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2. Public Private Partnerships

2.5 Verschiedene Realisierungsvarianten von PPP-Projekten

2.5.2 Vorstellung der einzelnen PPP-Modelle

2.5.2.1 Erwerbermodell

Beim ersten der betrachteten Vertragsmodelle handelt es sich um das sog.

Erwerbermodell. Es entspricht im internationalen Bereich dem DBOOT-Modell (Design, Built, Own, Operate, Transfer).184 Hierbei wird zwischen den beteilig-ten Parteien, also der öffentlichen Hand als Auftraggeber und einem privabeteilig-ten Unternehmen als Auftragnehmer ein Vertrag über Planung, Bau, Betrieb, Ver-wertung und Finanzierung eines PPP-Projektes abgeschlossen.185

Der Auftragnehmer übernimmt die Planung und in Funktion eines Generalunter-nehmers oder eines GeneralüberGeneralunter-nehmers den Bau des Objektes anhand der Vor-gaben des Auftraggebers. Der Auftraggeber nimmt die Leistung nach Fertigstel-lung zwingend ab und billigt damit die vertragsgerechte ErfülFertigstel-lung. In der an-schließenden Betriebsphase überlässt der Auftragnehmer dem Auftraggeber das Gebäude zur Nutzung, zeichnet sich allerdings für den Betrieb verantwortlich.

Ihm obliegen alle Facility Management Aufgaben einschließlich Instandhaltung und Instandsetzung für Dach und Fach. Insbesondere obliegt dem Privaten die Finanzierung des Projektes, zu dessen Zweck er Eigen- und/oder Fremdkapital aufbringen muss. Fremdkapital hat er dabei im eigenen Namen und auf eigene Rechnung aufzunehmen.

Der private Auftragnehmer tritt als Bauherr auf. Das zivilrechtliche Eigentum am betreffen-den Objekt liegt bis zum Ende der Betriebsphase und damit bis zum Vertrags-ende auf Seiten des Privaten. Am Ende der Vertragslaufzeit schließlich wandert das zivilrechtliche Eigentum vom Auftragnehmer zum öffentlichen Auftrag-geber.

Über die Betriebsphase des Gebäudes schuldet der Auftraggeber dem Aufrag-nehmer ein periodisches Entgelt, das alle Aufwendungen - also Planungs-, Bau-, Betriebs-, Finanzierungs-, Verwertungs- und Risikokosten - und Gewinnan-sprüche des Privaten deckt.

Der Auftragnehmer übernimmt mit seiner eigenen Planung anhand der funk-tionalen Leistungsbeschreibung des Auftraggebers die Planungs- und

182 Auf das Energiesparcontracting wird aufgrund seiner fehlenden Anwendung in der Praxis und der daraus folgenden Irrelevanz nicht weiter eingegangen.

183 Für eine Übersicht über die einzelnen Vertragsmodelle vgl. Weber/Alfen/Maser (2006); S.

65 ff.; BMVBW (2003a), S. 90 ff.; Finanzministerium NRW (2005), S. 14.

184 Vgl. Weber/Alfen/Maser (2006), S. 61.

185 Vgl. zum Erwerbermodell ausführlich BMVBW (2003b), S. 76 ff.

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ken, insbesondere alle Folgekosten aus (seinen) fehlerhaften oder ungenügenden Planungsleistungen, allerdings nicht die Risiken des Schadens resultierend aus höherer Gewalt oder Änderungswünschen des Auftraggebers.186

Mit Abnahme der Leistung durch den öffentlichen Auftraggeber zu Beginn der Nutzungsphase geht die allgemeine Sach- und Preisgefahr, vor allem die Gefahr des zufälligen Unterganges und der Verschlechterung des Objektes auf diesen über.187 Zusätzlich tritt eine Beweislastumkehr bzgl. auftretender Mängel ein, d.h., die Beweislast liegt nun nicht mehr beim Auftragnehmer, sondern beim Auftraggeber.188

Die Laufzeit der Verträge ist langfristig, da aufgrund der Langlebigkeit des Wirtschaftsgutes Planungssicherheit verlangt wird. Laufzeiten von 25 bis 30 Jahren können hier als Standard vorausgesetzt werden. Während der Vertrags-laufzeit ist der Vertrag regelmäßig unkündbar, da sein Zweck in der Übertra-gung des zivilrechtlichen Eigentums am Ende der Laufzeit liegt.

Gleichsam beginnt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche.

