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5.1.1 Stabilitätsstudie

Der experimentelle Teil dieser Arbeit besteht aus einer Stabilitätsstudie mit welcher der enzymatische Abbau des ACTHs im Vollblut bzw. im Plasma von Pferden untersucht wurde.

Ziel ist es, dass instabile Plasma-ACTH für den Probentransport bei Raumtemperatur zu stabilisieren. Zur Untersuchung standen Proben mit Normwerten und stark erhöhten ACTH-Werten. Mit den Proben beider Gruppen wurde gleichermaßen verfahren (Abb. 5, Seite 36).

Die vierundzwanzigstündige Lagerung entspricht dem Postweg der Proben bei Zusendung durch den Tierarzt ins Untersuchungslabor. Die Ergebnisse beider Gruppen weisen die gleichen Tendenzen auf und lassen die gleichen folgend dargestellten Aussagen und Schlussfolgerungen zu:

Nach Hegstad et al. (1990) hat eine vierwöchige und nach Kemppainen et al. (1994) eine viertägige Lagerung keine bedeutende Auswirkung auf die Immunoreaktivität des ACTHs, so dass die Konzentrationen der bei –22 °C gelagerten Proben als Ausgangswerte angesehen werden können. Danach müssen die voneinander abweichenden durchschnittlichen ACTH-Konzentrationen der bei –22 °C gelagerten Aprotinin versetzen Proben und der zusatzfreien Proben in beiden Gruppen auf den Versuchsaufbau zurückgeführt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Zeitspanne von der Blutentnahme bis zum Einfrieren den enzymatischen

Abbau des ACTHs in den nativen Blutproben ermöglicht, was in den unmittelbar nach der Entnahme mit Aprotinin versetzten Proben in sehr viel geringerem Umfang möglich ist.

Die durchschnittliche ACTH-Konzentration liegt in beiden Gruppen in den Aprotinin versetzten Proben bei allen drei Lagerungstemperaturen höher als in den zusatzfreien Proben.

Daraus wird ersichtlich, dass der Proteasenhemmer Aprotinin den enzymatischen Abbau des ACTHs verringert. In der Gruppe der gesunden Pferde ergeben sich bei den Lagerungstemperaturen –22 °C, +6 °C und +22 °C durchschnittliche Abbauraten des ACTHs von 7,21 %; 8,45 % und 5,62 %. Der durchschnittliche Abbau liegt hier bei allen drei Lagerungstemperaturen unter 10 %. In den Proben der Cushing-Pferde liegt der durchschnittliche Abbau des ACTHs bei 12,88 %; 11,73 % und 10,75 % und bleibt somit unter 15 %.

Eine geringe Lagerungstemperatur wirkt sich ähnlich stabilisierend auf die ACTH-Konzentration in den Proben aus wie der Zusatz von Aprotinin. In beiden Gruppen liegen die ACTH-Konzentrationen sowohl in den Aprotinin- als auch in den zusatzfreien Proben nach 24 Lagerung bei –22 °C höher als bei Raumtemperatur. Die Abbauraten liegen hier unter 10

% (Tab. 4 und Tab. 5, Seite 41).

Die Normwerte für equines ACTH (Tab. 1, Seite 17) werden je nach Untersuchungsmethode verschieden hoch angegeben, liegen aber insgesamt betrachtet in einem Rahmen zwischen 17,6 und 55,0 pg/ml. Der in dieser Studie ermittelte durchschnittliche ACTH-Wert in der Gruppe der gesunden Pferde (n= 21) liegt bei 20,7 pg/ml. Für Cushing-Pferde reichen die Angaben über durchschnittliche ACTH-Werte in der Literatur von 314 bis hin zu 13000 pg/ml. Die Cushing-Pferde dieser Studie zeigten im Durchschnitt ACTH-Werte von 255,7 pg/ml.

Weder für die Gruppe der eindeutig gesunden Pferde noch für die Cushing-Pferde würde der oben beschriebene Abbau von 10 % bzw. von 15 % die Diagnosestellung beeinflussen.

Jedoch würde sich ein Problem in der Diagnostik der Grenzfälle, bei Pferden mit ACTH-Werten zwischen 50,0 und 60.0 pg/ml, ergeben. Hier würde ein 10- 15% Abbau des ACTH unter Umständen das Bild verfälschen. Ein solcher Fall wäre zum Beispiel das Pferd Nr. 13 der Tab. 10, S.47. Hier lag neben den eindeutigen klinischen Symptomen und einem positiven Dexamethason-Suppressionstest ein mit 61,8 pg/ml nur ggr. erhöhter ACTH-Wert vor!

