen, vom Ratsuchenden bestimmt.

Fortlaufende Gespräche

Im weiteren Verlauf des Coaching-Prozesses können folgende Arbeitsformen genutzt werden:

• Entlastung schaffen, auch als „Cooling-down“ (Looss, 1997, S. 106) bezeichnet: Der Ratsuchende äußert Betroffenheit und Emotionen sanktionsfrei.

• Aufräumen: Dies geschieht durch den Ratsuchenden selbst, in seinem Tempo und seiner Schrittfolge. Aufräumen bezieht sich auf alle mit dem Anlass und dem Thema der Beratung zusammenhängenden Dimensionen der Klientenrealität (Looss, 1997, S. 108ff). Durch die Aufräumarbeiten verändert sich beim Ratsuchenden die Sichtweise der Umwelt und auch die Personen im Beziehungsgefüge dieser Person reagieren irritiert, erfreut, verwundert, verärgert etc.

Begleitend zum Coaching-Prozess kann es Wechselwirkungen von Frustration und Erleichterung beim Gecoachten geben.

• Feedback: Dem Ratsuchenden wird wieder der Blick in den „sozialen Spiegel“ ermöglicht (Looss, 1997, S. 111).

• Instruktion und Training: Das Lernen des Gecoachten umfasst zum einen intellektuell das Aufnehmen von Sach- und Fachinformation und zum anderen die Verhaltensänderung.

Regelmäßige Überprüfung der Zielkategorien

In regelmäßigen Abständen wird Bilanz gezogen. Grundlage hierfür ist der zu Beginn des Coaching-Prozesses geschlossene Coaching-Kontrakt bzw. das Arbeitsbündnis.

Abschlussgespräch des Coaching-Prozesses

Sobald die angestrebten Ziele erreicht wurden, kann der Coaching-Prozess abgeschlossen werden.

Unabhängig davon, ob es sich um eine Einzel-Coaching oder ein Mitarbeiter-Coaching handelt, werden die oben beschriebenen Coaching-Prozessschritte durchlaufen. Ver-gleichend kann Brinkmann (1997, S. 62) herangezogen werden, der aus seiner bisherigen Coaching-Erfahrung folgende sechs aufeinander aufbauende Arbeitsschritte im Mitarbeiter-Coaching benennt:

• Einstieg in das Mitarbeiter-Coaching,

• Festlegung der Basis der Coaching-Beziehung,

• Problemdefinition,

• Zielsetzung und Vorgehenspläne,

• praktische Umsetzung und Erfolgskontrolle,

• Kontinuität und Festlegung neuer Problem- bzw. Veränderungsfelder.

Die von Brinkmann (1997) dargelegten Prozessschritte im Mitarbeiter-Coaching sind mit dem vorgestellten Ablauf eines individuellen Einzel-Coachings durchaus identisch.