Das Finanzierungsrisiko liegt i.d.R. bis auf das allgemeine Preisrisiko (Inflation) und das aufgrund gesetzlicher Änderungen beim privaten Auftragnehmer. Da ein Eigentumsübergang am Ende der Vertragslaufzeit weg vom Auftragnehmer hin zum Auftraggeber vertraglich vereinbart ist, liegt schließlich das Verwer-tungsrisiko, also eine wirtschaftlich weiterhin sinnvolle Nutzung des Objektes, beim Auftraggeber. Mit der vollständigen Zahlung des vereinbarten Entgeltes über die Vertragslaufzeit enden die Betriebs- und Instandhaltungspflichten des privaten Auftragnehmers, und das zivilrechtliche Eigentum geht auf den öffent-lichen Auftraggeber über.

Der öffentliche Auftraggeber zahlt dem privaten Auftragnehmer i.d.R. monat-lich ein zuvor fest vereinbartes Entgelt, welches sich in die Bestandteile einer jährlichen Annuität für Gebäude, Grundstück und Finanzierungskosten sowie eines vereinbarten Entgeltes für Facility Management und weitere Dienst- und Betreiberleistungen aufgliedern lässt.

Ist der Auftraggeber Eigentümer des betreffenden Grundstücks und bleibt es auch, so besteht die Möglichkeit, dem privaten Auftragnehmer ein Erbbaurecht gem. § 1 Abs. 1 ErbbauVO einzuräumen. Ein Gebäudeeigentum des Auftrag-nehmers auf dem Grundstückseigentum des Auftraggebers als Scheinbestandteil des Grundstückes gem. § 95 BGB scheidet indes aus, da aufgrund des

186 Vgl. zur hier vorgestellten Risikoverteilung BMVBW (2003b), S. 79 ff.

187 Vgl. zum Gefahr- und Lastenübergang § 446 BGB; ggf. schließen die Vertragsparteien einen Gefahrenübergang mit der Abnahme im Rahmen einer einheitlichen Gesamtleistung allerdings aus; vgl. BMVBW (2003b), S. 81.

188 Vgl. Weidenkaff (2009), § 446, Rn. 4.

39 barten Eigentumsübergangs am Ende der Vertragslaufzeit ein temporärer Zweck de facto ausgeschlossen ist.189

Das Erwerbermodell kommt einem Ratenkauf gleich, da dem Auftraggeber be-reits vor vollständiger Zahlung das Recht der Nutzung des Kaufgegenstandes eingeräumt wird.190 Anstelle einer ratenweisen Zahlung des Kaufpreises können die Parteien auch vereinbaren, dass der Entgeltbestandteil, der für das Gebäude, Grundstück und deren Finanzierung anfallen, als Darlehen geschuldet wird.191 Eine Rückzahlung erfolgt dann gespaltet in Tilgung und Zinsen. Juristisch han-delt es sich dabei um eine Umwandlung der Gegenleistungspflicht des Auftrag-gebers in Form der Zahlung des Kaufpreises in eine Rückzahlungspflicht gem.

§ 488 Abs. 1 BGB („Vereinbarungsdarlehen“), wobei die sich aus dem Kauf-vertrag ergebenden Einwendungen und Sicherungsrechte Bestand halten.192

Das Erwerbermodell kann auch als Mietvertrag mit Ankaufsrecht, also als sog.

Mietkauf

dem kommt beim Erwerbermodell oftmals die Forfaitierung mit Einwendungs- Zu-und Einredeverzicht zur Anwendung.

193 gestaltet werden. Dem Mieter wird dabei die Option eingeräumt, das Mietobjekt bei Bedarf zu erwerben. Wesentlicher Unterschied zwischen Miet-kauf und RatenMiet-kauf ist, dass beim RatenMiet-kauf der Kaufvertragsteil unbedingt ab-geschlossen wird.194 Übt der Mieter im Rahmen des Mietkaufs die Kaufoption aus, werden die bereits erfolgten Mietzahlungen - teilweise oder vollständig - auf den künftig fälligen Kaufpreis angerechnet.195 Verzichtet der Mieter auf die Kaufoption, verfällt hingegen sein durch die Miete angesparter Kaufpreisanteil, womit ein wirtschaftlicher Druck auf ihn ausgeübt wird, welcher im Zeitverlauf durch den wachsenden vom Kaufpreis abzuziehenden Betrag sukzessiv erhöht wird.196

Im Gegensatz zu einer phasenweisen Differenzierung im Rahmen eines einheit-lichen Vertragswerkes, welche eine steuerliche, haushälterische und operative

189 Da sich die Einräumung eines Erbbaurechts aufgrund seiner steuerlichen Nachteile nicht anbietet, wird es im weiteren Verlauf dieser Arbeit ausgeblendet. Vgl. zu den steuerlichen Nachteilen Littwin/Schöne (2006), Rn. 31.