Aus diesen Daten ergeben sich folgende Konsequenzen für die Vorgehensweise der Probenentnahme unter Feldbedingungen: Um den enzymatischen Abbau des ACTHs so gering wie möglich zu halten, sollte der Blutentnahme der unmittelbare Zusatz von 500 IE Aprotinin / ml Blut folgen, und die Zentrifugation und das Einfrieren des Plasmas binnen 30-60 Minuten vollzogen sein. Wenn kein Aprotinin zur Verfügung steht sollte entsprechend mehr Wert auf die schnellstmögliche Zentrifugation und das Einfrieren des Plasmas gelegt werden. Der Versand zum Untersuchungslabor sollte in jedem Fall in einem Kühlkontainer unter Beilage eines Kühlmittels vorgenommen werden, während dies bei Aprotinin-Zusatz nicht nötig ist.

In der Diagnostik des equinen Cushing-Syndroms werden zahlreiche Verfahren, in der Regel endokrinologische Funktionsteste, hinsichtlich ihrer diagnostischen Aussagekraft unterschiedlich diskutiert, d.h. es kommt teilweise zu einer Überlappung der Werte gesunder und erkrankter Pferde. Nach Wilson et al. (1982), Orth und Nicholson (1982), Couëtil (1996), Froin et al. (1997;1998), van der Kolk (1993), und Thompson et al. (1995) ist mit der Bestimmung der Plasma-ACTH-Konzentration eine eindeutige Aussage über die Funktion der Pars intermedia der Hypophyse zu machen. Ein weiterer entscheidender Vorteil liegt bei dieser Methode in der einmaligen Probenentnahme. Während mit der Plasma-ACTH-Konzentration die Funktion der Pars intermedia der Hypophyse beurteilt werden kann, läßt die parallele Untersuchung mit dem Dexamethason-Suppressionstest eine Differenzierung zwischen adrenalem und hypophysärem Cushing zu (Froin et al. 1998). Wenn der ACTH-Wert eines Pferdes im Normbereich liegt, die Suppression des Cortisols aber unzureichend ist, kann man davon ausgehen, dass der Grund für die mangelhafte Suppression des Cortisols in der Nebennierenrinde in Form eines Nebennierenrinden-Tumors liegt (Froin et al. 1998).

Eine Entartung der Pars distalis der equinen Hypophyse wird in der Literatur nicht beschrieben. Froin et al. (1997) beschreiben die Inzidenz der adrenocorticalen Neoplasie beim Pferd als sehr gering, konnten aber in einem Fall durch die Plasma-ACTH-Bestimmung eine autonome Nebennierenrindenüberfunktion gegenüber einer Dysfunktion der Pars intermedia labordiagnostisch abgrenzen. Weiterhin gibt es in der Literatur vier gut dokumentierte Fälle einer primären adrenocorticalen Neoplasie, über die Raker and Fegley (1965), Evans et al.

(1968), Fix and Miller (1987) und van der Kolk et al. (1994) berichten. Van der Kolk et al.

2001 stellen einen Fall von equinem Cushing vor, der auf einer funktionellen adrenocorticalen Neubildung basiert. Er beschreibt die klinische Symptomatik mit anfallsartigem Appetit, allgemeiner Muskelatrophie, disproportionaler Fettablagerung, supraorbitalen Fettpolstern, verzögertem Fellwechsel, Hyperhidrosis, Lethargie und im fortgeschrittenem Stadium zusätzlich Polydipsie, Polyurie, Hufrehe und ausgeprägtem Hirsutismus. Labordiagnostisch lag eine Hyperglykämie, ein erhöhter Cortisol-Creatinin-Quotient und im weiteren ein erhöhter Cortisolwert vor. Demzufolge ist das klinische Erscheinungsbild dem des hypophysär bedingten Cushing-Syndroms sehr ähnlich bis identisch. Aus diesem Grund scheint es um so wichtiger durch eine geeignete Diagnostik beide Formen voneinander abzugrenzen, da im Falle des Hypophysen-unabhängigen Cushing-Syndroms eine Behandlung mit Dopaminagonisten wenig hilfreich wäre (Froin et al. 1998). Während Froin et al. (1998) eine Differenzierung anhand der parallelen Durchführung des Dexamethason-Suppressionstestes und der Plasma-ACTH-Bestimmung erzielen, gehen van der Kolk et al.

(2001) folgendermaßen vor: Sie differenzieren das hypophysär bedingte Cushing-Sydrom von einem funktionellen NNR-Tumor mittels eines ACTH-Stimulationstest und einer diagnostischen Behandlung mit dem Dopaminagonisten Bromocriptin. Zwar konnten sie den NNR-Tumor in dem aktuellen Fall durch eine Sektion beweisen, jedoch scheint nach eigener Erfahrung und nach Lage der Literatur (Dybdal et al. 1994) diese Vorgehensweise nicht schlüssig. Es erscheint nicht vorhersehbar, wie unterschiedliche NNR-Tumoren auf ACTH reagieren .

Aufgrund dieser beschriebenen Unstimmigkeiten und dem geringeren Aufwand bei der Plasma-ACTH-Bestimmung und dem Dexamethason-Suppressionstest scheinen die beiden genannten Verfahren eine sinnvolle Vorgehensweise in der Diagnostik des equinen Cushing-Syndroms zu sein.