190 Vgl. Jonas (2007), S. 13.

191 Vgl. BMVBW (2003b), S. 87.

192 Auch wenn die explizite Regelung zum Vereinbarungsdarlehen mit dem Schuldrechts-modernisierungsgesetz beseitigt wurde, bleibt eine solche Umwandlung nach den genann-ten Grundsätzen gem. § 311 Abs. 1 BGB weiterhin möglich; vgl. Weidenkaff (2009),

§ 488 BGB, Rn. 27.

193 Vgl. Weidenkaff (2009), vor § 535 BGB, Rn. 30.

194 Vgl. Hügel (2006), Teil A, Rn. 11; Brambring (2006), A I, Rn. 345.

195 Vgl. BGH, NJW 1987, S. 1069; BGH, WM 1990, S. 1307; Weidenkaff (2009), vor § 535 BGB, Rn. 30.

196 Vgl. Hügel (2006), Teil A, Rn. 9.

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Optimierung sowie ggf. die Kündigung einzelner Bausteine ermöglicht, kann sich der Vertrag auch auf eine einheitliche Gesamtleistung beschränken.197

PPP-Verträge sind komplexer Natur und beinhalten i.d.R. eine Vielzahl unter-schiedlicher Vertragstypen, welche die wechselseitigen Leistungspflichten und ihr Verhältnis zueinander koordinieren. Beim Eigentümermodell handelt es sich um einen Typenkombinationsvertrag: Es enthält eine Vielzahl unterschiedlicher Leistungselemente, die allerdings von den beteiligten Parteien in einer Gesamt-heit vereinbart werden.

Dies bedeutet, dass die Vertragsleistung einem einheitlichen Vergütungs- und Be-endigungsregime unterstellt wird. Die Vertragsleistung würde in diesem Fall

„Bereitstellung einer betriebenen Immobilie über die Vertragslaufzeit und an-schließender Eigentumsübertrag“ lauten. In Konsequenz würde u.a. keine Ab-nahme von Bauleistungen durch den öffentlichen Auftraggeber stattfinden, gleichsam damit auch kein Übergang der Sach- und Preisgefahr eintreten. Ferner wäre eine Aufspaltung des Entgelts in verschiedene Bestandteile und eine ent-sprechende Zuordnung zu einzelnen Leistungsphasen unmöglich.

198 Dabei ist auf jedes Element das Recht des ihm durch die Parteien zugewiesenen gesetzlichen Vertragsregimes anzuwenden; ist eine Zuordnung nicht möglich, findet das Vertragsregime Anwendung, dessen ty-pische Merkmale den juristischen und wirtschaftlichen Schwerpunkt der Ver-tragsvereinbarung bilden.199 Findet hingegen keine Differenzierung in die unter-schiedlichen Leistungsphasen statt und wird anstelle dessen auf eine einheitliche Vertragsleistung abgestellt, so sollte ein „Typenverschmelzungsvertrag“ vor-liegen, d.h., eine vertragliche Leistung beinhaltet Merkmale verschiedener ge-setzlicher Vertragstypen.200 Nach dem Absorptionsprinzip findet dann das Recht jenes Vertragstyps Anwendung, der alle Elemente beinhaltet. Abweichend da-von können nach der Kombinationstheorie auf einzelne Vertragsbestandteile Regelungen eines anderen Vertragstyps Anwendung finden, was bei einem PPP-Vertrag regelmäßig der Fall sein sollte.201

Auf die Planungsleistungen findet im Erwerbermodell Werkvertragsrecht gem.

§§ 631 ff. BGB Anwendung, ebenso auf die Bauleistung (ggf. erweitert durch das Auftragsrecht gem. § 675 BGB), und zwar unabhängig davon, ob der Auf-tragnehmer als Generalunternehmer oder Generalübernehmer auftritt.202

197 Vgl. BMVBW (2003b), S. 87 f.

Wäh-rend der Betriebsphase findet auf die Nutzung durch den Auftraggeber

Kauf-198 Vgl. Grüneberg (2008), vor § 311 BGB, Rn. 21.

199 Vgl. BGH, NJW 1981, S. 342; NJW 1995, S. 326; Grüneberg (2008), vor § 311 BGB, Rn. 24 f.

200 Vgl. Grüneberg (2008), vor § 311 BGB, Rn. 23.

201 Vgl. Grüneberg (2008), vor § 311 BGB, Rn. 24 u. 25 bzw. BMVBW (2003b), S. 90.

202 Vgl. hierzu und zum Folgenden BMVBW (2003b), S. 90 ff.

41 vertragsrecht gem. § 433 ff. BGB Anwendung: Die Übergabe des Gebäudes unter Eigentumsvorbehalt an den Auftraggeber zur Nutzung durch diesen mit Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums am Ende der Nutzungsphase ent-spricht den Pflichten eines Verkäufers im Rahmen eines Ratenkaufs.203 Damit liegt während der Betriebsphase explizit kein Gebrauchsüberlassungsverhältnis in Form von Miete oder Pacht vor.204 Auf die Leistungen des Facility Manage-ments und die weiteren Dienstleistungen des Privaten findet indes Dienst- oder Werksvertragsrecht gem. §§ 611 ff. bzw. §§ 631 ff. BGB Anwendung. Die Ent-geltbestandteile für Erwerb und Finanzierung des Objektes unterliegen dem Kaufvertragsrecht (§§ 433 ff. BGB). Rechtsdogmatisch handelt es sich bei der ratenweisen Zahlung durch den öffentlichen Auftraggeber um einen Kredit-vertrag.205 Das BGB enthält indes gem. § 499 BGB nur Vertragsregelungen für einen Kredit zwischen Unternehmen (§ 14 BGB) und Verbrauchern (§ 13 BGB), nicht jedoch für einen öffentlichen Vertragspartner, womit diese somit nicht zur Anwendung kommen. Dies ändert jedoch nichts an der rechtsdogmatischen Ein-ordnung als Kreditvertrag, sofern nicht durch die Parteien explizit ein Verein-barungsdarlehen gem. §§ 488 ff. BGB begründet wird.206

Der Mietkauf weist Verwandtschaft zum Ratenzahlungskauf auf, beide sind Ty-pen von Kreditkäufen.

Die Vorfinanzierung der Leistung durch den Privaten wird indes vertraglich nicht fixiert. Die Entgelt-bestandteile für das Facility Management und die sonstigen Dienstleistungen des Auftragnehmers sind daneben dem Werkvertrags- oder Dienstvertragsrecht zu-zuordnen (§§ 631 ff. BGB bzw. §§ 611 ff. BGB). Die Übertragung des Eigen-tums am Ende der Vertragslaufzeit fällt schließlich unter das Kaufvertragsrecht,

§§ 433 ff. BGB.

207 Es handelt sich um einen Mietvertrag nach §§ 535 ff.

BGB in Kombination mit einem bedingten Kaufvertrag nach §§ 433 ff. BGB.208 Miet- und Kaufrecht kommen jeweils getrennt zur Anwendung, Kaufrecht nur auf den Teil des Vertrages, der den Erwerb betrifft.209 Dies ist dadurch bedingt, dass während der Mietphase die Ausübung der Kaufoption noch nicht als sicher gilt.210

203 Vgl. auch Jonas (2007), S. 13.

Daher liegt kein gemischter Vertrag vor, vielmehr sind die Verträge

an-204 Beim Mietvertrag zahlt der Mieter ein Entgelt zur Nutzung der Mietsache, nicht zu deren Erwerb. Somit liegt bei einem Mietverhältnis nur eine schuldrechtliche Nutzungsberech-tigung des Mieters vor, allerdings kein Anspruch auf Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums.

205 Vgl. Weidenkaff (2009), vor § 433 BGB, Rn. 7.

206 Vgl. BMVBW (2003b), S. 93.

207 Vgl. Hügel (2006), Teil A, Rn. 7.

208 Vgl. BFH, Urteil vom 12.9.1991, III R 233/90, BStBl. II 1992, S. 182.

209 Vgl. Weidenkaff (2009), vor § 535 BGB, Rn. 30.

210 Vgl. Hügel (2006), Teil A, Rn. 8.

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einander gekoppelt:211 Bis zur Ausübung einer Kaufoption findet nur Mietrecht Anwendung, bei Ausübung einer Kaufoption Kaufrecht.212 Auch der Mietkauf-vertrag ist wie der Vertrag über eine einheitliche Gesamtleistung als Vertrag sui generis zu werten.213

Das Erwerbermodell eignet sich grundsätzlich für alle Neubauvorhaben, bei denen der öffentliche Auftraggeber während der Betriebsphase nicht Eigentümer des Gebäudes ist oder werden will, das Eigentum jedoch am Ende der Betriebs-phase erwerben möchte.214